Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 09.05.2003, Az.: L 16/12 U 19/02

Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei einer Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV); Berufliche Asbeststaubexposition im Schiffbau; Erkrankung an einer pleuralen und pulmonalen Asbestose; Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) infolge einer Asbestose

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
09.05.2003
Aktenzeichen
L 16/12 U 19/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 21019
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0509.L16.12U19.02.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen - 27.02.2002 - AZ: S 18 U 59/00

Redaktioneller Leitsatz

Für die Bemessung der MdE infolge einer Asbestose als Berufskrankheit - wie bei broncho-pulmonalen Erkrankungen allgemein - ist auf das Ausmaß der objektiv nachweisbaren pulmo-cardialen Einbuße abzustellen; in die MdE-Bewertung dürfen erst künftig möglicherweise eintretende Schäden (im Hinblick auf ein mögliches Krebsrisiko) grundsätzlich nicht einfließen.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 27. Februar 2002 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

I.

Streitig ist die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei einer Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura -.

2

Der am 25. August 1945 geborene Kläger war unter anderem vom 4. April 1961 bis 10. Juli 1964 und vom 13. August 1964 bis 20. August 1965 als Maschinenbauer bei der F., beschäftigt und nach seinen eigenen Angaben sowie nach einem Ermittlungsbericht des Präventionsbezirks (PB) Bremen der Beklagten vom 2. November 1998 während dieser Tätigkeit einer Exposition gegenüber Asbest ausgesetzt.

3

Am 13. Juli 1998 erstattete der Internist, Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde, Dr. med. G. eine "Ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit" wegen einer Asbestose. Im Zuge des daraufhin durchgeführten Feststellungsverfahrens holte die Beklagte unter anderem Auskünfte über Mitgliedschafts- und Erkrankungszeiten des Klägers von der Handelskrankenkasse (HKK) Bremen vom 17. August 1998, der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Bremen/Bremerhaven vom 20. August 1998, von der Gmünder Ersatzkasse (GEK) vom 27. August 1998 und 18. September 1998 sowie von der AOK Niedersachsen vom 24. September 1998 ein. Sie zog von Dr. med. G. ärztliche Unterlagen und vom Versorgungsamt Bremen die Schwerbehindertenakte, den Kläger betreffend, bei; nach einer gutachtlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes des Versorgungsamts ist als Behinderung eine "Lungenfunktionsstörung" mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 60 festgestellt.

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Die Beklagte holte ein Gutachten von dem Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. med. H. vom 16. Februar 1999 ein. Er führte zusammenfassend aus, bei der durchgeführten Untersuchung ließen sich unter Berücksichtigung der Röntgenverlaufsserie deutliche Zeichen einer pleuralen und auch pulmonalen Fibrose im Sinne einer Asbestose nachweisen. Es fänden sich Plaques und Verkalkungen in der Pleura sowie Lappenrandatelektasen. Eine maligne Entartung sei nicht feststellbar. In der ausführlichen Lungenfunktionsprüfung finde sich eine mittelgradige restriktive Ventilationsstörung, die konstant seit dem 29. Juni 1998 feststellbar sei. Die Restriktion lasse sich mühelos auf die radiologisch deutliche pleurale und pulmonale Fibrose zurückführen; konkurrierende Funktionsstörungen seien nicht vorhanden. Somit habe sich bei dem Kläger auf Grund einer beruflichen Asbeststaubexposition im Schiffbau eine pleurale und pulmonale Asbestose als Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV entwickelt, die eine restriktive Ventilationsstörung verursache. Es bestünden keine Atemstörung (Dyspnoe) in Ruhe und keine Cyanose. Die MdE auf Grund der Asbestose schätze er auf 40 v.H. ein. Die Restriktion sei in dieser Form bereits seit dem 29. Juni 1998 nachweisbar, sodass sie ab diesem Zeitpunkt mit einer MdE von 40 v.H. entschädigt werden sollte. In einer ergänzenden Stellungnahme vom 10. März 1999 korrigierte Dr. med. H. seine Aussage zu dem Eintritt des Versicherungsfalls dahingehend, dass als Stichtag für die Asbestose der 20. Februar 1987 anzusetzen sei, da zu diesem Zeitpunkt bereits radiologisch Veränderungen im Sinne der später erkannten Asbestose festgestellt worden seien. In einem Arztbrief des Facharztes für Lungenkrankheiten Dr. med. I. vom 20. Februar 1987, der sich in der Schwerbehindertenakte des Versorgungsamts Bremen befinde, sei bereits eine Vitalkapazität von 2,65 l genannt; dieser Wert decke sich mit den jetzt erhobenen Werten zwischen 2,4 und 2,74 l. Die MdE wegen der Asbestose müsse deshalb ab 20. Februar 1987 auf 40 v.H. geschätzt werden.

