Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.06.1998, Az.: 9 Sa 2300/96

Ziel der Versorgung durch die Betriebsrente ; Letztes Nettoeinkommen des Betriebsmitglieds als Grundlage für die Berechnung der betrieblichen Altersversorgung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
10.06.1998
Aktenzeichen
9 Sa 2300/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 17759
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:1998:0610.9SA2300.96.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hameln - 17.06.1996 - AZ: 1 Ca 380/96
nachfolgend
BAG - 09.11.1999 - AZ: 3 AZR 623/98

Amtlicher Leitsatz

Bestimmt eine Versorgungsordnung zur Ermittlung des "letzten Nettoarbeitseinkommens" die Hochrechnung des letzten Bruttogehalts auf ein volles Kalenderjahr, so kann die Auslegung gebieten, daß dabei Veränderungen, die lach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers stattfinden, außer Betracht zu bleiben haben.

Die 9. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen hat
auf die mündliche Verhandlung vom 29.04.98
durch
den Vorsitzenden ...
und die ehrenamtlichen Richter K.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Entscheidung im Versäumnisurteil vom 10.09.1997 bleibt aufrechterhalten.

Die weiteren Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der betrieblichen Altersversorgung für die Zeit von Februar 1995 bis Juni 1996.

2

Der am 28.01.1935 geborene Kläger war in der Zeit vom 01.01.1957 bis zum 31.01.1994 bei der Bausparkasse beschäftigt, zuletzt als Abteilungsdirektor im Unternehmensbereich Kredit. Sein Brutto-Monatsgehalt belief sich zuletzt auf 10.367,00 DM. Als Arbeitnehmer der Bausparkasse ist der Kläger zugleich Mitglied des Beklagten. Der Beklagte ist ein kleiner Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit im Sinne des § 53 Versicherungsaufsichtsgesetz. Sein Geschäftsbereich erstreckt sich auf aktive und frühere Mitarbeiter des .... Dem Arbeitsverhältnis lag zuletzt der Anstellungsvertrag vom 29.11.1983/12.12.1963 zugrunde, auf dessen Inhalt die Kammer Bezug nimmt (Bl. 59-62 d.A.). Darin wird auf die Geltung der Bestimmungen des Manteltarifvertrages für die ... Bausparkasse sowie die Tarif- und Betriebsvereinbarungen in der jeweils gültigen Fassung Bezug genommen (§ 3 Ziff. 3 AV), soweit nicht in den vorangegangenen Vertragsbestimmungen Abweichungen vereinbart worden sind.

3

Bis zum 31.12.1993 sah § 11 des Manteltarifvertrages die Zahlung eines zusätzlichen Monatsgehalts als Weihnachtsgratifikation mit den Gehaltsbezügen November, die Zahlung eines weiteren zusätzlichen Monatsgehalts als "Abschlußgratifikation" mit den Gehaltsbezügen im Mai eines Jahres vor. Der Kläger ist aufgrund einer entsprechenden Versorgungszusage seiner Arbeitgeberin Mitglied des Beklagten und besieht von ihm eine betriebliche Altersversorgung. Die "Allgemeinen Versicherungsbedingungen für den Tarif A" (AVB) des Beklagten sehen in § 3 Abs. 2 vor, daß die Mitgliedsrente nach Ablauf der Wartezeit 20 % des pensionsfähigen Gehaltes beträgt, sich für jedes weitere volle Mitgliedsjahr nach Vollendung des 40. Lebensjahres bis zum Eintritt des Leistungsfalles um einen Steigerungssatz vor 1 %, jedoch höchstens auf 40 % des pensionsfähigen Gehaltes beläuft. Nach § 3 Abs. 3 AVB gilt:

"Als pensionsfähiges Gehalt ... der Durchschnittsbetrag des Tarifgehalts nach dem Gehaltstarifvertrag zuzüglich der jeweils tarifvertraglich vereinbarten Sondergehälter oder des einzelvertraglich als pensionsfähig vereinbarten Gehalts, das der Mitarbeiter während der letzten 36 Monate vor Ende des Dienstverhältnisses bezogen, harte, mindestens der entsprechende Durchschnittsbetrag der letzten 120 Monate".

