Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.12.1998, Az.: 11 TaBV 45/98

Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung nach dem Lohn- und Gehaltstarifvertrag der Beton- und Fertigteilindustrie

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
07.12.1998
Aktenzeichen
11 TaBV 45/98
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 15974
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:1207.11TABV45.98.0A

In dem Beschlußverfahren
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
aufgrund der Anhörung am 07.12.98
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Nienburg vom 02.04.1998 - 2 BV 19/97 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Tatbestand

1

I.

Die Antragstellerin begehrt die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Umgruppierung ihrer Arbeitnehmer nach dem Lohn- und Gehaltstarif vertrag der Beton- und Fertigteilindustrie.

2

Die Antragsstellerin betreibt in ... ein Beton-Fertigteil-Werk. Sie stellt überwiegend auftragsbezogene individuelle Fertigteile aus Beton her. Die Betonfertigteile werden entsprechend der Vorgaben der Auftraggebers konstruiert und sodann gefertig. Mit den Auftraggebern schließt die Antragsstellerin Werklieferungsverträge ab. Die Montage der Fertigteile erfolgte ursprünglich auf der Baustelle durch eigene Arbeitnehmer der Antragsstellerin. Von 1995 noch mit der Montage beschäftigte 28 Mitarbeiter ist die Montage-Kolonne 1997 auf 6 Mitarbeiter reduziert worden. Die Montage wird nunmehr überwiegend durch Subunternehmer durchgeführt.

3

Seit dem 01.04.1997 wurden von 40.354 produzierten Tonnen 28,2 % durch eigene Montagearbeiter der Antragsstellerin auf den Baustellen montiert, 61,4 % durch Subunternehmer und 10,4 % der produzierten Tonnage wurden ohne Montage geliefert. Neben der auftragsbezogenen individuellen Fertigung produziert die Antragstellerin vom 01.04. bis 31.12.1997 Fertigteilgaragen in einer Gesamt-Tonnage von 4.105 Tonnen, deren Montage und Aufstellung durch eine externe Montagegesellschaft erfolgt.

4

Bei der Fremdmontage schließt die Antragstellerin Werklieferungsverträge mit Endabnehmern ab. Das Eigentum an den Fertigteilen geht nicht an die Subunternehmer, sondern nach der Montage und der Bezahlung des Gesamtwerks auf die Endabnehmer über. Bis zur schlüsselfertigen Übergabe der Bauwerke bleibt die Antragstellerin Eigentümerin der selbst hergestellten und in diesen Bauwerken durch Subunternehmer eingebauten Fertigteile. Die Montage wird überwacht durch einen Mitarbeiter der Antragstellerin.

5

Bis zum 31.12.1996 war die Antragstellerin Mitglied im Verband der Bauindustrie in Niedersachsen. Sie hat die Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt gekündigt. Ab 01.04.1997 ist sie Mitglied im Verband der Beton- und Fertigteilindustrie Nord e. V.. Seit diesem Zeitpunkt wendet sie auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Mitarbeiter die Tarife der Beton- und Fertigteilindustrie Nord an. Sie hat die Mitarbeiter umgruppiert in die Lohn- und Gehaltsgruppen der Lohn- und Gehaltstarife für die Beton- und Fertigteilindustrie Nord.

6

Die Antragstellerin leitete zunächst am 04.03.1997 das Verfahren gegenüber dem Antragsgegner ein. Die Zustimmungsverweigerung hielt die ... Antragstellerin für unbeachtlich. In dem Verfahren 1 BV 5/97, ArbG. Nienburg, wurde die Antragstellerin verpflichtet, die Zustimmung des Arntragsgegners zu den Umgruppierungen einzuholen und ggfs. vor dem Arbeitsgericht ersetzen zu lassen. Mit Schreiben vom 04.09.1997 beantragte die Antragstellerin erneut die Zustimmung zu den Umgruppierungen. Mit Schreiben vom 10.09.1997 verweigerte der Antragsgegner die Zustimmung unter Bezugnahme auf § 99 II Ziff. 1 und 4 BetrVG und rügte zudem die Unvollständigkeit der Unterlagen. Nachdem die Antragstellerin mit Schreiben vom 17.09.1997 um Benennung der fehlenden Unterlagen bat, erklärte der Antragsgegner mit Schreiben vom 23.09.1997 den Verzicht auf weitere Unterlagen.

