Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.05.2003, Az.: L 11 KA 8/00
Anspruch auf sachlich-rechnerische Berichtigung und anteilige Rückforderung der Vergütung eines Vertragsarztes; Notwendigkeit einer Anhörung bei Teilaufhebung und Ersetzung eines Honorarbescheides, selbst wenn er seiner Rechtsnatur nach lediglich vorläufig ist ; Heilung der fehlenden Anhörung bis zum Ende des Vorverfahrens; Vertrauensschutz auf den Bestand abgerechneter Honorarforderungen; Mehrere Arzt-Patienten-Kontakte im Abrechnungszeitraum als Voraussetzung einer kontinuierlichen Betreuung des jeweiligen Patienten
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 28.05.2003
- Aktenzeichen
- L 11 KA 8/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 20030
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0528.L11KA8.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - 15.12.1999 - AZ: S 1 KA 34/98
Rechtsgrundlagen
- § 12 Abs. 3 S. 2 SGG
- § 24 Abs. 1 SGB X
- § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X
- § 41 Abs. 2 SGB X
- Nr. 16 EBM
- § 45 Abs. 2 S. 1 BMV-Ä
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Die Notwendigkeit einer Anhörung besteht auch für die Teilaufhebung und Ersetzung eines Honorarbescheides, selbst wenn er seiner Rechtsnatur nach lediglich vorläufig ist.
- 2.
Die Kassenärztliche Vereinigung berichtigt die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Honorarbescheide sind ihrer Rechtsnatur nach zunächst lediglich vorläufig. Fehler der sachlich-rechnerischen Richtigkeit sind häufig nicht der systematischen Überprüfung zugänglich, sondern werden oft nur auf Grund besonderer Umstände, oftmals zufällig, aufgedeckt.
- 3.
Nr. 16 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) setzt eine kontinuierliche Betreuung des jeweiligen Patienten im Quartal voraus, was eine gewisse Mindestzeitspanne an Betreuung beschreibt, die mehrere Arzt-Patienten-Kontakte im Abrechnungszeitraum umfasst.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 15. Dezember 1999 geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen. Die Berufung der Kläger wird zurückgewiesen. Die Kläger haben der Beklagten die außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte die Honoraranforderungen der Kläger für die Quartale I/96 bis II/97 sachlich-rechnerisch berichtigen und dementsprechend anteilige Vergütung zurückfordern durfte. Daneben bezweifeln die Kläger, dass die die Quartale I und II/96 betreffenden Berichtigungs- und Rückforderungsbescheide verfahrensrechtlich fehlerfrei zu Stande gekommen sind.
Die Kläger sind als Ärzte für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Rheumatologie in einer Gemeinschaftspraxis in Bremen niedergelassen und nehmen als solche an der vertragsärztlichen Versorgung teil.
Mit Bescheiden vom 11. September 1996, 31. Oktober 1996 und 4. Februar 1997 erteilte die Beklagte den Klägern Honorarbescheide für die Quartale I bis III/96. Den in den jeweils beigefügten Anlagen enthaltenen Übersichten ist zu entnehmen, dass diese für einen großen Teil ihrer Patienten die mit 900 Punkten bewertete Leistung der Nr. 16 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) abgerechnet hatten. Diese kann u.a. für die kontinuierliche Betreuung eines Patienten mit rheumatoider Arthritis (PCP) einschließlich Sonderformen oder mit Psoriasis-Arthritis oder mit Kollagenosen durch einen Internisten mit der Schwerpunktbezeichnung "Rheumatologie" einmal im Behandlungsfall in Ansatz gebracht werden. Beanstandungen seitens der Beklagten hinsichtlich dieser Gebührennummer erfolgten in den genannten Bescheiden nicht.
Mit weiteren Bescheiden vom 6. Mai 1997 und 29. Juli 1997 setzte die Beklagte die Vergütung der Kläger für die Quartale IV/96 und I/97 fest. Die Zahlung des Honorars hinsichtlich der Nr. 16 EBM erfolgte für diese Abrechnungszeiträume unter Vorbehalt (vgl. die diesbezügliche Mitteilung der Kläger im Schreiben vom 14. November 1997).
