Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.05.2003, Az.: L 11 KA 3/00

Anspruch auf eine Erweiterung eines Praxisbudgets und des Zusatzbudgets "Sonographie" ; Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs ; Fallzahlabhängige Budgetierung für ärztliche Leistungen; Ermittlung eines besonderen Versorgungsbedarfs nach Struktur des Leistungsangebots der Praxis, Analyse der Abrechnungen in der Vergangenheit und Vergleich mit entsprechenden Daten anderer Praxen; Erweiterung des Budgets, wenn bestimmte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
28.05.2003
Aktenzeichen
L 11 KA 3/00
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 20029
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0528.L11KA3.00.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Bremen -15.12.1999 - AZ: S 1 KA 5/98

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Bejahung des Tatbestandsmerkmals der Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs hängt von ermittel- und feststellbaren Umständen wie der Struktur des Leistungsangebots der Praxis, der Analyse der Abrechnungen in der Vergangenheit sowie ggf. einem Vergleich mit entsprechenden Daten anderer Praxen ab.

  2. 2.

    Ein "Versorgungsbedarf" liegt vor, wenn ein bestimmtes Leistungsangebot einer Praxis unter Sicherstellungsaspekten erforderlich ist. Anknüpfungspunkt für die Prüfung ist die Struktur der einzelnen Praxis, die kraft ihrer Ausrichtung in der Lage ist, einen solchen Bedarf zu decken.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 15. Dezember 1999 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat der Beklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt mit seiner Berufung zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung seines Praxisbudgets sowie des Zusatzbudgets "Sonographie" für die Abrechnungszeiträume III/97 bis II/98.

2

Der Kläger war in der fraglichen Zeit als hausärztlicher Internist niedergelassen und nahm als solcher an der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten teil. Mit Bescheid vom 16. Juni 1997 hatte ihm der Zulassungsausschuss Ärzte/Krankenkassen darüber hinaus die Genehmigung erteilt, in der Zeit vom 1. Juli 1997 bis 30. Juni 1998 gleichzeitig an der fachärztlichen internistischen Versorgung ausschließlich im Rahmen des Teilgebiets "Endokrinologie" teilzunehmen. Seit dem Quartal III/98 ist er nunmehr allein fachärztlich internistisch tätig.

3

Mit Schreiben vom 11. Juni 1997 beantragte der Kläger die Zuerkennung verschiedener qualifikationsgebundener und bedarfsabhängiger Zusatzbudgets. Außerdem stellte er den Antrag, neben seiner hausärztlichen Tätigkeit auch die Leistungen aus dem Teilgebiet "Endokrinologie" außerhalb des Budgets vergütet zu erhalten.

4

Über das Praxisbudget und die geltend gemachten Zusatzbudgets entschied die Beklagte mit dem nicht angefochtenen Bescheid vom 26. Juni 1997. Das weitere Begehren legte sie als Antrag auf Budgeterweiterung gemäß den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B Nr. 4.3 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) aus. Diesen lehnte sie mit Bescheid vom 10. September 1997 ab. Zur Begründung verwies sie auf die von ihrem Vorstand erlassenen "Durchführungsbestimmungen zu Ausnahmeregelungen für Budgets bzw. Fallpunktzahlen gemäß § 6 Abs. 2 des Honorarverteilungsmaßstabes (HVM) der KVHB" (DfB). Wie der Kläger der beigefügten Kopie der DfB entnehmen könne, sei für den in seinem Antrag beschriebenen Sachverhalt keine Ausnahmeregelung getroffen worden. Den hiergegen am 23. September 1997 eingelegten Widerspruch, in dem der Kläger darauf verwies, dass ein ihm überwiesener endokrinologischer Fall in der Behandlung grundsätzlich aufwändiger und dementsprechend teurer sei als ein hausärztlich internistischer Fall, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8. Januar 1998 zurück.

