Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.06.1998, Az.: 3 Sa 2220/97
Anspruch eines Straßenwärters auf Feststellung des Fortbestandes eines Arbeitsverhältnisses ; Grundsätzliche Zulässigkeit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses wegen Bezugs einer Rente; Prüfung der Verhältnismäßigkeit wegen Gefahr der Umgehung des Kündigungsschutzrechts durch Beendigungsregelungen; Pflicht zur Prüfung von freien, anderweitigen Arbeitsstellen; Verpflichtung des Arbeitgebers zur Schaffung einer freien Stelle im Wege der Versetzung durch Ausübung des Direktionsrechts
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 19.06.1998
- Aktenzeichen
- 3 Sa 2220/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 16992
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1998:0619.3SA2220.97.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Osnabrück - 02.09.1997 - AZ: 1 Ca 64/97
- nachfolgend
- BAG - 09.08.2000 - AZ: 7 AZR 749/98
Rechtsgrundlagen
- § 22 SchwbG
- § 62 Abs. 1 Manteltarifvertrag für Arbeiter im Land Niedersachsen
- § 59 BAT
In dem Rechtsstreit
hat die 3. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 19.06.98
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 02.09.1997 - 1 Ca 64/97 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger Feststellung des Fortbestandes des Arbeitsverhältnisses mit dem beklagten Land über den 07.02.1997 hinaus, hilfsweise die Verurteilung zum Abschluß eines Arbeitsvertrages. Ferner begehrt er Vergütungszahlung für den Zeitraum vom 08.02. bis 30.04.1997.
Der am ... geborene Kläger war seit dem ... bei dem beklagten Land als Straßenwärter beim ... beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag für Arbeiter im Land Niedersachsen Anwendung. Gemäß Bescheid vom 05.10.1994 des Arbeitsamtes Osnabrück ist der Kläger einem Schwerbehinderten gleichgestellt.
Aufgrund einer Herzerkrankung war der Kläger in der Folgezeit nicht mehr in der Lage, weiter als Straßenwärter zu arbeiten. Auf seinen Antrag vom 16.01.1996 gewährte die LVA Hannover dem Kläger durch Bescheid vom 05.11.1996 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit mit Wirkung vom 01.11.1995. Am 21.11.1996 erteilte der Arzt des Klägers diesem eine ärztliche Bescheinigung mit folgendem Inhalt: "... im Rahmen .... seines med. Leistungsvermögens ab 25.11.96 arbeitsfähig!"
Der Kläger meldete sich daraufhin zur Arbeit beim ... Zu einer Weiterbeschäftigung kam es in der Folgezeit nicht. Auf Antrag des beklagten Landes vom 27.11.1996 erteilte das ... gemäß § 22 i.V.m. §§ 15 ff. des Schwerbehindertengesetzes die Zustimmung zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.
Das beklagte Land teilte dem Kläger daraufhin unter dem 12.02.1997 schriftlich mit, daß sein Arbeitsverhältnis mit dem 07.02.1997 beendet sei.
In der Folgezeit wurde bei der Autobahnmeisterei ..., einer Außenstelle des ... eine befristete Stelle als Telefonist frei. Dies teilte das beklagte Land dem Kläger mit Schreiben vom 23.06.1997 mit. Gleichzeitig wies es darauf hin, daß - falls der Kläger an der Stelle interessiert sei - zuvor eine Stellungnahme des Arbeitsmedizinischen Dienstes einzuholen sei. Dieser stellte in seinem Untersuchungsbescheid vom 13.08.1997 u. a. folgendes fest:
"Bereits am 26.11.96 hatte ich festgestellt, daß ... als Telefonist einsetzbar ist. Dieses Untersuchungsergebnis gilt zwar auch weiterhin aber mit folgenden Einschränkungen:
Als Telefonist einsetzbar im Tagesdienst in einer Vermittlung eines
Keine Tätigkeit im Wechseldienst (2-Schicht oder 3-Schicht-Systemen).