4

In § 3 Abs. 2 Nr. 5 AVB ist folgende Gesamtversorgungsobergrenze vorgesehen:

"Beträgt die Mitgliedsrente zusammen mit anderen Versorgungsbezügen mehr als das letzte Nettoarbeitseinkommen des Mitglieds, so wird sie um den überschießenden Betrag gekürzt."

5

Der Begriff "letztes Nettomonatseinkommen" ist in § 3 Abs. 3 Nr. 2 AVB wie folgt definiert:

"Das letzte Nettoarbeitseinkommen wird aus dem leisten Bruttogehalt, soweit es für die Ermittlung des pensionsfähigen Gehalts nach Nr. 1 heranzuziehen ist, bestimmt. Dieses Monatsgehalt wird auf ein volles Kalenderjahr unter Berücksichtigung etwaiger tarifvertraglich vereinbarter Sondergehälter hochgerechnet und um die darauf entfallende Lohnsteuer nach der niedrigsten Steuerklasse für Verheiratete ohne Kinder sowie um die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung vermindert und das Ergebnis durch 12 geteilt."

6

Im Dezember 1992 trat der Kläger an den Beklagten heran, um die Höhe einer Betriebsrente nach einer damals aufgrund der Betriebsvereinbarung vom 07.12.1992 möglichen "vorgezogenen Pensionierung", auf die er als schwerbehinderter Arbeitnehmer Anspruch hatte, zu erfragen. Nach dem Ergebnis der Auskunft vom 11.12.1992, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 79/80 d.A.), ergab sich folgendes:

pensionsfähiges Gehalt:11.918,65 DM
davon 40%:4.767,42 DM
vermindert um Versorgungszusage der ... Sparkasse:200,00 DM
Mitgliedsrente Pensionskasse:4.567,42 DM

Die Gesamtversorgungsobergrenze errechnete sich auf der Basis von 14 Monatsgehältern wie folgt:

Monatliches Bruttogehalt:10.367,00 DM
Jahresbruttogehalt:145.138,00 DM
Jahresnettogehalt:96.259,20 DM
"letztes Nettogehalt":8.021,60 DM

Dem stand eine Summe aus Sozialversicherungsrente, Versorgungszusage der ... Bausparkasse und Mitgliedsrente in Höhe von 7.350,78 DM gegenüber. Eine Kürzung wäre demgemäß nicht erfolgt.

7

Im November 1993 entschied die Bausparkasse über den Antrag des Klägers auf vorzeitige Pensionierung zum 31.01.1994. Der Kläger ist mit Ablauf des 31.01.1994 in den Vorruhestand getreten. Er bezog ab 01.02.1994 Schwerbehindertenrente und bezieht seit dem 01.02.1995 nach Vollendung des 60. Lebensjahres Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 3.083,27 DM. Im Laufe des Jahres 1993 war eine Änderung des Manteltarifvertrages dergestalt zustandegekommen, daß die Zahlung der in § 11 Ziff. 1 MTV vorgesehenen Weihnachtsgratifikation für das Jahr 1994 entfallen und erst ab 1995 wieder einsetzen sollte; die in § 11 Ziff. 2 vorgesehene Abschlußgratifikation sollte 1994 unverändert gezahlt, 1995 auf ein halbes Bruttomonatsgehalt im Monat September reduziert und ab 1996 durch eine erfolgsabhängige Tantieme ersetzt werden. Der Kläger hatte sich vergeblich um eine Vorverlegung seiner vorzeitigen Pensionierung auf den 31.12.1993 bemüht, als er von dieser Neuregelung erfuhr.

8

Bei der Berechnung der Mitgliedsrente hat der Beklagte aufgrund der Änderung des Manteltarifvertrages für die Gesamtversorgungsobergrenze nunmehr 13 Bruttomonatsgehälter angesetzt, woraus sich als "leztes Nettoeinkommen" 7.336,57 DM ergibt. Dem stehen gegenüber

Sozialversicherungsrente laut Bescheid:3.083,27 DM
Mitgliedsrente Pensionskasse:4.567,42 DM
Versorgungszusage BHW Bausparkasse:200,00 DM
insgesamt:7.850,69 DM.
9

Dieser Betrag übersteigt die Gesamtversorgungsobergrenze in Höhe von 7.336,57 DM um 514,12 DM. Die Beklagte hat die Betriebsrente des Klägers entsprechend gekürzt. Dies ist Streitpunkt des vorliegenden Verfahrens.