Bereits am 5. Mai 1997 hatte der Prüfungsausschuss Ärzte/Krankenkassen im Zuge einer Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Kläger im Quartal III/96 das Prüfverfahren ausgesetzt und es der Beklagten zwecks Plausibilitätsprüfung zurückgegeben. Zur Begründung führte er insbesondere aus, der Anschein der Unwirtschaftlichkeit sei durch die routinemäßige Abrechnung der Nr. 16 EBM erweckt worden. Nach seiner Ansicht sei deren Inhalt nicht in allen Fällen erfüllt worden.
Mit Abrechnungsbescheid vom 28. Oktober 1997 setzte die Beklagte die Vergütung der Kläger für das Quartal II/97 fest. Dabei strich sie aus den Honoraranforderungen insgesamt 368 mal die Nr. 16 EBM.
Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 14. November 1997 Widerspruch ein. Die Auffassung der Beklagten, dass der Ansatz der Nr. 16 EBM regelmäßigen Arzt-Patienten-Kontakt erfordere, sei unrichtig. Eine "kontinuierliche Betreuung" schließe es lediglich aus, dass die Ziffer im Vertretungsfall oder im Notfalldienst abgerechnet werde.
In der Folgezeit überprüfte die Beklagte die Plausibilität der Abrechnung der Nr. 16 EBM in den Quartalen III/96 und I/97 anhand der Behandlungsdokumentationen einer Reihe von Patienten der Kläger.
Mit insgesamt fünf Bescheiden vom 8. Januar 1998 setzte die Beklagte daraufhin die Vergütungen der Kläger für die Quartale I/96 bis I/97 unter Aufhebung der bereits erteilten Honorarbescheide neu fest. Hierbei reduzierte sie die Honorare um DM 8.624,70 (I/96), DM 9.699,30 (II/96), DM 9.000,- (III/96), DM 10.371,60 (IV/96) und DM 11.106,- (I/97). Zur Begründung führte sie aus, die Überprüfung der Abrechnungen aus den genannten Quartalen habe - auch unter Berücksichtigung der ihr vorgelegten Patienten-Dokumentation - ergeben, dass der Leistungsinhalt der Nr. 16 EBM in den Fällen nicht erbracht sei, in denen nicht mindestens 2 Behandlungstage im Quartal vorlägen.
Mit weiterem Bescheid vom 8. Januar 1998 half sie dem Widerspruch der Kläger gegen den Abrechnungsbescheid für das Quartal II/97 teilweise ab. Eine Nachvergütung der Nr. 16 EBM erfolgte für insgesamt 219 Fälle mit mindestens zwei Behandlungstagen im Quartal II/97. Die Gutschrift belief sich auf DM 13.792,50.
Am 9. Februar 1998 legten die Kläger gegen alle Bescheide Widerspruch ein. In ihrer Begründung rügten sie das Fehlen einer vorherigen Anhörung. Weiterhin lasse sich aus der Leistungslegende der Nr. 16 EBM die Interpretation der Beklagten nicht erkennen. Die meisten ihrer Patienten stünden bei ihnen in Dauerbehandlung. Es sei sehr wohl möglich, dass diese lediglich einmal im Quartal die Praxis aufsuchten, aber dennoch kontinuierlich rheumatologisch von ihnen betreut würden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30. April 1998 wies die Beklagte die Widersprüche der Kläger zurück. Nach Einholung einer Stellungnahme der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und intensiven Erörterungen über die Definition "kontinuierliche Betreuung" sei ihr Vorstand zu dem Ergebnis gekommen, dass erst ein zweimaliger Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal die Abrechnung der Nr. 16 EBM rechtfertige. Insgesamt sei der Rückforderungsbetrag mit DM 35.009,10 ermittelt worden.
Mit ihrer am 13. Mai 1998 erhobenen Klage haben die Kläger vorgetragen, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die bereits bestandskräftig gewordenen Honorarbescheide für die entsprechenden Quartale wieder aufzuheben und das Honorar neu festzusetzen. Nach § 8 Abs. 8 ihrer Abrechnungsrichtlinien sei die nachträgliche sachlich-rechnerische Richtigstellung grundsätzlich nur auf Grund einer Prüfung der Abrechnungsunterlagen durch die Krankenkassen zulässig. Die Beklagte selbst dürfe nachträglich allein dann Honorarneufestsetzungen vornehmen, wenn "sonstige Feststellungen" getroffen worden seien. Damit seien solche Umstände gemeint, die sich nicht konkret aus der Abrechnung ergäben, sondern sich, wie z.B. im Fall der Falschabrechnung, erst nachträglich herausstellten. Hiermit solle dem Vertrauensschutzinteresse des Arztes an der Bestandskraft seiner Abrechnung Genüge getan werden. Weiterhin sei die Vorschrift des § 24 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) verletzt worden, da ihnen keine Gelegenheit gegeben worden sei, sich vor Er-lass des Verwaltungsaktes zu den entscheidungserheblichen Tatsachen zu äußern. Schließlich ergebe sich aus der Leistungslegende der Nr. 16 EBM nicht, dass diese erst bei mindestens zwei Arzt-Patienten-Kontakten im Quartal erfüllt sei. Ziel der mit dem EBM 96 neu eingeführten Ziffer sei die Honorierung des Mehraufwandes bei der Betreuung chronisch Kranker gewesen. Die Leistungslegende der Nr. 16 EBM sehe keine Zeit-vorgabe bzw. Frequenz an Patientenkontakten pro Quartal vor.