Auf Grund der bestehenden Erkrankung muß aber von betriebsärztlicher Seite betont werden, daß der Arbeitsplatz eines Telefonisten in einer ... sehr stark streßbelastet ist, der nur einem Kreislauf gesundem zugemutet werden sollte.
Hinzu kommt, daß der Probant unter einer medikamentösen Therapie steht, die an einen festgelegten Tagesrhytmus gebunden ist und jede Änderung dieses Tagesrhytmus eine weitere Veränderung (evtl. Verschlimmerung) des Gesundheitszustandes bewirken kann.
Daher komme ich zu dem Ergebnis:
Als Telefonist in einer Fernmeldezentrale (Notruf zentrale) einer ... nicht geeignet."
Der Kläger hat behauptet, der Heilungsprozeß bei seiner Herzerkrankung sei weitgehend abgeschlossen. Er sei nicht mehr in vollem Umfang leistungsfähig, seine Leistungseinschränkungen bezögen sich aber lediglich auf einige wenige Tätigkeiten an seinem konkreten Arbeitsplatz, insbesondere das Arbeiten an Böschungen, was nicht selten vorkomme. Diese Tätigkeiten müsse er meiden, sämtliche anderen Tätigkeiten aus dem Berufsbild des Straßenwärters, so beispielsweise das Fahren von Kraftfahrzeugen, Bedienen von sonstigem Arbeitsgerät, das Errichten, Kontrollieren und Unterhalten von Sicherungsanlagen auf und an der Autobahn, das Arbeiten mit sonstigen Gerätschaften, die Entsorgung von Müll und Ähnliches könne er nach wie vor leisten.
Er sei auch sehr wohl geeignet für die Position als Telefonist bei der ... die einzige Einschränkung bestehe darin, daß er nach ärztlicher Einschätzung nicht im Nachtdienst arbeiten solle. Bei dem vormaligen Dienststelleninhaber habe der Anteil der Nachtschichten allenfalls bei 10 bis 20 % der Gesamtarbeitszeit gelegen. Darüber hinaus sei es dem beklagten Land ohne weiteres möglich, durch entsprechende Dienstplandisposition in Ausübung des Direktionsrechts die freigewordene Stelle dergestalt organisatorisch einzubinden und auszustatten, daß ihm der reine Nachtdienst erspart bleibe. Im übrigen gebe es nicht nur diese eine Position eines Telefonisten bei dem beklagen Land. Es verfüge vielmehr über mindestens 1.000 Stellen, auf denen es Telefonisten und Telefonistinnen beschäftige. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestehe die Verpflichtung des Arbeitgebers, nach einem für einen Schwerbehinderten geeigneten Arbeitsplatz zu suchen und dann, wenn ein solcher in der betrieblichen Organisation vorhanden sei, diesen zur Verfügung zu stellen. Hierzu komme es nicht darauf an, ob dieser geeignete, leidensgerechte Arbeitsplatz "frei" sei.
Der Kläger hat beantragt,
- 1.
das beklagte Land Niedersachsen zu verurteilen, ihm als Straßenwärter bei der ... Arbeit zu gewähren, wobei bei der Zuweisung konkreter Arbeitstätigkeit ausgenommen werden Arbeiten, die verbunden sind mit dem gelegentlichen und häufigeren Heben und Bewegen von Lasten von mehr als 20 kg, oder verbunden mit Arbeiten, die mit dem häufigen Heben und Bewegen von Lasten von mehr als 5 kg, insbesondere bei den Arbeiten an und auf Straßenböschungen;
- 2.