5

Mit seiner am 27. Januar 1998 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, er habe einen Anspruch auf Erweiterung seines Praxisbudgets, auch wenn die DfB für diesen Sachverhalt keine Ausnahmeregelung vorsähen. Mit der Entscheidung vom 16. Juni 1997 habe der Zulassungsausschuss ihn neben seiner hausärztlich-internistischen Tätigkeit auch zur fachärztlich-internistischen Tätigkeit zugelassen. Dem sei die Feststellung des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen im Lande Bremen vorausgegangen, dass eine qualitative Versorgungslücke und damit eine nicht gewährleistete bedarfsgerechte Versorgung für den Bereich der Endokrinologie im Bezirk Bremen-Stadt bestehe. Die von ihm erbrachten Behandlungs- und Beratungsleistungen spiegelten sich nicht durch die Abrechnung spezieller Leistungsziffern wider. Allerdings habe er in besonders hohem Maße die Nrn. 17, 18, 78 und 376 EBM abgerechnet. Die Betreuung endokrinologischer Patienten sei sehr zeitintensiv, sodass er im Vergleich zu einem durchschnittlichen hausärztlichen Internisten weniger Kranke behandeln könne. Dies zeige sich auch an der unterdurchschnittlichen Patientenzahl seiner Praxis sowie an dem ebenfalls unterdurchschnittlichen Umsatz.

6

Demgegenüber hat die Beklagte geltend gemacht, das Teilgebiet Endokrinologie erfasse keine andersartigen Leistungen des Arztes als andere Basisfälle. Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass ein besonderes Leistungsspektrum in einem schwerpunktmäßigen Umfang aus den Abrechnungen des Klägers nicht zu ersehen sei. Dieses Kriterium sei aber im Rahmen des Abschnitts 4.3 EBM von besonderer Bedeutung.

7

Mit Urteil vom 15. Dezember 1999 hat das Sozialgericht (SG) Bremen die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt, die Beklagte sei nicht verpflichtet, auf Grund der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B Nr. 4.3 EBM eine Budgeterweiterung zu bewilligen. Diese Regelung sei durch § 6 des HVM der Beklagten umgesetzt worden. Die Voraussetzungen der hierin exemplarisch aufgeführten Fälle erfülle der Kläger nicht. Durch die Verwendung des Wortes "insbesondere" in § 6 Abs. 1 HVM sei zwar zum Ausdruck gebracht worden, dass die Aufzählung nicht abschließend sei. Die gemäß § 6 Abs. 2 HVM hierzu vom Vorstand der Beklagten erlassenen DfB führten jedoch unter deren Nr. 5 aus, der Vorstand sehe grundsätzlich keinen besonderen Versorgungsbedarf für weitere Sachverhalte, wobei eine Ausnahmeregelung nach § 12 HVM (Härtefall) nicht ausgeschlossen sei. Eine solche komme hier jedoch nicht in Betracht, da es hierbei nur um Korrekturmaßnahmen gehe, die durch nicht vorhergesehene Auswirkungen des HVM notwendig würden. Entgegen der Auffassung des Klägers komme ein zusätzlich zu § 6 Abs. 1 HVM zu berücksichtigender Ausnahmesachverhalt nicht schon deswegen in Betracht, weil ihm eine besondere Genehmigung zur fachärztlich-internistischen Tätigkeit im Teilgebiet Endokrinologie erteilt worden sei. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Abrechnungen des Klägers dies nahe gelegt hätten. In seinem Fall hätten diese seit Einführung des Praxisbudgets jedoch weder Einkommenseinbußen noch ein Absinken des Fallwertes zur Folge gehabt. Er unterscheide sich in seinen Abrechnungsquoten nicht von denen anderer Ärzte. Soweit der Kläger geltend mache, die Vergütung sei in seinem Fall nicht als angemessen zu bezeichnen, sei darauf hinzuweisen, dass es keinen Rechtssatz gebe, der einen Anspruch auf eine bestimmte Höhe der Vergütung ärztlicher Leistungen begründe. Den Selbstverwaltungsgremien sei ein weiter Gestaltungsspielraum bei der Festsetzung und Verteilung des Honorars eingeräumt, der gerichtlich nur begrenzt überprüfbar sei.

