Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 13.05.2003, Az.: L 16/12 U 68/01
Vorliegen einer Berufskrankheit; Bandscheibenbedingte Berufserkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten; Doppelte Kausalitätsprüfung im Verfahren zur Feststellung einer Berufskrankheit ; Anforderungen an die haftungsbegründende Kausalität bei der Berufskrankheit Nr. 2108 ; Ermittlungen unter Zuhilfenahme des so genannten Mainz-Dortmunder-Dosismodells
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 13.05.2003
- Aktenzeichen
- L 16/12 U 68/01
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 16024
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0513.L16.12U68.01.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Bremen - AZ: S 18 U 115/00
Rechtsgrundlagen
- § 153 Abs. 4 SGG
- § 151 Abs. 1 SGG
- § 143 SGG
- § 26 Abs. 1 SGB VII
- § 7 Abs. 1 SGB VII
- § 6 SGB VII
- § 9 Abs. 1 S. 1 SGB VII
- § 551 Abs. 1 RVO
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
In dem Verfahren zur Feststellung einer Berufskrankheit hat eine doppelte Kausalitätsprüfung zu erfolgen, allerdings mit der Modifizierung, dass bei der Berufskrankheit an die Stelle des Unfalls in der Kausalkette die generell-schädliche berufliche Einwirkung tritt.
- 2.
Für die Bejahung der haftungsbegründenden Kausalität bei der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ist es im Einzelnen erforderlich, dass die mit gewisser Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten gehobenen oder getragenen Lastgewichte bestimmte Grenzen überschritten haben, die vom Lebensalter und Geschlecht der versicherten Person abhängig sind.
- 3.
Das Mainz-Dortmunder-Dosismodell ist ein geeignetes Modell, um die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das Berufsleben zu ermitteln und in Beziehung zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen.
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 20. September 2001 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Streitig ist, ob der Kläger an einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) - Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können - leidet und die Beklagte verpflichtet ist, ihm eine Verletztenrente zu zahlen.
Der am 3. Januar 1957 geborene Kläger beantragte am 14. April 1999 bei der Beklagten die Anerkennung einer Berufskrankheit wegen eines Lendenwirbelsäulenschadens. Er fügte einen Schwerbehindertenausweis (Grad der Behinderung - GdB - 80, erhebliche Gehbehinderung - "G" -, Notwendigkeit ständiger Begleitung - "B" -), ein ärztliches Gutachten des Arbeitsamts Bremerhaven vom 24. Februar 1999 und einen Bericht des Radiologen Dr. med. F. vom 5. Februar 1999 bei. In dem ärztlichen Gutachten sind folgende Gesundheitsstörungen aufgeführt: Mäßige spastische Bewegungsstörung mit gewisser Gangunsicherheit, Lendenwirbelsäulensyndrom bei mehrfachen Bandscheibenschäden, angeborene erhebliche Hörminderung, Schwerbehinderung. Der Bericht von Dr. med. F. beschreibt eine Computertomographie (CT) der Lendenwirbelsäule wie folgt: Bandscheibenvorfälle bei L3/L4, L4/L5 und L5/S1.
In einer Beschäftigungsaufstellung vom 3. Mai 1990 gab der Kläger seine Tätigkeiten wie folgt an: Februar 1976 - Februar 1978 Ausbildung zum Metallwerker, April 1978 - März 1986 Stahlbauschlosser bei dem Unternehmen G., Bremerhaven, Mai 1986 - Mai 1988 Betriebshandwerker im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme bei der Hochschule Bremerhaven, seit September 1988 Stahlbauschlosser bei dem Unternehmen H., Sievern.
Ferner erklärte er, bei der Tätigkeit in dem Unternehmen H. sei die Wirbelsäule durch Heben, Tragen, Beugen oder Vibrationen besonders belastet worden. In einem "Erhebungsbogen zur Ermittlung der Belastung der Wirbelsäule" nahm er zu der Wirbelsäulenbelastung im Einzelnen Stellung (Bl. 12 Verwaltungsakte). Seit Oktober 1998 ist er arbeitsunfähig erkrankt wegen eines Lendenwirbelsyndroms.