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers bei dem beklagten Land Niedersachsen nicht am 07.02.1997 geendet hat; das Arbeitsverhältnis besteht fort;
hilfsweise
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, mit ihm mit Wirkung ab dem 07.02.1997 einen schriftlichen (Fortsetzungs-)Arbeitsvertrag gemäß § 62 Abs. 4 Satz 1 zu schließen, welcher mit einer Kündigungsfrist von 2 Wochen zum Monatsschluß gekündigt werden kann, und auf welchen § 37 Abs. 2 sowie die §§ 57 und 58 MTArb nicht angewendet werden (§ 62 Abs. 4 Satz 2 und 3 MTArb);
- 4.
das beklagte Land Niedersachsen zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 08.02. bis zum 30.04.1.997,00 DM 12.500,00 Vergütung brutto abzurechnen und auszuzahlen.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land hat behauptet, der Kläger sei nach wie vor nicht in der Lage, als Straßenwärter zu arbeiten. Die von ihm vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 21.11.1996 sage gerade nichts darüber aus, welches "medizinische Leistungsvermögen" bei dem Kläger im Hinblick auf die Tätigkeiten eines Straßenwärters überhaupt gegeben sei. Das beklagte Land hat die Ansicht vertreten, es sei demgegenüber durch das Ergebnis der Untersuchung des Arbeitsmedizinischen Dienstes vom 26.11.1996 nachgewiesen, daß der Kläger nicht mehr mit den straßenwärter- und kraftfahrertypischen Tätigkeiten belastbar sei. Das beklagte Land hat ferner behauptet, als Einsatzmöglichkeit für den Kläger komme lediglich eine Tätigkeit als Bote im Amt, Telefonist oder Wachmann in Betracht. Man könne dem Kläger jedoch keinen freien Arbeitsplatz anbieten, den er aufgrund seiner eingeschränkten körperlichen Gesundheit wahrnehmen könne. Sämtliche derartigen Arbeitsplätze seien entweder besetzt oder nicht verfügbar. Unstreitig hat das beklagte Land in der Zwischenzeit zahlreiche andere Landesbehörden um Stellungnahme gebeten, ob ein freier, geeigneter Dienstposten für den Kläger zur Verfügung stehe. Wegen der einzelnen angeschriebenen Behörden wird auf die im Schriftsatz des beklagten Landes vom 07.08.1997 überreichte Aufstellung (Bl. 72 d.A.) Bezug genommen. Alle angeschriebenen Behörden teilten mit, daß ein entsprechender Arbeitsplatz nicht zur Verfügung stehe.
Das beklagte Land hat ferner behauptet, ein Einsatz des Klägers bei der ... scheide deshalb aus, weil der dann erforderliche Einsatz des Klägers nur im Rahmen der Früh- und Spätschichten dazu führen müsse, daß die zur Zeit tätigen übrigen vier Bediensteten die zusätzlichen Nachtschichten des Klägers übernehmen müßten und damit auf Dauer überlastet wären.
Durch Urteil vom 02.09.1997 hat das Arbeitsgericht die Klage kostenpflichtig abgewiesen und den Streitwert auf 30.000,00 DM festgesetzt.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei mit Zustimmung des Bescheides der Hauptfürsorgestelle am 07.02.1997 gemäß § 22 Schwerbehindertengesetz i.V.m. § 62 Manteltarifvertrag Arbeiter wirksam beendet worden. Im Falle der Bewilligung einer unbefristeten Berufsunfähigkeitsrente ende das Arbeitsverhältnis nach der Rechtsprechung des BAG allerdings nur dann automatisch, soweit es an zumutbaren Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf einem freien Arbeitsplatz fehle. Der Kläger sei aufgrund der vorgelegten medizinischen Befunde nicht in der Lage, die typischen Aufgaben eines Straßenwärters wahrzunehmen. Der Vortrag des Klägers bezüglich Verbesserung seines Gesundheitszustandes sei insoweit unsubstantiiert. Denkbar sei ein Einsatz des Klägers als Bote im Amt, Telefonist oder Wachmann in vollschichtiger Tätigkeit. Entsprechend habe das beklagte Land bei allen in Frage kommenden Behörden im Osnabrücker Raum nachgefragt, ob dort eine entsprechende geeignete freie Stelle für den Kläger vorhanden sei. Das Ergebnis sei negativ gewesen. Auch unter Berücksichtigung der verstärkten Fürsorgepflicht des beklagten Landes und der neuen Rechtsprechung des BAG zur Pflicht, gegebenenfalls ein Arbeitsplatz im Wege des Direktionsrechts durch Umsetzungen freizumachen, sehe die Kammer keine dem Arbeitgeber mögliche, sinnvolle und unzumutbare Weiterbeschäftigungsmöglichkeit des Klägers. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei unklar, in welchem räumlichen Bereich die Umsetzungspflicht des Arbeitgebers bestehe. Nach Auffassung der Kammer müsse hier eine Konkretisierung auf dem betrieblichen Bereich, also die Dienststelle des Klägers, erfolgen. In Betracht komme also höchstens ein Einsatz als Telefonist im Tagesrhythmus bei der ... Der Dienst in der Telefonzentrale ... werde jedoch im Schichtdienst betrieben, der rund um die Uhr geleistet werden müsse. Es bestünden schon erhebliche gesundheitliche Bedenken, den Kläger überhaupt nur im einschichtigen Tagesrhythmus einzusetzen, zumal der Arbeitsplatz eines Telefonisten in einer ... sehr stark streßbelastet sei.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils (Bl. 99 bis 102 d.A.) Bezug genommen.