Demgegenüber hat die Beklagte ihre Auffassung verteidigt. Dabei hat sie sich auf das Urteil des BSG vom 20. Januar 1999 - B 6 KA 16/98 R - gestützt, in dem ausgeführt sei, der in der Nr. 16 EBM verwendete Begriff "kontinuierlich" beschreibe eine gewisse Mindestzeitspanne, die Abrechnung der Gebührenziffern setze somit einen mehrfachen Arzt-Patienten-Kontakt voraus.
Mit Urteil vom 15. Dezember 1999 hat das Sozialgericht (SG) Bremen die die Quartale I und II/96 betreffenden Bescheide vom 8. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 1998 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kürzungen der Nr. 16 EBM für diese beiden Quartale nachzuvergüten. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die die Quartale I und II/96 betreffenden Bescheide vom 8. Januar 1998 seien verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen. Die Beklagte habe insoweit ihre aus § 24 Abs. 1 SGB X folgende Pflicht zur Anhörung der Kläger verletzt. Zwar hätten sie mit Schreiben der Beklagten vom 5. Mai 1997 erstmals erfahren, dass ihre Abrechnungspraxis zur Nr. 16 EBM aufgefallen sei und geprüft werden sollte. Diese Information habe sich jedoch nur auf die Quartale III und IV/96 bezogen. Erst mit den angefochtenen Bescheiden seien die Kürzungen auch auf die Quartale I und II/96 ausgedehnt worden. Durch das Widerspruchsverfahren sei der Mangel nicht geheilt worden. Für die übrigen streitigen Quartale seien die Kürzungen zu Recht erfolgt. Die Auslegung der Beklagten, dass mindestens ein zweimaliger Arzt-Patienten-Kontakt pro Quartal erfolgt sein müsse, um die Abrechenbarkeit auszulösen, sei nicht zu beanstanden. Sie werde auch durch die nachträglich vorgenommene Konkretisierung des Bewertungsausschusses in der Tendenz bestätigt und verschärft, indem nunmehr mindestens dreimalige Arzt-Patienten-Kontakte pro Quartal gefordert würden. Im Übrigen werde die Auffassung der Beklagten durch das Urteil des BSG vom 20. Januar 1999 - B 6 KA 16/98 R - bestätigt.
Gegen das ihr am 20. März 2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28. März 2000 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die die Quartale I und II/96 betreffenden Bescheide vom 8. Januar 1998 ordnungsgemäß zu Stande gekommen seien. Für die nachträgliche sachlich-rechnerische Berichtigung im Vertragsarztrecht seien vom übrigen Sozialrecht abweichende Voraussetzungen maßgeblich, weshalb der Anhörungspflicht im Schwerbehinderten- oder im Rentenrecht eine ganz andere Bedeutung zukomme als in diesem Rechtsgebiet. In den auf bundesgesetzlicher Ermächtigung beruhenden vertraglichen Vorschriften über das Verfahren der rechnerischen und sachlichen Prüfung und Richtigstellung der vertragsärztlichen Honorarabrechnungen sei eine eigene abschließende Regelung dieser Materie zu sehen, die den allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Bestimmungen über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte vorgehe und deren Anwendung ausschließe. Im Hinblick darauf, dass Honorarbescheide kraft Gesetzes nur unter dem Vorbehalt einer späteren Kontrolle und Abänderung ergingen, müsse der Vertragsarzt mit der Möglichkeit einer nachträglichen Prüfung und Richtigstellung rechnen. Auf den Bestand des Bescheides könne er daher nicht vertrauen.