Die Beklagte holte von der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) Bremen/Bremerhaven eine Auskunft über Mitgliedschafts- und Erkrankungszeiten des Klägers vom 17. Mai 1999 ein. Sie zog ferner vom Krankenhaus I. einen Entlassungsbericht vom 25. November 1998 über eine stationäre Behandlung vom 18. Oktober - 7. November 1998 wegen einer Lumboischialgie links, ohne radikuläre Ausfälle, bei. Sie holte von dem Internisten Dr. med. J. einen Krankheitsbericht vom 1. Juni 1999 ein, der Angaben über die Wirbelsäulenbeschwerden des Klägers enthält. Der Kläger übersandte ihr einen Reha-Entlassungsbericht der Fachklinik für Rheuma und Reha, K. vom 7. Juli 1999 über ein vom 9. Juni - 30. Juni 1999 durchgeführtes Heilverfahren (Diagnosen: Lendenwirbelsäulensyndrom mit Bandscheibenvorfällen L3/L4, L4/L5 und L5/S1, angeblich erhebliche Hörminderung, cerebrale Bewegungsstörungen mit linksbetonter Spastik). Des Weiteren zog die Beklagte die Schwerbehindertenakte, den Kläger betreffend, vom Versorgungsamt Bremen bei. Aus ihr ergibt sich, dass mit Neufeststellungsbescheid vom 26. August 1999 der GdB auf 100 ab 13. April 1999 erhöht worden ist.
In einem "Erhebungsbogen zur Ermittlung der Belastung der Wirbelsäule" vom 2. August 1999 gab der Inhaber des Unternehmens H., der Schlossermeister L., Folgendes an: Der Kläger habe allgemeine Schlosserarbeiten verrichtet, die von ihm gehobenen oder getragenen Gegenstände hätten ein Gewicht von 10-15 kg gehabt (Halbzeuge, Maschinen, Werkzeuge, Bauteile), pro Arbeitstag seien sie etwa zehn Mal gehoben oder getragen worden. Die durchschnittliche Trageentfernung habe 3 m betragen, der Tragevorgang habe 15 Sekunden gedauert. Als technische Hilfsmittel seien Hubwagen, Gabelstapler, Mobilkran, Schwenkkräne und Rollwagen verwendet worden. Die Gegenstände seien an der Seite und auf der Schulter getragen worden, diese Belastung habe an 150 Arbeitstagen pro Jahr vorgelegen. Arbeiten in extremer Rumpfbeugung habe der Kläger nicht verrichtet, ebenso keine Tätigkeiten, bei denen im Sitzen über längere Zeit Vibrationen eingewirkt hätten.
Der Präventionsbezirk Bremen (PB) der Beklagten (Dr. M.) führte in einer Arbeitsplatzanalyse vom 23. August 1999 aus, er habe das Unternehmen N. aufgesucht und mit dem Inhaber gesprochen. Dieser habe erklärt, der Kläger sei seit dem 1. September 1988 in dem Unternehmen beschäftigt und seit etwa Oktober 1998 arbeitsunfähig. Ein Arbeitsversuch im Januar 1999 über etwa 1-2 Wochen mit stundenweiser Wiedereingliederung sei gescheitert. Der Kläger habe allgemeine Schlosserarbeiten im Fenster- und Geländerbau ausgeführt. Hierbei sei es arbeitstäglich zu Belastungen im Gewichtsbereich bis etwa 15 kg gekommen, allerdings könnten im Einzelfall auch höhere Lasten bis 50 kg (z.B. Türen) getragen oder gehoben worden sein. In diesen Fällen würden die Lasten normalerweise von mehreren Personen getragen. Bis etwa 1996 sei der Kläger überwiegend auf Baustellen von Wohneinheiten mit der Montage von Treppengeländern beauftragt worden; seit 1996 sei er überwiegend in der Werkstatt tätig. Relevante Belastungen im Hinblick auf eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV seien auf Grund der zu tragenden Gewichte im Lastbereich bis 15 kg und der geringen Häufigkeit nicht anzunehmen; Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung seien ebenfalls nicht ausgeführt worden. Wegen der Stellungnahme im Einzelnen wird auf Bl. 49/50 der Verwaltungsakte Bezug genommen.
Nachdem der Kläger gegen diese Feststellungen des PB mit Schreiben vom 1. September 1999 Einwendungen geltend gemacht hatte, holte die Beklagte eine ergänzende Stellungnahme des PB Bremen (Dr. M.) vom 27. Oktober 1999 ein. Er führte aus, der Versicherte habe Arbeitsvorgänge beschrieben, wie sie in der Metallbaubranche üblich seien. Relevante Belastungen im Hinblick auf die streitige Berufskrankheit seien daraus nicht abzuleiten, da außer schweren Lasten auch eine hohe Häufigkeit und damit verbundene hohe Zeitdauer des Hebens und Tragens verbunden sein müssten. Dies sei erfahrungsgemäß bei den ausgeübten Tätigkeiten nicht der Fall. Es sei abschätzbar, dass Tagesdosiswerte von 1.700 Nh üblicherweise nicht überschritten worden seien.