8

Gegen das ihm am 14. Januar 2000 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Februar 2000 Berufung eingelegt. Er macht geltend, er sei der einzige niedergelassene Internist in Bremen mit der Teilgebietsbezeichnung Endokrinologie und einem entsprechenden Praxisschwerpunkt. Er habe im Zeitraum der Quartale III/97 bis II/98 etwa 600 Patienten betreut, von denen die Hälfte endokrine Erkrankungen gehabt hätten und für die ein besonders hoher Zeitbedarf erforderlich gewesen sei. Ohne die gebotene Budgeterweiterung führe dies dazu, dass er einen geringeren Scheinschnitt als die praktischen Ärzte oder hausärztlichen Internisten habe, wobei eine um etwa 30 % bis 35 % geringere Scheinzahl infolge des hohen Zeitaufwandes für diese Erkrankungen hinzukomme. Die zum 1. Juli 1997 eingeführte Budgetierung führe bei ihm zu einer ungerechtfertigten Honorarverminderung, ohne dass dies in einer von ihm zu vertretenen Fehlanwendung des EBM begründet sei. Sie liege vielmehr in der fehlenden Budgetierung der Endokrinologie. Nach § 12 HVM sei der Vorstand der Beklagten ausdrücklich beauftragt worden, in solchen Fällen Abhilfe zu schaffen. Dieser Verpflichtung sei er jedoch nicht nachgekommen. Die Beklagte könne sich insoweit nicht auf die auf Grund von § 6 Abs. 2 HVM beschlossenen DfB zurückziehen, indem sie darauf hinweise, für Endokrinologie sei hierin keine Ausnahme vorgesehen. Die dort wiedergegebenen Ausnahmetatbestände entsprächen denen des § 6 Abs. 1 HVM, der seinerseits durch die Verwendung des Wortes "insbesondere" deutlich gemacht habe, dass hierin lediglich die voraussehbaren typischen Ausnahmetatbestände geregelt seien. Von besonderem Interesse sei, dass gemäß Nr. 3.3 der DfB zu § 6 Abs. 2 HVM für den insulinpflichtigen Diabetes, einer endokrinen Erkrankung, eine Budgeterweiterung unter den dort genannten Voraussetzungen möglich sei. Auch ihm müsse die darin vorgesehene Erweiterung des Praxisbudgets um 300 Punkte pro Fall zugestanden werden. Im Übrigen ergebe sich sein Versorgungsschwerpunkt auch aus den Abrechnungsunterlagen. Zwar gebe es für die Endokrinologie keine besonderen Abrechnungsziffern. Zunächst sei vor allem auf die Nrn. 17, 18, 78 und 376 zu verweisen. Daneben ergebe sich der Versorgungsschwerpunkt aber auch aus der Abrechnung der körperlichen Untersuchung, die bei jedem neuen Patienten durchgeführt werden müsse, der Ultraschalluntersuchungen sowie der Laborleistungen. Bei allen diesen Leistungen habe er den Schnitt seiner Fachgruppe erheblich überschritten.

9

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgericht Bremen vom 15. Dezember 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 1998 aufzuheben,

  2. 2.

    die Beklagte zu verpflichten, über die Anträge des Klägers auf Erweiterung des Praxisbudgets und des Zusatzbudgets "Sonographie" unter Beachtung der Rechtsauffassung des erkennen- den Senats neu zu entscheiden.