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Mit Bescheid vom 28. Mai 1999 erkannte die Beklagte eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV und als Folgen dieses Versicherungsfalls an: Röntgenologisch nachweisbare asbestbedingte Veränderungen im Lungensystem mit Einschränkung der Lungenfunktion. Als Zeitpunkt des Versicherungsfalls bestimmte sie den 20. Februar 1987 und zahlte dem Kläger ab 1. Januar 1997 eine Teilrente in Höhe von 40 v.H. der Vollrente. Zur Begründung für den Beginn der Rentenzahlung führte sie aus, bei Altfällen mit Eintritt des Versicherungsfalls vor dem 1. Januar 1995 (Versicherungsfall = 20. Februar 1987), in denen nach den Regelungen der §§ 1546, 1548 Reichsversicherungsordnung (RVO) Ansprüche ausgeschlossen gewesen seien, beginne die Leistung ab 1. Januar 1997, wenn der Leistungsanspruch nach dem 31. Dezember 1996 angemeldet worden sei (nicht erst ab Beginn des Antragsmonats). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

6

In einem Bericht vom 2. August 1999 teilte Dr. med. G. der Beklagten mit, es finde sich keine sichere Progredienz der anerkannten Asbestose.

7

Am 13. September 1999 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine Überprüfung des Bescheides vom 28. Mai 1999 und machte geltend, ihm stehe eine Verletztenrente in Höhe von 40 v.H. der Vollrente bereits ab 20. Februar 1987 zu. Seit dem 1. März 1991 sei die Rente auf 60 v.H. der Vollrente und ab dem 1. Januar 1999 auf 80 v.H. zu erhöhen, da eine erhebliche Verschlimmerung seines Leidens eingetreten sei. Die Berufskrankheit führe zu solch starken Beschwerden, die nicht einmal mehr in der Liste der MdE-Erfahrungswerte aufgeführt würden. Vergleichbar mit seiner Erkrankung sei vielleicht die Verschwartung des Rippenfells, die mit einer MdE von 60 v.H. bewertet werde. Die Gesamtfolgen der Erkrankung bestünden nicht nur in der körperlichen Beeinträchtigung, vielmehr kämen Lebensängste und psychische Überbelastungen hinzu. Die Festsetzung des Rentenbeginns auf den 1. Januar 1997 sei willkürlich.

8

Die Beklagte holte eine Stellungnahme von Dr. med. H. vom 1. Oktober 1999 ein, in der er ausführte, eine Schätzung der MdE auf 80 v.H. lasse sich durch die Untersuchungsergebnisse von Februar 1999 nicht stützen. Es bestehe wohl eine erhebliche Restriktion mit einem Vitalkapazitätswert um 53 v.H. Bei einer Kontrolluntersuchung am 30. Juli 1999 habe sich keine weitere Änderung ergeben. Unter Berücksichtigung einer nicht berufsbedingten Obstruktion, die in dem Bericht von Dr. med. G. vom 2. August 1999 genannt werde, könne er nach den derzeit gültigen Übereinkünften eine höhere Einstufung der MdE als 40 v.H. nicht vornehmen. Die subjektive Beeinträchtigung, die Lebensängste und eine psychische Überlastung auf Grund der Berufskrankheit seien von pulmologischer Seite nicht objektivierbar. Da eine Krebserkrankung (Nr. 4104 der Anlage zur BKV) als tatsächliche erhebliche psychische Belastung mit einer MdE von 100 v. H. entschädigt werde, sollte eine Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV hierzu in Relation gesetzt werden.

