Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.02.1998, Az.: 15 TaBV 8/95

Feststellung der betriebsüblichen Arbeitszeiten nach Übernahme des Betriebs durch IBM Deutschland GmbH; Unbegründetheit eines Unterlassungsantrags mangels Unterlassungsanspruchs für alle vom Antrag erfassten Fallgestaltungen; Erfordernis der Beachtung von tariflichen Normen hinsichtlich von Gleitzeitregelungen wegen Tarifgebundenheit; Zulässigkeit einer Antragserweiterung wegen schriftsätzlicher und mündlicher Einlassung ; Einführung einer 36 Stundenwoche als Bestandteil eines Individualarbeitsvertrags ; Maßgeblichkeit einer Rahmengleitzeitvereinbarung der örtlichen Betriebsvereinbarung; Umdeutung einer nichtigen Betriebsvereinbarung in eine individualrechtliche Gesamtzusage; Erfordernis einer wirksamen Bezugnahmeklausel für eine Transformation eines Tarifvertrags in einen Arbeitsvertrag

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
11.02.1998
Aktenzeichen
15 TaBV 8/95
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1998, 15976
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:0211.15TABV8.95.0A

In dem Beschlußverfahren
hat die 15. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
aufgrund der Anhörung am 11.02.1998
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter
beschlossen:

Tenor:

Unter Zurückweisung im übrigen wird auf die Beschwerde des Betriebsrats der Beschluß des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 02.12.1994 - 7 BV 57/94 - abgeändert.

Es wird festgestellt, daß für die Beschäftigten beitszeit von 36 Stunden wöchentlich gilt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Tatbestand

1

I.

Die Beteiligten streiten über die betriebsüblichen Arbeitszeiten in der Niederlassung ... der Arbeitgeberin, die diesen Betrieb von der IBM Deutschland GmbH übernommen hat.

2

Die ... Deutschland GmbH mit Sitz in ... bestand ursprünglich aus einer Vielzahl von Betrieben, die über das ganze Bundesgebiet verstreut waren. Sie war kraft Verbandszugehörigkeit mit ihren Betrieben in ... an die für die Metallindustrie in diesen Gebieten mit der ... abgeschlossenen Tarifverträge gebunden. In anderen Tarif gebieten - so auch im Tarifgebiet Niedersachsen - bestand keine Tarifbindung. Sie brachte jedoch in ihren gesamten Betrieben einheitliche Arbeitsbedingungen zur Anwendung. Auf welcher Rechtsgrundlage das geschah, ist umstritten.

3

Zum einen enthielten die Formulararbeitsverträge die Bestimmung: "Neben den gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen ist die ...-Arbeitsordnung wesentlicher Bestandteil des Arbeitsvertrags." Die als Gesamtbetriebsvereinbarung gesetzte Arbeitsordnung (Bl. 286 ff. d.A.) enthielt unter A 4 die Regelung: "Die Bestimmungen dieser Arbeitsordnung sowie die für das Unternehmen geltenden Tarifverträge sind Bestandteil des Arbeitsvertrags."

4

Zum zweiten wurden unter Zugrundelegung der Tarifverträge, an die die IBM Deutschland GmbH gebunden war, unternehmenseinheitliche Arbeitsbedingungen durch Gesamtbetriebsvereinbarungen und örtliche Betriebsvereinbarungen gesetzt (vgl. Auszüge aus dem Personalhandbuch, Bl. 309 ff. d.A., und exemplarische Gesamtbetriebsvereinbarungen über Sonderzahlungen, zusätzliche Urlaubsvergütung, Gehaltsstruktur und Gehaltserhöhungen, Bl. 344 ff. d.A.).

