Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.05.1998, Az.: 13 TaBV 40/98
Anspruch auf Abbruch der Betriebsratswahl im einstweiligen Verfügungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 13.05.1998
- Aktenzeichen
- 13 TaBV 40/98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1998, 16990
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:1998:0513.13TABV40.98.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 08.05.1998 - AZ: 11 BVGa 4/98
Fundstellen
- AiB 2001, 722 (amtl. Leitsatz)
- NZA-RR 1998, 545-546 (Volltext mit red. LS)
In dem Beschlußverfahren
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
aufgrund der Anhörung am 13.05.98
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht ... und
die ehrenamtlichen Richter ...
beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Wahl Vorstandes wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover vom 08.05.1998, 11 BVGa 4/98, abgeändert.
Der Antrag der Arbeitgeber wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Arbeitgeber begehren im einstweiligen Verfügungsverfahren im Beschlußverfahren, dem Wahlvorstand aufzugeben, die für den 14.05.1998 vorgesehene Betriebsratswahl abzubrechen.
Die Firma ... betreibt die Herstellung und den Vertrieb von Schnittholz-Trocknern mit ca. 45 Arbeitnehmern (im Folgenden: Bereich Holztechnik) sowie den Holzfachhandel ... Holzimport mit ca. 7 Arbeitnehmern (im Folgenden: Bereich Holzhandel). Die Firma ... stellt Steuerungen für Holz-Trockenanlagen und Feuchtmeßanlagen her mit ca. 15 Arbeitnehmern (im Folgenden: Bereich Trockentechnik). Für den Bereich Holztechnik besteht seit 2 1/2 Jahren ein Betriebsrat, für die Bereiche Holzhandel und Trockentechnik fand keine Betriebsratwahl statt. Der Betriebsrat des Bereiches Holztechnik bestellte am 08.01.1998 einen dreiköpfigen Wahlvorstand. Mit Wahlausschreiben vom 25.03.1998 (Bl. 17 und 18 d.A.) schrieb der Wahl vorstand die Betriebsratswahl aus für die Bereiche Holztechnik, Holzhandel und Trockentechnik. Er vertritt die Auffassung, es liege ein einheitlicher Betrieb vor. Die Arbeitgeber bestreiten dies und vertreten die Auffassung, es handele sich jeweils um getrennte eigenständige Betriebe, für die jeweils eine eigenständige Betriebsleitung, insbesondere im personellen Bereich, bestehe.
Die Arbeitgeber haben vorgetragen, der vom Betriebsrat des Bereiches Holztechnik bestellte Wahl vorstand sei nicht legitimiert, eine Betriebsratswahl für alle drei Betriebseinheiten gemeinsam durchzuführen. Eine solche gemeinsame Betriebsratswahl könne nur durchgeführt werden von einem Wahlvorstand, der gemäß § 17 BetrVG von einer Betriebsversammlung dieses gemeinsamen Betriebes gewählt sei. Da die Betriebsratswahl im Falle ihrer Durchführung nichtig sei, bestehe ein Anspruch auf Unterlassung der Betriebsratswahl.
Die Arbeitgeber haben beantragt,
dem Wahl vorstand zu untersagen, eine gemeinsame Betriebsratswahl für die ... die ... und den Holzfachhandel ... Holzimport durchzuführen;
hilfsweise
dem Wahl vorstand aufzugeben, sämtliche Maßnahmen im Hinblick auf Planung und Durchführung einer gemeinsamen Betriebsratswahl für die
und den Holzfachhandel ... Holzimport zu unterlassen.
Der Wahl vorstand hat beantragt,
die Anträge abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, daß der vom Betriebsrat bestellte Wahlvorstand zur Durchführung der Betriebsratswahl in der vorgesehenen Weise berechtigt sei.
Das Arbeitsgericht hat nach Hauptantrag der Arbeitgeber erkannt. Auf die Gründe des arbeitsgerichtlichen Beschlusses wird Bezug genommen.
Mit Beschwerde wiederholt der Wahlvorstand seine erstinstanzliche vorgetragene Rechtsauffassung und beantragt,
den Beschluß des Arbeitsgerichts Hannover
aufzuheben und den Antrag abzuweisen.