10

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie ist der Auffassung, dass der Kläger eine Erweiterung des Praxisbudgets und des Zusatzbudgets "Sonographie" während des streitigen Zeitraums nicht verlangen könne. Die Voraussetzungen der hier maßgeblichen Vorschrift, Allgemeine Bestimmungen A I Teil B Nr. 4.3 EBM, die in Nr. 4 des Beschlusses der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und, darauf basierend, in § 6 Abs. 1 HVM näher ausgelegt worden sei, lägen nicht vor. Da die Einführung der Praxis- und Zusatzbudgets einer Stabilisierung des Punktwertes durch eine Begrenzung der abgerechneten Punktzahlen diene, erlaubten Sinn und Zweck der Budgetierung Ausnahmen nur in sehr engen Grenzen. Ein abweichendes Leistungsverhalten allein rechtfertige keine Ausnahme von der Budgetierung, da dies in mehr oder minder großem Umfang bei vielen Arztpraxen zu beobachten sei. Maßgebend sei, dass die vom Kläger aufgeführten Leistungen von jedem anderen Arzt der Fachgruppe auch abgerechnet würden. Auch enthielten die von ihm eingereichten Unterlagen keine anderen Diagnosen und Behandlungsfälle, die nicht auch in anderen hausärztlich tätigen Praxen betreut würden. Zwar sei dem Kläger im Hinblick auf seine Teilgebietbezeichnung "Endokrinologie" gestattet worden, gleichzeitig an einer haus- und fachärztlichen Versorgung teilzunehmen. Es habe sich allerdings nur um die Schließung einer qualitativen Versorgungslücke gehandelt. Im Übrigen sei ein besonderer Versorgungsschwerpunkt aus den Abrechnungsunterlagen des Klägers nicht erkennbar. Die angeforderten Punkte für die von ihm selbst genannten Nrn. 17, 18, 78 und 376 EBM machten in den streitigen Quartalen zwischen 11,69 % und 16,59 % seiner Gesamtanforderungen aus. Nach der Rechtsprechung des BSG könne von einem Praxisschwerpunkt erst ausgegangen werden, wenn auf die Leistungen aus diesem Bereich ein Anteil von 20 % der insgesamt angeforderten und abgerechneten Gesamtpunktzahl entfiele. Die vom Kläger weiter genannten körperlichen Untersuchungen, Ultraschalluntersuchungen sowie Laborleistungen könnten in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden. Eine körperliche Untersuchung falle bei jedem neuen Patienten an. Die Laborleistungen beträfen vor allem den O III-Bereich, den der Kläger nicht selbst erbringe, sondern an Laborärzte weiter überweise. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass sich das Honorarbild in den streitigen Quartalen, soweit es die Beschränkung der Gesamtvergütung im Rahmen des Praxisbudgets betreffe, nicht von demjenigen der meisten anderen Ärzte unterscheide. Beim Sonographiebudget habe er in den Quartalen III und IV/97 sogar keinerlei Beschränkungen hinnehmen müssen.

12

Dem Senat haben außer der Prozessakte die den Kläger betreffenden Verwaltungsunterlagen der Beklagten vorgelegen. Alle Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags wird auf den Inhalt der Prozess- und Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Der Senat hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Ärzte und Psychotherapeuten entschieden, denn die streitige Erweiterung des Praxisbudgets sowie des Zusatzbudgets "Sonographie" für die Abrechnungszeiträume III/97 bis II/98 betreffen ausschließlich die vertragsärztliche Selbstverwaltung und stellen damit eine Angelegenheit der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten im Sinne von § 12 Abs. 3 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) dar.

14

Die gemäß §§ 143 f. SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Das Rechtsmittel ist indessen nicht begründet. Die Entscheidung der Beklagten, die Erweiterung des Praxisbudgets und des genannten Zusatzbudgets wegen Fehlens eines besonderen Versorgungsbedarfs zur Gewährleistung der Sicherstellung abzulehnen, ist nicht zu beanstanden.

15

Auf Grund der Beschlüsse des Bewertungsausschusses vom 19. November 1996 und 11. März 1997 sehen die Allgemeinen Bestimmungen A I. Teil B des EBM für die Zeit ab 1. Juli 1997 die Einführung von Praxis- und Zusatzbudgets vor (vgl. die Bekanntmachung im Deutschen Ärzteblatt 1997, S. A-864 ff). Grundlage hierfür ist § 87 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 2a Sätze 1, 2 und 8 des Sozialgesetzbuches Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V). Danach unterliegen die im EBM enthaltenen ärztlichen Leistungen nach Maßgabe näherer Bestimmungen je Arztpraxis und Abrechnungsquartal u.a. für die Gruppe der hausärztlichen Internisten, der der Kläger während der streitigen Abrechnungszeiträume von III/97 bis II/98 angehörte, einer fallzahlabhängigen Budgetierung (vgl. Allgemeine Bestimmungen A I. Teil B Nr. 1 i.V.m. Nr. 1.5 EBM). Im Einzelnen sind die Regelungen des EBM 1997 in der Weise ausgestaltet, dass für die betroffenen Arztgruppen drei verschiedene Leistungsbereiche vorgesehen sind. Es handelt sich dabei um das Praxisbudget ("grüner Bereich"), bestimmte arztgruppenspezifische Zusatzbudgets ("gelber Bereich") sowie einen auch zukünftig unbudgetiert bleibenden weiteren Leistungsbereich ("roter Bereich").

