Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.09.1998, Az.: 13 Sa 454/98

Anspruch nebenberuflicher / nebenamtlicher Lehrkräfte auf Vergütung und Versicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes; Verjährung des Vergütungsanspruches; Hemmung der Verjährung auf Grund entgegenstehender ständiger Rechtsprechung; Ausschluss des Anspruchs auf Versorgungsleistungen bei geringfügiger Beschäftigung; Sachliche Gründe für die Herausnahme von Teilzeitkräften aus der Zusatzversorgung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
22.09.1998
Aktenzeichen
13 Sa 454/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 27978
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:0922.13SA454.98.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 26.11.1997 - AZ: 2 Ca 876/96

Fundstelle

  • ZTR 1999, 33-34

In dem Rechtsstreit
hat die 13. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 22.09.98
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Rosenkötter und
die ehrenamtlichen Richter Eichholz und Dierksen
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 26.11.1997, 2 Ca 876/96, wird zurückgewiesen.

Auf die Anschlußberufung des beklagten Landes wird das Urteil teilweise abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger zu 24/25, das beklagte Land zu 1/25.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10 000,- DM festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen in dem Umfang, in dem auf Anschlußberufung die Klage abgewiesen worden ist.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt im Berufungsverfahren zeitanteilige Vergütung nach VergGr. II a BAT für die Monate März bis Dezember 1993. Außerdem will er so gestellt werden, als wäre er in diesen Monaten bei der VBL versichert gewesen. Er hat Klage erhoben am 31.12.1996, gegenüber dem Vergütungsanspruch macht das beklagte Land die Einrede der Verjährung geltend. Zur VBL-Versicherung vertritt es die Auffassung, es liege geringfügige Beschäftigung nach § 8 SGB IV vor, so daß ein Anspruch auf die Versicherungsleistungen nicht bestehe.

2

Der Kläger unterrichtet seit 1971 an einem Gymnasium Mathematik und Physik, und zwar bis 1.9.1994 vier Unterrichtsstunden pro Woche, sodann fünf Unterrichtsstunden. Er wurde ursprünglich nach Jahreswochenstunden vergütet.

3

Bis 31.1.1989 war er hauptberuflich als Diplom-Ingenieur bei einem kommunalen Verkehrsunternehmen beschäftigt, er hat sodann bis 31.7.1990 eine Professurvertretung an einer Fachhochschule wahrgenommen, vom 1.8.1990 bis 28.2.1993 war er arbeitslos, es folgte vom 1.3.1993 bis 31.8.1994 eine weitere Professurvertretung an einer Fachhochschule.

4

Für die Zeit ab 1.4.1991 vereinbarten die Parteien mit Änderungsvertrag vom 14.8.1992 (Bl. 12 u. 13 d.A.), daß sich das Arbeitsverhältnis nach BAT bestimmt, VergGr. II a. Nach § 2 wird der Änderungsvertrag gegenstandslos, sobald die tariflichen Voraussetzungen des § 3 n des BAT erfüllt sind, es sollten sodann die Bestimmungen des BGB und die ergänzenden Bestimmungen des Landes zu Beschäftigung und Vergütung nebenberuflicher oder nebenamtlicher Lehrkräfte gelten. Für die Zeit der Professurvertretung (1.3.1993 bis 31.8.1994) erhielt der Kläger Vergütung nach Jahreswochenstunden, er wurde vom beklagten Land nicht bei der VBL versichert. Mit Teil-Vergleich vom 26.11.1997 vereinbarten die Parteien im erstinstanzlichen Verfahren, daß dem Kläger für den Zeitraum 1.1.1994 bis 31.8.1994 anteilige Vergütung nach VergGr. II a BAT nebst anteiliger Leistung zur VBL zusteht.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Nebenberuflichkeit der Tätigkeit rechtfertige weder die geringere Vergütung nach Jahreswochenstunden noch den Ausschluß aus der VBL-Versicherung. Seine Ansprüche aus 1993 seien nicht verjährt, die Verjährung sei gemäß § 202 BGB gehemmt wegen der ursprünglichen Rechtsprechung des BAG, wonach mit nebenberuflichen Lehrkräften abweichend vom BAT geringere Vergütungen vereinbart werden konnten.

