Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 07.12.1998, Az.: 11 Sa 1186/98

Anwendbarkeit der Tarifverträge des Bauhauptgewerbes / der Beton- und Fertigteilindustrie für Nord-West-Deutschland

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
07.12.1998
Aktenzeichen
11 Sa 1186/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 15969
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:1207.11SA1186.98.0A

In dem Rechtsstreit
hat die 11. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 07.12.98
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 02.04.1998 - 2 Ca 972/97 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte unter den Geltungsbereich der Tarifverträge des Bauhauptgewerbes fällt oder ob die Tarifverträge der Beton- und Fertigteilindustrie für Nord-West-Deutschland zur Anwendung kommen.

2

Der Kläger ist seit 1986 als Mitarbeiter bei der Beklagten tätig. Die Beklagte betreibt in ... ein Beton-Fertigteil-Werk. Sie stellt überwiegend auftragsbezogene individuelle Fertigteile aus Beton her. Die Betonfertigteile werden entsprechend der Vorgaben der Auftraggebers konstruiert und sodann gefertigt. Mit den Auftraggebern schließt die Beklagte Werklieferungsverträge ab. Die Montage der Fertigteile erfolgte ursprünglich auf der Baustelle durch eigene Arbeitnehmer der Beklagten. Von 1995 noch, mit der Montage beschäftigte 28 Mitarbeiter ist die Montage-Kolonne 1997 auf 6 Mitarbeiter reduziert worden. Die Montage wird nunmehr überwiegend durch Subunternehmer durchgeführt.

3

Seit dem 01.04.1997 wurden von 40.354 produzierten Tonnen 28,2 % durch eigene Montagearbeiter der Beklagten auf den Baustellen montiert, 61,4 % durch Subunternehmer und 10,4 % der produzierten Tonnage wurden ohne Montage geliefert. Neben der auftragsbezogenen individuellen Fertigung produziert die Beklagte vom 01.04. bis 31.12.1997 Fertigteilgaragen in einer Gesamt-Tonnage von 4.105 Tonnen, deren Montage und Aufstellung durch eine externe Montagegesellschaft erfolgt.

4

Bei der Fremdmontage schließt die Beklagte Werklieferungsverträge mit Endabnehmern ab. Das Eigentum an den Fertigteilen geht nicht an die Subunternehmer, sondern nach der Montage und der Bezahlung des Gesamtwerks auf die Endabnehmer über. Bis zur schlüsselfertigen Übergabe der Bauwerke bleibt die Beklagte Eigentümerin der selbst hergestellten und in diesen Bauwerken durch Subunternehmer eingebauten Fertigteile. Die Montage wird überwacht durch einen Mitarbeiter der Beklagten.

5

Bis zum 31.12.1996 war die Beklagte Mitglied im Verband der Bauindustrie in Niedersachsen. Sie hat die Mitgliedschaft zu diesem Zeitpunkt gekündigt. Ab 01.04.1997 ist sie Mitglied im Verband der Beton- und Fertigteilindustrie Nord e. V.. Seit diesem Zeitpunkt wendet sie auf die Arbeitsverhältnisse der bei ihr beschäftigten Mitarbeiter die Tarife der Beton- und Fertigteilindustrie Nord an. Sie hat die Mitarbeiter umgruppiert in die Lohn- und Gehaltsgruppen der Lohn- und Gehaltstarife für die Beton- und Fertigteilindustrie Nord. Die Umgruppierung ist für den Kläger mit einer Gehaltsreduzierung von 210,00 DM im Monat verbunden.

6

Der Kläger vertritt die Auffassung, daß die Beklagte nach wie vor vom Geltungsbereich der Tarifverträge für das Bauhauptgewerbe erfaßt werde.

7

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Normen der Tarifverträge für das Baugewerbe in ihrer jeweils geltenden Fassung über den 01.04.1997 hinaus zur Anwendung kommen.

