Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 12.05.1998, Az.: 13 Sa 1698/97

Rüge der nicht ordnungsgemäße Besetzung der erstinstanzlichen Kammer; Betriebsübergang bei Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
12.05.1998
Aktenzeichen
13 Sa 1698/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 15977
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:0512.13SA1698.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 21.05.1997 - AZ: 11 Ca 910/95

In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 12.05.98
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 21.05.1997, 11 Ca 910/95, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten des Streithelfers trägt der Beklagte.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9.253,66 DM festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt vom Beklagten, Konkursverwalter der GFBA (im folgenden: Gemeinschuldner), für die Monate August 1993 und September 1993 Verzugslohn. Der Anspruch ist der Höhe nach unstreitig. Der Beklagte wendet ein, er sei nicht zur Zahlung verpflichtet, weil das Arbeitsverhältnis gemäß § 613 a BGB auf den Streithelfer der Klägerin (DGB Bildungswerk) übergegangen sei.

2

Der Gemeinschuldner, ein gemeinnütziger, eingetragener Verein, unterhielt bundesweit 35 Bildungseinrichtungen. Die Klägerin war seit 1987 im Bildungszentrum in H. beschäftigt. Der Gemeinschuldner stellte am 19.05.1993 Konkursantrag, Konkurseröffnung erfolgte am 31.07.1993. Der Beklagte wurde zum Sequestor, sodann zum Konkursverwalter bestellt.

3

Im Bildungszentrum in H. wurden mit etwa 64 Beschäftigten drei Bereiche abgedeckt, nämlich OBS (33 oder 34 Lehrer, 2 Betreuer und 2 Verwaltungskräfte), AFG (11 Beschäftigte), Propädeutikum (11 Beschäftigte). Zusätzlich waren 5 Arbeitnehmer als Hauspersonal tätig. Die Klägerin war Lehrerin im OBS-Bereich.

4

Die Kurse aus den Bereichen AFG und Propädeutikum wurden vom Beklagten spätestens zum 30.09.1993 eingestellt, eine Fortführung durch den Streithelfer erfolgte nicht. Der Streithelfer ist seit August 1993 im OBS-Bereich tätig.

5

Im OBS-Bereich wurden Sprachkurse für Ausländer durchgeführt. Die ... (OBS) verwaltet im Auftrag des Bundesministers für Familie und Jugend einen Garantiefond-Hochschulbereich, sie vergab ursprünglich die Sprachkurse unter Zuweisung der Mittel und der Stipendiaten ausschließlich an den Gemeinschuldner. Nach dem Vertrag zwischen OBS und dem Gemeinschuldner vom 26.01.1993 (Bl. 29 ff. d.A.) war für das erste Halbjahr 1993 eine monatliche Teilnehmerzahl von 2.000, für das zweite Halbjahr 1993 von 1.600 vereinbart, Kurskosten pro Monat und Teilnehmer 1.275,00 DM. Der Vertrag sieht in § 10 i.V.m. § 5 ein Rücktrittsrecht aus wichtigem Grund bei Konkursantrag vor.

6

Der Gemeinschuldner unterrichtete in H. im ersten Halbjahr 1993 monatlich etwa 300 Sprachkursteilnehmer im OBS-Bereich, für Juli 1993 waren 216 vorgesehen (Aufstellung, Anlage zum Beklagtenschriftsatz von 31.03.1998). Die Kursdauer betrug 8 Monate, die Unterrichtsverpflichtung der Vollzeitlehrkräfte 24 Wochenstunden bei Bezahlung entsprechend Vergütungsgruppen II a/I b BAT. Noch vor Konkursantragstellung entschloß sich der Gemeinschuldner zur Personalreduzierung wegen rückläufiger Teilnehmerzuweisungen. Anhörung des Betriebsrates erfolgte unter dem 10.05.1993. Betriebsbedingt gekündigt wurden unter dem Datum vom 17.05.1993 aus dem OBS-Bereich 19 Lehrer, 1 Verwaltungskraft und 1 Betreuungskraft.

7

Auch die Klägerin wurde am 17.05.1993 ordentlich gekündigt.