16

Über das Praxisbudget des Kläger hat die Beklagte mit Bescheid vom 26. Juni 1997 entschieden. Gleichzeitig hat sie ihm u.a. das qualifikationsgebundene Zusatzbudget "Sonographie" eingeräumt. Gegenstand des damaligen Verwaltungsverfahrens war darüber hinaus ein Antrag auf Budgeterweiterung. Diesen hat die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid vom 10. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 1998 zu Recht abgelehnt.

17

Nach den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B Nr. 4.3 EBM kann die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes im Einzelfall zur Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs eine Erweiterung der Praxis- und/oder Zusatzbudgets gewähren.

18

Die Voraussetzungen für die begehrte Erweiterung des Praxis- und des Zusatzbudgets "Sonographie" liegen hier nicht vor.

19

Der Senat ist trotz des in der genannten Norm enthaltenen unbestimmten Rechtsbegriffs in seiner Sachprüfung nicht eingeschränkt. Das Tatbestandsmerkmals "Sicherstellung eines besonderen Versorgungsbedarfs" eröffnet der Beklagten keinen der gerichtlichen Nachprüfung nur eingeschränkt zugänglichen Beurteilungsspielraum. Denn die Bejahung dieses Tatbestandsmerkmals hängt von ermittel- und feststellbaren Umständen wie der Struktur des Leistungsangebots der Praxis, der Analyse der Abrechnungen in der Vergangenheit sowie ggf. einem Vergleich mit entsprechenden Daten anderer Praxen ab (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31, Seite 176, unter Hinweis auf BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 26, Seite 136).

20

Ein "Versorgungsbedarf" im Sinne der Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B EBM liegt vor, wenn ein bestimmtes Leistungsangebot einer Praxis unter Sicherstellungsaspekten erforderlich ist. Anknüpfungspunkt für die Prüfung ist die Struktur der einzelnen Praxis, die kraft ihrer Ausrichtung in der Lage ist, einen solchen Bedarf zu decken. Dabei dient die genannte Regelung der Vermeidung von Härten, die mit der Budgetierung im Einzelfall verbunden sein können (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31, Seite 176).

21

Hiernach kann der Kläger im vorliegenden Fall nicht unter Hinweis auf die von ihm geführte Schwerpunktbezeichnung "Endokrinologie" für die streitigen vier Quartale die Erweiterung seines Praxis- und des genannten Zusatzbudgets wegen eines in seiner Praxis sicherzustellenden besonderen Versorgungsbedarfs verlangen. Gemäß der Nr. 4 der zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) als Anlage zum Bundesmantelvertrag Ärzte (BMV-Ä) geschlossenen "Vereinbarung zur Einführung von Praxisbudgets zum 1. Juli 1997" (VEP), die die Beklagte inhaltlich in § 6 Abs. 1 ihres HVM übernommen hat, wird Abschnitt A I Teil B Nr. 4.3 EBM dahingehend ausgelegt, dass die Kassenärztliche Vereinigung (KV) auf Antrag des Vertragsarztes die Budgets insbesondere dann erweitern oder aussetzen kann, wenn bestimmte Krankheitsfälle oder spezifische Betreuungsleistungen den Schwerpunkt der Praxistätigkeit darstellen. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Betreuung von HIV-Patienten, onkologische Erkrankungen, Diabetes, Mukoviszidose, Schmerztherapie (Teilnehmer an der Schmerztherapie-Vereinbarung), kontinuierliche Patientenbetreuung in beschützenden Einrichtungen sowie ein erheblich über dem Arztgruppendurchschnitt liegender Überweisungsanteil genannt. Zwar enthalten die Regelbeispiele mit dem Diabetes und der Mukoviszidose zwei endokrine Erkrankungen; das der inneren Medizin unterfallende Teilgebiet der Endokrinologie selbst ist indessen nicht als Anknüpfungspunkt für eine Budgeterweiterung aufgeführt. Allerdings trifft die Nr. 4 VEP, wie schon die Verwendung des Wortes "insbesondere" zeigt, keine abschließende Regelung. Demgemäß ist es entgegen der vom Vorstand der Beklagten in den DfB zu § 6 HVM getroffenen Feststellung nicht ausgeschlossen, dass auch andere Krankheitsfälle bzw. spezifische Betreuungsleistungen oder eine besondere fachliche Ausrichtung der Arztpraxis eine Budgeterweiterung rechtfertigen können. Allerdings ist stets die Funktion der Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B EBM als Härteregelung zu beachten, deren Aufgabe es ist zu verhindern, dass durch die Anwendung der notwendigerweise schematisierenden Vorschriften des EBM 1997 zu den Praxis- und Zusatzbudgets der Versorgungsauftrag der Vertragsärzte nicht mehr angemessen wahrgenommen werden kann. Dies schließt eine Auslegung der vorgenannten Vorschrift in dem Sinne aus, dass jedem Arzt die bestehende Ausrichtung seiner Behandlungstätigkeit schlechthin ohne Einbuße beim Honorar auf Dauer garantiert werden müsste (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31, Seite 177).

22

Vor diesem Hintergrund kann dem Begehren des Klägers nicht stattgegeben werden. Es fehlt bereits an geeigneten Anknüpfungspunkten für die Annahme eines besonderen Versorgungsbedarfs im Sinne von Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B EBM. Der Kläger und die Beklagte haben übereinstimmend betont, dass der EBM für die Endokrinologie keine teilgebietsspezifischen Leistungen aufweist. Soweit die Diagnostik endokriner Erkrankungen häufig aufwändige Laboruntersuchungen erfordert, zählen diese zu den Leistungen des O III-Bereichs, die nicht vom Kläger, sondern von Laborärzten erbracht werden. Die vom Kläger als für die endokrinologische Diagnostik und Beratung als kennzeichnend geltend gemachten Nrn. 17, 18, 78 und 376 EBM rechtfertigen nicht die Annahme eines besonderen Versorgungsbedarfs. Die Nrn. 17 und 18 EBM betreffen die intensive ärztliche Beratung und Erörterung zu den therapeutischen, familiären, sozialen oder beruflichen Auswirkungen und deren Bewältigung bei nachhaltig lebensverändernder oder lebensbedrohender Erkrankung bei einer Gesprächsdauer von mindestens zehn Minuten und einem Zuschlag bei einer Gesprächsdauer von mehr als 30 Minuten. Eine Einschränkung auf Erkrankungen bestimmter Fachgebiete enthalten die Gebührentatbestände nicht. Im Übrigen ergibt sich aus den Vorbemerkungen zu Abschnitt B II 1 EBM, dass die Leistungen der Nrn. 10 ff. von allen Hausärzten abgerechnet werden können. Die Nr. 78 EBM betrifft den ausführlichen Arztbrief über das Ergebnis einer eingehenden, z.B. internistischen Untersuchung unter Einbeziehung der Ergebnisse bestimmter anderer Untersuchungen mit umfassender Beurteilung des Gesamtzustandes und kritischer Darstellung aller Erwägungen unter differenzialdiagnostischen Erwägungen, ggf. einschließlich Therapieempfehlung. Auch hierbei handelt es sich um eine Leistung, die bei vielerlei Erkrankungen, nicht nur solchen des endokrinologischen Fachgebiets, abgerechnet werden kann. Die Vorbemerkung zum Abschnitt B V. enthält demgemäß keinerlei Einschränkungen hinsichtlich der zur Abrechnung der Nrn. 72 ff. berechtigten Arztgruppen. Die Leistung der Nr. 376 EBM betrifft die sonographische Untersuchung der Schilddrüse. Damit hat sie zwar einen Bezug zu einer endokrinen Erkrankung, die Abrechnung ist jedoch nicht speziell dem Endokrinologen vorbehalten. Sie steht vielmehr allen Ärzten offen, die den Erwerb der in §§ 4, 5 der Ultraschall-Vereinbarung im Einzelnen aufgeführten Kenntnisse und Fertigkeiten nachgewiesen haben.