8

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

9

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, daß seit 01.04.1997 die Tarifverträge der Beton- und Fertigteilindustrie Anwendung fänden. Sie meint, sie unterfalle dem Baugewerbe deshalb nicht, weil sie die Montage der Beton- und Fertigteile überwiegend nicht selbst, sondern durch Subunternehmer vollziehen lasse.

10

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 17.035,20 DM festgesetzt.

11

Das Arbeitsgericht hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen, daß durch die Änderung des Betriebszweckes in Form der Einschaltung von Subunternehmern die Beklagte aus dem betrieblichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 des Rahmentarifvertrages für die technischen und kaufmännischen Angestellten des Baugewerbes herausgewachsen ist.

12

Der Kläger hat gegen das ihm am 27.04.1998 zugestellte Urteil am 27.05.1998 Berufung eingelegt und diese am Montag, den 29.06.1998 begründet.

13

Er ist der Auffassung, die Tarifverträge des Bauhauptgewerbes seien weiter anzuwenden. Es sei unerheblich, ob die Beklagte die zu erstellenden Werke aufgrund von Werkverträgen mit eigenen Mitarbeitern oder durch Subunternehmen erstellen lasse. Es sei die Beklagte, die dem Kunden das fertige Werk schulde. Insoweit verfüge die Beklagte auch über 6 Bauleiter, 4 Poliere und 2 Facharbeiter, die sowohl bei der Eigenmontage von Fertigbetonteilen als auch zur Überwachung derjenigen Baustellen eingesetzt würden, auf denen Subunternehmer im Auftrag der Beklagten tätig seien. Es fände daher nicht ein Veräußern von hergestellten Teilen an nichtbeteiligte Dritte statt. Die Beklagte veräußere gerade nicht an unbeteiligte Dritte, sondern an Kunden. Anwendbar sei der Tarifvertrag des Betonsteingewerbes nur dann, wenn die Betonfertigteile für den "anonymen Markt" produziert würden.

14

Der Kläger und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 02.04.1998 aufzuheben und festzustellen, daß auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Normen des Tarifvertrages für das Baugewerbe in ihrer jeweils geltenden Fassung über den 01.04.1997 hinaus zur Anwendung kommen.

15

Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Sie ist der Auffassung, die Fremdmontage durch Subunternehmer, die zu mehr als 50 % der Gesamtmenge erfolge, falle entgegen der Auffassung des Klägers nicht unter den Geltungsbereich der Tarifverträge des Bauhauptgewerbes, sondern unter den Manteltarifvertrag für die Angestellten des Betonsteingewerbes Norddeutschland vom 14.09.1993.

Gründe

17

Die form- und fristgerecht eingelegte und auch insgesamt zulässige Berufung konnte keinen Erfolg haben.

18

Die Klage ist als Feststellungsklage gem. § 256 ZPO zulässig. Das Feststellungsinteresse ergibt sich schon daraus, daß zwischen den Parteien lediglich streitig ist, welcher Tarifvertrag nach dem 01.04.1997 zur Anwendung kommt. Der Feststellungsantrag ist daher geeignet, alle Streitpunkte zwischen den Parteien in einem Rechtsstreit zu klären. Zudem hat sich die Beklagte verpflichtet, für den Fall einer rechtskräftigen Feststellung des Fortbestandes des Tarifvertrages für das Bauhauptgewerbe die Ansprüche des Kläger nachzuberechnen. Der Kläger hat auch ein rechtliches Interesse daran, daß das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird, denn für den Fall, daß die Weitergeltung der Tarifverträge Bau festgestellt würde, hätte dies sofort zwingende Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis (vgl. BAG in AP Nr. 26 zu § 650 ZPO 1977 m. w. N.).

19

Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage als unbegründet abgewiesen.

20

Die Beklagte unterfällt mit ihrem Fertigteilwerk in ... seit dem 01.04.1997 nicht mehr dem fachlichen Geltungsbereich der Bautarife.