5

Hinsichtlich der Arbeitszeit galt die mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossene Rahmenbetriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit vom 26.08.1974 (Bl. 221 ff. d.A.), die von einer tariflich festgelegter. Wochenarbeitszeit von 40 Stunden ausging (Nr. 1 Abs. 5). Diese Gesamtbetriebsvereinbarung wurde örtlich in den einzelnen Betrieben nach einer Musterbetriebsvereinbarung (Bl. 228 d.A.) umgesetzt. Mit Gesamtbetriebsvereinbarungen vom 12.02.1985 (Bl. 231 f. d.A. und Bl. 244 d.A.) wurde die Gesamtbetriebsvereinbarung vom 26.08.1974 geändert, insbesondere wurde durch die Gesamtbetriebsvereinbarung 00/74/002/02 (Bl. 244 d.A.) die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden auf 38,5 Stunden verkürzt. Die Gleitzeitrahmenvereinbarung wurde durch Gesamtbetriebsvereinbarungen vom 25.11.1987 (Bl. 234 ff. d.A. und Bl. 245 d.A.) erneut geändert, insbesondere wurde durch die Gesamtbetriebsvereinbarung 00/74/002/04 (Bl. 245 d.A.) die wöchentliche Arbeitszeit ab 01.04.1988 auf 37,5 Stunden und ab 01.04.1989 auf 37 Stunden verkürzt. Die Arbeitszeitverkürzungen entsprachen den tariflichen Arbeitszeitregelungen im Tarifgebiet ... der Metallindustrie. In der Niederlassung ... wurde die Arbeitszeitverkürzung des Jahres 1985 durch Spruch einer Einigungsstelle umgesetzt. Die Umsetzung der Arbeitszeitverkürzungen ab 01.04.1988 und 01.04.1989 erfolgte durch die Betriebsvereinbarung vom 11.03.1988 (Bl. 246 d.A.).

6

Zum 01.01.1993 übertrug die ... ihre Betriebe auf mehrere neugegründete Tochtergesellschaften und fungierte danach nur noch als Zwischenholding für die deutschen Konzerngesellschaften. Die Antragsgegnerin des hiesigen Verfahrens übernahm die Mehrzahl der Betriebe, so auch die Niederlassung .... Im Hinblick auf die seinerzeit bevorstehenden Betriebsübergänge hatte die ... mit ihrem Gesamtbetriebsrat am 25.11.1992 eine Überleitungsvereinbarung getroffen (Bl. 70 ff. d.A.). Unter anderem war in III dieser Vereinbarung geregelt:

6.
Bezüglich der ab 01.01.1993 in den neuen Tochtergesellschaften einzustellenden Mitarbeitern/innen wird vereinbart, daß die bisherige Arbeitsordnung der ... für diesen Mitarbeiterkreis nicht gilt. Die Unternehmensführungen der Tochtergesellschaften werden für diesen Mitarbeiterkreis Verhandlungen über neue Rahmenbedingungen anbieten.

7.
In allen neuen Tochtergesellschaften kommen im Jahre 1993 die Arbeitszeitregelungen zum 01.04.1993 entsprechend den bisher für ... einschlägigen Metall-Manteltarifverträgen zur Anwendung (regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 36 Stunden, rechnerisch regelmäßige tägliche Arbeitszeit von 7 Stunden 12 Minuten, Faktor des Stundenverdienstes aus einem gegebenen Monatsverdienst 156,60 Stunden. Entsprechendes gilt für die Ausbildungszeiten). Weiterhin wird die 3 %ige Tariferhöhung entsprechend den bisher für ... einschlägigen Lohn- und Gehaltsabkommen und den ... internen Regelungen gewährt.

und in IV:

4.
Im Falle der Unwirksamkeit einzelner Bestimmungen dieser Vereinbarung bleibt die Wirksamkeit dieser Vereinbarung im übrigen unberührt. Die Vertragspartner werden sich in diesem Falle auf eine neue rechtswirksame Bestimmung einigen.

7

Die neue Arbeitgeberin schloß dann mit dem Betriebsrat am 01.04.1993 eine Betriebsvereinbarung über die Wochenarbeitszeit in der Niederlassung ... nach der ab diesem Zeitpunkt die wöchentliche Arbeitszeit auf 36 Stunden verkürzt wurde (Bl. 9 d.A.).

8

Mit Wirkung vom 01.01.1994 schloß die Arbeitgeberin für ihr Unternehmen Haustarifverträge mit der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG), worüber sie ihre Beschäftigten mit Schreiben vom 22.12.1993 unterrichtete (Bl. 385 ff. d.A.). Nach dem Tarifvertrag über Arbeitszeit und Mehrarbeit (TV Arbeitzeit, El. 60 ff. d.A.) beträgt die Regelarbeitszeit nunmehr 38 Stunden in der Woche. Mit Daueraushang vom 30.03.1994 (Bl. 10 d.A.) machte die Arbeitsgeberin dieses im Betrieb bekannt. Mit Schreiben vom 13.04.1994 (Bl. 6 d.A.) teilte der Betriebsrat allen Beschäftigten mit, daß er den Aushang wegen der Betriebsvereinbarung über die Arbeitszeit für ungültig halte und eine rechtliche Klärung erfolgen werde. Rückwirkend zum 01.04.1994 schloß der Betriebsrat mit der Arbeitgeberin eine neue Gleitzeitvereinbarung (Bl. 20 ff. d.A.), die jedoch keine Bestimmung über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit enthält, sondern diese voraussetzt.

