Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 07.05.2003, Az.: L 6 U 1/03 NZB

Rückwirkende Verzinsung von Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ; Anspruch auf höhere Verletztenrente; Abzug der Vorschüsse und des geltend gemachten Erstattungsanspruchs bei der Zinsberechnung; Fehlen eines Zinsnachteils bei monatlicher Zahlung

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
07.05.2003
Aktenzeichen
L 6 U 1/03 NZB
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 21009
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0507.L6U1.03NZB.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Hannover - 07.03.2003 - AZ: S 36 U 323/02

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 7. März 2003 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe dem Kläger zustehende Geldleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung rückwirkend zu verzinsen sind.

2

Der Kläger bezog wegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung (Berufskrankheit - BK - nach Nr. 4301) seit 5. Juli 1988 Verletztenrente in Höhe von 40 v.H. der Vollrente. Einen Verschlimmerungsantrag, den der Kläger im September 1996 gestellt hatte, lehnte die Beklagte zunächst ab (Bescheid vom 26. September 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1997 sowie Bescheid vom 6. Oktober 1997). Nachdem die hiergegen gerichtete Klage erfolglos geblieben war (Urteil des Sozialgerichts - SG - Hannover vom 27. April 2000), verpflichtete sich die Beklagte im anschließenden Berufungsverfahren auf Grund eines außergerichtlichen Vergleichs, dem Kläger Verletztenrente ab 1. Juli 1999 in Höhe von 70 v.H. der Vollrente zu zahlen. Mit dem Ausführungsbescheid vom 16. Januar 2002 erhöhte sie demgemäß die Verletztenrente ab Juli 1999 und errechnete für die Zeit bis 28. Februar 2002 - unter Berücksichtigung bereits gezahlter Vorschüsse (23.513,32 EUR) - einen Nachzahlungsbetrag von 9.405,16 EUR. Diesen Nachzahlungsbetrag behielt sie für einen eventuellen Erstattungsanspruch des gesetzlichen Rentenversicherungsträgers ein. Die Landesversicherungsanstalt - LVA - Hannover bezifferte anschließend ihren Erstattungsanspruch auf 7.978,04 EUR, sodass die Beklagte dem Kläger den verbliebenen Nachzahlungsbetrag von 1.417,12 EUR überwies (Schreiben vom 22. Februar 2002).

3

Mit Bescheid vom 8. April 2002, dem eine Zinsberechnung beigefügt war, setzte die Beklagte für die Zeit vom 1. August 1999 (Ablauf des Kalendermonats nach Eintritt der Fälligkeit der Leistung) bis 31. Januar 2002 (Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung) den Zinsbetrag auf 68,87 EUR fest. Mit dem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Höhe der Zinsen von nur 68,87 EUR sei schon "auf den ersten Blick falsch"; er errechnete - auf Grund des "effektiven Nachzahlungsbetrages" von 9.405,16 EUR "allein für 1 Jahr" einen Zinsanspruch in Höhe von 139,88 EUR. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2002 zurück.

4

Dagegen hat der Kläger am 5. September 2002 vor dem SG Hannover Klage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, dass ihm zumindest ein Zinsanspruch in Höhe von 349,70 EUR zustehe.

5

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 7. März 2003 abgewiesen: Die Beklagte habe die Zinsen zutreffend gemäß § 44 Sozialgesetzbuch - SGB - I berechnet. Der Kläger übersehe, dass dem eigentlichen Anspruch in Höhe von 23.918,48 EUR bei der Zinsberechnung die Vorschüsse und der von der LVA Hannover geltend gemachte Erstattungsanspruch (7.978,04 EUR) abzuziehen seien. Das SG hat die Berufung nicht zugelassen und ist dabei von einem Beschwerdewert von 349,70 EUR ausgegangen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Gerichtsbescheid Bezug genommen.

6

Der Kläger hat gegen diesen ihm am 14. März 2003 zugestellten Gerichtsbescheid am 4. April 2003 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Zuvor hatte er mit Schriftsatz vom 31. März 2003 beim SG Hannover am 3. April 2003 Berufung und hilfsweise Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde führt der Kläger aus, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung. Auch übertragene, verpfändete oder gepfändete Geldleistungsansprüche seien zu verzinsen. Zu rügen sei im Übrigen ein schwer wiegender Mangel der Entscheidung, weil die ausdrücklich im Gerichtsbescheid in Bezug genommene Zinsberechnung der Beklagten nicht beigefügt gewesen sei.

7

Der Kläger beantragt,

  • die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 7. März 2003 zuzulassen. Die Beklagte beantragt,
  • die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hannover vom 7. März 2003 zurückzuweisen.

8

Sie verneint eine grundsätzliche Bedeutung und vermag auch einen Verfahrensmangel nicht zu erkennen.

9

Dem Senat haben außer den Prozessakten die Verwaltungsakten der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

10

II.

Die am 4. April 2003 beim LSG eingegangene Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§ 145 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ) und statthaft. Sie ist demgemäß insgesamt zulässig. Die Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde folgt daraus, dass die Berufung im vorliegenden Fall nach 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG beschränkt ist, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes der Klage 500,00 EUR nicht übersteigt. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, geht der Kläger von einem "effektiven Nachzahlungsbetrag" von 9.405,16 EUR aus und leitet daraus einen Zinsanspruch von 349,70 EUR ab (Schriftsatz des Klägers vom 14. Januar 2003 in Verbindung mit dem Schreiben im Widerspruchsverfahren vom 29. Mai 2002). Sein Hinweis im Schriftsatz vom 31. März 2003, die Sache sei berufungsfähig, ist vor diesem Hintergrund nicht verständlich.

11

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht begründet. Denn es liegt keiner der in § 144 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Gründe für eine Zulassung der Berufung vor. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch weicht der Gerichtsbescheid von einer Entscheidung des LSG, des BSG, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 144 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG). Für die "Nichtverzinsung" der dem Kläger zugeflossenen Vorschussbeträge liegt dies auf der Hand. Aber auch für den von der LVA Hannover beanspruchten und an diese entrichteten "Nachzahlungsbetrag" gilt nichts anderes. Hierzu hat das SG zutreffend ausgeführt, dass der Kläger keinen Zinsnachteil erlitten hat, weil sein Anspruch auf höhere Verletztenrente auf Grund der zwingenden gesetzlichen Regelung des § 107 SGB X durch die monatlichen Rentenzahlungen des Rentenversicherungsträgers, die ebenso wie die Zahlung der Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung monatlich erfolgen (§ 118 SGB VI und § 96 SGB VII), als erfüllt anzusehen ist. Insoweit ergibt sich die Antwort auf die Rechtsfrage unmittelbar aus dem Gesetz. Eine grundsätzliche Rechtsfrage (§ 144 Abs. 2 Nr. 2), also eine solche, deren Klärung im Allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern, ist demgemäß zu verneinen. Eine hiervon abweichende Rechtsprechung im Sinne des § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG hat der Kläger weder behauptet noch liegt sie vor.

12

Auch der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) ist nicht gegeben. Denn bei der vom Kläger vermissten, im Gerichtsbescheid erwähnten Zinsberechnung der Beklagten handelt es sich um die dem Kläger bereits zusammen mit dem Zinsbescheid bekannt gegebene Zinsberechnung (vgl. Verwaltungsakten Bl. 1112 und Gerichtsakten Bl. 23).

13

Dieser Beschluss kann mit der Beschwerde nicht angefochten werden (§ 177 SGG).