21

Nach der Tarifsystematik des betrieblichen Geltungsbereichs sowohl des Rahmen- wie auch des Gehalttarifvertrages für die Angestellten im Baugewerbe gehören Betriebe dann zum Baugewerbe, wenn sie unter die Abschnitte 1-4 des § 1 fallen. Nach § 1 Abs. 2 Abschnitt V Ziffer 13 BRTV für das Baugewerbe gehören zu den in den Abschnitten I - III genannten Betrieben diejenigen, in denen folgende Arbeiten ausgeführt werden:

"Fertigbauarbeiten: Einbauen oder Zusammenfügen von Fertigbauteilen zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken; ferner das Herstellen von Fertigbauteilen, wenn diese zum überwiegenden Teil durch den Betrieb, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmens Zusammenschlüssen - unbeschadet der gewählten Rechts form - durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt oder eingebaut werden."

22

Dagegen werden von dem fachlichen Geltungsbereich des § 1 Abs. 2 des Manteltarifvertrages für die Angestellten des Betonsteingewerbe Nord-West-Deutschlands vom 14.10.1993 erfaßt:

23

"Beton- und Betonfertigteilwerke".

  1. 1.

    Hierunter fallen alle industriellen und handwerklichen Betriebe, die Betonwaren, Stahlbetonwaren, Porenbetonerzeugnisse, Betonwerkstein und Betonfertigbauteile aller Art. stationär herstellen und diese zum überwiegenden Teil an nicht beteiligte Dritte veräußern.

  2. 2.

    Werden die hergestellten Fertigbauteile dagegen zum überwiegenden Teil durch den Herstellbetrieb selbst, einen anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmens Zusammenschlüssen - unbeschadet der gewählten Rechtsform - durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zur Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung oder Änderung von Bauwerken zusammengefügt oder eingebaut (Fertigteilherstellung im Baubetrieb gem. § 1 Abs. V Ziff. 12 des BRTV Bau) so fällt der herstellende Betrieb nur dann unter diesen Tarifvertrag, wenn er Mitglied eines der vertragschließenden Verbände ist und entweder

    1. 1.

      bereits am 01.05.1974 dort Mitglied war oder

    2. 2.

      nach dem 01.05.1974 als Niederlassung eines gemäß 1.) ausgenommenen Verbandsmitglieds gegründet worden ist und sich mit seiner Betriebstätigkeit der Art. nach im Rahmen der Betriebstätigkeit des Stammbetriebs hält oder

    3. 3.

      nach dem 01.05.1974 gegründet und vor Ablauf eines Jahres nach der Produktionsaufnahme Mitglied eines der vertragsschließenden Verbände geworden ist, ohne zuvor die Mitgliedschaft in einem Verband des Baugewerbes erworben zu haben.

24

Ein Betrieb wird trotz Vorliegens der unter 1) bis 3) genannten Voraussetzungen nicht von diesem Tarifvertrag erfaßt, wenn er

  1. 1.

    vor dem 01.05.1974 zugleich Mitglied in einem Verband des Baugewerbes war und am 01.05.1974 die Rahmen- und Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes für die Mehrzahl seiner Arbeitnehmer angewendet hat oder

  2. 2.

    nach dem 01.05.1974 Mitglied in einem Verband des Baugewerbes geworden ist und die Rahmen- und Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes für die Mehrzahl seiner Arbeitnehmer anwendet.

25

Als Betriebe gelten auch selbständige Betriebsabteilungen."

26

Grundsätzlich folgt die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetz geltenden Regeln, Zunächst ist anhand des Tarifwortlauts der maßgebliche Sinn der Erklärung zu erforschen ohne am Buchstaben zu haften. Über den reinen Wortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien nur mit zu berücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat (vgl. BAG in AP Nr. 117 und 121 zu § 1 TVG Auslegung). Weitere Auslegungskriterien, wie Tarifgeschichte, Tarif Übung, Entstehnisgeschichte sowie der verfolgte Zweck sind heranzuziehen, wenn der Wortlaut nicht eindeutig und der Auslegung zugänglich ist. Derjenigen Tarifauslegung gebührt im Zweifel der Vorrang, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (vgl. BAG in AP Nr. 8 zu § 1 TVG Tarifverträge Großhandel).

27

Nach Ziffer 13 Satz 1 zweiter Halbsatz muß der Betrieb, der Fertigbauteile herstellt, wenn er den Bautarifvertrag unterfallen soll, mit den von ihm hergestellten Fertigbauteilen überwiegend entweder selbst ein Bauwerk erstellen oder sie in ein Bauwerk einbauen. Gleichgesetzt wird der Fall, daß das Bauwerk von einem anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmenszusammenschlüssen durch den Betrieb mindestens eines beteiligten Gesellschafters zusammengefügt oder eingebaut wird. Dies ist bei der Beklagten, nachdem sie ihre Montageabteilung abgeschmolzen und die Montageaufträge an eigenständige Subunternehmer vergeben hat, nicht mehr der Fall.

28

Unstreitig gehören die Subunternehmer, die von der Beklagten gelieferte Fertigteile zu einem Bauwerk zusammenfügen, nicht zum Betrieb der Beklagten. Sie gehören auch nicht einem anderen Betrieb desselben Unternehmens oder einem Unternehmensverbund der Beklagten an. Die Montage arbeiten der eigenständigen Subunternehmer sind der Beklagten auch nicht als eigenständige Montageleistungen zuzurechnen.

29

Die Beklagte fügt mit den von ihr hergestellten Fertigteilen kein Bauwerk im Tarif sinn zusammen. Sie bedient sich zwar im Rahmen von Werklieferungsverträgen der Subunternehmer. Sie überträgt aber nicht diesen, sondern den Endabnehmern das Eigentum an den Fertigbauteilen. Der Subunternehmer ist Erfüllungsgehilfe der Beklagten gegenüber dem Endabnehmer und haftet ihr gegenüber und nicht gegenüber dem Endabnehmer für die fachliche Ausführung der Arbeiten. Damit ist allein der Subunternehmer ein Baubetrieb im Sinne des Rahmentarifvertrages Bau, nicht jedoch die Beklagte, die nicht selbst, bzw. durch Unternehmens- oder unternehmensverbandsangehörige Betriebe die von ihr hergestellten Fertigt eile zusammenfügt.

30

Nach dem Wortlaut und dem Sinn des Ziffer 13 Satz 1 zweiter Halbsatz kommt es allein darauf an, ob von dem Betrieb selbst, bzw. von einem Betrieb des gleichen Unternehmens bzw. des Unternehmerverbandes ein Bauwerk mit Hilfe der selbst hergestellten Fertigbauteile zusammengefügt oder eingebaut wird. Nur unter diesen Voraussetzungen kann aufgrund der baulichen Arbeiten von einem Baubetrieb gesprochen werden. Dabei ist es tarifrechtlich ohne Belang, ob das Eigentum an den Fertigteilen direkt von der Beklagten an den Endabnehmer oder ob ein Zwischenerwerb durch einen Subunternehmer erfolgt. Auch in welcher Weise das Eigentum von der Beklagten auf den Endabnehmer übergeht, ist für die Abgrenzung, ob ein Baubetrieb im Sinne der Ziffer 13 vorliegt, ohne Bedeutung (vgl. LAG Hamm, Urteil vom 08.05.1998 - 10 Sa 2047/97).