9

Mit dem am 05.08.1994 angebrachten Antrag hat der Betriebsrat geltend gemacht, daß die einseitige Verlängerung der Wochenarbeitszeit betriebsverfassungswidrig sei.

10

Der Betriebsrat hat beantragt,

der Arbeitgeberin aufzugeben, die Überschreitung der betriebsüblichen Arbeitszeit von täglich 7 Stunden und 12 Minuten bzw. 36 Stunden wöchentlich bzw. 156,6 Stunden monatlich ohne seine Zustimmung zu unterlassen und im Falle einer jeden Zuwiderhandlung der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld anzudrohen, welches 5.000,00 DM wegen einer jeden Zuwiderhandlung nicht unterschreiten sollte.

11

Die Arbeitgeberin hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

12

Das Arbeitsgericht hat mit Beschluß vom 02.12.1994 den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Globalantrag auf Unterlassung der zustimmungslosen Überschreitung der in der Betriebsvereinbarung vom 01.04.1993 festgelegten Arbeitszeit sei bereits deshalb unbegründet, weil die Gleitzeitvereinbarung vom 01.04.1994 regele, daß der einzelne Arbeitnehmer die tägliche Regelarbeitszeit überschreiten dürfe. Im übrigen bestehe auch kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats für die vorgenommene dauernde Verlängerung der Arbeitszeit.

13

Der Betriebsrat hat gegen den ihm am 22.12.1994 zugestellten Beschluß am 19.01.1995 Beschwerde eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 15.02.1995 am 17.02.1995 begründet hat.

14

Der Betriebsrat greift den Beschluß aus den in seiner Beschwerdebegründungsschrift vom 15.02.1995 wiedergegebenen Gründen an. Auf die Beschwerdebegründungsschrift wird ebenso Bezug genommen, wie auf der Schriftsatz vom 27.06.1997.

15

Der Betriebsrat beantragt,

  1. 1.

    in Abänderung des angefochtenen Beschlusses der Arbeitgeberin aufzugeben, die Überschreitung der betriebsüblichen Arbeitszeit von täglich 7 Stunden 12 Minuten bzw. 36 Stunden wöchentlich bzw. 156,6 Stunden monatlich ohne Zustimmung des Betriebsrates zu unterlassen, es sei denn, es handle sich um notwendige Mehrarbeit in Notfällen und in außergewöhnlichen Fällen oder die Überschreitung ist notwendig, um einen unverhältnismäßig großen wirtschaftlichen Schaden abzuwenden oder aus zeitlichen Gründen ist eine vorige Zustimmung des Betriebsrates nicht zu erlangen, und im Falle einer jeden Zuwiderhandlung der Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld anzudrohen, welches 5.000,00 DM wegen einer jeder Zuwiderhandlung nicht unterschreiten sollte,

  2. 2.

    hilfsweise festzustellen, daß für die Beschäftigten ... triebsübliche Arbeitszeit von 36 Stunden wöchentlich gilt,

  3. 3.

    hilfsweise festzustellen, daß die Beteiligten bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglicher. Arbeitszeit sowie der zeitlichen Lage der Pausen der im Antrag zu 2) bezeichneten Arbeitnehmer innen und Arbeitnehmer von einer Wochenarbeitszeit von 36 Stunden auszugehen haben,

  4. 4.

    hilfsweise festzustellen, daß die Beteiligten bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit sowie der zeitlichen Lage der Pausen der im Antrag zu 2) bezeichneten Arbeitnehmer innen und Arbeitnehmer von einer Wochenarbeitszeit von 35 Stunden auszugehen haben,

  5. 5.

    hilfsweise der Arbeitgeberin zu untersagen, auf den Gleitzeitkonten der der Gleitzeitvereinbarung vom 01.04.1994 unterfallenden Angestellten wöchentlich die 40., 41. und 42. Stunde geleistete Arbeitzeit in die Folgewoche zu übertragen,

  6. 6.

    hilfweise der Arbeitgeberin zu untersagen, auf den Gleitzeitkonten der im Antrag zu 2) bezeichneten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wöchentlich die 40., 41. und 42. Stunde geleistete Arbeitszeit in die Folgewoche zu übertragen.

