Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.06.1998, Az.: 12 Sa 1834/97

Anspruch auf ein 13. Moantseinkommen bei unterjähriger Kündigung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
30.06.1998
Aktenzeichen
12 Sa 1834/97
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 17006
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:0630.12SA1834.97.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 27.05.1997 - 7 Ca 174/97

In dem Rechtsstreit
hat die 12. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 30.06.98
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 27. Mai 1997 - 7 Ca 174/97 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Streitwert: unverändert.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien, auf deren Arbeitsverhältnis kraft beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge für das Baugewerbe Anwendung finden, streiten um einen Anspruch des Klägers auf 13. Monatseinkommen in der unstreitigen Höhe von 2.668,58 DM brutto.

2

Der Kläger war ab 24. April 1996 bei der Beklagten als Steinsetzer zu einem Stundenlohn von 24,94 DM brutto beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch fristgemäße Kündigung der Beklagten mit dem 31. Oktober 1996. Der Kläger arbeitete während seines Arbeitsverhältnisses insgesamt eintausend Stunden. Die Abrechnung hinsichtlich des Arbeitsentgelts für Oktober 1996 erhielt er am 15. November 1996.

3

Mit Schreiben der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom 13. Januar 1997, welches am 14. Januar 1997 bei der Beklagten eingegangen ist, machte der Kläger einen Anspruch auf anteiliges 13. Monatseinkommen geltend.

4

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 2.668,58 brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit Klagzustellung zu zahlen.

5

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

Sie hat die Auffassung vertreten, daß der Anspruch des Klägers gemäß § 16 des Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe (BRTV-Bau) verfallen sei.

7

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 23, 24 d. A.) sowie den Inhalt der zu den Akten 1. Instanz gelangten Schriftsätze und Anlagen der Parteien verwiesen.

8

Das Arbeitsgericht Hannover hat durch das am 27. Mai 1997 verkündete, hiermit in Bezug genommene Urteil (Bl. 22-28 d. A.) die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 2.668,58 DM brutto festgesetzt.

9

Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei unbegründet, da der Anspruch des Klägers auf Zahlung eines 13. Monatsgehaltes nach § 16 BRTV-Bau verfallen sei. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fänden die Tarifverträge für gewerbliche Arbeitnehmer der Bauwirtschaft Anwendung, so auch der Tarifvertrag über die Gewährung eines 13. Monatseinkommens im Baugewerbe (TV 13. Monatseinkommen) und der BRTV-Bau. Nach § 2 des TV 13. Monatseinkommen habe der Kläger einen Anspruch auf ein anteiliges 13. Monatseinkommen. Dieser Anspruch sei jedoch nach § 16 Abs. 1 BRTV-Bau verfallen, da er nicht rechtzeitig schriftlich geltend gemacht worden sei.

10

Gemäß § 16 Abs. 1 BRTV-Bau müßten Ansprüche innerhalb von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich erhoben werden. Nach § 6 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen sei jedoch der Anspruch des Klägers mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig geworden. An dieser ausdrücklichen Fälligkeitsregelung ändere sich auch nichts dadurch, daß der Anspruch des Klägers auf sein Arbeitsentgelt für Oktober 1996 nach § 5 Ziffer 8 BRTV-Bau erst Mitte des Monats November 1996 fällig geworden sei. Während für das Arbeitsentgelt des laufenden Monats nach § 5 Ziffer 8 BRTV-Bau eine ausdrückliche Fälligkeitsregelung erst Mitte des Folgemonats geschaffen worden sei, sehe demgegenüber die ausdrückliche Fälligkeitsregelung des § 6 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen für diesen Anspruch auf anteiliges 13. Monatseinkommen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor dem 30. November schon eine Fälligkeit mit Ausscheiden vor. Da die Tarifvertragsparteien für das laufende monatliche Arbeitsentgelt und für den Anspruch auf anteiliges 13. Monatseinkommen bei Ausscheiden unterschiedliche Fälligkeitsregelungen getroffen hätten, müsse das Gericht auch bei der Berechnung der Ausschlußfrist nach § 16 Abs. 1 BRTV-Bau, die gerade an die Fälligkeit anknüpfe, auch von diesen unterschiedlichen Fälligkeitsregelungen ausgehen. Zwar werde üblicherweise auch das anteilige 13. Monatseinkommen bei einem vor dem Stichtag ausscheidenden Mitarbeiter mit dem Arbeitsentgelt des letzten Monats abgerechnet und ausgezahlt. Diese möglicherweise übliche Praxis ändere aber nichts daran, daß in den beiden Tarifverträgen unterschiedliche Fälligkeitsregelungen für die Zahlung des laufenden Arbeitsentgeltes und des anteiligen 13. Monatseinkommens bei einem ausscheidenden Mitarbeiter getroffen worden seien, und hieran sei die Kammer gebunden.