Nachdem der Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. O. vom Niedersächsischen Landesamt für Ökologie mit Schreiben vom 10. November 1999 eine gewerbeärztliche Mitwirkung nicht für erforderlich gehalten hatte, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Dezember 1999 die Anerkennung einer Berufskrankheit ab. Sie stützte sich auf die Stellungnahmen ihres PB vom 23. August 1999 und 27. Oktober 1999 und führte aus, auf Grund der fehlenden berufsbedingten Wirbelsäulenbelastung im Sinne einer Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur BKV seien die medizinischen Voraussetzungen nicht eingehend geprüft worden. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid am 23. Dezember 1999 Widerspruch ein, den er damit begründete, seine ausgeübte Tätigkeit sei so schwer gewesen, dass sie zu der Wirbelsäulenschädigung geführt habe. - Die Beklagte holte einen Krankheitsbericht vom 14. Februar 2000 von dem Arzt für Orthopädie P. ein, der die Beschreibung der Wirbelsäulenbeschwerden enthält, und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Mai 2000 zurück. Wegen der Begründung wird auf Bl. 89/90 Verwaltungsakte Bezug genommen.
Der Kläger hat am 26. Juni 2000 beim Sozialgericht (SG) Bremen Klage erhoben und weiterhin geltend gemacht, bei ihm liege eine bandscheibenbedingte Lendenwirbelsäulenerkrankung auf Grund jahrelangen schweren Hebens und Tragens vor. Der Sachverhalt sei nicht hinreichend ermittelt worden, denn insbesondere während seiner Tätigkeit bei dem Unternehmen H. habe er regelmäßig in erheblichem Umfang Lasten von 20-25 kg gehoben und getragen, und zwar in allen möglichen Körperhaltungen. Dabei habe er auch längere Entfernungen von etwa 20 m regelmäßig mit Tragelasten zurückgelegt. Mindestens während der Hälfte seiner Arbeitszeit habe er nicht in der Werkstatt, sondern auf Baustellen gearbeitet, auf denen keine Hilfsmittel für Hebe- und Tragevorgänge zur Verfügung gestanden hätten. Auf den Baustellen habe er Geländer und schwere Türen einsetzen müssen, die erheblich schwerer als 25 kg gewesen seien. Auch in der Werkstatt hätten Geräte bewegt werden müssen, die erheblich schwerer als 20 kg gewesen seien. Während seiner Tätigkeit bei der Schlosserei Q. in der Zeit von 1978 bis 1986 habe er ebenfalls in erheblichem Umfang schwer heben und tragen müssen; insoweit fänden sich in der Verwaltungsakte keinerlei Ermittlungen. Die Beklagte habe nachvollziehbare Ermittlungen mit Hilfe des Mainz-Dortmunder-Dosismodells (MDD) durchzuführen.
Die Beklagte hat eine ergänzende Stellungnahme ihres PB vom 27. Juni 2001 (Dr. M.) übersandt. Danach hat die Berechnung nach dem MDD bezüglich der Beurteilungsdosis kein Überschreiten des Richtwertes von 5.500 Nh ergeben, sodass eine Belastungsdosis für den gesamten Tätigkeitszeitraum entfällt (Beurteilungsdosis 3.110 Nh).
Mit Urteil vom 20. September 2001 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat sich der Auffassung der Beklagten angeschlossen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht vorlägen, und dargelegt, nach dem in der Zweiten Verordnung zur Berufskrankheiten-Verordnung enthaltenen Stichtag (31. März 1988) sei der Kläger nicht mehr wirbelsäulenschädigend tätig gewesen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf das Urteil (Bl. 31-39 Gerichtsakte) Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 30. November 2001 zugestellte Urteil am 28. Dezember 2001 beim Landessozialgericht (LSG) Bremen Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Beklagte sei nicht von den Belastungen ausgegangen, denen er tatsächlich ausgesetzt gewesen sei. Zweifelhaft sei ferner, ob das MDD ein brauchbares Mittel zur Ermittlung bandscheibenschädlicher Belastungen darstelle. Er habe bei den Unternehmen G. und H. in etwa die gleichen Tätigkeiten verrichtet und schwere Gegenstände (Säcke mit Baustoffen, Türen, Fenster, Überdachungen) getragen und gehoben.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 20. September 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 8. Dezember 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Mai 2000 zu verurteilen, ihm ab 1. Februar 2000 eine Verletztenrente in Höhe von mindestens 20 v. H. der Vollrente zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend und verweist auf die Stellungnahmen ihres PB.