10

Mit seiner am 23. Mai 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger die ungekürtzte Betriebsrente für die Monate Februar 1995 bis Juni 1996. Er hat gemeint, die Berechnung des Beklagten möge formal korrekt sein, sie widerspreche aber dem Sinn der Regelung des § 3 Abs. 2 Nr. 5, Abs. 3 Nr. 2 AVB über die Gesamtversorgungsobergrenze. Diese solle nämlich gewährleisten, daß der Lebensstandard des Ruheständlers den Status eines aktiven Arbeitnehmers nicht übersteige. Bei einer solchen "Verbesserungssperre" sei es typischerweise sinnvoll, auf die Einkommensverhältnisse zum Zeitpunkt des Ausscheidens abzustellen. Im Streitfall werde diese "Verbesserungssperre" durch die Handhabung des Beklagten zweckwidrig zu einer Beschränkung der Ruhestandsbezüge unter die den Lebensstandard des Klägers prägenden Nettoeinkünfte verwendet.

11

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 8.740,04 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den Nettobetrag aus je 514,12 DM seit dem 28.02.95 und dem letzten Tag der Folgemonate bis zum 30.06.96 zu zahlen.

12

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, mit der Nettolimitierung habe vermieden werden sollen, daß die Versorgungsberechtigten nach Beendigung der aktiven Dienstzeit netto mehr erhielten als die aktiv tätigen Mitarbeiter.

13

Mit Urteil vom 17.09.1996 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt und den Streitwert auf 8.740,04 DM festgesetzt. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im wesentlichen ausgeführt, es sei gerechtfertigt, die sich aus § 3 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1 der Versorgungsordnung ergebende betriebliche Altersversorgung um 514,12 DM zu kürzen. Die Gesamtversorgungsobergrenze sei korrekt ermittelt worden. Auch eine planwidrige Regelungslücke liege nicht vor. Es sei sinnvoll, mit der Gesamtversorgungsobergrenze zu gewährleisten, daß die Versorgungsbezüge eines Rentners insgesamt nicht höher seien als das Arbeitseinkommen eines aktiven Angestellten, der gleiche Arbeitsaufgaben wie der Rentner erfülle.

14

Wegen der weiteren rechtlichen Erwägungen, die das Arbeitsgericht zu seinem Ergebnis haben gelangen lassen, wird auf den Inhalt der Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (Bl. 90-93 d.A.) Bezug genommen.

15

Gegen dieses ihm am 14.11.1996 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 16.12.1996 (Montag) beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 17.02.1997 - mit einem am 17.02.1997 beim LAG eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

16

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Klagesiel nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 17.02.1997, auf deren Inhalt die Kammer Bezug nimmt (Bl. 105-111 d.A.), weiter. Er meint nach wie vor, Ziel der Versorgung durch die Betriebsrente sei die Erhaltung des Lebensstandards, den der Versorgungsberechtigte selbst während seiner Berufstätigkeit erreicht habe. Im Falle einer Gehaltskürzung, welche sich auf das "letzte Nettoarbeitseinkommen" auswirke, verfehle die Regelung der Versorgungsordnung diesen Zweck, weil die Gesamtversorgungsobergrenze die Mitgliedsrente unter das Maß der Einkommens Verhältnisse absenke, die für das Mitglied prägend gewesen seien. Daß dieses nicht gewollt sei, zeige die Bezugnahme der Versorgungsordnung auf den Durchschnittsverdienst der leisten 36 Monate des Dienstverhältnisses für die Berechnung des pensionsfähigen Gehaltes. Die Versorgungsordnung bedürfe deshalb einer teleologischen Reduktion.

17

Der Kläger macht zudem nach wie vor geltend, er sei ungleich behandelt worden, indem - wie er behauptet - nur ihm die Vorverlegung seines Ausscheidens um einen Monat verweigert worden sei, während zehn, anderen Mitarbeitern des Unternehmensbereiches Kreditwesen diese Möglichkeit sogar nahegelegt worden sei, dies unter Hinweis auf die Folgen der Tarifänderung für ihre betriebliche Altersversorgung.