6

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger vom 1.3.1993 bis 31.12.1993 zeitanteilig nach BAT VergGr. II a zu vergüten und ihn so zu stellen hat, als wäre er mit Wirkung vom 1.3.1993 bis 31.12.1993 bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder versichert.

7

Das beklagte Land hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

8

Es hat sich auf die Einrede der Verjährung berufen.

9

Das Arbeitsgericht hat die VBL-Leistung für den Zeitraum 1.3.1993 bis 31.12.1993 zugesprochen, im übrigen, wegen des Vergütungsanspruchs, hat es Verjährung bejaht und insoweit die Klage abgewiesen. Auf Tenor und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen.

10

Mit Berufung wiederholt der Kläger seine erstinstanzlich vorgetragene Rechtsauffassung, daß die Verjährung bis 1.11.1995 gehemmt gewesen sei. Angesichts der damaligen Rechtsprechung zur Vergütung nebenberuflicher Lehrkräfte sei es ihm nicht zumutbar gewesen, eine aussichtslose Klage zu erheben. Es habe eine ständige Rechtsprechung vorgelegen, die entsprechung der Rechtsprechung des BGH den Ablauf der Verjährungsfrist gehemmt habe.

11

Der Kläger beantragt,

in Abänderung des klagabweisenden Teils des arbeitsgerichtlichen Urteils vom 26.11.1997 festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, den Kläger vom 1.3.1993 bis zum 31.12.1993 zeitanteilig nach BAT Vergütungsgruppe II a zu vergüten.

12

Das beklagte Land beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

13

Es verteidigt zur Frage der Verjährung das arbeitsgerichtliche Urteil.

14

Im Wege der Anschlußberufung macht das beklagte Land geltend, eine Verpflichtung zur VBL-Versicherung habe nicht bestanden. Der Kläger habe während der Professurvertretung ein monatliches Entgelt von 7 864,87 DM bezogen. Die tatsächlich gezahlten Einkünfte aus der nebenberuflichen Tätigkeit beim beklagten Land hätten 584,48 DM pro Monat betragen, die anteilige BAT-Vergütung monatlich 1 236,29 DM. Die Einkünfte aus der nebenberuflichen Tätigkeit machten damit weniger als 1/6 des Gesamteinkommens aus, der Kläger sei geringfügig Beschäftigter i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 1 zweite Alternative SGB IV gewesen, ein Anspruch auf VBL-Versicherung habe dann aber nicht bestanden.

15

Das beklagte Land beantragt im Wege der Anschlußberufung,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hannover vom 26.1.1997 (2 Ca 876/96) die Klage insgesamt abzuweisen.

16

Der Kläger beantragt,

die Anschlußberufung zurückzuweisen.

17

Er trägt vor, soweit nach der Rechtsprechung der Ausschluß geringfügig Beschäftigter von der Zusatzversorgung gebilligt worden sei, handele es sich um Fälle der ersten Alternative des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV. Die dazu gegebene Begründung träfe auf den Fall der zweiten Alternative nicht zu, insbesondere habe er Anspruch auf eine gesetzliche Rente, so daß auch im Rahmen der Gesamtversorgung eine VBL-Versicherung Sinn mache. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Rechtsausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 24.6.1998.

Gründe

18

Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO. Die Anschlußberufung des beklagten Landes ist nach § 521 ZPO zulässig. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet, die Vergütungsansprüche aus 1993 sind verjährt. Die Anschlußberufung des beklagten Landes ist begründet, der Kläger war im fraglichen Zeitraum geringfügig Beschäftigter i. S. des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, er hat deshalb keinen Anspruch auf VBL-Leistung.

19

Zur Berufung des Klägers.