31

Zutreffend hat das Arbeitsgericht auch ausgeführt, daß die Abgrenzung in Ziffer 13 Satz 1 zweiter Halbsatz zeigt, daß die Tarifvertragsparteien das Problem erkannt haben, daß das Fertigbauteil nicht vom Hersteller selbst, sondern von anderen Betrieben eingebaut wird. Dabei war den Tarifvertragsparteien auch bekannt, daß es sich dabei um eigenständige Subunternehmer handeln kann. Dennoch haben die Tarifvertragsparteien hinsichtlich des Geltungsbereichs des Bautarifvertrages von anderen Betrieben erbrachten Bauleistungen nur dann dem Herstellungsbetrieb zugeordnet, wenn es sich um Betriebe handelt, die mit dem Hersteller der Fertigteile dem selben Unternehmen oder einem Unternehmensverband angehören, wobei es ausreichend ist, wenn das Zusammenfügen und Einbauen durch einen Betrieb erfolgt, der mindestens einem der beteiligten Gesellschafter gehört. Aus der Tatsache, daß die Tarifvertragsparteien die ihnen damals schon bekannten Subunternehmer nicht erwähnt haben, sondern lediglich auf Unternehmensbeteiligungen abgestellt haben, kann nur der Schluß gezogen werden, daß Bauleistungen von Subunternehmern dem Herstellungsbetrieb nicht zuzurechnen sind.

32

Es kann dahingestellt bleiben, ob die von den Subunternehmern erbrachten Leistungen der Beklagten zuzurechnen wären, wenn sie die von den Subunternehmen eingesetzten Arbeitnehmer einweisen, überwachen und kontrollieren würde, denn dies ist nicht der Fall.

33

Die Beklagte weist die von den Subunternehmern eingesetzten Arbeitnehmer nicht ein, überwacht und kontrolliert sie nicht. Der von der Beklagten auf den Baustellen eingesetzte Bauleiter hat nur dafür Sorge zu tragen, daß der Subunternehmer seinen Auftrag ordnungsgemäß erfüllt. Der Bauleiter hat kein Direktionsrecht gegenüber den Arbeitnehmern des Subunternehmens. Die Überwachungstätigkeit des Bauleiters ist mithin werk- und nicht arbeitnehmerbezogen, denn der Subunternehmer bleibt auch beim Einsatz des Bauleiters der Beklagten eigenverantwortlich tätig, solange nicht die Einweisung, Überwachung und Kontrolle von dessen Arbeitnehmern durch Arbeitnehmer der Beklagten erfolgt (vgl. BAG, Urteil vom 11.06.1997 - 10 AZR 525/96; a. A. LAG-Hamm, Beschl. v. 18.08.1998 - 3 TaBV 25/98).

34

Die Beklagte unterliegt daher seit dem 01.04.1997 nicht mehr dem Geltungsbereich der Tarifverträge des Baugewerbes, denn der überwiegende Teil der Fertigbauteile, die die Beklagte herstellt, wird nicht von dieser oder einem Betrieb desselben Unternehmens der Beklagten oder einem Unternehmensverbund mit der Beklagten zusammengefügt oder eingebaut. Der Anteil der von der eigenen Montageabteilung der Beklagten hergestellten Fertigbauteile beträgt lediglich 28,2 % und erreicht damit nicht den vom Tarifvertrag verlangten Anteil von über 50 %.

35

Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Tarifvertrag Bau auch nicht deswegen anwendbar, weil der Betrieb der Berufungsbeklagten aus dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 2 des Manteltarifvertrages für die Angestellten des Betonsteingewerbes Nord-West-Deutschland vom 14.09.1993 ausgenommen worden ist. Die Beklagte unterliegt im Gegenteil den Bestimmungen dieses Tarifvertrages.

36

Die Beklagte stellt unstreitig Betonfertigbauteile aller Art. stationär her. Sie veräußert diese zum überwiegenden Teil auch an nicht beteiligte Dritte.