18

Im Termin zur Berufungsverhandlung am 10.09.1997 ist für den Beklagten niemand aufgetreten. Auf Antrag des Klägers ist durch den Vorsitzenden daraufhin folgendes Versäumnisurteil ergangen:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 17.09.1996 - 1 Ca 380/96 - wie folge abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 8.740,04 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den Nettobetrag aus je 514,12 DM seit dem 28.02.1995 und seit jeweils dem letzten Tag der Folgemonate bis zum 30.06.1996 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

19

Gegen dieses ihm am 15. September 1997 zugestellte Versäumnisurteil hat der Beklagte mit am 22. September 1997 beim LAG eingegangenem Schriftsatz (Telefax) Einspruch eingelegt.

20

Der Beklagte verteidigt das arbeite gerichtliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungserwiderungsschrift vom 25.04.1997 (Bl. 123-128 d.A.), seines Einspruchs Schriftsatzes vom 22.09.1997 (Bl. 160-167 d.A.) und seines Schriftsatzes vom 13.02.1998 (Bl. 187-192 d.A.). Auf den Inhalt dieser Schriftsätze nimmt die Kammer ebenso Bezug wie auf den Inhalt des nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatzes vom 30.04.1998 (Bl. 222-227 d.A.).

21

Der Beklagte beantragt daher,

das Versäumnisurteil vom 10.09.1997 aufzuheben und die Berufung zurückzuweisen.

22

Der Kläger beantragt,

die Entscheidung im Versäumnisurteil vom 10.09.1997 aufrechtzuerhalten.

23

Hinsichtlich seines Vortrages wird ergänzend auf den Inhalt der Berufungsbegründungsschrift vom 17.02.1997 (Bl. 105-111 d.A.) und seiner Schriftsätze vom 06.08.1997 (Bl. 132-136 d.A.) und vom 06.11.1997 (Bl. 168-173 d.A.) Bezug genommen, desgleichen auf den Inhalt seines nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsatzes vom 25.05.1998 (Bl. 228-230 d.A.).

Entscheidungsgründe

24

Die Berufung ist begründet, daher war die Entscheidung im Versäumnisurteil vom 10.09.1997 aufrechtzuerhalten (§ 343 S. 1 ZPO).

25

Die Berufung ist begründet, weil die Klage begründet ist. Die von dem Beklagten vorgenommene Kürzung der Mitgliedsrente um 514,12 DM ist von seinen AVB nicht gedeckt. Sie wäre es nur, wenn der Beklage das "letzte Nettoarbeitseinkommen des Mitglieds", auf das gem. § 3 Abs. 2 Ziff. 5 AVB zu kürzen ist, richtig ermittelt hätte.

26

Maßgeblich für die Ermittlung des "letzten Nettoarbeitseinkommens" sind die Versorgungsordnungsbestimmungen in § 3 Abs. 3 Ziff. 2 AVB. Danach wird das letzte Nettoarbeitseinkommen aus dem letzten Bruttogehalt, soweit es für die Ermittlung des pensionsfähigen Gehalts nach Nr. 1 heranzuziehen ist, bestimmt (Satz 1 der Vorschrift). Dieses Monatsgehalt wird auf ein volles Kalenderjahr unter Berücksichtigung etwaiger tarifvertraglich vereinbarter Sondergehälter hochgerechnet und um die darauf entfallende Lohnsteuer nach der niedrigsten Steuerklasse für Verheiratete ohne Kinder sowie um die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung vermindert und das Ergebnis durch 12 geteilt (S. 2). Der Beklagte versteht die Anordnung der "Hochrechnung" des letzten Monatsgehalts "auf ein volles Kalenderjahr" so, daß dasjenige Kalenderjahr gemeint ist, in dem das Mitglied das letzte Gehalt erzielt. Das gibt der Wortlaut der Bestimmung aber nicht her, er legt diese Auslegung nicht einmal nahe. Noch weniger ergibt sich eine solche Interpretation bei einer systematischen Auslegung, die Abs. 3 Ziff. 1 mit heranzieht. Bei der Festlegung des pensionsfähigen Gehaltes in Abs. 3 Ziff. 1 wird "der Durchschnittsbetrag des Tarifgehalts nach dem Gehaltstarifvertrag zuzüglich der jeweils tarifvertraglich vereinbarten Sondergehälter ..., das der Mitarbeiter während der letzten 36 Monate vor Ende des Dienstverhältnisses bezogen hatte" zugrundegelegt, mithin eine vergangenheitsbezogene Größe. Der Betrag soll "mindestens der entsprechende Durchschnittsbetrag der letzten 120 Monate" sein. Diese Absicherung reicht noch weiter in die Vergangenheit. Es wäre systemwidrig, das "letzte Nettoarbeitseinkommen" mit Größen zu bestimmen, die erst nach dem Ausscheiden des Mitglieds aktuell werden, also zukunftsbezogen wären. Auf diese Weise wäre das Nettoarbeitseinkommen auch nicht das letzte Nettoarbeitseinkommen des Mitglieds, sondern es wäre das Einkommen der nach dem Ausscheiden des Mitglieds in dem Kalenderjahr des Ausscheidens im Dienst verbliebenen vergleichbaren Angestellten. Demgegenüber soll die Ankoppelung der Mitgliedsrente an das "letzte Nettoarbeitseinkommen des Mitglieds", wie der Beklagte in der Berufungsverhandlung selbst zu Recht betont hat, "sicherstellen, daß der letztmögliche zurückliegende Zeitpunkt genommen wird" um die Bezugsgröße zu finden. So wie das bei der Ermittlung des Monatsgehalts der letzte Monat ist, ist es bei der Ermittlung des Jahresgehalts das letzte Jahr, und zwar das letzte zurückliegende Kalenderjahr, im Streitfall das Kalenderjahr 1993.