8

Nach Konkursantragstellung am 19.05.1993 kündigte OBS das Vertragsverhältnis mit dem Gemeinschuldner. Dieser führte die Kurse weiter bis zum 31.07.1993 auf der Grundlage einer Vereinbarung vom 28.07.1993, abgeschlossen mit der OBS (Bl. 34 ff. d.A.). Zwischenzeitlich war allen Beschäftigten unter dem Datum vom 23.06.1993 gekündigt worden. Ab August 1993 waren die Beschäftigten vom Konkursverwalter von der Arbeit freigestellt worden.

9

OBS hatte die Sprachkurse am 15.02.1993 öffentlich ausgeschrieben. Nach Kontaktaufnahme mit OBS (nach Behauptung des Streithelfers im Juni 1993) kam am 09.08./10.08.1993 ein Vertrag zwischen OBS und dem Streithelfer über die Weiterführung der Kurse zustande mit 213 Teilnehmern (53 beendeten ihre Kurse zum 31.08.1993, ab 02.09.1993 wurden 38 Teilnehmer neu zugewiesen).

10

Nachdem der Unterrichtsbetrieb einige Tage geruht hatte, nahm der Streithelfer ihn am 10.08. mit eigenen Lehrkräften auf in den ursprünglichen, von dem Gemeinschuldner angemieteten Räumen. Nach Intervention des Beklagten wurde der Unterricht ab 13.08.1993 in nahegelegene Universitätsräume verlegt. Ab 01.09.1993 besteht zwischen Streithelfer und dem Vermieter ein Mietverhältnis, der Unterricht findet seitdem in den ursprünglichen Räumen statt. Für übernommenes Material, daß dem Vermieterpfandrecht unterlag, hat der Streithelfer 500,00 DM bezahlt.

11

Der Streithelfer setzte neben dem Zeugen ... der Leitungsaufgaben übernahm, im OBS-Bereich 10 eigene angestellte Lehrkräfte bzw. Honorarkräfte ein, und zwar Teilzeit- und Vollzeitkräfte. Von den OBS-Lehrern des Gemeinschuldners stellte er mit Vertrags Schluß vom 13.08.1993 10 Arbeitnehmer ein. Er schloß mit ihnen neue Arbeitsverträge auf der Basis von 28 Wochenstunden Unterrichtsverpflichtung und Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT plus Zulage. Die Leiterin der Einrichtung und die Verwaltungskräfte wurden nicht eingestellt. Dem Vertragsverhältnis Streithelfer zu OBS lagen andere Konditionen zugrunde als dem Vertragsverhältnis OBS/Gemeinschuldner. Die Kursdauer betrug nur noch 6 Monate (vorher 8 Monate), die Kostenpauschale war auf 990,00 DM pro Teilnehmer herabgesetzt (vorher 1.275,00 DM).

12

Die Klägerin hatte ursprünglich Kündigungsschutzklage erhoben, die sie jedoch zurückgenommen hat, vermutlich nach Abfindungszahlung auf Grund Vereinbarung mit dem BMFJ.

13

Klägerin und Streithelfer haben vorgetragen, ein Betriebsübergang sei nicht erfolgt, aus dem OBS-Bereich seien lediglich 10 Lehrkräfte neu eingestellt worden. Zur Erfüllung der Aufgaben sei die Einstellung dieser Lehrkräfte nicht erforderlich gewesen. Der Streithelfer habe bereits vorher Deutschkurse für Ausländer durchgeführt und habe auch seit Jahren über Konzepte verfügt, die den Anforderungen der OBS entsprächen und für die Vorbereitung der Mittelstufenprüfung des ... geeignet seien. Auf Grund der erheblichen Mittelkürzung um ca. 25 % sei der Streithelfer auch gezwungen gewesen, Unterricht und Organisation zu ändern. Wegen der Berechnung der Klageforderung wird Bezug genommen auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils.

14

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin DM 13.293,66 brutto abzüglich gezahlten Arbeitslosengeldes in Höhe von DM 4.040,00 netto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 15.01.1996 zu zahlen.