37

Die Auffassung des Klägers, unter "nicht beteiligte Dritte" sei der anonyme Markt zu verstehen, also etwa die Fertigbetonprodukte die Kunden in Gärten- oder Baumärkten erwerben, ist unrichtig. Auch das Erstellen eines Werkes und die Veräußerung dieses Werks an einen Dritten ist die Veräußerung an einen nicht beteiligten Dritten. Nicht beteiligt bedeutet nicht, daß der Dritte unbekannt sein muß, denn auch Hersteller von Betonfertigbauteilen, die weder selbst montieren noch durch Subunternehmer oder andere Betriebe montieren lassen, verkaufen ihre Produkte in aller Regel an ihnen bekannte Dritte. Die Tarifvertragsparteien haben mit "nicht beteiligte Dritte", ersichtlich auf Ziffer 13 Satz 1 zweiter Halbsatz Bundesrahmentarifvertrag - Bau, abgestellt, in dem die Tarifvertragsparteien die Anwendung des Bautarifvertrages davon abhängig gemacht haben, daß die Fertigbauteile von einem anderen Betrieb desselben Unternehmens oder innerhalb von Unternehmens Zusammenschlüssen durch den Betrieb mindestens eines der beteiligten Gesellschafter zusammengefügt oder eingebaut werden. Im Falle der Veräußerung an einen solchen "beteiligten" Betrieb sollte der Tarifvertrag des Betonsteingewerbes nicht zur Anwendung kommen, denn in diesem Fall erfolgt die Veräußerung an einen beteiligten Dritten. Dies ist, wie bereits oben ausgeführt, bei der Beklagten nicht der Fall.

38

Der Betrieb der Beklagten fällt auch nicht nach der Stichtagsregelung in § 1 Abs. 2 Ziffer 2 des Manteltarifvertrages für die Angestellten des Betonsteingewerbes Nord-West-Deutschland unter den Bautarifvertrag. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil, die der Kläger mit der Berufungsbegründung auch nicht angegriffen hat, Bezug genommen.

39

Die Tarifverträge des Bauhauptgewerbes finden auch nicht kraft Nachwirkung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers nach dem 01.04.1997 Anwendung.

40

Die Nachwirkung ergibt sich nicht aus § 3 Abs. 3 TVG, wonach die Tarifgebundenheit solange bestehen bleibt, bis der Tarifvertrag endet.

41

Ein Betrieb, dessen Zweck sich ändert, verbleibt nur dann im fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages, wenn dieser Tarifvertrag auch für an sich branchenfremde Betriebe gelten soll. Die Änderung des Betriebszweckes führt hier dazu, daß der Betrieb nicht mehr in den fachlichen Geltungsbereich der Bau-Tarife sondern den Tarifverträgen des Betonsteingewerbes unterfällt.

42

Ist der Betrieb aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrages herausgewachsen, wirkt der alte Tarifvertrag nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nach § 3 Abs. 3 Tarifvertragsgesetz fort, denn das Bundesarbeitsgericht verlangt für die Anwendung des § 3 Abs. 3 TVG, daß die Arbeitsvertragsparteien unter den fachlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages fallen (BAG, Urteil vom 10.12.1997 in NZA 1998, 488, m. w. N.).

43

Eine Fortgeltung der Tarifverträge des Bauhauptgewerbes ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 5 TVG.

44

Danach gelten zwar die Rechtsnormen eines Tarifvertrages nach dessen Ablauf weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Ändert sich der Zweck eines Betriebes und wächst der Betrieb damit aus dem fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrages heraus, weil dieser für branchenfremde Betriebe nicht, gilt, so greift § 4 Abs. 5 TVG nach seinem Wortlaut nicht ein, da der Tarifvertrag nicht "abgelaufen" ist. Zwar ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG in AP Nr. 13 und 14 zu § 3 TVG sowie AP Nr. 14 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit) § 4 Abs. 5 TVG im Wege der Analogie auf alle Fallgestaltungen anzuwenden, in denen die Tarifbindung entfallen ist, weil diese Vorschrift eine Überbrückungsregelung zur Vermeidung inhaltsleerer Arbeitsverhältnisses darstellt. Dies ist hier aber deshalb nicht der Fall, weil, wie bereits oben dargelegt, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien, die für die Angestellten in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe für Norddeutschland) geltenden Tarifverträge ab 01.04.1997 zur Anwendung kommen. Unstreitig finden auf das Arbeitsverhältnis die einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Dies sind aber, wie bereits oben ausgeführt, die Tarifverträge des Betonsteingewerbes.

45

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.