Die Arbeitgeber beantragen,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie wiederholen unter Verteidigung des erstinstanzlichen Beschlusses ihre erstinstanzlich vorgetragenen Rechtsansichten und machen insbesondere geltend, daß der vom Betriebsrat des Bereiches Holztechnik bestellte Wahl vorstand nicht legitimiert sei, eine Betriebsratswahl für einen gemeinsamen Betrieb durchzuführen. Dies könne nur ein Wahlvorstand, der aufgrund gemeinsamer Betriebsversammlung gemäß § 17 BetrVG gewählt sei und entsprechend legitimiert sei. Im übrigen halten die Arbeitgeber an ihrer Auffassung fest, daß es sich nicht um einen gemeinsamen Betrieb, sondern um drei Betriebe handele. Sie stützen hierauf aber nicht den Antrag auf Unterlassung der Betriebsratswahl. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Beschwerdeerwiderung.
II.
Die Beschwerde des Wahl Vorstandes ist zulässig, sie ist auch begründet, weil von einer Nichtigkeit der Betriebsratswahl nicht ausgegangen werden kann.
Die Kammer ist nach Geschäftsverteilungsplan für die Entscheidung der Beschwerde zuständig, nicht die Kammer 12. Bei den Beschlußverfahren 11 BVGa 2/98 = 12 TaBV 20/98 und 11 BVGa 4/98 = 13 TaBV 40/98 handelt es sich um gesonderte Rechtsstreitigkeiten im Sinne von A III 1 a des Geschäftsverteilungsplanes. Die 12. Kammer war im vorliegenden Rechtsstreit noch nicht tätig. Da das Verfahren 12 TaBV 20/98 am 05.05.1998 beendet wurde, die vorliegende Beschwerde erst am 11.05.1998 eingegangen ist, ergibt sich auch aus A III 1 b und c keine Zuständigkeit der 12. Kammer.
Ob der Wahlvorstand zu Recht von einem einheitlichen Betrieb ausgeht, war vorliegend nicht zu entscheiden. Wie die Arbeitgeber zu Recht ausführen, führt die Verkennung des Betriebsbegriffs nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl. Eine Verkennung des Betriebsbegriffs kann deshalb nicht zur Untersagung der Betriebsratswahl führen, konsequent wird der Antrag hierauf auch nicht gestützt.
Soweit die Arbeitgeber in der Beschwerdeerwiderung ansprechen, daß der Wahlvorstand keine korrekten Wählerlisten zugrundegelegt hat, ist ebenfalls Nichtigkeit nicht zu erkennen. Nähere Ausführungen dazu, in welchen Punkten die Wählerlisten fehlerhaft sind, fehlen. Mangels nachprüfbarem Sachvortrags kann deshalb hierauf ebenfalls die Unterlasung der Betriebsratswahl nicht gestützt werden.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts und der Arbeitgeber ist die Beschwerdekammer der Auffassung, daß der vom Betriebsrat bestellte Wahlvorstand berechtigt ist, die gemeinsame Wahl für alle drei Betriebsbereiche durchzuführen. Eine Bestellung eines Wahlvorstandes durch eine Betriebsversammlung war nicht erforderlich. Für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung auf Untersagung der Betriebsratswahl fehlt damit der Verfügungsanspruch.
Das LAG Bremen (AP Nr. 3 zu § 17 BetrVG 1972) hat die Auffassung vertreten, wenn für zwei Betriebsstätten, für die ursprünglich getrennte Betriebsräte bestanden, ein einheitlicher Betriebsrat gewählt werden soll, könne der Wahl vorstand nur gemäß § 17 Abs. 1 BetrVG in einer Betriebsversammlung gewählt werden. Die bestehenden Betriebsräte hätten nicht das Recht, einen Wahl vorstand einheitlich für alle Arbeitnehmer des einheitlichen Betriebes zu bestellen. Dieser Auffassung des LAG Bremen ist die Literatur weitgehend gefolgt.