11

Somit sei der Anspruch des Klägers am 31. Oktober 1996 fällig gewesen und habe nach § 16 Abs. 1 BRTV-Bau innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden müssen. Der Kläger habe seinen Anspruch aber erst mit Schreiben vom 13. Januar 1997 schriftlich geltend gemacht, so daß dieser verfallen sei.

12

Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Frist des § 16 Abs. 1 BRTV-Bau bis zur Erteilung der Abrechnung für Oktober 1996 nach § 242 BGB gehemmt gewesen wäre. Beim klägerischen Anspruch bedürfe es keiner Abrechnung durch die Beklagte, damit dieser seine Ansprüche berechnen könne. Er habe gewußt, wie viele Stunden er gearbeitet habe und habe auch seinen Stundenlohn gekannt, so daß die Berechnung seines Anspruchs nach § 2 TV 13. Monatseinkommen sofort bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis möglich gewesen sei.

13

Gegen das ihm am 26. August 1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 25. September 1997 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 29. Dezember 1997 am nämlichen Tage begründet.

14

Er macht geltend, die Differenzierung der Fälligkeitsregelungen in § 5 Nr. 8.2 BRTV-Bau einerseits und § 6 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen andererseits, welche zur Konsequenz habe, daß der Arbeitnehmer die Erfüllung seines Vergütungsanspruches in aller Regel erst mit dem 15. des Folgemonats verlangen könne, die Zahlung des 13. Monatseinkommens hingegen sofort, sei von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt gewesen. Der Tarifvertrag über das 13. Monatseinkommen enthalte hier eine Regelungslücke, welche die Tarifvertragsparteien nicht gesehen hätten. Die unbewußte Regelungslücke sei nach Treu und Glauben dahingehend zu schließen, daß der Anspruch auf ein 13. Monatseinkommen gemeinsam mit dem letzten Vergütungsanspruch fällig werde. Es sei nämlich davon auszugehen, daß sich die Tarifvertragsparteien bei objektiver Betrachtung der maßgebenden Zusammenhänge einer entsprechenden Regelung nicht entzogen und demzufolge eine Anpassung des § 6 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen vorgenommen hätten. Es sei absolut praxisfremd anzunehmen, daß der Arbeitgeber verpflichtet sein sollte, mit dem Zeitpunkt des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus dem Betrieb das 13. Monatseinkommen auszahlen zu müssen, während ihm für die Zahlung des Lohnes und die Fertigstellung der Lohnabrechnung noch Zeit bis zum 15. des Folgemonats verbleibe. Umgekehrt könne der Arbeitnehmer in der Regel seinen Anspruch auf das 13. Monatseinkommen mit dem Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis noch gar nicht berechnen, da ihm die Lohnabrechnung für den vorhergehenden Monat am Monatsende, nämlich dem Zeitpunkt des Ausscheidens, noch gar nicht vorliege.

15

Im Streitfall sei zum Zeitpunkt des Ausscheidens dem Kläger die Höhe seines Anspruchs nicht bekannt gewesen, da ihm die Oktoberabrechnung 1996 noch nicht vorgelegen habe. Erst mit Zugang der Abrechnung am 15. November 1996 habe er die Höhe des Anspruchs auf das 13. Monatseinkommen errechnen und feststellen können, ob die Beklagte von sich aus das 13. Monatseinkommen gewährt hatte. Es könne ihm nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden, bereits am 30.10. oder 01.11.1996 einen Anspruch geltend zu machen ohne zu wissen, ob die Beklagte diesen Anspruch erfüllen würde oder nicht. Auch sei die Beklagte gemäß § 242 BGB gehindert, sich auf die tarifliche Ausschlußfrist zu berufen, denn der Kläger habe frühestens mit Erteilung der Lohnabrechnung erkennen können, daß die Beklagte seinen tarifvertraglichen Anspruch nicht erfüllt habe.

16

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 27.05.1997 - 7 Ca 174/97 - die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 2.668,58 brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit Klage Zustellung zu zahlen.

17

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

18

Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 2. Februar 1998 (Bl. 46-48 d. A.).

19

Wegen des weiteren Parteivorbringens 2. Instanz wird auf den Inhalt der vor dem Berufungsgericht gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen verwiesen.

Gründe

20

Die nach der Beschwer statthafte (§ 64 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz) form- sowie fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 66 Arbeitsgerichtsgesetz, 518, 519 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit zutreffender Begründung die Klage abgewiesen. Das erkennende Gericht schließt sich gemäß § 543 Abs. 1 ZPO den Entscheidungsgründen des Arbeitsgerichts an und beschränkt sich im Hinblick auf die Angriffe der Berufung auf nachfolgende ergänzende Ausführungen:

21

Entgegen der Auffassung des Klägers enthält § 6 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen keine Regelungslücke, weil dort die Fälligkeit abweichend von § 5 Nr. 8.2 BRTV-Bau geregelt worden ist. Der TV 13. Monatseinkommen enthält in seinem § 6 (Fälligkeit) detaillierte Regelungen über die Fälligkeit des 13. Monatseinkommens. Während Absatz 1 und Absatz 3 für die Fälligkeit des 13. Monatseinkommens ausdrücklich auf die Lohnzahlung abstellen, weicht Absatz 2 davon ab und stellt auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ab. Diese Gesamtregelung ist vollständig und weist keine Lücke auf. § 6 Abs. 2 TV 13. Monatseinkommen gewährt eindeutig den Anspruch auf das anteilige 13. Monatseinkommen bereits mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses und diese Regelung erscheint angesichts der kurzen Kündigungsfristen im Baugewerbe auch plausibel. Endet nämlich das Arbeitsverhältnis bereits zu Beginn eines Monats, so würde dies bei der klägerischen Auslegung bedeuten, daß ein Anspruch auf anteiliges 13. Monatseinkommen erst zum 15. des Folgemonats gegeben ist. Dies gilt zwar für die Fälle des § 6 Absatz 1 und Absatz 3, welche auf das Monatsende (Stichtag: 30. November) abstellen, soll jedoch ersichtlich und ausdrücklich nicht zur Anwendung kommen, wenn vor dem Stichtag das Arbeitsverhältnis beendet wird.

22

Der Beklagten kann schließlich auch nach Treu und Glauben nicht verwehrt werden, sich auf die tarifliche Ausschlußfrist zu berufen. Entgegen der Auffassung des Klägers war dieser nämlich nicht gehalten, bereits am 1. November 1996 seine Ansprüche geltend zu machen, denn die Ausschlußfrist lief erst am 31. Dezember 1996 ab. Spätestens mit Erteilung der Abrechnung am 15. November 1996 wußte der Kläger, daß die Beklagte das anteilige 13. Monatseinkommen nicht gewährt hatte. Die Beklagte hat ihn deshalb nicht an der Verfolgung seiner Ansprüche arglistig gehindert. Im übrigen weisen das Arbeitsgericht und die Berufungserwiderung zu Recht darauf hin, daß der Kläger anhand der vorangegangenen Lohnabrechnungen und seiner eigenen Stundenaufstellung für Oktober seine Stunden leicht ermitteln und damit die Höhe seines Anspruchs berechnen konnte. Besondere Umstände, daß dies nicht möglich gewesen sein sollte, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen.

23

Nach alledem sind die klägerischen Ansprüche auf Zahlung eines anteiligen 13. Monatseinkommens nach § 16 BRTV-Bau verfallen und die Berufung war mit der sich aus § 97 Absatz 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

24

Die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 72 Absatz 2 Nr. 1 Arbeitsgerichtsgesetz.

Streitwertbeschluss:

Streitwert: unverändert.