20

Die Verjährung war nicht gehemmt nach §§ 202, 203 BGB, einer der dort aufgeführten Hemmungsgründe liegt nicht vor. Eine dem Anspruch entgegenstehende ständige Rechtsprechung kann nicht als Hemmungsgrund gewertet werden, der eine analoge Anwendung der §§ 202, 203 BGB rechtfertigt. Zwar hat der BGH diese Auffassung vertreten (NJW 1988, S. 147; DB 1961, S. 1257). Demgegenüber hat das BAG (NJW 1962, S. 1077) eine Hemmung der Verjährung aufgrund entgegenstehender ständiger Rechtsprechung abgelehnt (ebenso z. B. Staudinger, BGB, 1995, § 203, RdNr. 7; Palandt, BGB, 57. Aufl., § 203, RdNr. 7). Die Kammer schließt sich der überzeugenden Begründung des BAG an. Einer vertieften Auseinandersetzung mit der Problematik bedarf es allerdings nicht, weil vorliegend auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BGH nicht von einer ständigen Rechtsprechung ausgegangen werden kann, die eine Klage von vornherein als aussichtslos erscheinen ließ.

21

Auch der BGH (BGHZ 60, S. 101; BGH NJW 1977, S. 375) verneint eine Hemmung der Verjährung, wenn eine bestimmte Problematik in Rechtsprechung und Literatur umstritten ist. Zwar hat das BAG zu Beginn der 90er Jahre, z. B. im Urteil vom 22.8.1990, EzA § 2 BeschFG 1985 Nr. 4, und im Urteil vom 22.5.1991, 5 AZR 237/91, EzA § 2 BeschFG 1985, Nr. 17, Ansprüche auf BAT-Vergütung für nebenberufliche Lehrkräfte, die durch einen Hauptberuf in ihrer Existenz gesichert waren, abgelehnt. Diese Rechtsprechung war aber von vornherein umstritten, sie ist zum Teil von Landesarbeitsgerichten, zum überwiegenden Teil auch in der Literatur abgelehnt worden. Auf die entsprechenden Nachweise im Urteil des BAG vom 1.11.1995, EzA § 2 BeschFG 1985, Nr. 43 unter 3 c wird verwiesen. Im übrigen bestehen auch deshalb Bedenken gegen die Annahme einer ständigen Rechtsprechung, weil die vorliegende Problematik, Teilzeitvergütung und § 2 BeschFG, Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre bundesweit, insbesondere im Lehrerbereich, eine Klagewelle ausgelöst hat, die in einer Vielzahl von Fällen auch zur Anrufung des BAG geführt hat. Gerade weil die Klagewelle Anfang der 90er Jahre noch nicht abgeschlossen war, bestand für den Kläger kein schutzwürdiges Vertrauen, eine ständige Rechtsprechung mit der Folge der Hemmung der Verjährung kann nicht angenommen werden.

22

Schließlich ist äußerst fraglich, ob die vom BAG entschiedenen Fälle (Urteil vom 22.8.1990 betreffend hauptberuflich tätigem Pfarrer; Urteil vom 22.5.1991 betreffend hauptberuflich tätigem selbständigen Bäckermeister) mit der vorliegenden Fallkonstellation überhaupt vergleichbar sind. Der Kläger war zum damaligen Zeitpunkt gerade nicht durch eine hauptberufliche Beschäftigung in seiner Existens gesichert. Er war vor Aufnahme der befristeten Professurvertretung am 1.3.1993 2 Jahre und 7 Monate arbeitslos gewesen, die Professurvertretung erfolgte nicht auf Dauer, sondern befristet. Der Kläger war damit gerade nicht durch eine Dauerbeschäftigung im Hauptberuf sozial und existenziell abgesichert, er befand sich aufgrund der befristeten Hauptbeschäftigung und der vorangegangenen Arbeitslosigkeit in einer Situation, die die Übertragung der Rechtsprechung zum hauptberuflichen Pfarrer oder selbständigen Bäckermeister äußerst fraglich erscheinen ließ. Die beim Kläger vorliegende Sachverhaltsgestaltung war, soweit ersichtlich, vom BAG nicht entschieden, auch deshalb ist die Annahme einer dem Anspruch entgegenstehenden ständigen Rechtsprechung abzulehnen. Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen.