9

Mit Bescheid vom 11. Januar 2000 lehnte die Beklagte die Rücknahme des Bescheides vom 28. Mai 1999 gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Verwaltungsverfahren, Schutz der Sozialdaten, Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten (jetzt: Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz) - (SGB X) ab. Zur Begründung führte sie aus, sie habe die vorliegenden Unterlagen und Befunde gründlich überprüft und sei nach Würdigung aller ärztlichen Berichte und Stellungnahmen zu dem Ergebnis gekommen, dass unter Berücksichtigung der nicht berufsbedingten Obstruktion nach den derzeit gültigen Bemessungsgrundsätzen eine höhere Einstufung der MdE als 40 v.H. nicht vorzunehmen sei. Die subjektive Beeinträchtigung, die Lebensängste und die psychische Überlastung auf Grund der Berufskrankheit seien von lungenfachärztlicher Seite nicht objektivierbar. Das Bundessozialgericht (BSG) habe entschieden, dass in Asbestosefällen die Angst vor dem erhöhten Krebsrisiko keinen MdE-Zuschlag begründe. Weitere Ermittlungen hinsichtlich psychosomatischer Erkrankungen seien daher nicht erforderlich. Der Rentenbeginn sei auf Grund der Vorschriften der §§ 1546, 1548 RVO in Verbindung mit dem In-Kraft-Treten des Sozialgesetzbuches Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 1. Januar 1997 nicht zu beanstanden.

10

Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 26. Januar 2000 Widerspruch ein, dem er mehrere lungenfachärztliche Berichte aus den Jahren 1989 bis 1993 und einen Bericht vom 27. November 1989 über ein Computertomogramm (CT) des Thorax (Arzt für Radiologie J.) beifügte. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 10. März 2000, auf den verwiesen wird, Blatt 274/275 Verwaltungsakte).

11

Der Kläger hat am 21. März 2000 beim Sozialgericht (SG) Bremen Klage erhoben und sie mit Schriftsatz vom 14. Juni 2001 auf die Höhe der MdE beschränkt, während er sie hinsichtlich des Beginns der Rentenzahlung zurückgenommen hat. Er hat einen Bericht von Dr. med. G. vom 12. Mai 2000, in dem ausgeführt ist, die Untersuchungen wiesen nahezu einen Status idem im Vergleich zur Voruntersuchung von Juli 1999 auf, und einen Aufsatz von Wiester "Die MdE: Rechtsgrundlagen und Grundprobleme" zur Akte gereicht. Er hat geltend gemacht, Dr. med. G. habe in seiner "Ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit" dargestellt, dass seit etwa 1986 eine Asbestose mit schweren Atemproblemen vorliege. Bereits damals hätte eine MdE bis zu 100 v.H. errechnet werden können. Jedenfalls sei die Beklagte verpflichtet, eine Verletztenrente in Höhe von 80 v.H. der Vollrente zu zahlen. Dies entspreche seinem jetzigen Krankheitszustand, zumal er keine Möglichkeiten habe, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen Arbeitsplatz zu erhalten. Die Rente sei auch als äquivalenter Ersatz für die entgangene Lebensqualität anzusehen und müsse so bemessen werden, dass der Schaden erträglicher werde. Diese Aufgabe könne sie in der bewilligten Höhe nicht erfüllen. Die bisher eingeschalteten Fachärzte hätten ausschließlich die ärztliche Anamnese vorgenommen und seine Lebenssituation weder arbeitsmedizinisch noch sozialmedizinisch beurteilt. Die Beklagte habe die Verpflichtung, auch arbeitsmedizinische und sozialmedizinische Untersuchungen anzustellen. Er nehme Bezug auf den überreichten Aufsatz von Wiester.

12

Die Beklagte hat einen weiteren Befundbericht von Dr. med. G. vom 18. Juli 2000 (mit einem Arztbrief des Arztes für Radiologie K. vom 17. Juli 2001) zur Akte gereicht. Sie hat ferner den Kläger nochmals von Dr. med. H. untersuchen lassen, der ein Gutachten vom 26. September 2001 erstellt hat. Er hat ausgeführt, die ausführliche Lungenfunktionsprüfung am 26. September 2001 lasse im Vergleich zu den Voruntersuchungen des Jahres 1999 keine Änderung erkennen. Unverändert sei eine mittelgradige restriktive Ventilationsstörung nachweisbar, die sich sowohl in der Bodyplethysmographie als auch in der Compliancemessung bestätige. Die ermittelten Messdaten lägen im selben Bereich. Radiologisch lasse sich ebenfalls keine Progredienz nachweisen. Eine Ruhe-Dyspnoe und eine Cyanose bestünden nicht. Eine zwischenzeitlich vermutete Malignomentwicklung sei nicht zu sichern. Nach wie vor sei die MdE wegen der Asbestose auf 40 v.H. einzuschätzen.

13

Mit Urteil vom 27. Februar 2002 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die MdE wegen der Asbestose sei von der Beklagten zutreffend auf 40 v.H. eingeschätzt worden. Das BSG habe in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass bei der Bewertung der MdE die vom versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten seien. Diese seien zwar nicht bindend für die Entscheidung im Einzelfall, jedoch bildeten sie die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen in der täglichen Praxis. Eine Beurteilung durch medizinische Sachverständige im Einzelfall reiche danach hinsichtlich der Anwendung dieser Richtwerte unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles aus. Solange keine ausreichenden Hinweise dafür vorlägen, dass im Einzelfall die Bewertung nach den gängigen Erfahrungswerten fehlerhaft erscheine, seien sie der Einschätzung der MdE zu Grunde zu legen. Dem Vorbringen des Klägers sei nicht zu entnehmen, dass bei ihm auf Grund der Berufskrankheit über die Funktionseinbußen der Lungentätigkeit hinaus weitere besondere Beeinträchtigungen vorlägen, die möglicherweise auf Grund von Angstzuständen wegen der Gefahr der Verschlimmerung oder wegen der Möglichkeit des Auftretens einer bösartigen Erkrankung entstanden seien. Die allgemeinen Risiken einer Verschlimmerung und die Befürchtungen einer irreversiblen weiteren Verschlechterung, die bei jedem an Asbestose erkrankten Versicherten grundsätzlich anzuerkennen seien, führten nicht von vornherein zu einem weiteren Krankheitsbild, das im Rahmen einer ergänzenden psychiatrischen Begutachtung zu bewerten wäre. Die von der Beklagten in Übereinstimmung mit den ärztlichen Gutachten angenommene MdE von 40 v.H. erscheine somit als zutreffend. Wegen der Begründung im Einzelfall wird auf das Urteil (Blatt 78 bis 86 Prozessakte) Bezug genommen.

14

Der Kläger hat gegen das ihm am 15. März 2002 zugestellte Urteil am 12. April 2002 schriftlich beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen Berufung eingelegt. Er macht weiterhin geltend, zu Unrecht sei die MdE auf Grund der medizinischen Gutachten allein nach den "gängigen ärztlichen Tabellen" eingeschätzt worden, ohne dass überprüft worden sei, inwieweit seine Erwerbsfähigkeit auf Grund der Asbestose und seiner Folgen gemindert sei. Medizinisch sei lediglich anhand der Lungenfunktionsparameter ein mittlerer Tabellenwert zu Grunde gelegt worden. Bei ihm habe sich zudem auf Grund der Asbestbelastung Brustkrebs gebildet, was ihn weiter in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtige. Ferner sei seine psychosomatische Beeinträchtigung auf Grund der Asbestoseerkrankung nicht hinreichend gewürdigt worden. Es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der psychischen Beeinträchtigung und dem auf Grund der Asbestbelastung erlittenen körperlichen Schaden. Er beantragte daher die Einholung eines psychosomatischen Sachverständigengutachtens.

15

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 27. Februar 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung ihres Bescheides vom 11. Januar 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. März 2000 sowie des Bescheides vom 28. Mai 1999 zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente in Höhe von mehr als 40 v.H. der Vollrente ab 1. Januar 1997 zu zahlen.

16

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

17

Die Beklagte hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

18

Das Gericht hat ein ärztliches Gutachten von der Ärztin für Neurologie/Psychiatrie Dr. med. L. vom 3. Februar 2003 eingeholt. Sie hat zusammenfassend ausgeführt, bei dem Kläger könne auf nervenärztlichem Fachgebiet keine Erkrankung festgestellt werden. Er zeige von seinem Charakter her zwar einige zwanghafte Züge mit dem Hang, möglichst viel durchzuplanen mit großer Sorgfalt und auch großem Verantwortungsbewusstsein. Es liege aber keinesfalls eine Persönlichkeitsstörung vor. Außerdem zeige er eine völlig normale Krankheitsverarbeitung, bezogen auf die vorliegenden organischen Erkrankungen. Die von ihm geklagten Schweißausbrüche seien nicht als psychovegetative Symptomatik aufzufassen, denn sie seien eine bekannte Nebenwirkung des Medikaments Tamoxifen, das er wegen seines Brustkrebsleidens einnehme.

19

Das Gericht hat mit Schreiben vom 12. Februar 2003 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es in Erwägung ziehe, über die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden und sie zurückzuweisen. Es hat ihnen eine Anhörungsfrist von 3 Wochen gesetzt.

20

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten (Az. BKS 3.19649.982) beigezogen. Diese Akte und die Prozessakte (Az. L16/12 U 19/02, S 18 U 59/00) haben vorgelegen.

Gründe

21

II

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG). Sie ist nicht begründet.

22

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer höheren Verletztenrente als in Höhe von 40 v.H. der Vollrente ab 1. Januar 1997.

23

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 28. Mai 1999 ist dem Kläger eine Verletztenrente in Höhe von 40 v.H. der Vollrente ab 1. Januar 1997 wegen der anerkannten Berufskrankheit zuerkannt worden. Mit seinem Begehren, ihm eine höhere Verletztenrente zu zahlen, wendet sich der Kläger somit gegen den bindenden Bescheid. Sein Begehren ist daher nach § 44 SGB X zu beurteilen. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Die Beklagte hat sich nicht auf die Bindungswirkung des Bescheides vom 28. Mai 1999 berufen, sondern die Richtigkeit dieses Bescheides vollständig überprüft, indem sie eine Stellungnahme von Dr. med. H. vom 1. Oktober 1999 zur Höhe der MdE eingeholt hat. In dem Bescheid vom 11. Januar 2000 hat sie zudem eine ausführliche Begründung dazu gegeben, weshalb eine höhere MdE als 40 v.H. nicht gerechtfertigt sei. Die Entscheidung der Beklagten ist deshalb auch im gerichtlichen Verfahren voll zu überprüfen.

24

Diese Prüfung ergibt jedoch, dass dem Kläger keine höhere Verletztenrente als in Höhe von 40 v.H. der Vollrente zu gewähren ist. Zur Begründung wird zunächst auf das Urteil des SG Bremen vom 27. Februar 2002 verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist auszuführen, dass nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 10. März 1994, Az. 2 RU 13/93, veröffentlicht im Rundschreiben Nr. 64/94 des Bundesverbandes der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand vom 18. Juli 1994), der sich das Gericht anschließt, für die Bemessung der MdE infolge einer Asbestose als Berufskrankheit - wie bei broncho-pulmonalen Erkrankungen allgemein - auf das Ausmaß der objektiv nachweisbaren pulmo-cardialen Einbuße abzustellen ist; in die MdE-Bewertung dürfen erst künftig möglicherweise eintretende Schäden (im Hinblick auf ein mögliches Krebsrisiko) grundsätzlich nicht einfließen. Nach den überzeugenden Gutachten des Dr. med. H. vom 16. Februar 1999 und 26. September 2001 sowie seiner Stellungnahme vom 1. Oktober 1999 liegt bei dem Kläger eine mittelgradige restriktive Ventilationsstörung vor, die nach den maßgeblichen Beurteilungskriterien mit einer MdE von 40 v.H. zu bewerten ist. Diese Beurteilungskriterien, die im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung entwickelt worden sind, berücksichtigen bereits die Beeinträchtigung des Erkrankten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Es ist daher nicht erforderlich, außer den bereits vorliegenden lungenfachärztlichen Gutachten noch ein Gutachten über die Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch die Berufskrankheit einzuholen. Eine höhere Bewertung der MdE ist zudem deshalb nicht gerechtfertigt, weil bei dem Kläger keine Ruhe-Dyspnoe und keine Cyanose bestehen, wie aus den Gutachten von Dr. med. H. hervorgeht. Unerheblich ist, dass das Versorgungsamt die Behinderung "Lungenfunktionsstörung" mit einem GdB von 60 festgestellt hat, denn im Schwerbehindertenrecht gelten andere Bewertungsmaßstäbe als in der gesetzlichen Unfallversicherung.

25

Zu psychischen Auffälligkeiten hat die Berufskrankheit bei dem Kläger nicht geführt. Zu dieser Frage hat das Gericht das Gutachten von Dr. med. L. vom 3. Februar 2003 eingeholt, die nachvollziehbar ausgeführt hat, auf nervenärztlichem Fachgebiet könne bei dem Kläger keine Erkrankung festgestellt werden, insbesondere liege keine Persönlichkeitsstörung vor. Vielmehr zeige er eine völlig normale Krankheitsverarbeitung. Angesichts dieses Ergebnisses der psychiatrischen Begutachtung ist es nicht erforderlich, noch ein psychosomatisches Gutachten einzuholen.

26

Anhaltspunkte dafür, dass der Brustkrebs Folge der Berufskrankheit ist, sind nicht erkennbar, insbesondere liegt hierzu keine einen ursächlichen Zusammenhang begründende medizinische Aussage vor.

27

Das Gericht hat durch einstimmigen Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entschieden, da der Sachverhalt aufgeklärt ist und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten wird. Es hat ferner die Beteiligten vor seiner Entscheidung ordnungsgemäß angehört.

28

Nach allem war die Berufung zurückzuweisen.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

30

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und der Senat weicht nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.