Die Kläger, denen das Urteil am 17. März 2000 zugestellt worden ist, haben hiergegen am 7. April 2000 ebenfalls Berufung eingelegt. Sie tragen vor, die sachlich-rechnerische Berichtigung sei zu Unrecht erfolgt, da aus der Leistungslegende nicht ersichtlich sei, dass die Nr. 16 EBM erst bei einem zweimaligen Arzt-Patienten-Kontakt im Quartal abrechenbar sei. Die Nr. 16 sei in den EBM aufgenommen worden, um speziell fachärztlichen Internisten eine Kompensation dafür zu bieten, dass sie nicht auf die Betreuungsleistungen zurückgreifen könnten, die an eine hausärztliche Tätigkeit geknüpft seien. Vor diesem Hintergrund habe die Honorarabteilung der KBV ausgeführt, dass bei einem rheumatologischen Patienten sehr wohl die Situation vorliegen könne, dass er im Fall einer guten medikamentösen Einstellung und bei Ausbleiben dynamischer Schübe im Sinne des Krankheitsbildes auch dann ausreichend betreut sei, wenn innerhalb eines Quartals lediglich ein Kontakt stattfinde. Diese Auffassung sei auch vom Kölner Kommentar geteilt worden, dessen Autoren Mitglieder des Bewertungsausschusses seien. Zwar habe das BSG in einer Entscheidung betreffend die Abrechnungsfähigkeit der Nr. 16 EBM für orthopädische Rheumatologen in einem obiter dictum ausgeführt, dass unter dem Begriff "kontinuierliche Betreuung" ein mehrfacher ärztlicher Patientenkontakt im Quartal zu verstehen sei. Hierbei handele es sich aber nicht um einen tragenden Grund der Entscheidung, sodass diese Frage eben gerade nicht abschließend geklärt sei.
Die Beklagte beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 15. Dezember 1999 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen,
- 2.
die Berufung der Kläger zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 15. Dezember 1999 zu ändern und die Bescheide der Beklagten vom 8. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1998 insgesamt aufzuheben,
- 2.
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Beteiligten verteidigen das angefochtene Urteil jeweils insoweit, als sie obsiegt haben.
Dem Senat haben außer der Prozessakte die die Kläger betreffenden Unterlagen der Beklagten vorgelegen. Alle Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozess- und Beiakten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Senat hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Ärzte und Psychotherapeuten entschieden, denn die streitige Honorarverteilung betrifft allein die vertragsärztliche Selbstverwaltung und damit eine Angelegenheit der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten (§ 12 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetztes - SGG -).
Die gemäß §§ 143 f. SGG form- und fristgerecht eingelegten Berufungen der Beteiligten sind zulässig. Das Rechtsmittel der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Demgegenüber ist die Berufung der Kläger nicht begründet.
Entgegen der Auffassung des SG sind die beiden die Honorarabrechnungen für die Quartale I und II/96 abändernden Bescheide der Beklagten vom 8. Januar 1998, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. April 1998, nicht zu beanstanden. Ein Verfahrensfehler liegt im Ergebnis nicht vor.
Gemäß § 24 Abs. 1 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) ist einem Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in seine Rechte eingreift, Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Nach § 41 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. Abs. 2 SGB X (in der hier noch anzuwendenden, bis zum Inkrafttreten des 4. Euro-Einführungsgesetzes vom 21. Dezember 2000 - BGBl. I 1983 geltenden Fassung) kann der Mangel der Anhörung bis zum Abschluss des Vorverfahrens geheilt werden.
Allerdings besteht die Notwendigkeit einer Anhörung entgegen der Auffassung der Beklagten auch für die Teilaufhebung und Ersetzung eines Honorarbescheides, selbst wenn er seiner Rechtsnatur nach lediglich vorläufig ist (vgl. BSG SozR 3-2500 § 82 Nr. 3). Eine solche Anhörung hat im Fall der Kläger vor Erlass der Bescheide vom 8. Januar 1998 nicht stattgefunden. Sie ist jedoch bis zum Abschluss des Vorverfahrens wirksam nachgeholt worden. Zwar hat die Beklagte die Kläger auch nachträglich nicht formell angehört. Die Heilung ist indessen dadurch eingetreten, dass sie durch die in den angefochtenen Bescheiden vom 8. Januar 1998 enthaltenen Hinweise auf die wesentlichen entscheidungserheblichen Gesichtspunkte Gelegenheit erhalten haben, sich im Widerspruchsverfahren sachgerecht zu äußern (vgl. BSG SozR 3-2500 § 82 Nr. 3, Seite 5, sowie BSG SozR 3-4100 § 117 Nr. 11, Seite 72).