Das Urteil ist dem Kläger am 13.10.1997 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 03.11.1996 Berufung eingelegt und diese am 27.11.1997 begründet.
Der Kläger ist der Ansicht, es bestehe nicht lediglich eine Verpflichtung für das beklagte Land, innerhalb der Dienststelle nach einem geeigneten, freien Arbeitsplatz zu suchen. Vielmehr sei das beklagte Land bei Schwerbehinderten bzw. Gleichgestellten gehalten, in Behörden des gesamten Bundeslandes nach einer geeigneten Stelle anzufragen und gegebenenfalls eine solche Stelle durch zulässige Ausübung des Direktionsrechts freizumachen, soweit dies nicht in erheblichem Maße in den Vertrag eines anderen Arbeitnehmers eingreife. Der Kläger bezieht sich insoweit auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 29.01.1997 (2 AZR 9/96 - DB 97, 1039). Dabei könne man sich bei der Suche nach einer geeigneten Stelle in räumlicher Hinsicht auch entgegen der Ansicht des Arbeitsgerichts nicht auf den Dienststellenbereich beschränken. Vielmehr sei das beklagte Land verpflichtet, sämtliche Landesbehörden auf freie bzw. durch Umorganisation freizumachende Stellen zu befragen.
Jedenfalls sei eine zumutbare und geeignete Arbeitsstelle in Gestalt der Tätigkeit als Telefonist in der ... vorhanden. Von dem beklagten Land sei zu verlangen, sein Direktionsrecht dergestalt auszuüben, daß ihm (dem Kläger) der reine Nachtdienst erspart bleibe.
Der Kläger bestreitet nach wie vor, daß der Arbeitsplatz in der Autobahnmeisterei für ihn zu stark streßbelastet sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück - Aktenzeichen 1 Ca 64/97 - abzuändern und festzustellen, daß
- 1.
das Arbeitsverhältnis des Klägers bei dem beklagten Land Miedersachsen nicht am 07.02.1997 geendet hat; das Arbeitsverhältnis besteht fort,
- 2.
weiterhin das beklagte Land Niedersachsen zu verurteilen, dem Kläger Arbeit als Telefonist bei der ... zu gewähren bzw. ihn anderenorts wahlweise als Telefonist, Wachmann, Pförtner oder Boten im Amt einzusetzen,
- 3.
ansonsten nach den Schlußanträgen 3. und 4. der 1. Instanz zu erkennen.
Das beklagte Land beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das beklagte Land ist der Ansicht, es gebe keine Verpflichtung, landesweit nach Stellen für den Kläger zu suchen. Der Kläger könne auch nicht etwa verlangen, daß das beklagte Land eine andere Stelle freikündige, um ihn weiterbeschäftigen zu können. Möglicherweise sei der Arbeitgeber gehalten, zu prüfen, ob eine Stelle durch Umorganisation freigemacht werden könne. Dies setze aber voraus, daß es Arbeitsplätze gebe, die umorganisiert werden könnten.
Das beklagte Land behauptet, eine Beschäftigung des Klägers als Telefonist im Tagesrythmus könne nur erfolgen, wenn man sich über sämtliche medizinischen Begutachtungen hinwegsetze. Das beklagte Land ist der Ansicht, dies wiederum sei aufgrund der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht zumutbar. Außerdem dürfe das Direktionsrecht des Landes nicht dazu führen, nur für den Kläger die gesamte Telefonzentrale umzustellen oder bislang im Schichtdienst beschäftigte Mitarbeiter in einen anderen Schichtdienst einzuteilen, damit der Kläger - und nur dieser - ausschließlich im Tageseinsatz tätig werden könne. Eine derartige Anordnung an die vorhandenen Mitarbeiter sei jedenfalls qua Direktionsrecht nicht möglich. Das beklagte Land behauptet ferner, dem Gedanken einer "Freimachung durch Kündigung" sei man ebenfalls nachgegangen, beschränkt auf den ... Raum. Auch hierbei habe man keine entsprechende Stelle finden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachvorbringens der Parteien wird auf die in beiden Instanzen überreichten Schriftsätze der Parteien Bezug genommen.
Gründe
I.
Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO).
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, da das Arbeitsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat.
1.
(a)
Dem Feststellungsantrag des Klägers (Antrag zu 1) konnte nicht entsprochen werden. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat vielmehr gemäß § 62 Abs. 1, Abs. 3 MTArb i.V.m. § 22 Schwerbehindertengesetz am 07.02.1997 mit Zustellung des Bescheides der Hauptfürsorgestelle vom 03.02.1997 geendet. Unstreitig findet auf das Arbeitsverhältnis der MTArb Anwendung, dem Kläger wurde eine Berufsunfähigkeitsrente bewilligt, und auch die gemäß § 22 Schwerbehindertengesetz erforderliche Zustimmung der Hauptfürsorgestelle liegt vor.
(b)
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Tarif normen, die im Fall des Bezugs einer Rente eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorsehen, grundsätzlich zulässig (vgl. BAG, Urt. vom 26.04.1987 - 8 AZR 635/84 - AP 5 zu § 59 BAT m.w.N.), tarifvertragliche Beendigungsnormen in Form einer auflösenden Bedingung dürfen aber nicht zu einer Umgehung zwingender kündigungsschutzrechtlicher Normen führen. Bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung ist nach ständiger Rechtsprechung der allgemein im Kündigungsschutzrecht geltende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Eine Kündigung kommt nach dem ultima-ratio-Grundsatz erst in Betracht, soweit keine anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit auf einem freien Arbeitsplatz mehr besteht. Dieser Schutz darf dem betroffenen Arbeitnehmer auch im Fall einer automatischen Beendigung wegen der Bewilligung einer Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente nicht genommen werden. Daher sind die entsprechenden Tarifbestimmungen in gesetzeskonformer Weise auszulegen, die eine Umgehung des § 1 KSchG oder der §§ 26, 622 BGB ausschließt. Das Arbeitsverhältnis kann in diesen Fällen demzufolge nur beendet werden, wenn keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für den betroffenen Arbeitnehmer mehr vorhanden ist (vgl. zu der insoweit inhaltsgleichen Bestimmung des § 59 BAT: BAG, Urt. vom 28.06.95 - 7 AZR 555/94 - AP 6 zu § 59 BAT). Jedenfalls dann, wenn ein zur Zeit "freier Arbeitsplatz" zur Verfügung steht, tritt keine Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein (BAG, Urt. vom 26.08.1995, a.a.O.). Ein derartiger freier Arbeitsplatz steht für den Kläger jedoch nicht zur Verfügung. In Betracht käme insoweit allenfalls eine Beschäftigung als Telefonist bei der Autobahnmeisterei Holdorf.
Zum einen war diese Stelle jedoch zu dem maßgeblichen Zeitpunkt gerade nicht frei. Unwidersprochen trägt nämlich das beklagte Land vor, daß das Freiwerden dieses Dienstpostens zum Zeitpunkt der Klageerhebung durch den Klägers noch nicht absehbar war, also erst recht nicht zu dem Zeitpunkt, als dem Kläger die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle zugestellt wurde. Auf diesen Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung (siehe § 62 Abs. 3 MTArb) ist vorliegend jedoch abzustellen, wobei auch solche Arbeitsplätze zu berücksichtigen sind, bei denen im Zeitpunkt des Eintritts der auflösenden Bedingung feststeht, daß sie in absehbarer Zeit freiwerden. Die Prüfung, ob eine anderweitige Stelle frei ist oder frei wird, ist im Rahmen der Bestimmung des § 62 MTArb nämlich deshalb erforderlich, weil anderenfalls eine Umgehung des Kündigungsschutzgesetzes vorläge. Die entsprechende Prüfung des Einsatzes auf einem anderweitigen Arbeitsplatz ist jedoch auch nach dem Kündigungsschutzgesetz darauf beschränkt, ob Arbeitsplätze zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung zur Verfügung stehen (BAG, Urt. vom 15.12.1994 - 2 AZR 320/94 - AP 66 zu § 1 KSchG 1969). Dem kündigungsschutzrechtlich maßgeblichen Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs entspricht im Falle des Bedingungseintritts gemäß § 62 MTArb, § 59 BAT der Augenblick des Bedingungseintritts, d. h. des Ergehen des Bescheides des Rentenversicherungsträgers und im Falle des Erfordernisses der Zustimmung der Hauptfürsorgestelle gemäß § 62 Abs. 3 MTArb der Zeitpunkt der Zustellung der Entscheidung der Hauptfürsorgestelle.
Zum anderen stand für den Kläger bei der ... auch keine für ihn geeignete freie Stelle zur Verfügung. Ein Einsatz bei der Autobahnmeisterei hätte für den Kläger Arbeit im Schichtdienst bedeutet, und zwar unter Einschluß der Nachtschicht. Der Kläger macht jedoch nicht geltend, daß er gesundheitlich in der Lage wäre, Nachtschichten zu leisten.
c)
Zu Recht weist der Kläger allerdings darauf hin, daß nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unter Umständen eine Verpflichtung des Arbeitgebers angenommen werden kann, einen freien Arbeitsplatz im Wege der Versetzung durch Ausübung des Direktionsrechts zu schaffen. Im Fall einer krankheitsbedingten Kündigung kann sich der Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht stets damit begnügen, das Fehlen freier geeigneter Arbeitsplätze festzustellen, bevor er zum Mittel der Kündigung greift. Eine Umorganisation hinsichtlich des Personaleinsatzes ist als gegenüber der krankheitsbedingten Kündigung mildere Maßnahme dann geboten, wenn der Arbeitgeber einen leidensgerechten Arbeitsplatz durch Wahrnehmung seines Direktionsrechts freimachen kann, soweit er sich damit gegenüber dem bisherigen Arbeitsplatzinhaber im Rahmen der vertraglichen Abmachung hält und nicht in dessen Rechtspositionen eingreift. Soweit dies eine Versetzung bedeutet, muß sich der Arbeitgeber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts auch um die Zustimmung des Betriebsrates bemühen, nicht zumutbar ist dem Arbeitgeber im Falle Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates demgegenüber die Durchführung des Zustimmungsersetzungsverfahrens gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG (BAG, Urt. vom 29.01.1997 - 2 AZR 9/96 - DB 97, 1039).
aa)
Nach Ansicht der Kammer sind diese Rechtsgrundsätze auch auf Fälle der vorliegenden Art. übertragbar, in denen das Arbeitsverhältnis aufgrund einer auflösenden Bedingung endet. Die gesetzeskonforme Auslegung der entsprechenden Tarifbestimmungen (§ 59 BAT, § 62 MTArb) beruht nämlich gerade darauf, daß ansonsten eine Umgehung kündigungsschutzrechtlicher Bestimmungen vorläge. Wenn der Arbeitgeber vor Ausspruch einer krankheitsbedingten Kündigung prüfen muß, ob eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit durch eine betriebliche Umorganisation im Rahmen des Direktionsrechts geschaffen werden kann, muß dies auch bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines tarifvertraglich geregelten Bedingungseintritts gelten. In beiden Fallkonstellationen sind die betroffenen Arbeitnehmer gleichermaßen schutzbedürftig. Damit bestand für das beklagte Land die Pflicht, zu überprüfen, ob für den Kläger im Rahmen der Ausübung des Direktionsrechts eine Beschäftigungsmöglichkeit geschaffen werden konnte, die seinem eingeschränkten Leistungsvermögen entspricht.
bb)
Entgegen der Ansicht des Klägers bestand dabei aber nicht die Verpflichtung für das beklagte Land, landesweit zu prüfen, ob Einsatzmöglichkeiten geschaffen werden können. Abzustellen ist vielmehr darauf, ob der Kläger an einem anderen Arbeitsplatz in der derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes hätte weiterbeschäftigt werden können. Dies ergibt sich letztlich aus dem das Kündigungsschutzrecht beherrschenden "ultima-ratio-Grundsatz", der in § 1 Abs. 2 Satz 2 eine normative Konkretisierung erfahren hat. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2. Buchst. b) KSchG ist eine Kündigung dann sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann. Entsprechendes gilt in der öffentlichen Verwaltung nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 b) KSchG, wenn der Arbeitnehmer zwar nicht an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle, jedoch in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes weiterbeschäftigt werden kann (vgl. BAG, Urt. vom 15.12.1994 - 3 AZR 320/94 - AP 66 zu § 1 KSchG betriebsbedingte Kündigung). Die Gesamtheit der Dienststellen im umschriebenen Bereich sind dem Unternehmen im Bereich der Privatwirtschaft gleichgestellt. Allerdings handelt es sich bei den genannten Bestimmungen um Regelungen im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung. Hierin ist aber grundsätzlich festgelegt, in welchem Umfang der Arbeitgeber vor Ausspruch einer Kündigung aufgrund des ultima-ratio-Prinzips nach einer anderen Beschäftigungsmöglichkeit für den betroffenen Arbeitnehmer zu suchen hat. Diese Grundsätze sind wegen der gleichen Interessenlage übertragbar auf den Fall einer Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen und insbesondere auch auf die vorliegende Fallkonstellation einer Beendigung aufgrund Eintritt einer auflösenden Bedingung. § 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG ist die Ausprägung dessen, was dem Arbeitgeber nach Auffassung des Gesetzgebers im Rahmen seiner Fürsorgepflicht zuzumuten ist und was nicht, wobei § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2. b) eine besondere Konkretisierung dieser Grundsätze für den Bereich des öffentlichen Dienstes darstellt. Nach dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß im von der genannten Vorschrift festgelegten Bereich eine Beschäftigungsmöglichkeit für ihn bestand, und zwar auch nicht aufgrund des von dem beklagten Land im Rahmen der Wahrnehmung seines Direktionsrechts Möglichen und Zumutbaren. Es hätte dem Kläger im Rahmen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast oblegen, konkret darzustellen, wie er sich eine anderweitige Beschäftigung vorstellt, an welche Art. der Beschäftigung er denkt (vgl. KR, Etzel, § 1 KSchG, Rn. 522). Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang lediglich darauf, daß es bei dem beklagten Land ca. 1.000 Stellen gebe, bei denen er möglicherweise eingesetzt werden könne. Damit hat der Kläger aber eine konkrete Möglichkeit für einen Einsatz nicht aufgezeigt, sondern lediglich allgemein auf eine bestehende Beschäftigungsmöglichkeit hingewiesen. Daher hat das beklagte Land seiner Darlegungslast genügt, indem es angegeben hat, inwieweit es nach anderen Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger gesucht hat, und zwar durch Anfrage bei den in Betracht kommenden Behörden im Raum Osnabrück. Der Umfang der Darlegungslast einer Partei ist nämlich davon abhängig, wie sich der Prozeßgegner auf einen bestimmten Vortrag einläßt (vgl. BAG, Urt. vom 22.11.1973 - 2 AZR 543/72 - EzA § 1 KSchG Nr. 28). Das beklagte Land war auch nicht etwa gehalten, im gesamten Bereich des Landes Niedersachsen nach etwaigen Einsatzmöglichkeiten für den Kläger zu forschen. Dies ergibt sich bereits aus der dargestellten räumlichen Begrenzung gemäß der entsprechend anzuwendenden Regelung des § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 b) KSchG. Dabei ist das "Einzugsgebiet" im Sinne des Unkostenrechts zu verstehen, da für eine andere Abgrenzung keine Anhaltspunkte bestehen.