15

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

16

Zur Begründung eines Betriebsüberganges hat er vorgetragen, der Streithelfer habe nicht nur den Aufgabenbereich, Sprachkurse für Ausländer, weitergeführt, sondern auch Inventar übernommen und die angemieteten Räume übernommen. Da der Streithelfer über einschlägige Erfahrungen nicht verfügt habe und die vorgelegten Konzepte nicht ausreichend seien, um den Anforderungen der OBS zu genügen, sei er gezwungen gewesen, auf das vom Gemeinschuldner erarbeitete Curriculum zurückzugreifen. Erst mit Übernahme von 10 Arbeitnehmern des Gemeinschuldners als know-how-Träger sei er in die Lage versetzt worden, eine vertragsgemäße und ordnungsgemäße Kursdurchführung zu gewährleisten. Dabei sei auch zurückgegriffen worden auf Lehrmaterial und ein Lehrbuch, daß von Beschäftigten des Gemeinschuldners erstellt worden sei.

17

Das Arbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Hornbostel. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die gerichtliche Niederschrift von 21.05.1997.

18

Das Arbeitsgericht hat nach Klageantrag erkannt. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

19

Mit Berufung wiederholt der Beklagte seinen Vortrag zum Betriebsübergang. Er vertritt insbesondere die Auffassung, mit Übernahme von 10 Lehrkräften aus dem OBS-Bereich habe sich der Streithelfer das erforderliche know-how beschafft, um die Kurse überhaupt ordnungsgemäß durchführen zu können. Das vom Streithelfer vorgelegte Konzept sei nicht ausreichend und auch nicht angewandt worden. Nach Reduzierung der Teilnehmerzahlen und Erhöhung der Wochenstundenverpflichtung von 24 auf 28 Stunden habe der Streithelfer der Klägerin einen Lehrkräftebedarf in der Größenordnung von 13,71 Vollzeitkräften gehabt.

20

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils Arbeitsgericht Hannover vom 21.05.1997, AZ.: 11 Ca 910/95, die Klage abzuweisen.

21

Klägerin und Streithelfer beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

22

Sie vertreten unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens die Auffassung, daß ein Betriebsübergang nicht vorliege.

Gründe

23

Die Berufung des Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO.

24

Soweit der Beklagte nicht ordnungsgemäße Besetzung der erstinstanzlichen Kammer rügt, ist sein Vorbringen nicht erheblich. Selbst wenn der Vorsitzende der arbeitsgerichtlichen Kammer zu Unrecht einen Verhinderungsfall angenommen hat und einen Ersatzbeisitzer hinzugezogen hat, scheidet eine Zurückverweisung aus. Gemäß § 68 ArbGG ist wegen eines Mangels im Verfahren des Arbeitsgerichts die Zurückverweisung unzulässig.

25

Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet. In erster Linie ist festzustellen, daß der Beklagte sich nicht auf einen Betriebsübergang nach § 613 a BGB berufen kann, er muß die Verpflichtungen aus dem gekündigten Arbeitsverhältnis erfüllen. Hilfsweise wird die Entscheidung darauf gestützt, daß nur ein Teilbetriebsübergang vorliegt, von dem das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht erfaßt wird; zumindest hat der Beklagte nicht schlüssig dargelegt, daß das Arbeitsverhältnis nach § 613 a BGB im Rahmen des Teilbetriebsüberganges auf den Streithelfer übergegangen ist.