23

Zur Anschlußberufung des Klägers.

24

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Versorgungsleistungen entsprechend VBL für diesen Zeitraum. Nach Arbeitsvertrag ist die Anwendung des BAT und damit auch ein Anspruch auf Zusatzversorgung ausgeschlossen, soweit die Voraussetzungen des § 3 n BAT vorliegen, also die Tätigkeit als Lehrkraft als geringfügige Beschäftigung i. S. des § 8 Abs. 1 SGB IV zu bewerten ist. Der Kläger war i. S. dieser Vorschrift geringfügig beschäftigt, die wöchentliche Arbeitszeit betrug weniger als 15 Stunden, die nach BAT zustehende Vergütung (die hier maßgebend ist) betrug zwar mehr als 1/7 der monatlichen Bezugsgröße (Alternative 1 des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV), sie überstieg aber nicht 1/6 des Gesamteinkommens. Ein vertraglicher Anspruch besteht damit nicht. Die vertragliche Vereinbarung ist wirksam, sie verstößt nicht gegen § 2 Abs. 1 BeschFG. Für die Herausnahme aus der Zusatzversorgung bestehen sachliche Gründe i. S. des § 2 Abs. 1 BeschFG.

25

Im Grundsatz bejaht das BAG auch für Teilzeitbeschäftigte einen Anspruch auf Zusatzversorgung (Urteil vom 7.3.1995, EzA § 1 BetrAVG Gleichbehandlung Nr. 9). Im Urteil vom 16.3.1993 (EzA § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, Nr. 3) hat es auch entschieden, daß mehrere geringfügige Teilzeitbeschäftigungen zusammenzurechnen sind und einen Zusatzversorgungsanspruch auslösen. Weil in diesem Fall eine gesetzliche Grundsicherung bestehe, entfalle jeder Grund, den betreffenden Arbeitnehmer von der Zusatzversorgung auszuschließen. In den weiteren Urteilen vom 27.2.1996 (EzA § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, Nr. 10) und vom 12.3.1996 (EzA § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, Nr. 11) ist aber ausgeführt, geringfügig Beschäftigte i. S. des § 8 Abs. 1 SGB IV könnten von der Zusatzversorgung ausgenommen werden. Die Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst ergänze die Grundsicherung der gesetzlichen Rentenversicherung, eine solche Grundsicherung fehle aber in den Fällen des § 8 SGB IV. Deshalb widerspreche der Ausschluß geringfügig Beschäftigter aus der Zusatzversorgung nicht der Ergänzungsfunktion der betrieblichen Altersversorgung im öffentlichen Dienst, sondern trage ihr Rechnung. Der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, die fehlende Sozialversicherungsrente durch eine betriebliche Altersversorgung zu ersetzen. Die entschiedenen Fälle betrafen geringfügig Beschäftigte nach der Alternative 1 des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV.

26

Die Kammer folgt der Rechtsprechung des BAG. Es ist sachlich gerechtfertigt, geringfügig Beschäftigte aus der Zusatzversorgung herauszunehmen, und zwar gilt dies für beide Alternativen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV.

27

Der Kläger verweist demgegenüber darauf, die Argumentation des BAG betreffe nicht seinen Fall, er habe einen gesetzlichen Rentenanspruch, der im Rahmen der Gesamtversorgung ergänzt werden könne durch die VBL-Leistung. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, daß im Arbeitsvertrag eine tarifliche Regelung in bezug genommen ist, die den Ausschluß aus der BAT-Anwendung und der Zusatzversorgung zur Folge hat. Die Vertragsgestaltung kann dann aber nur unwirksam sein, wenn § 3 n BAT gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG oder gegen § 2 Abs. 1 BeschFG verstößt. Das ist aber zu verneinen.