16

Die Arbeitgeberin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

17

Auf ihre Beschwerdeerwiderung vom 27.03.1995 und die ergänzenden Schriftsätze vom 11.06. und 05.09.1997 wird gleichfalls Bezug genommen, ebenso wird Bezug genommen auf die Erklärungen zu Protokoll vom 23.04. und 09.07.1997.

Gründe

18

II.

Die zulässige Beschwerde ist im Hauptantrag unbegründet, jedoch im ersten Hilfsantrag, dem Antrag zu 2), begründet.

19

A)

Die mit der Beschwerde vorgenommene Einschränkung des erstinstanzlich zur Entscheidung gestellten Unterlassungsantrags führt nicht dazu, daß der Antrag nunmehr begründet ist.

20

Das Arbeitsgericht hat zutreffend ausgeführt, daß ein Unterlassungsantrag insgesamt als unbegründet abzuweisen ist, wenn der Antragsteller nicht für alle vom Antrag erfaßten Fallgestaltungen Unterlassung verlangen kann (BAG, Beschluß vom 04.03.1994 - 1 ABR 24/93 - AP Nr. 23 zu § 23 BetrVG 1972). Der eingeschränkte Unterlassungsantrag beinhaltet aber weiterhin Fallgestaltungen, bei denen der Betriebsrat die begehrte Unterlassung nicht verlangen kann.

21

Der Betriebsrat kann verlangen, daß der Arbeitgeber, abgesehen von Notfällen, es ohne seine Zustimmung unterläßt, die gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG festgelegte Verteilung der Arbeitszeit zu verändern oder die betriebsübliche Arbeitszeit vorübergehend zu verkürzen oder zu verlängern. Ginge man mit dem antragstellenden Betriebsrat davon aus, daß die betriebsübliche Vollarbeitszeit weiterhin die mit der Betriebsvereinbarung vom 01.03.1993 eingeführte Arbeitszeit von 36 Stunden pro Woche wäre, weil diese gegenüber der mit dem TV Arbeitszeit eingeführten Vollarbeitszeit von 38 Stunden pro Woche günstiger wäre, so unterfielen die Arbeitnehmer mit einer Wochenarbeitszeit von 36 Stunden der Gleitzeitvereinbarung vom 01.04.1994. Diese erlaubt mit Zustimmung des Betriebsrates aber gerade die Überschreitung der täglichen Arbeitszeit von 7 Stunden 12 Minuten, die Überschreitung der wöchentlichen Arbeitszeit um 3 Stunden und die Überschreitung der monatlichen Arbeitszeit um mindestens 12 Stunden, so daß für diese Fallgestaltungen keine Unterlassung als betriebsverfassungswidrig verlangt werden könnte.

22

Die Gleitzeitvereinbarung vom 01.04.1994 ist jedoch nach dem Inkrafttreten der Regelungen des TV-Arbeitszeit vereinbart worden. Da die Arbeitgeberin als Tarifvertragspartei und nach dem Vortrag des Betriebsrats zumindest zwei Arbeitnehmer kraft Mitgliedschaft in der tarifschließenden DAG tarifgebunden waren (§ 3 Abs. 1 TVG), waren bei der Vereinbarung der Gleitzeitregelung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 2, 3 BetrVG im Hinblick auf seinen Einführungssatz die tariflichen Vorgaben zu beachten und sind auch beachtet worden, was z. B. die Übernahme der Gleitzeiteckpunkte des § 4.2 TV Arbeitzeit in Nr. 6 der Gleitzeitvereinbarung zeigt. Das bedeutet, daß auch die Bestimmung des Geltungsbereichs in Nr. 1 der Gleitzeitvereinbarung nicht ohne den TV Arbeitszeit gesehen werden darf. Nach Nr. 1 der Gleitzeitvereinbarung gilt diese nur für ganztagsbeschäftige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, nicht jedoch für Teilzeitbeschäftigte, bei denen Arbeitsbeginn und Arbeitsende einer besonderen Vereinbarung bedarf. Nach § 2.1.1 und § 2.2.1 TV Arbeitszeit sind Vollzeitarbeitskräfte jedoch nur solche mit einer Wochenarbeitszeit von regelmäßig 38 Stunden. Beschäftigte mit einer geringeren regelmäßigen Wochenarbeitszeit gelten dagegen als Teilzeitbeschäftigte, wobei die Arbeitszeit bis zu 36 Stunden pro Woche betragen kann.