Die Gegenmeinung (GK-BetrVG, 6. Aufl., § 17, RdNr. 7; Fitting/Kaiser, 18. Aufl., § 17, RdNr. 4) verweist dagegen darauf, auch wenn in Betriebsteilen bisher zu Unrecht getrennte Betriebsräte gewählt worden seien, nunmehr nach richtiger Ansicht ein gemeinsamer Betriebsrat zu wählen sei, sei der Betrieb insgesamt gesehen nicht betriebsratslos. Der Wahl vorstand müsse nicht in einer gemeinsamen Betriebsversammlung gewählt werden, vielmehr von den Betriebsräten bestimmt werden, ggf. durch den Betriebsrat des nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten Betriebsteils. Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an, und zwar aus folgenden Gründen.
Nach §§ 16, 17 BetrVG ist der Wahl vorstand in erster Linie zu bestellen durch einen bestehenden Betriebsrat, besteht kein Betriebsrat, ist er durch die Betriebsversammlung zu wählen, führt eine Betriebsversammlung nicht zur Wahl eines Wahl vor Standes, kann letztlich das Arbeitsgericht angerufen werden. Im Grundsatz geht damit das Gesetz aus von der Bestellung des Wahlvorstandes durch den Betriebsrat, Bestellung durch die Betriebsversammlung und durch das Arbeitsgericht sind demgegenüber nachrangige Ausnahmen.
Der bestehende Betriebsrat hatte gemäß § 16 BetrVG die Amtspflicht, zur Durchführung der erforderlichen Neuwahl einen Wahlvorstand zu bestimmen. Er ist vorliegend dieser Amtspflicht nachgekommen. Es gehört dann zu den Aufgaben des bestellten Wahl Vorstandes, die Wahl entsprechend dem Gesetz vorzubereiten und durchzuführen, im Rahmen dieser Amtspflicht des Wahlvorstandes hat dieser auch die Verpflichtung, den Betriebsbegriff zu prüfen. Er unterliegt insoweit nicht irgendwelchen Einschränkungen durch die Bestellung durch den Betriebsrat. Insbesondere kann ihm der Betriebsrat nicht vorgeben, wie er den Betriebsbegriff zu bewerten hat, insbesondere ob er die Wahl entsprechend der bisher durchgeführten Betriebsratswahlen auf eine Betriebsstätte beschränkt oder ob er die Wahl ausweitet auf weitere Betriebsstätten zu einer gemeinsamen Betriebsratswahl. Diese Entscheidung hat der bestellte Wahlvorstand allein in Anwendung der bestehenden Gesetze zu treffen.
Der Wahlvorstand hat auch in der vorliegenden Konstellation die Legitimation zur Durchführung einer gemeinsamen Betriebsratswahl für die drei Betriebsstätten, vorausgesetzt es liegt ein einheitlicher Betrieb vor. Zu berücksichtigen ist hier, daß der Wahl vorstand nur für eine begrenzte Aufgabe eingesetzt ist, nämlich nur für eine ordnungsgemäße, dem Gesetz entsprechende Wahldurchführung. Er ist in der Wahrnehmung seines Amtes allein an das Gesetz gebunden, weder der Betriebsrat noch eine Betriebsversammlung können ihn legitimieren oder beauftragen, die Wahl nur für eine Betriebsstätte oder für mehrere Betriebsstätten gemeinsam als einheitliche Betriebsratswahl durchzuführen. Die Prüfung des Betriebsbegriffs obliegt als Gesetzesanwendung allein der Verantwortung des Wahl Vorstandes. Wenn aber der Wahl vorstand bei der Durchführung der Betriebsratswahl eigenverantwortlich handelt und nur an das Gesetz gebunden ist, dann ist er durch die Bestellung des Betriebsrates einer Betriebsstätte nicht gebunden, die Betriebsratswahl auf diese Betriebsstätte zu beschränken, wenn er den Betriebsbegriff anders auslegt. Andererseits kann die Betriebsversammlung nicht entscheiden über die Auslegung des Betriebsbegriffs und entsprechend auch keine Legitimationsbasis schaffen für eine einheitliche Betriebsratswahl für mehrere Betriebsstätten. Durch die Bestellung durch den vorhandenen Betriebsrat hat der Wahl vorstand die Legitimation, eine dem Gesetz entsprechende Betriebsratswahl durchzuführen, diese Betriebsratswahl kann er auch, wenn er die Voraussetzungen für gegeben hält, auf bisher nicht einbezogene Betriebseinheiten ausdehnen. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung des BAG AP Nr. 28 zu § 99 BetrVG 1972. Dort ist ausgeführt, das in § 99 BetrVG geregelte Beteiligungsrecht stehe dem Betriebsrat auch dann zu, wenn unter Verkennung des Betriebsbegriffs nur für einen Betriebsteil eine Betriebsratswahl durchgeführt worden sei, der so gewählte Betriebsrat habe für den gesamten Betrieb die gesetzlichen Aufgaben wahrzunehmen, wenn die Wahl nicht angefochten worden sei. Wenn aber selbst die Legitimation des Betriebsrates im Ausnahmefall auch dann besteht, wenn ein Teil der Belegschaft in die Wahl nicht einbezogen ist, dann muß vorliegend auch die Legitimation des Wahl Vorstandes durch Bestellung durch den Betriebsrat des Bereiches Holztechnik ausreichend sein.