28

Die Tarifvertragsparteien haben einen weiten Gestaltungsspielraum, sie sind insbesondere befugt, nach einer generalisierenden Betrachtung Regelungen zu treffen (BAG EzA § 1 BetrAVG Gleichbehandlung, Nr. 10). Zu bewerten ist deshalb nicht die besondere Situation des Klägers, sondern als Anknüpfungspunkt die typische Fallgestaltung, die § 8 Abs. 1 SGB IV erfaßt. Dann ist die Regelung aber sachlich begründet.

29

Nach der Wertung des Gesetzgebers sind geringfügig Beschäftigte aus der Sozialversicherung, insbesondere der gesetzlichen Rentenversicherung ausgenommen. Diese Regelung verstößt nicht gegen europäisches Recht (EuGH EzA Artikel 119 EWG-Vertrag, Nr. 30). Die Regelung ist politisch umstritten, aber als verfassungsgemäß zu akzeptieren. Mit Herausnahme der Beschäftigten i. S. des § 8 SGB IV ist dann aber von den Tarifvertragsparteien ein sachlicher Anknüpfungspunkt gewählt worden. Dies gilt auch für die Fälle der zweiter Alternative in Absatz 1 Nr. 1. Zwar besteht hier im Regelfall ein Anspruch aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Hauptarbeitsverhältnis, sofern nicht selbständige Tätigkeit vorliegt. Die Zusatzversorgung nach VBL basiert aber typischerweise auf einem gesetzlichen Rentenanspruch, der nicht in irgendeinem Arbeitsverhältnis erdient wird, sondern im Arbeitsverhältnis mit dem öffentlichen Arbeitgeber, aus dem die Versicherungsbeiträge gezahlt werden. Wenn aber für ein Arbeitsverhältnis aufgrund der zweiten Alternative des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV keine Rentenversicherungspflicht besteht, fehlt diese Verbindung zwischen rentenversicherungspflichtigem Arbeitsverhältnis und Zusatzversorgung. Aus der geringfügigen Beschäftigung entsteht kein gesetzlicher Rentenanspruch.

30

Durch die Anwendung der zweiten Alternative des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV wird im Ergebnis erreicht, daß für eine Nebenbeschäftigung keine Zusatzversorgung gewährt wird, der Arbeitnehmer wird für die Alterssicherung auf das Hauptarbeitsverhältnis verwiesen, und zwar für die gesetzliche Rentenversicherung und für die Zusatzversorgung. Durch die Sechstel-Regelung ist sichergestellt, daß mehr als 5/6 des Gesamteinkommens in einer anderen Beschäftigung erzielt werden. Das Arbeitsentgelt im geringfügigen Beschäftigungsverhältnis muß nach der zweiten Alternative höher sein als 1/7 der monatlichen Bezugsgröße. Die typische Fallgestaltung der zweiten Alternative des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ist dann aber die einer Vollzeit-Hauptbeschäftigung verbunden mit einer zusätzlichen nebenberuflichen Tätigkeit. Es muß dann aber als sachlich gerechtfertigt bewertet werden, den Arbeitnehmer für die Sicherung der Altersversorgung auf die Hauptbeschäftigung zu verweisen und die Nebenbeschäftigung von der Zusatzversorgung auszunehmen. Auf Anschlußberufung war deshalb die Klage insgesamt abzuweisen.

31

Die Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Verfahren beruht auf § 91 ZPO. Die Kosten des Berufungsverfahrens waren zu 24/25 dem Kläger gemäß § 97 ZPO aufzuerlegen, zu 1/25 gemäß § 97 Abs. 2 ZPO dem beklagten Land. Die Kosten des Berufungsverfahrens im Umfang der Anschlußberufung hat das beklagte Land zu tragen, weil es insoweit aufgrund neuen Vorbringens obsiegt hat, das es in der ersten Instanz geltend machen konnte. Zur Anwendung des § 8 Abs. 1 SGB IV ist erstmals mit unselbständiger Anschlußberufung vorgetragen worden.

32

Die Revisionszulassung erfolgt gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG.

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10 000,- DM festgesetzt.

Die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes beruht auf § 3 ZPO.