23

Das bedeutet jedoch, daß diejenigen im Antrag zu 2) bezeichneten Arbeitnehmer, bei denen der Betriebsrat davon ausgeht, daß sie weiterhin eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von 36 Stunden haben (dazu unten B), nicht unter den Geltungsbereich der Gleitzeitvereinbarung vom 01.04.1994 fallen, so daß die Regelungen der Gleitzeitvereinbarung nicht dem Unterlassungsbegehren entgegen gehalten werden können. Ob in Bezug auf diese Arbeitnehmer das Unterlassungsverlangen in jeglicher Fallgestaltung begründet ist, kann jedoch dahin stehen, denn auf diese Arbeitnehmergruppe hat der Betriebsrat seinen Unterlassungsantrag nicht beschränkt. Er umfaßt vielmehr auch diejenigen Arbeitnehmer, die nach Inkrafttreten der Haustarifverträge in den Betrieb eingetreten sind und auf deren Arbeitsverhältnisse die Haustarifverträge Anwendung finden, sei es gemäß § 3 Abs. 1 TVG oder sei es gemäß einzelvertraglicher Inbezugnahme. Für diese gilt jedoch die tarifliche Wochenarbeitzeit von 38 Stunden als betriebsübliche Arbeitszeit. In Bezug auf diese Arbeitnehmergruppe kann der Betriebsrat auf keiner. Fall die Unterlassung der Überschreitung einer betriebsüblichen Arbeitszeit von 36 Stunden in der Woche verlangen.

24

B)

1.

Die Antragserweiterung durch den Antrag zu 2) ist im Beschwerderechtszug zulässig erfolgt, denn die Arbeitgeberin hat sich schriftsätzlich und in der mündlichen Anhörung vom 23.04.1997 auf ihn eingelassen, ohne der Antragserweiterung zu widersprechen (§ 87 Abs. 2 Satz 3 ArbGG i. V. m. § 83 Abs. 2 Satz 1 und 2 ArbGG). Die Arbeitgeberin hat nur jeweils den erst in den mündlichen Anhörungen vom 23.04. und 09.07.1997 angebrachten Hilfsanträgen widersprochen. Zudem ist die Antragserweiterung sachdienlich, denn der Antrag zu 2) ist geeignet, den Streit über die betriebsübliche Arbeitszeit einer Klärung zuzuführen. Das beinhaltet zugleich die Zulässigkeit des hilfsweise gestellten Feststellungsantrags.

25

Der Antrag kann nicht so ausgelegt werden, daß der Betriebsrat als Prozeßstandschafter der aufgeführten Arbeitnehmer deren individualrechtliche Arbeitszeitschuld feststellen lassen will. Dazu wäre er nicht befugt. Aus dem Zusammenhang mit dem Hauptantrag und der begehrten Feststellung der "betriebsüblichen" Arbeitszeit dieser Arbeitnehmer ergibt sich, daß der Betriebsrat im Hinblick auf die Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3 BetrVG klären lassen will, von welcher betriebsüblichen Arbeitszeit die Beteiligten auszugehen haben. Der Betriebsrat will somit in Bezug auf die bezeichnete Arbeitnehmergruppe sein arbeitszeitrechtliches Mitbestimmungsrecht geklärt wissen. Das insoweit erforderliche Feststellungsinteresse ist auch gegeben (vgl. dazu BAG, Beschluß vom 12.06.1996 - 4 ABR 1/95 - AP Nr. 2 zu § 96 a ArbGG 1979). Schuldet die Arbeitnehmergruppe lediglich eine Arbeitszeit von 36 Stunden in der Woche, unterfällt sie nicht der Gleitzeitregelung vom 01.04.1994. Es eröffnet sich dann für diese Arbeitnehmergruppe ein Mitbestimmungstatbestand nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Weiter wird geklärt, ob die Überschreitung einer Arbeitszeit von 36 Stunden in der Woche ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auslöst.

26

2.

Der Antrag ist in der Sache begründet, denn die Einführung der 36 Stundenwoche zur. 01.03.1993 ist Bestandteil des Individualarbeitsvertrags der damals beschäftigten Arbeitnehmer geworden, der insoweit weder durch den Abschluß des TV Arbeitszeit noch danach geändert worden ist. Für diejenigen im Antrag bezeichneten Arbeitnehmer, die heute noch in einem aktuellen Arbeitsverhältnis in der Niederlassung ... stehen, gilt deshalb weiterhin als deren betriebsübliche Arbeitszeit ihre individualrechtliche Arbeitszeit von 36 Stunden in der Woche. Dazu im einzelnen:

27

a)

Die tariflichen Arbeitzeitregelungen des Tarifgebiets Nordwürttemberg/Nordbaden der Metallindustrie sind nicht durch die einzelvertragliche Inbezugnahme der jeweiligen Tarifverträge Vertragsbestandteil geworden. Die Formulararbeitsverträge enthalten keine wirksame Inbezugnahmeklausel. Aus diesem Grund scheidet auch eine einzelvertragliche Transformation des TV Arbeitszeit im Wege der großen dynamischen Bezugnahmeklausel aus (zu den Voraussetzungen und Grenzen einer solchen vgl.: BAG, Urteil vom 04.09.1996 - 4 AZR 135/95 - AP Nr. 5 zu § 1 TVG Bezugnahme; Gaul NZA 1998, 9 ff.; Hanau/Kania, Festschrift für Günter Schaub zum 65. Geburtstag, Seite 239 ff., 255).

28

Die Formulararbeitsverträge, in die die Arbeitgeberin zum 01.01.1993 gemäß § 6-3 a Abs. 1 Satz 1 BGB eingetreten ist, machten zwar die tariflichen Bestimmungen zum Bestandteil der Arbeitsverträge. Diese Bezugnahme ist jedoch unwirksam, weil unbestimmt (zum Bestimmheitserfordernis z. B. Hanau/Kania, a.a.O., Seite 242 ff. mit weiteren Nachweisen). Aus ihr kann nicht entnommen werden, welche Tarifverträge gemeint sein sollten. Die örtlichen Tarifverträge - hier die Tarifverträge der niedersächsischen Metallindustrie, an die die IBM Deutschland GmbH aber mangels Organisationszugehörigkeit nicht gebunden war (§ 3 Abs. 1 TVG) oder die Tarifverträge der Metallindustrie, an die sie infolge Verbandzugehörigkeit gebunden war und wenn, die Tarifverträge welcher Tarif gebiete, des Tarifgebietes Nordwürttemberg/Nordbaden, des Tarifgebietes Rheinland-Pfalz oder des Tarifgebietes Berlin.

29

Die Bestimmbarkeit kann auch nicht aus der tatsächlichen Handhabung hergeleitet werden, denn die ... bediente sich in Anbetracht ihrer Tarifbindung in drei verschiedenen Tarif gebieten, mit unter Umständen unterschiedlichen Regelungen, des Instruments der Gesamtbetriebsvereinbarungen und der Betriebsvereinbarungen, um jeweils als Reaktion auf Tarifänderungen unternehmenseinheitliche Arbeitsbedingungen zu etablieren. Die Arbeitgeberin hat unwidersprochen in ihrem Schriftsatz vom 05.09.1997 vorgetragen, daß die ... nicht unbesehen einen Tarifvertrag per Gesamtbetriebsvereinbarung Inbezug genommen, sondern eigenständige Regelungen getroffen habe, die nicht jede Tarifregelung übernahm, 2. B. sei die tarifliche Unkündbarkeitsregelung in § 4.4 MTV Nordwürttemberg/Nordbaden niemals durch Gesamtbetriebsvereinbarung unternehmensweit umgesetzt worden.

30

Eine wirksame Inbezugnahme hat auch die Arbeitsordnung vom 12.12.1974 nicht enthalten. Der Wirksamkeit steht bereits § 77 Abs. 3 BetrVG entgegen, wonach Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein können. In den Tarifgebieten, in denen die ... tarifgebunden war, war die Arbeitszeit tariflich geregelt. In den anderen Tarifbezirken war die Arbeitszeit zwar für die ... mangels Tarifbindung nicht tariflich geregelt, aber die Arbeitszeitregelungen waren tarifüblich, denn die für sie bei Verbandzugehörigkeit einschlägigen Metalltarife enthielten Arbeitszeitregelungen. Gegen die Wirksamkeit der Bezugnahme auf die tarifliche Arbeitszeit in D 1 der Arbeitsordnung (Bl. 290 d.A.) streitet zudem die mangelnde Bestimmbarkeit. Hier gilt das gleiche, wie für die formularmäßige Bezugnahmeklausel.

31

b)

Welche Arbeitszeitregelung jeweils gelten sollte, ergab sich folglich aus den jeweiligen Gesamtbetriebsvereinbarungen und den örtlichen Betriebsvereinbarungen, insbesondere aus der Rahmengleitzeitvereinbarung vom 26.08.1974 und ihren Änderungen vom 12.02.1984 und 25.11.1987, sowie aus ihren örtlichen Umsetzungen für die Niederlassung ... also aus dem Einigungsstellenspruch vom 14.05.1985 und der Betriebsvereinbarung vom 11.03.1988. Wegen des Tarif Vorbehalts des § 77 Abs. 3 BetrVG waren diese Arbeitszeitregelungen als kollektiv-normative Regelungen jedoch unwirksam. Das gilt auch für die Umsetzung der 36 Stundenwoche durch die zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin am 01.04.1993 geschlossene Betriebsvereinbarung. Zwar war die Arbeitgeberin an die einschlägigen Branchentarifverträge der Metallindustrie, die fachlich auch die Elektronikindustrie einschließlich ihrer Nebenbetriebe umfaßten, auch soweit sie rechtlich selbstständig waren (vgl. z. B. § 1 b des ab 01.01.1990 geltenden Manteltarifvertrags für die gewerblichen Arbeitnehmer der Metallindustrie in Niedersachsen), mangels Verbandzugehörigkeit nicht gebunden. Der kollektivrechtlichen Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung stand jedoch die Tarifüblichkeit der Arbeitszeitregelung in der niedersächsischen Metallindustrie entgegen.

32

Bei unterstellter, von der Arbeitgeberin bestrittener Kenntnis der kollektivrechtlichen Unwirksamkeit der Arbeitzeitregelungen in den Betriebs Vereinbarungen war ihr Vollzug als einzelvertragliche Verpflichtungserklärung des Arbeitgebers auszulegen, die die Arbeitnehmer gemäß § 151 BGB angenommen haben. Eine fehlende Kenntnis der kollektivrechtlichen Unwirksamkeit führt jedoch zu dem selben Ergebnis.

33

Es ist anerkannt (BAG, Urteil vom 24.01.1996 - 1 AZR 579/95 - AP Nr. 8 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt), daß eine nichtige Betriebsvereinbarung in eine individualrechtliche Gesamtzusage entsprechend § 140 BGB umgedeutet werden kann, wenn der Arbeitgeber bei Kenntnis der Unwirksamkeit der Betriebsvereinbarung eine solche abgegeben hätte. An eine Umdeutung sind allerdings strenge Anforderungen zu stellen, insbesondere weil der Arbeitgeber sich im Bereich der nichterzwingbaren Mitbestimmung durch Kündigung ohne Nachwirkung von den kollektivrechtlichen Regelungen einer Betriebsvereinbarung lösen kann (§ 77 Abs. 5 und 6 BetrVG), während er sich von der individualrechtlichen Gesamtzusage nur durch Änderungsvertrag mit dem einzelnen Arbeitnehmer oder durch Änderungskündigung lösen kann. Gleichwohl sprechen vorliegend die Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung dafür, daß die IBM Deutschland GmbH und die jetzige Arbeitgeberin bei Kenntnis der kollektivrechtlichen Unwirksamkeit der jeweiligen Arbeitszeitbetriebsvereinbarung das unternehmenseinheitliche Arbeitszeitregime jeweils mittels Gesamtzusage etabliert hätten.

34

Die ... wegen ihrer Tarifbindung in drei Tarifbezirken jeweils entscheiden, welche Arbeitszeitregelung Unternehmens - einheitlich eingeführt werden sollte. Ohne Betriebsvereinbarungen war das nur durch Gesamtzusage möglich. Dagegen kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nicht davon ausgegangen werden, daß eine dynamische Bezugnahme der Tarifverträge eines bestimmten Tarifgebietes gewählt worden wäre, weil damit keine Flexibilität bei unterschiedlicher Tarifentwicklung in den drei Tarif gebieten gegeben gewesen wäre, in denen sie kraft Verbandszugehörigkeit tarifgebunden gewesen ist.

35

Für die jetzige Arbeitgeberin gilt das gleiche. Sie war zwar zum Zeitpunkt der Betriebsvereinbarung vom 01.04.1993 überhaupt nicht tarifgebunden, wollte aber die neuen Arbeitszeitregelungen des Tarifgebietes Nordwürttemberg/Nordbaden der Metallindustrie umsetzen. Dafür spricht die Zusage in der Überleitungsvereinbarung vom 25.11.1992. Zwar war auch diese Vereinbarung kollektivrechtlich unwirksam, nicht nur wegen des Tarif Vorbehalts des § 77 Abs. 3 BetrVG, sondern auch weil die IBM Deutschland GmbH und der bei ihr bestehende Gesamtbetriebsrat keine Regelungskompetenz für die Zeit nach dem Betriebsübergang hatten. In der Zusage kann aber eine auf die deutschen Konzerngesellschaften bezogene Absichtserklärung gesehen werden, die die Arbeitgeberin auch umsetzen wollte, was sie in Kenntnis der Unwirksamkeit der kollektivrechtlichen Umsetzung naheliegenderweise gleichfalls durch individualrechtliche Gesamtzusage bewerkstelligt hätte. Dagegen kann nicht angenommen werden, daß sie die Tarifverträge des Tarifgebietes Nordwürttemberg/Nordbaden dynamisch in Bezug genommen hätte, weil damit der wirtschaftliche Zweck der Übertragung der Betriebe auf nichttarifgebundene Gesellschaften unterlaufen worden wäre.

36

c)

Mit Inkrafttreten des mit der DAG abgeschlossenen TV Arbeitszeit hat sich für die im Antrag zu 2) bezeichneten Arbeitnehmer die individualrechtliche Arbeitzeitregelung nicht verändert. Mangels wirksamer Bezugnahmeklausel in ihren Formulararbeitsverträgen ist keine Transformation der Inhaltsnormen dieses Tarifvertrags in ihren Arbeitsvertrag erfolgt. Eine kollektivrechtliche Auswirkung hatte der TV Arbeitszeit bereits deshalb nicht, weil diese Arbeitnehmer nach der Darlegung des Betriebsrates, der die Arbeitgeberin nicht entgegengetreten ist, nicht Mitglied der DAG gewesen sind (§ 3 Abs. 1 TVG). Die Frage des Günstigkeitsvergleichs (g 4 Abs. 3 TVG) kann folglich offen bleiben.

37

Es kann entgegen den Ausführungen der Arbeitgeberin auch nicht davon ausgegangen werden, daß die im Antrag aufgeführten Arbeitnehmer durch stillschweigende Hinnahme der Anordnung, zukünftig 38 Stunden in der Woche zu arbeiten, konkludent ein entsprechendes Angebot der Arbeitgeberin angenommen hätten.

38

Zum einen beinhaltet das Schreiben vom 22.12.1993 kein Angebot auf Vertragsänderung, sondern lediglich die Mitteilung, daß die Tarifverträge auf alle Arbeitsverhältnisse Anwendung finden, was folgerichtig vom Standpunkt der Arbeitgeberin war, die davon ausging, daß in Folge der Bezugnahmeklausel eine Transformation der Inhaltsnormen der Tarifverträge in die einzelnen Arbeitsverträge erfolgte. Zum zweiten stellt Schweigen allein in der Regel keine Annahmeerklärung dar (§ 147 BGB), es sei denn, daß eine Annahmeerklärung ausnahmsweise nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist (§ 151 BGB), z. B. bei der Zuwendung von Gratifikationen im Wege der betrieblichen Übung. Soweit die Arbeitgeberin darauf hinweist, daß auch die Rücknahme der Verbindlichkeit der Gratifikationszahlung durch mehrjährige Erklärung des Freiwilligkeitsvorbehalts und Schweigen der Arbeitnehmer im Wege der betrieblichen Übung erfolgen könne, hilft das vorliegend nicht weiter. Wenn auch in jenem Fall der Arbeitgeber nach Treu und Glauben annehmen durfte, daß die Arbeitnehmer widersprachen, wenn sie mit der Vertragsänderung nicht einverstanden waren, durfte die Arbeitgeberin das vorliegend nicht erwarten. Vorliegend hatte der Betriebsrat nämlich schon kurz nach der Einführung der 38 Stundenwoche sich an alle Arbeitnehmer gewandt und darauf hingewiesen, daß nach seiner Meinung die Anordnung der 38 Stundenwoche unwirksam sei, und die rechtliche Klärung dieser Frage angekündigt. Die Arbeitgeberin konnte bei dieser Sachlage nicht damit rechnen, daß die Arbeitnehmer, wenn sie nicht mit einer Veränderung der Arbeitszeit einverstanden waren, besonders widersprachen. Sie mußte vielmehr in Erwägung ziehen, daß die Arbeitnehmer sich darauf verließen, daß der Betriebsrat als ihre Interessenvertretung für die Klärung der Streitfrage sorgen werde, zumal er auch alsbald das Arbeitsgericht angerufen hat.

39

III.

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.