Für die hier vertretene Auffassung spricht auch, daß die Anwendung des § 17 Abs. 1 BetrVG, Wahl durch die Betriebsversammlung, zu erheblichen Problemen führen kann. Der bestehende Betriebsrat des Teilbereichs muß einen Wahl vorstand bestellen, dieser hat, wie ausgeführt, die gesetzliche Pflicht, den Betriebsbegriff zu prüfen. Hält er den bisherigen Teilbereich für einen betriebsratsfähigen eigenständigen Betrieb, hat er die Wahl durchzuführen. Hält er dagegen den Betriebsteil nicht allein für betriebsratsfähig, sondern vertritt die Auffassung, daß weitere Betriebsteile zum Betrieb gehören, also nach Auffassung der Arbeitgeber eine Wahl durch die Betriebsversammlung erforderlich wäre, käme es zum Stillstand des Wahlverfahrens. Der Wahlvorstand kann nach § 17 BetrVG die Betriebsversammlung nämlich nicht einberufen, es ergibt sich die Gefahr eines betriebsratslosen Zustandes. Selbst wenn eine gemeinsame Betriebsversammlung zustandekommt, die einen Wahl vorstand bestellt, können sich Schwierigkeiten ergeben. Auch in diesem Fall muß nämlich der gewählte Wahlvorstand den Betriebsbegriff prüfen. Kommt er zu dem Ergebnis, daß kein gemeinsamer Betrieb vorliegt, stellt sich die Frage, ob er Wahlen durchführen darf oder nicht. Die einzig praktikable und dem Gesetz entsprechende Lösung ist deshalb darin zu sehen, daß der alte Betriebsrat des Betriebsteils den Wahl vorstand bestimmt, dieser prüft den Betriebsbegriff und entscheidet in eigener Verantwortung, ob er nur für die eine Betriebsstätte die Betriebsratswahl durchführt oder ob er weitere Betriebsstätten einbezieht und eine gemeinsame Betriebsratswahl ausschreibt. Wenn die Entscheidung des Wahlvorstandes fehlerhaft ist, bleibt nur die Korrekturmöglichkeit über die Anfechtung nach § 19 BetrVG.
Für diese Lösung spricht auch der Rechtsgedanke des § 321 Abs. 2 Umwandlungsgesetz. Diese Vorschrift ist nicht direkt anwendbar, weil sie voraussetzt, daß Betriebe zu einem neuen Betrieb zusammengefaßt werden. Vorliegend hat aber keine Organisationsänderung stattgefunden, vielmehr vertritt der Wahlvorstand die Auffassung, daß in der Vergangenheit der Betriebsbegriff nicht richtig gesehen wurde und daß tatsächlich ein einheitlicher Betrieb vorliegt. Es liegt aber nahe, ebenso wie bei einer Betriebs Zusammenlegung durch Organisationsänderung den Irrtum über die Eigenständigkeit von Betriebsteilen dadurch zu korrigieren, daß dem Betriebsrat des größten Betriebsteil ein Übergangsmandat zugestanden wird und er in Ausübung dieses Übergangsmandats den Wahlvorstand bestellt.
Da die Betriebsratswahl von einem ordnungsgemäß bestellten Wahlvorstand durchgeführt wird, ist ihre Nichtigkeit nicht erkennbar. Der Antrag der Arbeitgeber war deshalb zurückzuweisen.
Gegen diesen Beschluß ist gemäß § 92/Abs. 1 ArbGG ein Rechtsmittel nicht gegeben