23

Angesichts der fehlenden Spezifität dieser Leistungen für einen Endokrinologen hätte es für die Annahme eines besonderen Versorgungsbedarfs im Sinne der Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B EBM eines weiteren Nachweises bedurft. Allein die Mitteilung deutlich vermehrter Abrechnungshäufigkeiten gegenüber der Fachgruppe der Internisten reicht insoweit nicht aus. Die vom Kläger im Termin vor dem SG am 24. März 1999 angekündigte Vorlage der einschlägigen Patientenunterlagen ist nicht erfolgt. Vielmehr hatte er lediglich eine Namensliste von Patienten vorgelegt, die er nach seinen Angaben endokrinologisch behandelt hat (vgl. Anlage zum Schriftsatz vom 23. April 1999). Diese Unterlagen enthalten indessen keine Hinweise zum Krankheitsbild.

24

Ein anderes Ergebnis des Verfahrens ergäbe sich allerdings auch dann nicht, wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen davon ausginge, dass die Nrn. 17, 18, 78 und 376 EBM kennzeichnend für die Behandlung endokriner Leiden sind. Denn unabhängig von diesen lässt sich nicht feststellen, dass die Behandlung entsprechender Krankheitsfälle, wie es Nr. 4 VEP verlangt, den Schwerpunkt der Praxistätigkeit des Klägers darstellen.

25

Für die Annahme eines Versorgungsschwerpunkts kommt es nicht allein darauf an, welchen Anteil diese dem Praxis- bzw. dem Zusatzbudget Sonographie zuzurechnenden Leistungen in den streitigen Quartalen von III/97 - II/98 ausgemacht haben. Maßgeblich ist zunächst insoweit, wie auch der Rechtsprechung des BSG zu entnehmen ist, das Behandlungsverhalten in der Vergangenheit (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31, Seite 178). Angesichts der auch anderweitig an das Abrechnungsverhalten im ersten Halbjahr 1996 anknüpfenden Budgetberechnungsregelungen des EBM (vgl. insbesondere die Anlagen 2-4 zu den Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B EBM) erscheint es angemessen und folgerichtig, diesbezüglich ebenfalls auf die Abrechnungsergebnisse in den ersten beiden Quartalen des Jahres 1996 abzustellen. Hierzu hat der Kläger im vorliegenden Fall keinerlei Ausführungen gemacht. Eine solche Betrachtungsweise entspricht im Übrigen nicht seinem gedanklichen Ansatz. Wie im Einzelnen aus seinem Schreiben an die Beklagte vom 23. Juli 1997 ersichtlich wird, ging es ihm mit seinem Erweiterungsantrag nach vorheriger zusätzlicher Zulassung zur fachärztlichen internistischen Versorgung im Bereich des Teilgebiets "Endokrinologie" (vgl. Bescheid des Zulassungsausschusses Ärzte/ Krankenkassen vom 16. Juni 1997) um die Ausfüllung der für dieses Teilgebiet festgestellten qualitativen Versorgungslücke für die Zukunft. Es ging ihm also weniger um die Bestandssicherung seiner Praxis als um ihren Ausbau. Ein Hinweis hierauf ergibt sich auch aus der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 23. September 2002 vorgelegten Honorarstatistik des Klägers. Hieraus wird deutlich, dass seine Fallzahl nach der mit Bescheid vom 16. Juni 1997 bewilligten Zulassungserweiterung im Quartal III/97 mit 646 Fällen gegenüber dem Quartal II/97 mit 544 Fällen deutlich angestiegen ist.