Konkretes Vorbringen des Klägers liegt lediglich vor im Hinblick auf die zunächst in Aussicht genommene Stelle als Telefonist bei der ... Wie bereits unter II. 1. b) dargelegt, stand diese Stelle jedoch zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eintritt der auflösenden Bedingung nicht zur Verfügung. Darüber hinaus kann der Kläger auch nicht von dem beklagten Land verlangen, daß es dort eine für ihn geeignete Stelle im Wege der Ausübung des Direktionsrechts schafft. Hierzu wäre es nämlich erforderlich, die übrigen in der Autobahnmeisterei im Telefondienst beschäftigten Mitarbeiter mit weiteren Nachtschichten zu belasten, um sicherzustellen, daß der Kläger lediglich in der Früh- und Spätschicht eingesetzt wird. Auch nach dem tatsächlichen Vorbringen des Klägers ist nicht ersichtlich, inwieweit das beklagte Land eine solche Regelung durch Ausübung des Direktionsrechts hätte herbeiführen können. Darüber hinaus würde eine derartige Maßnahme ganz erheblich in die Rechte der übrigen Mitarbeiter eingreifen - die, insbesondere angesichts der geringen Zahl der als Telefonist beschäftigten Arbeitnehmer - mit einer erheblichen Mehrbelastung durch Nachtschichten rechnen müßten. Schließlich bestehen auch erhebliche Zweifel, ob der Kläger aus gesundheitlichen Gründen überhaupt in der Lage wäre, den offenbar streßbelasteten Arbeitsplatz als Telefonist auszuüben. Diese Frage kann jedoch aus den genannten Gründen letztlich dahingestellt bleiben.
2.
Wegen der eingetretenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses konnte auch dem Antrag des Klägers auf Zuweisung einer Tätigkeit (Antrag zu 2.) nicht entsprochen werden.
3.
Ebensowenig begründet ist der Antrag des Klägers auf Verurteilung des beklagen Landes, mit ihm einen Arbeitsvertrag zu schließen. Voraussetzung für einen solchen Anspruch gemäß § 62 Abs. 4 MTArb ist nämlich, daß ein Arbeiter, dessen Arbeitsverhältnis nach Abs. 1 oder 2 infolge Berufsunfähigkeit geendet hat, weiterbeschäftigt wird. Eine solche Weiterbeschäftigung ist im Fall des Klägers jedoch gerade nicht erfolgt.
4.
Schließlich konnte auch dem Zahlungsbegehren des Klägers nicht entsprochen werden. Vergütungsansprüche für den Zeitraum vom 08.02. bis 30.04.1997 bestehen nicht. Infrage kommt lediglich ein Anspruch gemäß § 615 BGB, da der Kläger in diesem Zeitraum nicht tatsächlich gearbeitet hat. Das beklagte Land war jedoch bereits deshalb nicht mit der Annahme der Dienste in Verzug, weil das Arbeitsverhältnis der Parteien in diesem Zeitraum bereits beendet war.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.