26

Nach § 613 a BGB geht ein Arbeitsverhältnis, daß im Zeitpunkt eines Betriebsüberganges besteht, auf den Betriebserwerber über. Das Gesetz geht von einem automatischen Übergang des Arbeitsverhältnisses aus mit der Konsequenz, daß der Betriebsveräußerer von seinen vertraglichen Verpflichtungen frei wird. Dies spricht dafür, daß sich auch der Altarbeitgeber zur Abwehr von Vertragsansprüchen auf den Betriebsübergang berufen kann. Der Übergang des Arbeitsverhältnisses erfolgt aber nicht ausnahmslos, vielmehr ist anerkannt, daß der Arbeitnehmer einem Betriebsübergang widersprechen kann, damit den Übergang des Arbeitsverhältnisses verhindern und vom Altarbeitgeber Vertragserfüllung verlangen kann (z. B. BAG EzA § 613 a BGB, Nr. 111; EuGH EzA § 613 a BGB, Nr. 105 und Nr. 138). Zwar liegt hier ein unverzüglicher Widerspruch gegen einen möglichen Betriebsübergang nicht vor, die Klägerin hat ursprünglich die Kündigung des Gemeinschuldners angegriffen, trotzdem ist der Anwendungsbereich des § 613 a BGB einzuschränken. Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, den Arbeitnehmer vor Arbeitsplatzverlust in Folge Betriebsveräußerung zu schützen. Die Vorschrift dient nicht dem Zweck, den Altarbeitgeber von seinen vertraglichen Pflichten zu befreien. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Altarbeitgeber ist nur eine Nebenfolge des Arbeitgeberwechsels. Auf diese Nebenfolge kann sich der Altarbeitgeber nicht berufen, wenn er wirksam gekündigt hat, weil der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage nicht erhebt oder sie nachträglich zurücknimmt, der neue Arbeitgeber einen Betriebsübergang verneint und es tatsächlich nicht zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit ihm kommt. Es widerspricht dem Schutzzweck des § 613 a BGB, den Arbeitnehmer, der für die Kündigungsfrist Verzugslohn einklagt, mit dem Prozeßrisiko zu belasten, daß auf einem Streit über die Anwendung des § 613 a BGB beruht. Der Arbeitnehmer kann wegen fehlender Kenntnisse der abgeschlossenen Geschäfte den Betriebsübergang selten selbst beurteilen, er muß die Möglichkeit haben, ordnungsgemäße Vertragsabwicklung für die Kündigungsfrist vom Altarbeitgeber zu verlangen. Dem Widerspruch gegen einen Betriebsübergang steht danach der Fall gleich, in dem der Arbeitnehmer die Kündigung des Altarbeitgebers nicht angreift und wirksam werden läßt und nur noch ordnungsgemäße Abwicklung des beendeten Arbeitsverhältnisses verlangt. Einem unverzüglichen Widerspruch ist die vorliegende Fallgestaltung gleichzustellen, in der der Arbeitnehmer zwar die Kündigung angreift, tatsächlich aber eine Weiterbeschäftigung beim neuen Betriebsinhaber nicht erreicht und die Kündigungsschutzklage dann - aus welchen Gründen auch immer - zurücknimmt. Auch er muß nach Wirksamwerden der Kündigung vom Altarbeitgeber ordnungsgemäße Vertragsabwicklung verlangen können, ohne mit dem Risiko eines Streits über den Betriebsübergang belastet zu werden.

27

Für die vorstehende Auslegung wird ergänzend verwiesen auf das Urteil des BAG von 13.11.1997, 8 AZR 295/95, DB 1998, Seite 316. Wenn ein Betriebsübergang erst nach Zugang einer Kündigung erfolgt, ist häufig - weil auf den Zeitpunkt des Kündigungszugangs abzustellen ist - die Kündigung weder nach § 613 a Abs. 4 BGB noch nach § 1 KSchG unwirksam. Der nachfolgende Betriebsübergang löst aber einen Anspruch auf Fortsetzung der Beschäftigung aus. Ob der Arbeitnehmer diesen Anspruch geltend macht, unterliegt (so BAG) allein seiner rechtsgeschäftlichen Entscheidungsfreiheit.

28

Wenn der Arbeitnehmer zwischen Fortsetzungsanspruch und ordnungsgemäßer Vertragsabwicklung durch den Altarbeitgeber wählen kann, muß es auch möglich sein, daß er nach Scheitern des Fortsetzungsanspruchs auf die Ansprüche gegen den Altarbeitgeber zurückgreift, ohne den Einwand des Betriebsüberganges widerlegen zu müssen.

29

Da vorliegend die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.09.1993 wirksam geworden ist, kann sich der Beklagte gegenüber den Verzugslohnansprüchen für die Monate August und September 1993 nicht auf Betriebsübergang berufen.

30

Im übrigen liegt nur ein Teilbetriebsübergang vor, der das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht erfaßt hat. Hierauf wird die Entscheidung hilfsweise gestützt.

31

Nach der Rechtssprechung des EuGH und des BAG (z. B. EuGH vom 11.03.1997, EzA § 613 a BGB Nr. 145; BAG vom 22.01.1998, 8 AZR 775/96; BAG vom 11.12.1997, 8 AZR 729/96, DB 1998, Seite 883; BAG vom 13.11.1997, 8 AZR 375/96, ZIP 1998, Seite 344) setzt ein Betriebsübergang die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff der Einheit bezieht sich dabei auf eine organisatorische Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände; ausgehend von der Art. des betreffenden Unternehmens oder Betriebes sind zu bewerten der Übergang materieller Betriebsmittel wie Gebäude oder beweglicher Güter, der Übergang immaterieller Werte, z. B. Kundenbeziehungen oder know how. Die Identität der Einheit kann sich aber auch ergeben aus einer Übernahme von Personal und Führungskräften.

32

Besteht der Betriebszweck in der Erfüllung eines Dienstleistungsauftrages, so stellt der Verlust des Auftrages an einen Mitbewerber für sich genommen keinen Übergang in Sinne des § 613 a BGB dar. Allerdings kann gerade in diesen Fällen ein Betriebsübergang vorliegen, wenn der Auftragsnachfolger die Hauptbelegschaft einstellt (BAG vom 13.11.1997, 8 AZR 295/95, DB 1998, Seite 316; BAG, 8 AZR 729/96, a.a.O.). Andererseits kann bei wesentlichen Änderungen der Betriebsorganisation die Identität der wirtschaftlichen Einheit und damit ein Betriebsübergang zu verneinen sei. Die Übernahme nur eines Teils der Belegschaft in Verbindung mit der Fortführung eines Teils der bisherigen Arbeitsaufgaben kann zur Annahme eines Betriebsteilüberganges führen (BAG, 8 AZR 729/96, a.a.O.).

33

Nach diesen Grundsätzen liegt hier nur ein Teilbetriebsübergang vor, der nach Auffassung der Kammer begrenzt ist auf die Arbeitsverhältnisse der 10 von dem Streithelfer eingestellten OBS-Lehrkräfte.

34

Nachdem OBS das Vertragsverhältnis gekündigt hatte, endete es nach Vereinbarung zwischen OBS und dem Gemeinschuldner vom 28.07.1993 am 31.07.1993. Der Streithelfer hat nicht das Vertragsverhältnis übernommen, sondern hat auf Grund Neuvergabe durch OBS im August den Kursbetrieb aufgenommen. Die Fortführung der Kurse auf Grund eines neuen Vertrages bewirkte damit keinen Betriebsübergang.

35

Auch die Übernahme sächlicher Mittel ist nicht ausreichend. Der Streithelfer hat dem Vermieterpfandrecht unterliegendes Material für 500,00 DM erworben, also in einer Größenordnung, die für den Betriebsübergang zu vernachlässigen war. Die Anmietung der Räume durch einen neuen Mietvertrag mit dem Vermieter ist ebenfalls von untergeordneter Bedeutung. Die Kursdurchführung war nicht an bestimmte Räumlichkeiten gebunden, es handelt sich um materielle Betriebsmittel, die ohne weiteres austauschbar sind und die deshalb für die wirtschaftliche Identität des Betriebes nicht maßgebend sind.

36

Der Beklagte verweist auf die besonderen Erfahrungen des Gemeinschuldners in der Beschulung von Kursteilnehmern aus dem Hochschulbereich, dokumentiert in einem über Jahre entwickelten Curriculum, einem Lehrbuch und einem Prüfungssystem. Es handelt sich hierbei jedoch nicht um immaterielle Betriebsmittel, die einen Betriebsübergang begründen können. Der Streithelfer hat nachgewiesen, daß er im Bereich Deutsch für Ausländer bereits tätig war, er verfügte selbst über Konzepte für die Vorbereitung zur Mittelstufenprüfung des ... Curriculum und Lehrbuch des Gemeinschuldners waren nicht in besonderer Weise urheberrechtlich geschützt. Die Vermittlung von Deutsch für Ausländer ist im übrigen keine Geheimwissenschaft, viele Bildungsträger sind auf diesem Gebiet tätig, das Fach gehört zum Lehrplan von Hochschulen. Die Unterrichtung von Kursteilnehmer aus dem Hochschulbereich bedarf zwar besonderer Lehrinhalte und Methoden. Es ist aber nicht ersichtlich, daß sich dabei für einen ausgebildeten Lehrer besondere Schwierigkeiten ergeben und besondere Vorbereitungen oder Anleitungen erforderlich sind. Daß sich eine Lehrkraft auf die Vorkenntnisse und die Lernfähigkeit der Kursteilnehmer einstellen und den Unterricht entsprechend gestalten muß, ist eine Selbstverständlichkeit und von einem ausgebildeten Lehrer ohne weiteres zu leisten.

37

Im übrigen ist anzumerken, daß die Lehrpläne des Gemeinschuldners für den Streithelfer nur begrenzt anwendbar waren, weil die Kursdauer von 8 auf 6 Monate reduziert wurde. Die besonderen Erfahrungen des Gemeinschuldners sind deshalb nur relevant, soweit sie sich in Kenntnissen und Erfahrungen der Lehrkräfte niederschlagen. Allein die Übernahme von Lehrkräften als know-how-Träger kann hier zu einem Teilbetriebsübergang führen.

38

Bei der Bewertung der Personalübernahme sind mehrere Punkte relevant. Der OBS-Bereich ist nur ein Betriebsteil gewesen. Dieser Betriebsteil sollte bereits im Mai 1993 durch den Gemeinschuldner erheblich reduziert werden, von 33 oder 34 Lehrkräften sind im Mai 19 betriebsbedingt gekündigt worden wegen zu erwartenden Rückgangs der Kursteilnehmerzahlen. Der Gemeinschuldner beschulte ca. 300 Teilnehmer im Monat, der Streithelfer hat die Einrichtung weitergeführt mit ca. 200 Teilnehmern. Das heißt aber zwingend, daß von dem Betriebsteil OBS nur ein Teil, etwas mehr als die Hälfte, weitergeführt wurde. Durch Änderung der Arbeitsorganisation, Heraufsetzung der Wochenstundenzahl von 24 auf 28 Stunden, ist zusätzlich durch den Streithelfer der Lehrerbedarf reduziert worden. Durch die neuen Auftragsbedingungen, Reduzierung der Kostenpauschale von vorher 1.275,00 DM auf 990,00 DM, war der Streithelfer nicht in der Lage, die bestehenden Arbeitsverhältnisse unverändert zu übernehmen. Er mußte eine neue Arbeitsorganisation schaffen durch Herabsetzung der Vergütung und Erhöhung der Wochenstundenzahl. Nach Auffassung der Kammer liegt damit nur ein Teilbetriebsübergang vor, begrenzt auf die Arbeitnehmer, die sich beim Streithelfer beworben haben und mit den veränderten Vertragsbedingungen einverstanden waren. Bei einem Teilbetriebsübergang, der auf Übernahme eines Drittels der Arbeitsnehmer des Bereiches beruht, besteht Identität nur in dem Umfang der übernommenen know-how-Träger. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin, die nicht eingestellt wurde, ist von diesem Teilbetriebsübergang nicht erfaßt.

39

Wenn man den Teilbetriebsübergang weiterfaßt, kann sich allenfalls ergeben, daß der Streithelfer den reduzierten Lehrkräftebedarf (den der Beklagten auf 13,71 Vollkräfte berechnet hat und der vom Streithelfer mit 20 Teil- und Vollzeitkräften abgedeckt wurde) allein aus Beschäftigten des Gemeinschuldners hätte decken müssen. Er hätte dann keine eigenen Lehrkräfte einsetzen dürfen. Es stellt sich dann aber ausgehend von 33 oder 34 ursprünglich im OBS-Bereich tätigen Lehrern die Frage, ob gerade die Klägerin einzustellen gewesen wäre. Dies ist vom Beklagten, der darlegungspflichtig ist für den Betriebsübergang, auf den er sich beruft, nicht dargestellt worden. Von einem Übergang des Arbeitsverhältnisses der Klägerin kann dann aber nicht ausgegangen werden. Dies gilt erst recht, wenn man berücksichtigt, daß die Klägerin bereits im Mai 1993 vom Gemeinschuldner wegen Kursteilnehmerreduzierung betriebsbedingt gekündigt wurde.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97, 101 ZPO. Bei der Streitwertfestsetzung war der Klagebetrag zu vermindern um den Abzugsbetrag des Arbeitslosengeldes. Es ergibt sich damit der im Tenor ausgewiesene Streitwert.

41

Die Revisionszulassung beruht auf § 72 Abs. 1 Nr. 1 ArbGG.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 9.253,66 DM festgesetzt.