26

Das Begehren des Klägers hat aber auch dann keinen Erfolg, wenn man von dem Erfordernis der Rückanknüpfung an die Referenzquartale I und II/96 absieht. Die Voraussetzungen für eine Erweiterung des Praxis- und des Zusatzbudgets "Sonographie" liegen jedenfalls auch deswegen nicht vor, weil die geltend gemachte Spezialisierung im Leistungsangebot bzw. in der Behandlungsausrichtung der Praxis selbst in den streitigen vier Quartalen nicht hinreichend zum Ausdruck gekommen ist. Diese nach der Rechtsprechung des BSG a.a.O. an die ärztliche Praxis zu stellende Anforderung ist nicht nur vergangenheits- (d. h. in Bezug auf die Referenzquartale I und II/96), sondern auch gegenwartsbezogen zu prüfen, denn ein Härtefall nach Nr. 4.3 der Allgemeinen Bestimmungen A I Teil B EBM kann nicht angenommen werden, wenn sich der besondere Versorgungsbedarf ab den Quartalen III/97 nicht (mehr) feststellen lässt. Im vorliegenden Fall begründet das vom Kläger hinsichtlich der von ihm für das Teilgebiet Endokrinologie als typisch angenommenen Nrn. 17, 18, 78 und 376 EBM in den Quartalen III/97 - II/98 abgerechnete Punktzahlvolumen keinen entsprechenden Praxisschwerpunkt. Zu Recht hat die Beklagte im vorliegenden Fall herausgestellt, dass hiervon erst dann ausgegangen werden kann, wenn auf den geltend gemachten Schwerpunktbereich ein Anteil von wenigstens 20 v. H. der von der Praxis insgesamt angeforderten und abgerechneten Punktzahl entfallen. Zwar hat das BSG (SozR 3-2500, § 87 Nr. 31, Seite 178/179) ausgeführt, dass seine Rechtsprechung zum Versorgungsschwerpunkt im Sinne der Nr. 4 der Weiterentwicklungsvereinbarung vom 7. August 1996, in der es für den als solchen geltend gemachten Leistungsbereich regelmäßig einen Anteil von mindestens 20 v. H. der von der Praxis abgerechneten Gesamtpunktzahl gefordert hat (vgl. SozR 3-2500 § 87 Nr. 26, Seite 137), auf das mit dem EBM 1997 eingeführte System der Praxis- und Zusatzbudgets nicht uneingeschränkt übertragen werden könne, da namentlich eine Vielzahl der Zusatzbudgets ein häufig nur geringes Leistungsvolumen aufwiesen und es deshalb nur selten zuließen, dass ein Arzt alleine mit den Leistungen aus einem einzelnen Zusatzbudget eine entsprechende Gesamtpunktzahl erreichen kann. Im vorliegenden Fall ist indessen die Annahme einer Untergrenze von 20 v. H. nicht zu beanstanden. Die vom Kläger für die Behandlung endokriner Erkrankungen als typisch angegebenen Nrn. 17, 18 und 78 EBM fallen, wie ausgeführt, ins Praxisbudget, die Nr. 376 EBM ins qualifikationsgebundene Zusatzbudget Sonographie. Angesichts der von dem Kläger mehrfach betonten Typizität aller vier Leistungen für seinen Tätigkeitsbereich sind, soweit es um das Leistungsvolumen geht, das Praxisbudget und das Zusatzbudget Sonographie gemeinsam zu betrachten. Allein dem Praxisbudget unterfallen ca. 70 v. H. der das Behandlungsspektrum der jeweiligen Arztgruppe typischerweise abdeckenden ärztlichen Leistungen (vgl. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 31, Seite 174). Selbst wenn das genannte Zusatzbudget ein deutlich geringeres Leistungsvolumen aufweist, bestand keine Veranlassung, für die Annahme eines endokrinologischen Praxisschwerpunkts einen Anteil am Gesamtpunktzahlvolumen von weniger als 20 v. H. anzunehmen, denn gemeinsam betrachtet ist das Leistungsvolumen der beiden Budgets sehr groß. Wie die Beklagte in ihrer im Schriftsatz vom 19. Juli 2001 aufgeführten Tabelle im Einzelnen mitgeteilt hat, erreichte der Kläger in den vier Quartalen von III/97 - II/98 zu keinem Zeitpunkt die vorstehend skizzierte Untergrenze. Vielmehr sank der Anteil von 16,59 v. H. im Quartal III/97 im weiteren Verlauf auf 11,69 v. H. im Quartal II/98 ab.

27

Nach alledem hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben können.

28

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

29

Der Senat hat die Revision zugelassen, da er dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung beimisst.