Das Gericht hat den Schlossermeister L. und den Schmied/Schlosser R. als Zeugen uneidlich über das Gewicht der Gegenstände, die der Kläger bei seiner Tätigkeit ab 1. September 1988 zu tragen hatte, vernommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 7. Januar 2003 (Bl. 79-82 Gerichtsakte) Bezug genommen.
Das Gericht hat ferner mit Schreiben vom 25. März 2003 die Beteiligten darauf hingewiesen, dass es in Erwägung ziehe, über den Rechtsstreit durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden und die Berufung zurückzuweisen, und auf die angefochtenen Entscheidungen sowie auf das Ergebnis der Beweisaufnahme verwiesen. Der Kläger macht hierzu geltend, er habe bei dem Unternehmen G. erheblich größere und mehr Gewichte gehoben und getragen als bei dem Unternehmen H ... Insoweit berufe er sich auf das Zeugnis der Schlossermeister S. und T ... Das Gericht hat mit Schreiben vom 8. April 2003 hierzu mitgeteilt, dass nicht ermittelt zu werden brauche, ob während der Tätigkeit bei dem Unternehmen G. vom 24. April 1978 - 18. März 1986 eine Wirbelsäulenbelastung durch schweres Heben oder Tragen bestanden habe, da in der Folgezeit auf Grund des Ergebnisses der Beweisaufnahme dies nicht der Fall gewesen sei und daher eine mögliche Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV vor dem Stichtag (1. April 1988) eingetreten wäre.
Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten (Az. BKS 3.12092.994) beigezogen. Diese Akte und die Gerichtsakte (Az. L 16/12 U 68/01, S 18 U 115/00) haben vorgelegen.
II.
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG). Sie ist nicht begründet.
Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit.
Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 26 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung -, SGB VII) sind dann zu gewähren, wenn ein Versicherungsfall eingetreten ist. Nach § 7 Abs. 1 SGB VII sind Versicherungsfälle Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Berufskrankheiten sind die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die Bundesregierung ist ermächtigt worden, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).
Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule (Nr. 2108 der Anlage zur BKV) sind unter bestimmten Voraussetzungen, die bereits oben genannt sind, Berufskrankheiten. Bei dem Kläger liegt jedoch keine Berufskrankheit in dem in dieser Nummer aufgeführten Sinne vor.
In dem Verfahren zur Feststellung einer Berufskrankheit hat - wie beim Arbeitsunfall im engeren Sinne - eine doppelte Kausalitätsprüfung zu erfolgen, allerdings mit der Modifizierung, dass bei der Berufskrankheit an die Stelle des Unfalls in der Kausalkette die generell-schädliche berufliche Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) tritt. Diese ist bei der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV damit umschrieben, dass die versicherte Person langjährig schwere Lasten zu heben oder zu tragen hatte oder langjährig Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung ausgeführt hat.
Für die Bejahung der haftungsbegründenden Kausalität bei der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV ist es im Einzelnen erforderlich, dass die mit gewisser Regelmäßigkeit und Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten gehobenen oder getragenen Lastgewichte bestimmte Grenzen überschritten haben, die vom Lebensalter und Geschlecht der versicherten Person abhängig sind (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, Band V, 3. Aufl., Anhang S. 78/6 - Merkblatt, herausgegeben vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, zu der Berufskrankheit nach Nr. 2108 -). Wie den Stellungnahmen des PB der Beklagten vom 23. August 1999 und 27. Oktober 1999 zu entnehmen ist, sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt. Danach führte der Kläger allgemeine Schlosserarbeiten im Fenster- und Geländerbau aus und hatte arbeitstäglich Gewichte bis etwa 15 kg zu heben oder zu tragen. Solche Lasten reichen bei Männern für die Annahme einer Wirbelsäulenbelastung nur aus, wenn sie 15 - 17 Jahre alt sind (vgl. Stellungnahme des PB Bremen vom 23. August 1999 unter Bezugnahme auf das genannte Merkblatt). Soweit im Einzelfall auch höhere Lasten (bis 50 kg) gehoben oder getragen werden mussten, wurden sie normalerweise von mehreren Personen gehoben oder getragen. Da somit die Gewichte im Wesentlichen im Lastbereich bis 15 kg lagen, handelte es sich nicht um Belastungen, die im Hinblick auf die streitige Berufskrankheit relevant waren. Arbeiten in extremer Rumpfbeugehaltung wurden ebenfalls nicht ausgeführt.