27

Nur diese Auslegung wird worauf der Kläger zutreffend hingewiesen hat, dem Wortlaut des Abs. 2 Ziff. 5 AVB gerecht, wo die Ankoppelung an das letzte Nettoarbeitseinkommen "des Mitglieds" vorgenommen wird. Diese Wortwahl belegt, daß das Nettoarbeitseinkommen gerade nicht aus den Bezügen vergleichbarer aktiver Arbeitnehmer während des Rentenbeginns des Mitglieds bestimmt werden kann.

28

Die vorgenommene Auslegung ist auch deshalb geboten, weil nur sie die Ermittelbarkeit der Rente zum Zeitpunkt des Ausscheidens des Mitglieds sichert. Bei der Auslegung des Beklagten müßte zunächst das Kalenderjahr abgewartet werden, in dem das Mitglied ausscheidet. Denn nur so könnten die auf das Bruttojahresgehalt entfallende Lohnsteuer und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung anhand der aktuellen gesetzlichen Grundlagen ermittelt werden. Nur so könnten "etwaige tarifvertraglich vereinbarte Sondergehälter" berücksichtigt werden. Tarifabschlüsse normieren zumeist Regelungen für das laufende Kalenderjahr, oftmals rückwirkend. Wäre das Entfallen der in § 11 Ziff. 1 MTV vorgesehenen Weihnachtsgratifikation für 1994 nicht bereits 1993 vereinbart worden, sondern erst nach dem Ausscheiden des Klägers, dann wären bei der Hochrechnung des Bruttogehalts auf ein volles Kalenderjahr auch nach der Auffassung des Beklagten die beim Ausscheiden des Klägers noch "vereinbarten" zwei Sondergehälter zu berücksichtigen gewesen. Auf diese Weise wäre die Betriebsrentenhöhe nicht nur abhängig von dem Zeitpunkt, zu dem Sondergehälter vereinbart oder nicht vereinbart sind, sondern auch von dem Zeitpunkt, an dem die Tarifverträge vereinbart worden sind. Daß das nicht gewollt ist, ist evident.

29

Weil das letzte Nettoarbeitseinkommen des Klägers nicht 7.336,57 DM, sondern, wie von dem Beklagten mit Auskunft vom 11.12.1992 berechnet, auf der Basis von 14 Monatsgehältern 8.021,60 DM betragen hat, demgegenüber die Summe aus Sozialversicherungsrente, Versorgungszusage der BHW Bausparkasse und Mitgliedsrente sich auf 7.850,69 DM belief, ist die Mitgliedsrente ungekürzt zu zahlen.

30

Die Kostenentscheidung fußt auf § 97 Abs. 1 ZPO.

31

Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zugelassen, § 72 Abs. 2 Ziff. 1 ArbGG.

32

Gegen dieses Urteil findet, wie sich aus der Urteilsformel ergibt, die Revision statt.