Gegenstand des Verwaltungs- wie auch des Gerichtsverfahrens ist die Frage, wie der Gebührentatbestand der Nr. 16 EBM auszulegen ist. In den die genannten Quartale betreffenden Bescheiden vom 8. Januar 1998 hat die Beklagte trotz der knappen Begründung auf die streitige Auslegungsfrage hinreichend deutlich hingewiesen. Es ist klar zu Tage getreten, dass nach ihrer Auffassung der Leistungsinhalt der Nr. 16 EBM in Bezug auf die Patienten nicht erbracht ist, bei denen nicht mindestens zwei Behandlungstage im Quartal vorlagen. Weiterer ausführlicher Erläuterungen für die Kläger bedurfte es an dieser Stelle nicht. Die Problematik der Auslegung dieses Gebührentatbestandes war ihnen zu diesem Zeitpunkt bereits geläufig. So hatte die Beklagte die Zahlung des Honorars hinsichtlich der Nr. 16 EBM bei der vor Erteilung der angefochtenen Bescheide ergangenen Abrechnungen für die Quartale IV/96 und I/97 unter Vorbehalt gestellt. Weiterhin war ihnen die Problematik auf Grund der Entscheidung des Prüfungsausschusses Ärzte/Krankenkassen vom 5. Mai 1997, die das Quartal III/96 betreffende Wirtschaftlichkeitsprüfung auszusetzen und die Angelegenheit zwecks Plausibilitätsprüfung an die Beklagte zurückzugeben, bekannt. Im Übrigen ergibt sich dies auch aus dem eigenen Widerspruchsschreiben der Kläger vom 14. November 1997, in dem sie die Streichung der Nr. 16 EBM in Zusammenhang mit der Abrechnung des Quartals II/97 beanstandet haben. Hierin haben sie selbst unter Hinweis auf ein Schreiben der KBV und einschlägige Kommentarliteratur ihre Rechtsauffassung zur Auslegung des genannten Gebührentatbestandes dargelegt. Weitere anhörungspflichtige Tatsachen sind nicht ersichtlich.
Im Übrigen ist die angefochtene Entscheidung des SG nicht zu beanstanden. Zu Recht hat die Beklagte in den Fällen, in denen es während eines Abrechnungszeitraumes nur zu einem Arzt-Patienten-Kontakt gekommen ist, die Nr. 16 EBM aus den Honoraranforderungen der Kläger gestrichen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der nachträglichen sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honoraranforderungen der Kläger für die Quartale I/96 bis I/97 kein Vertrauensschutz entgegenstand. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht daraus, dass - ungeachtet der seit dem Quartal IV/96 ohnehin gemachten Vorbehalte - diese Abrechnungszeiträume bei Erlass des angefochtenen Bescheides vom 8. Januar 1998 bereits abgewickelt waren. Rechtsgrundlage für die Maßnahme der Beklagten war § 45 Abs. 2 Satz 1 des Bundesmantelvertrages - Ärzte (BMV-Ä) in der seit dem 1. Januar 1995 geltenden Fassung. Danach berichtigt die Kassenärztliche Vereinigung die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Im vorliegenden Fall konnten die Kläger im Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide vom 8. Januar 1998 nicht auf den Bestand der vorangegangenen Honorarbescheide vertrauen. Diese sind ihrer Rechtsnatur nach zunächst lediglich vorläufig. Denn die Auskehrung der Gesamtvergütungsanteile durch die Beklagte im Wege der Honorarverteilung ist dadurch gekennzeichnet, dass sie quartalsmäßig auf die Honoraranforderungen der Kläger und aller übrigen Vertragsärzte ihres Bezirks hin zeitnah Bescheide zu erlassen hat und sie deswegen schon aus tatsächlichen Gründen gehindert ist, die sachlich-rechnerische Richtigkeit der Abrechnung und ggf. die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung umfassend zu überprüfen. Hinzu kommt, dass Fehler der sachlich-rechnerischen Richtigkeit häufig nicht der systematischen Überprüfung durch die Beklagte zugänglich sind, sondern oft nur auf Grund besonderer Umstände, oftmals zufällig, aufgedeckt