Die im Berufungsverfahren durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass der PB bei seinen Stellungnahmen von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist. Der Schlossermeister U. hat glaubhaft bekundet, die Angaben in der Stellungnahme des PB vom 23. August 1999, wonach die zu hebenden und zu tragenden Lasten zumeist 10-15 kg schwer gewesen seien, träfen zu. Soweit im Einzelfall auch schwerere Lasten hätten bewältigt werden müssen, sei dies durch mehrere Personen erfolgt. Hinzugefügt hat der Zeuge vor allem, dass der Kläger nicht mit allzu schweren Arbeiten betraut worden sei, da auf Grund seiner Behinderung die Unfallgefahr zu groß gewesen sei. Soweit der Kläger ausnahmsweise Lasten mit einem Gewicht von 25 kg und mehr zu tragen gehabt habe, sei dies jeweils nur kurzzeitig geschehen. Auch der Zeuge R. hat glaubhaft ausgesagt, es sei nicht oft vorgekommen, dass schwere Gegenstände von bis zu 60 kg, z.B. Treppengeländer, getragen worden seien, und falls dies doch erforderlich gewesen sei, seien sie von mehreren Beschäftigten getragen worden. Aus beiden Aussagen ergibt sich ferner, dass für das Heben und Tragen schwererer Gegenstände Hilfsmittel vorhanden waren, z.B. ein Gabelstapler, ein Mobilkran und ein Säulenschwenkkran. Betont haben beide Zeugen, dass der Kläger wegen seiner Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 80) bei der Einteilung der zu verrichtenden Arbeiten geschont worden sei. Dies ist verständlich, zumal ihm der Nachteilsausgleich "G" zuerkannt worden ist.
Aus vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass der PB der Beklagten bei seiner auf Basis des MDD durchgeführten Berechnung von zutreffenden tatsächlichen Gegebenheiten ausgegangen ist. Die von ihm ermittelte Beurteilungsdosis von lediglich 3.110 Nh liegt erheblich unter dem Richtwert von 5.500 Nh. Der Kläger hat im Klageverfahren ausdrücklich eine Berechnung nach dem MDD von der Beklagten begehrt, jedoch - nachdem diese eine solche Berechnung vorgelegt hat - die Aussagekraft dieses Modells bezweifelt. Entgegen seiner Auffassung ist das MDD jedoch ein geeignetes Modell, um die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das Berufsleben zu ermitteln und in Beziehung zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 18. März 2003, Az. B 2 U 13/02 R). Dies folgt nicht zuletzt daraus, dass das MDD an das bereits genannte vom Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung herausgegebene Merkblatt zu der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage zur BKV anknüpft (vgl. BSG, a.a.O., S. 10).
Ermittlungen darüber, ob bei der Tätigkeit des Klägers von April 1978 - März 1986 bei dem Unternehmen G., Bremerhaven, eine für die streitige Berufskrankheit relevante Wirbelsäulenbelastung vorgelegen hat, sind nicht erforderlich. Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl.. I S. 2343) ist die Vorschrift der Nr. 2108 der Anlage zur BKV am 1. Januar 1993 in Kraft getreten. Zur rückwirkenden Anerkennung einer Berufskrankheit heißt es in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung, falls ein Versicherter bei In-Kraft-Treten dieser Verordnung an einer Krankheit leide, die erst auf Grund dieser Verordnung als Berufskrankheit im Sinne des § 551 Abs. 1 RVO anerkannt werden könne, sei eine Berufskrankheit auf Antrag anzuerkennen, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. März 1988 eingetreten sei (vgl. jetzt die wortgleiche Vorschrift des § 6 Abs. 3 BKV vom 31. Oktober 1997, BGBl.. I S. 2623). Da der Kläger seit dem 1. April 1988 keine wirbelsäulenbelastende Tätigkeit im Sinne der Nr. 2108 der Anlage zur BKV ausgeübt hat, wäre ein möglicher Versicherungsfall vor diesem Stichtag eingetreten.
Nach allem war die Berufung zurückzuweisen.
Das Gericht hat durch einstimmigen Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entschieden, da die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich erscheint. Es hat ferner die Beteiligten vorher ordnungsgemäß angehört.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, und der Senat weicht nicht von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab.