Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 28.05.2003, Az.: L 9 B 407/02 U
Beschwerde gegen einen Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss im sozialgerichtlichen Verfahren; Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrages für ein Verfahren auf Anerkennung einer Berufskrankheit auf Grund einer vorläufigen Würdigung der im bisherigen Verfahrensverlauf eingeholten Gutachten und Stellungnahmen trotz eines angekündigten oder bereits gestellten Beweisantrages; Voraussetzungen der Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKVO
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 28.05.2003
- Aktenzeichen
- L 9 B 407/02 U
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 21181
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0528.L9B407.02U.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 20.11.2002 - AZ: S 36 U 55/99
Rechtsgrundlagen
- § 109 SGG
- § 114 ZPO
Tenor:
Die Beschwerde gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Sozialgerichts Hannover vom 20. November 2002 wird zurückgewiesen.
Gründe
Das Sozialgericht hat in seinem Beschluss vom 20. November 2002 die rechtlichen Anforderungen, von denen die Gewährung von Prozesskostenhilfe abhängig ist, zutreffend erläutert und auf dieser Grundlage eingehend und ohne Rechtsfehler dargetan, aus welchen Gründen die Klage eine hinreichende Aussicht auf Erfolg nicht bietet. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (S. 6, vorletzter Absatz bis S. 9, erster Absatz) Bezug.
Mit Blick auf das Beschwerdevorbringen ist Folgendes hervorzuheben:
Das Sozialgericht hat in seinem angegriffenen Beschluss die hinreichende Erfolgsaussicht des auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1317 der Anlage zur BKVO (im Folgenden: BK 1317) gerichteten Klagebegehrens auf der Grundlage einer vorläufigen Würdigung der im bisherigen Verfahrensverlauf eingeholten, bereits zahlreichen, ärztlichen Gutachten und Stellungnahmen verneint. Diese Vorgehensweise ist auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich der Antragsteller mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 12. November 2002 die Benennung eines Arztes seines Vertrauens gem. § 109 SGG vorbehalten hat, nicht zu beanstanden. Auch in einer Prozeßlage, in der mit Rücksicht auf einen angekündigten oder bereits gestellten Beweisantrag nach § 109 SGG ein vollständiger Abschluss der Ermittlungen noch nicht eingetreten ist, hängt nämlich die Gewährung von Prozesskostenhilfe von dem Ergebnis einer vorläufigen Bewertung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung ab. Sie kann sich jedenfalls dann an den bisherigen Beweisergebnissen orientieren, wenn sich für das Gericht weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht mehr aufdrängen (noch weiter gehend Meyer - Ladewig, SGG, § 73 a Rdnr. 7, Seite 417). In einem solchen Fall liegen die Dinge anders, als in der Konstellation, in der das erkennende Gericht selbst der Auffassung ist, es müsse noch weiterer Sachverständigenbeweis erhoben werden. Insoweit hat das SG zu Recht darauf hingewiesen, daß dann regelmäßig die hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne von § 114 ZPO nicht zu verneinen sein wird (Meyer-Ladewig, a.a.O.). Wenn das erkennende Gericht aber selbst die Sache für aufgeklärt hält, die Erfolgsaussichten der Klage verneint und nur aufgrund der sozialprozessrechtlichen Sondervorschrift des § 109 SGG zu weiteren Ermittlungen gezwungen ist, so hindert dies nicht an der Verneinung der Erfolgsaussichten im Sinne von § 114 ZPO. Dass ein solcher Fall vorliegend gegeben ist, ergibt sich aus den Darlegungen des Sozialgerichts.
Seine Auffassung, dass sich eine BK 1317 nicht feststellen lasse, ist in der Sache nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat insoweit zunächst auf den Gesichtspunkt abgestellt, dass sich der erforderliche Nachweis (Vollbeweis) des Vorliegens einer toxischen Enzephalopathie als Grundlage einer BK 1317 nach wiederholter Begutachtung nicht habe erbringen lassen, weil insoweit den Bedenken zu folgen sei, die Dr. C. (Gutachten v. 11. Oktober 1994), Prof. Dr. D. (Gutachten v. 21.03.1997), Dr. E. (Gutachten v. 14. März 1997) und zuletzt Prof. Dr. F. (Gutachten v. 16. Mai 2002 mit ergänzender Stellungnahme vom 13. September 2002) gegen die diesbezüglich von Prof. Dr. G. (Gutachten v. 20. Juni 1996) und Prof. Dr. H. (Gutachten v. 17.12.1996) vertretene Diagnose geäußert hätten. Der Senat teilt die Zweifel des Sozialgerichts am erforderlichen Nachweis einer toxischen Enzephalopathie; indessen kommt es hierauf nicht entscheidend an:
Das Sozialgericht hat nämlich weiter zutreffend ausgeführt, dass selbst für den Fall, dass der Nachweis einer toxischen Enzephalopathie geführt werde und damit an sich auch vom Vorliegen einer BK 1317 auszugehen sei, der Versicherungsfall jedenfalls vor Beginn des maßgeblichen Rückwirkungszeitraums der BK 1317 am 1. Januar 1992 eingetreten sein müsse, so dass Versicherungsschutz aus diesem Grunde nicht bestehen könne. Soweit der Beschwerdeführer diesen Erwägungen mit der Begründung entgegen tritt, dass die ärztliche Diagnose einer (toxischen) Enzephalopathie erstmals Anfang 1993 gestellt worden sei und zwischenzeitlich aufgrund des von Prof. Dr. H. erstellten Gutachtens als gesichert gelten könne, vermag der Senat aus diesem Umstand, wie schon das Sozialgericht, nicht den Schluss zu ziehen, dass auch der Versicherungsfall nicht vor dem 1. Januar 1993 eingetreten sei. Insoweit erscheint nämlich ohne weiteres die zuletzt von Prof. Dr. F. angestellte Überlegung überzeugend, dass es sich um eine chronische, langsam fortschreitende Erkrankung handele, die keinesfalls erst im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit ihrer erstmaligen Diagnose Anfang 1993 - gleichsam spontan - entstanden sein könne. Dies hat im Übrigen gerade auch der in anderem Zusammenhang vom Kläger für seine Auffassung in Anspruch genommene Gutachter Prof. Dr. H. so gesehen, der in seinem Gutachten ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass der 1993 festgestellte, mit einer MdE um 30 v.H. bewertete Zustand jedenfalls bereits seit Januar 1992 unverändert und seit Januar 1991 in lediglich geringfügig leichterer Ausprägung bestanden haben müsse, so dass bereits ab Januar 1992 von einer MdE um 30 v.H. und ab Januar 1991 von einer MdE um bereits 20 v.H. auszugehen sei.
Dieser Beschluss ist gem. § 177 SGG unanfechtbar.