werden können. Vor diesem Hintergrund besteht ein anerkennenswertes Bedürfnis dafür, der Beklagten die Möglichkeit zu erhalten, nach endgültiger Klärung der Sach- und Rechtslage die vorläufige Entscheidung zu korrigieren und durch eine endgültige zu ersetzen, ohne an die Regelungen über die Rücknahme von Verwaltungsakten nach § 45 SGB X gebunden und ohne durch einen Vertrauensschutz des Leistungsempfängers daran gehindert zu sein (vgl. BSG SozR 3-2500 § 82 Nr. 3, Seiten 7/8, sowie SozR 3-2500 § 85 Nr. 42, Seite 346 ff.). Im Sinne dieser Rechtslage ist auch die von den Klägern in Bezug genommene Regelung des § 8 Abs. 8 der Abrechnungsrichtlinien der Beklagten auszulegen (vgl. hierzu den Schriftsatz der Kläger vom 18. August 1998). Nicht schon die Berichtigung der offenkundigen Fehler im Rahmen der Honorarfestsetzung durch die Verwaltung der Beklagten führt demgemäß zur Fälligkeit und Rechtswirksamkeit des Vergütungsanspruchs des Arztes, sondern erst die ggf. durchzuführende nachträgliche umfassende Prüfung. Diese ist innerhalb einer Frist von vier Jahren nach Ergehen des Quartalsabrechnungsbescheides zulässig (vgl. BSG SozR 3-2500 § 82 Nr. 3, Seite 16). Der vorliegende Fall ist dadurch geprägt, dass in den Zeitpunkten der Erteilung der Honorarbescheide für die genannten Quartale bei der Beklagten noch keine gefestigte Auffassung darüber bestand, ob die Nr. 16 EBM nur bei einem mehrfachen Arzt-Patienten-Kontakt im Abrechnungszeitraum in Ansatz gebracht werden kann. Erst mit dem Beschluss der Vorsitzendenrunde bei der Beklagten vom 18. Dezember 1997 ist festgelegt worden, dass die Vergütung der in diesem Gebührentatbestand erfassten Leistungen nur bei mindestens zwei Behandlungstagen im Quartal erfolgen kann (vgl. hierzu die Ausführungen der Beklagten in dem das Quartal II/97 betreffenden Abhilfebescheid vom 8. Januar 1998). Demgemäß war die Beklagte auch erst nach diesem Zeitpunkt in der Lage, die sachlich-rechnerischen Berichtigungen durchzuführen.
Schließlich ist die in Bezug auf die Abrechnungen für die Quartale I/96 bis II/97 durchgeführte Richtigstellung auch in der Sache nicht zu beanstanden. Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für die Abrechnung der Nr. 16 EBM nicht bei einem nur einmaligen Arzt-Patienten-Kontakt im Abrechnungszeitraum vorliegen. Gebührentatbestände des EBM sind nach der ständigen Rechtsprechung des BSG anhand ihres Wortlautes auszulegen (vgl. SozR 3-5533 § 75 Nr. 1). Die hier fragliche Nr. 16 EBM verlangt eine "kontinuierliche Betreuung" des jeweiligen Patienten. Von einer Kontinuität kann hier nicht schon dann ausgegangen werden, wenn sich die Betreuung des jeweiligen Patienten über mehrere Quartale hinweg erstreckt. Nach der Rechtsprechung des BSG ist vielmehr davon auszugehen, dass die Nr. 16 EBM eine kontinuierliche Betreuung des jeweiligen Patienten im Quartal voraussetzt, was eine gewisse Mindestzeitspanne an Betreuung beschreibt, die mehrere Arzt-Patienten-Kontakte im Abrechnungszeitraum umfasst (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 21 sowie BSG Beschluss vom 31. Januar 2001 - B 6 KA 47/00 B -). Das BSG hat a.a.O. über die Auffassung der Beklagten hinaus sogar drei Arzt-Patienten-Kontakte im Quartal für die Abrechnung der Nr. 16 EBM für erforderlich gehalten. Vorsorglich macht der Senat darauf aufmerksam, dass die zuletzt zitierte BSG-Entscheidung Ärzte betrifft, die wie die Kläger Fachärzte für Innere Medizin mit der Schwerpunktbezeichnung Rheumatologie sind.
Nach alledem hat nur die Berufung der Beklagten Erfolg haben können.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Es hat kein Anlass bestanden, die Revision zuzulassen.