7

Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, daß seit 01.04.1997 die Tarifverträge der Beton- und Fertigteilindustrie Anwendung fänden. Sie meint, sie unterfalle dem Baugewerbe deshalb nicht, weil sie die Montage der Beton- und Fertigteile überwiegend nicht selbst, sondern durch Subunternehmer vollziehen lasse. Die Zustimmungsverweigerung durch den Antragsgegner sei unbegründet und daher zu ersetzen.

8

Die Antragstellerin hat beantragt,

die vom Antragsgegner verweigerte Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiter zu ersetzen.

9

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

10

Der Antragsgegner vertritt die Auffassung, daß der Betrieb der Antragstellerin nach wie vor vom Geltungsbereich der Tarifverträge für das Bauhauptgewerbe erfaßt werde. Deshalb habe er die von der Antragstellerin begehrte Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiter zu Recht verweigert.

11

Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiter in die entsprechenden Lohn und Gehaltsgruppen ersetzt. Es hat sich der Auffassung der Antragstellerin angeschlossen, daß durch die Änderung des Betriebszweckes in Form der Einschaltung von Subunternehmern die Antragstellerin aus dem betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 des Rahmentarifvertrages für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes herausgewachsen ist und die Eingruppierung der Arbeitnehmer der Antragstellerin nicht gegen die Tarifverträge des Bauhauptgewerbes verstoße.

12

Der Antragsgegner hat gegen den ihm am 27.04.1998 zugestellten Beschluß am 27.05.1998 Beschwerde eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 22.07.1998 am 17.07.1998 begründet.

13

Er ist der Auffassung, die Tarifverträge des Bauhauptgewerbes seien weiter anzuwenden. Es sei unerheblich, ob die Antragstellerin die zu erstellenden Werke aufgrund von Werkverträgen mit eigenen Mitarbeitern oder durch Subunternehmen erstellen lasse. Es sei die Antragstellerin, die dem Kunden das fertige Werk schulde. Insoweit verfüge die Antragstellerin auch über 6 Bauleiter, 4 Poliere und 2 Facharbeiter, die sowohl bei der Eigenmontage von Fertigbetonteilen alsauch zur Überwachung derjenigen Baustellen eingesetzt würden, auf denen Subunternehmer im Auftrag der Antragstellerin tätig seien. Es fände daher nicht ein Veräußern von hergestellten Teilen an nichtbeteiligte Dritte statt. Die Antragstellerin veräußere gerade nicht an unbeteiligte Dritte, sondern an Kunden. Anwendbar sei der Tarifvertrag des Betonsteingewerbes nur dann, wenn die Betonfertigteile für den "anonymen Markt" produziert würden. Die von der Antragstellerin beabsichtigte Eingruppierung verstoße daher gegen Tarifverträge. Die Zustimmung dazu habe er zu Recht verweigert.

14

Der Antragsgegner und Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluß des Arbeitsgerichts Nienburg abzuändern und nach den Schlußanträgen 1. Instanz zu erkennen.

15

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

16

Sie verteidigt den angefochtenen Beschluß. Sie ist der Auffassung, die Fremdmontage durch Subunternehmer, die zu mehr als 50 % der Gesamtmenge erfolge, falle entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht unter den Geltungsbereich der Tarifverträge des Bauhauptgewerbes, sondern unter die Gehaltstarifverträge für die Arbeiter und Angestellten des Betonsteingewerbes Morddeutschland vom 14.09.1993. Die Neueingruppierung verstoße nicht gegen Tarifverträge. Die Zustimmung zur Eingruppierung sei zutreffend ersetzt worden.

Gründe

17

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch insgesamt zulässige Beschwerde konnte keinen Erfolg haben.

18

Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiter der Antragstellerin ersetzt.

19

Die Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiter der Antragstellerin war gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen, denn ein Verstoß gegen die Tarifverträge der Bauindustrie (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG) ist nicht gegeben. Die Antragstellerin wendet ab dem 01.04.1997 zu Recht nicht mehr die Tarifverträge des Bauhauptgewerbes sondern die Tarifverträge für die Beton- und Fertigteilindustrie an, so daß der vom Betriebsrat angeführte Zustimmungsverweigerungsgrund nicht gegeben ist.

20

Die Antragstellerin unterfällt mit ihrem Fertigteilwerk in ... seit dem 01.04.1997 nicht mehr dem fachlichen Geltungsbereich der Bautarife.

21

Nach der Tarifsystematik des betrieblichen Geltungsbereichs sowohl des Rahmen- wie auch des Gehalttarifvertrages für die Angestellten im Baugewerbe gehören Betriebe dann zum Baugewerbe, wenn sie unter die Abschnitte 1-4 des § 1 fallen. Nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 13 BRTV für das Baugewerbe gehören zu den in den Abschnitten I - III genannten Betrieben diejenigen, in denen folgende Arbeiten ausgeführt werden:

"Fertigbauarbeiten Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken; ferner das Herstellen von Fertigbauteilen, wenn diese zum überwiegenden Teil durch den Betrieb, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmens Zusammenschlüssen - unbeschadet der gewählten Rechts form - durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt oder eingebaut werden."

22

Dagegen werden von dem fachlichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 des Rahmentarifvertrages des Betonsteingewerbe Nord-West-Deutschlands vom 14.10.1993, der maßgeblich für die Lohn- und Gehaltstarive ist, erfaßt:

23

"Beton- und Betonfertigteilwerke".

  1. 1.

    Hierunter fallen alle industriellen und handwerklichen Betriebe, die Betonwaren, Stahlbetonwaren, Porenbetonerzeugnisse, Betonwerkstein und Betonfertigbauteile aller Art. stationär herstellen und diese zum überwiegenden Teil an nicht beteiligte Dritte veräußern.

  2. 2.

    Werden die hergestellten Fertigbauteile dagegen zum überwiegenden Teil durch den Herstellbetrieb selbst, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von ... Unternehmenszusammenschlüssen - unbeschadet der gewählten Rechtsform - durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken zusammengefügt oder eingebaut (Fertigteilherstellung im Baubetrieb gem. § 1 Abs. V Ziff. 12 des BRTV Bau) so fällt der herstellende Betrieb nur dann unter diesen Tarifvertrag, wenn er Mitglied eines der vertragschließenden Verbände ist und entweder

    1. 1.

      bereits am 01.05.1974 dort Mitglied war oder

    2. 2.

      nach dem 01.05.1974 als Niederlassung eines gemäß 1.) ausgenommenen Verbandsmitglieds gegründet worden ist und sich mit seiner Betriebstätigkeit der Art. nach im Rahmen der Betriebstätigkeit des Stammbetriebs hält oder

    3. 3.

      nach dem 01.05.1974 gegründet und vor Ablauf eines Jahres nach der Produktionsaufnahme Mitglied eines der vertragsschließenden Verbände geworden ist, ohne zuvor die Mitgliedschaft in einem Verband des Baugewerbes erworben zu haben.

24

Ein Betrieb wird trotz Vorliegens der unter 1) bis 3) genannten Voraussetzungen nicht von diesem Tarifvertrag erfaßt, wenn er

  1. 1.

    vor dem 01.05.1974 zugleich Mitglied in einem Verband des Baugewerbes war und am 01.05.1974 die Rahmen- und Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes für die Mehrzahl seiner Arbeitnehmer angewendet hat oder

  2. 2.

    nach dem 01.05.1974 Mitglied in einem Verband des Baugewerbes geworden ist und die Rahmen- und Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes für die Mehrzahl seiner Arbeitnehmer anwendet.

25

Als Betriebe gelten auch selbständige Betriebsabteilungen."

26

Grundsätzlich folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetz geltenden Regeln. Zunächst ist anhand des Tarifwortlauts der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen, ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien nur mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BAG in AP Nr. 117 und 121 zu § 1 TVG Auslegung). Weitere Auslegungskriterien, wie Tarifgeschichte, Tarif Übung, Entstehungsgeschichte sowie der verfolgte Zweck sind heranzuziehen, wenn der Wortlaut nicht eindeutig und der Auslegung zugänglich ist. Derjenigen Tarifauslegung gebührt im Zweifel der Vorrang, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG in AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge Großhandel).

27

Nach Ziffer 13 Satz 1 zweiter Halbsatz muß der Betrieb, der Fertigbauteile herstellt, wenn er den Bautarifvertrag unterfallen soll, mit den von ihm hergestellten Fertigbauteilen überwiegend entweder selbst ein Bauwerk erstellen oder sie in ein Bauwerk einbauen. Gleichgesetzt wird der Fall, daß das Bauwerk von einem anderen Betrieb desselben Unternehmens öder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt oder eingebaut wird. Dies ist im Betrieb der Antragstellerin, nachdem sie ihre Montageabteilung abgeschmolzen und die Montageaufträge an eigenständige Subunternehmer vergeben hat, nicht mehr der Fall.

28

Unstreitig gehören die Subunternehmer, die von der Antragstellerin gelieferte Fertigteile zu einem Bauwerk zusammenfügen, nicht zum Betrieb der Antragstellerin. Sie gehören auch nicht einem anderen Betrieb desselben Unternehmens oder einem Unternehmensverbund der Antragstellerin an. Die Montagearbeiten der eigenständigen Subunternehmer sind der Antragstellerin auch nicht als eigenständige Montageleistungen zuzurechnen.

29

Die Antragstellerin fügt mit den von ihr hergestellten Fertigteilen kein Bauwerk im Tarifsinn zusammen. Sie bedient sich zwar im Rahmen von Werklieferungsverträgen der Subunternehmer. Sie überträgt aber nicht diesen, sondern den Endabnehmern das Eigentum an den Fertigbauteilen. Der Subunternehmer ist Erfüllungsgehilfe der Antragstellerin gegenüber dem Endabnehmer und haftet ihr gegenüber und nicht gegenüber dem Endabnehmer für die fachliche Ausführung der Arbeiten. Damit ist allein der Subunternehmer ein Baubetrieb im Sinne des Rahmentarifvertrages Bau, nicht jedoch die Antragstellerin, die nicht selbst, bzw. durch unternehmens- oder unternehmensverbandsangehörige Betriebe die von ihr hergestellten Fertigteile zusammenfügt.

30

Nach dem Wortlaut und dem Sinn der Ziff. 13 Satz 1 zweiter Halbsatz kommt es allein darauf an, ob von dem Betrieb selbst, bzw. von einem Betrieb des gleichen Unternehmens bzw. des Unternehmerverbandes ein Bauwerk mit Hilfe der selbst hergestellten Fertigbauteile zusammengefügt oder eingebaut wird. Nur unter diesen Voraussetzungen kann aufgrund der baulichen Arbeiten von einem Baubetrieb gesprochen werden. Dabei ist es tarifrechtlich ohne Belang, ob das Eigentum an den Fertigteilen direkt von der Antragstellerin an den Endabnehmer oder ob ein Zwischenerwerb durch einen Subunternehmer erfolgt. Auch in welcher Weise das Eigentum von der Antragstellerin auf den Endabnehmer übergeht, ist für die Abgrenzung, ob ein Baubetrieb im Sinne der Ziffer 13 vorliegt, ohne Bedeutung (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 08.05.1998 - 10 Sa 2047/97).

31

Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch ausgeführt, daß die Abgrenzung in Ziffer 13 Satz 1 zweiter Halbsatz zeigt, daß die Tarifvertragsparteien das Problem erkannt haben, daß das Fertigbauteil nicht vom Hersteller selbst, sondern von anderen Betrieben eingebaut wird. Dabei war den Tarifvertragsparteien auch bekannt, daß es sich dabei um eigenständige Subunternehmer handeln kann. Dennoch haben die Tarifvertragsparteien hinsichtlich des Geltungsbereichs des Bautarifvertrages von anderen Betrieben erbrachten Bauleistungen nur dann dem Herstellungsbetrieb zugeordnet, wenn es sich um Betriebe handelt, die mit dem Hersteller der Fertigteile dem selben Unternehmen oder einem Unternehmensverband angehören, wobei es ausreichend ist, wenn das Zusammenfügen und Einbauen durch einen Betrieb erfolgt, der mindestens einem der beteiligten Gesellschafter gehört. Aus der Tatsache, daß die Tarifvertragsparteien die ihnen damals schon bekannten Subunternehmer nicht erwähnt haben, sondern lediglich auf Unternehmensbeteiligungen abgestellt haben, kann nur der Schluß gezogen werden, daß Bauleistungen von Unternehmens fremden Subunternehmern dem Herstellungsbetrieb nicht zuzurechnen sind.

32

Es kann dahingestellt bleiben, ob die von den Subunternehmern erbrachten Leistungen der Antragstellerin zuzurechnen wären, wenn sie die von den Subunternehmen eingesetzten Arbeitnehmer einweisen, überwachen und kontrollieren würde, denn dies ist unstreitig nicht der Fall.

33

Die Antragstellerin weist die von den Subunternehmern eingesetzten Arbeitnehmer nicht ein, überwacht und kontrolliert sie nicht. Der von der Antragstellerin auf den Baustellen eingesetzte Bauleiter hat nur dafür Sorge zu tragen, daß der Subunternehmer seinen Auftrag ordnungsgemäß erfüllt. Der Bauleiter hat kein Direktionsrecht gegenüber den Arbeitnehmern des Subunternehmens. Die Überwachungstätigkeit des Bauleiters ist mithin werk- und nicht arbeitnehmerbezogen, denn der Subunternehmer bleibt auch beim Einsatz des Bauleiters der Antragstellerin eigenverantwortlich tätig, solange nicht die Einweisung, Überwachung und Kontrolle von dessen Arbeitnehmern durch Arbeitnehmer der Antragstellerin erfolgt (vgl. BAG, Urteil vom 11.06.1997 - 10 AZR 525/96; a. A. LAG-Hamm, Beschl, v. 18.08.1998 - 3 TaBV 25/98).

34

Die Antragstellerin unterliegt daher seit dem 01.04.1997 nicht mehr dem Geltungsbereich der Tarifverträge des Baugewerbes, denn der überwiegende Teil der Fertigbauteile, die die Antragstellerin herstellt, wird nicht von dieser oder einem Betrieb desselben Unternehmens der Antragstellerin oder einem Unternehmensverbund mit der Antragstellerin zusammengefügt oder eingebaut. Der Anteil der von der eigenen Montageabteilung der Antragstellerin hergestellten Fertigbauteile beträgt lediglich 28,2 % und erreicht damit nicht den vom Tarifvertrag verlangten Anteil von über 50 %.

35

Entgegen der Auffassung des Antragsgegners sind die Tarifverträge Bau auch nicht deswegen anwendbar, weil der Betrieb der Antragstellerin aus dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 des Rahmentarifvertrags des Betonsteingewerbes Nord-West-Deutschland vom 14.09.1993 ausgenommen worden ist. Die Antragstellerin unterliegt im Gegenteil den Bestimmungen dieses Tarifvertrages.

36

Die Antragstellerin stellt unstreitig Betonfertigbauteile aller Art. stationär her. Sie veräußert diese zum überwiegenden Teil auch an nicht beteiligte Dritte.

37

Die Auffassung des Antragsgegners, unter "nicht beteiligte Dritte" sei der anonyme Markt zu verstehen, also etwa die Fertigbetonprodukte die Kunden in Gärten- oder Baumärkten erwerben, ist unrichtig. Auch das Erstellen eines Werkes und die Veräußerung dieses Werks an einen Dritten ist die Veräußerung an einen nicht beteiligten Dritten. Nicht beteiligt bedeutet nicht, daß der Dritte unbekannt sein muß, denn auch Hersteller von Betonfertigbauteilen, die weder selbst montieren noch durch Subunternehmer oder andere Betriebe montieren lassen, verkaufen ihre Produkte in aller Regel an ihnen bekannte Dritte. Die Tarifvertragsparteien haben mit "nicht beteiligte Dritte", ersichtlich auf § 13 Satz 1 zweiter Halbsatz Bundesrahmentarifvertrag - Bau, abgestellt, in dem die Tarifvertragsparteien die Anwendung des Bautarifvertrages davon abhängig gemacht haben, daß die Fertigbauteile von einem anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen durch den Betrieb mindestens eines der beteiligten Gesellschafter zusammengefügt oder eingebaut werden. Im Falle der Veräußerung an einen solchen "beteiligten" Betrieb sollte der Tarifvertrag des Betonsteingewerbes nicht zur Anwendung kommen, denn in diesem Fall erfolgt die Veräußerung an einen beteiligten Dritten. Dies ist, wie bereits oben ausgeführt, bei der Antragstellerin nicht der Fall.

38

Der Betrieb der Antragstellerin fällt auch nicht nach der Stichtagsregelung in § 1 Abs. 2 Ziffer 2 des Rahmentarifvertrages des Betonsteingewerbes Nord-West-Deutschland unter den Bautarifvertrag. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluß, die der Antragsgegner mit der Beschwerdebegründung auch nicht angegriffen hat, Bezug genommen.

39

Die Tarifverträge des Bauhauptgewerbes finden auch nicht kraft Nachwirkung nach dem 01.04.1997 Anwendung.

40

Die Nachwirkung ergibt sich nicht aus § 3 Abs. 3 TVG, wonach die Tarifgebundenheit solange bestehen bleibt, bis der Tarifvertrag endet.

41

Ein Betrieb, dessen Zweck sich ändert, verbleibt nur dann im fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages, wenn dieser Tarifvertrag auch für an sich branchenfremde Betriebe gelten soll. Die Änderung des Betriebszweckes führt hier dazu, daß der Betrieb nicht mehr in den fachlichen Geltungsbereich der Bau-Tarife sondern den Terifverträgen des Betonsteingewerbes unterfällt.

42

Ist der Betrieb aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages herausgewachsen, wirkt der alte Tarifvertrag nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nach § 3 Abs. 3 Tarifvertragsgesetzt fort, denn das Bundesarbeitsgericht verlangt für die Anwendung des § 3 Abs. 3 TVG, daß die Arbeitsvertragsparteien unter den fachlichen Geltungsbreich des Tarifvertrages fallen (BAG, Urteil vom 10.12.1997 in NZA 1998, 488, m. w. N.).

43

Eine Fortgeltung der Tarifverträge des Bauhauptgewerbes ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 5 TVG.

44

Danach gelten zwar die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nach dessen Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Ändert sich der Zweck eines Betriebes und wächst der Betrieb damit aus dem fachlichen Geltungsbreich eines Tarifvertrages heraus, weil dieser für branchenfremde Betriebe nicht gilt, so greift § 4 Abs. 5 TVG nach seinem Wortlaut nicht ein, da der Tarifvertrag nicht "abgelaufen" ist. Zwar ist nach der Rechtsprechnung des Bundesarbeitsgerichts (BAG in AP Nr. 13 und 14 zu § 3 TVG sowie AP Nr. 14 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit) § 4 Abs. 5 TVG im Wege der Analogie auf alle Fallgestaltungen anzuwenden, in denen die Tarifbindung entfallen ist, weil diese Vorschrift eine Überbrückungsregelung zur Vermeidung inhaltsleerer Arbeitsverhältnisses darstellt. Dies ist hier aber deshalb nicht der Fall, weil, wie bereits oben dargelegt, auf das Arbeitsverhältnis der Mitarbeiter der Antragstellerin, die in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe für Norddeutschland) geltenden Tarifverträge ab 01.04.1997 zur Anwendung kommen.

45

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

46

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 92 ArbGG.