Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 20.05.2003, Az.: L 5 V 15/03
Anspruch auf eine Zuzahlung für einen Zahnersatz; Erstattung von Mehrkosten für einen Zahnersatz; Feststellung und Änderungen von Rechten in den Sozialleistungsbereichen
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 20.05.2003
- Aktenzeichen
- L 5 V 15/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 20370
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0520.L5V15.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 25.06.2002 - AZ: S 18 V 18/98
Rechtsgrundlagen
- § 1 BVG
- § 153 Abs. 4 SGG
- § 30 SGB V
- § 31 SGB I
- § 5 SGB I
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Wählen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung eine über die notwendige Versorgung nach § 30 Abs. 1 SGB V hinausgehende Versorgung, so entfällt damit nicht ihr Leistungsanspruch, indes haben die Versicherten die Mehrkosten einer zusätzlichen, über die Versorgung hinausgehenden Versorgung selbst in vollem Umfang zu tragen.
- 2.
Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuchs dürfen nur festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Beklagte dem Kläger für Zahnersatz eine Zuzahlung in Höhe von insgesamt 983,69 DM leisten muss.
Bei dem am D. geborenen Kläger erkannte das Versorgungsamt (VA) Hildesheim mit (Abhilfe-)Bescheid vom 18. September 1996 mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um weniger als 25 v.H. als Schädigungsfolge u.a.
3. Verlust des Zahnes 22, Überkronung der Zähne 21 und 23
hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinn des § 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG)
an.
Bei dem bei der E. krankenversicherten Kläger wurde im März 1996 eine Zahnbehandlung durchgeführt, von der auch der als Schädigungsfolge anerkannte Zahnbereich betroffen war. Die Behandlung erfolgte nach dem Heil- und Kostenplan der Zahnärztin Dr. F. vom 4. März 1996. Auf Grund dieses Heil- und Kostenplans in Verbindung mit der Rechnung des Dental-Labors G. entstanden Gesamtkosten in Höhe von 4.403,80 DM zuzüglich 91,09 DM aus einer Privatrechnung. Die behandelnde Zahnärztin ging davon aus, dass die Krankenkasse des Klägers hiervon insgesamt 3.511,20 DM übernehmen werde.
Der Kläger beantragte im Oktober 1996 beim Beklagten die Erstattung des ihm von der Zahnärztin in Rechnung gestellten Zuzahlungsbetrages in Höhe von insgesamt 983,69 DM (Eigenanteil 872,60 DM + 20,00 DM, Privatrechnungsbetrag 91,09 DM). Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 16. April 1997 einen Zuschuss zum Zahnersatz nach § 18 Abs. 6 BVG in Höhe von insgesamt 2.010,78 DM. Diesen Betrag zahlte der Beklagte an die Krankenkasse des Klägers. Die Erstattung der Mehrkosten (Eigenanteil 872,60 DM) lehnte der Beklagte ab (Bescheid vom 24. September 1997, Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 1997), weil der Kläger einen über das notwendige Maß hinausgehenden Zahnersatz in Form von Keramikkronen gewählt habe.
Gegen den am 22. Dezember 1997 abgesandten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 21. Januar 1998 bei dem Sozialgericht (SG) Hannover Klage auf Zahlung von 983,69 DM erhoben. Er hat vorgetragen, die Keramikkronen habe er nicht "gewählt", sie seien ihm einfach eingesetzt worden. Im Übrigen handele es sich um die Folgen seiner Kriegsbeschädigung, für die er nicht einstehen müsse. Die Behandlung sei außerdem nicht richtig ausgeführt worden.
Das SG Hannover hat durch Urteil vom 25. Juni 2002 die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat es ausgeführt, die Klage sei hinsichtlich des gesamten Betrages von 983,69 DM zulässig, obwohl der Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden lediglich über den Eigenanteil entschieden habe. Denn er habe im Klageverfahren detailliert zu der über diesen Betrag hinausgehenden Forderung des Klägers Stellung genommen. Klagegegner und Widerspruchsbehörde seien identisch und der Beklagte habe hinsichtlich des über den Eigenanteil hinausgehenden Betrages keinen Ermessensspielraum. Einen Anspruch auf Übernahme der Kosten habe der Kläger jedoch nach §§ 10 Abs. 1, 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 2 in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BVG nicht. Der Zahnersatz des Klägers sei nach den krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften des § 27 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 sowie § 30 SGB V nicht voll erstattungsfähig gewesen, weil er das Maß des Notwendigen überstiegen habe. Nach Nr. 12 der gemäß § 92 Abs. 1 Nr. 2 SGB V beschlossenen Richtlinien für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung mit Zahnersatz und Zahnkronen könnten nur solche Dentallegierungen und andere Werkstoffe verwendet werden, die klinisch erprobt seien und bei denen ausreichend gesichert sei, dass sie der Gesundheit nicht schaden, den chemischen und physikalischen Einwirkungen im Munde widerstehen und der zu erwartenden Beanspruchung genügten. Nichtedelmetall und Nichtedelmetall-Legierungen seien ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich. Nach der hierauf beruhenden Vereinbarung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung mit den Bundesverbänden der Krankenkassen und der Bundesknappschaft in der Fassung vom 6. Juli 1995 seien die notwendigen Metallkosten für jede Abrechnungseinheit (z.B. eine Krone) auf 20,00 DM festgelegt. Bei anderer Legierung werde die Höhe des Zuschusses grundsätzlich nicht verändert. Abweichungen seien nur in medizinisch begründeten Fällen möglich. Bei dem Kläger seien insgesamt 9 Kronen bzw. Brückenglieder ersetzt worden. Der Beklagte und die Krankenkasse des Klägers hätten hierfür einen Zuschuss für die Metallkosten in Höhe von insgesamt 180,00 DM getragen. Der weiter gehende Betrag von 892,60 DM sei vom Kläger als Eigenanteil ebenso zu tragen wie der weiter geltend gemachte Betrag von 91,09 DM für 2 parapulpäre Stiftverankerungen, die für den Aufbau der damals zu überkronenden Zähne 23 und 25 benötigt wurden. Hierfür habe die behandelnde Zahnärztin mit dem Kläger einen schriftlichen Vertrag geschlossen. Im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften hätten der Beklagte bzw. die Krankenkasse des Klägers das zahnärztliche Honorar und die anderen notwendigen Material- und Laborkosten in vollem Umfang übernommen. Auch der Beklagte habe nur bis zur Höhe der Kosten einzustehen, die bei der Verwendung des notwendigen Materials angefallen wären. Dies gelte auch, wenn der betreffende Zahnersatz infolge einer bestehenden Kriegsbeschädigung erforderlich geworden sei. Eine andere Beurteilung ergebe sich nicht daraus, dass der Kläger nach seiner Behauptung von der Zahnärztin nicht darüber informiert worden sei, dass der gewählte Zahnersatz über das Maß des Notwendigen hinausgehe. Auch in diesem Falle müsse der Beklagte für das Versäumnis der Zahnärztin nicht einstehen.
Gegen das am 3. September 2002 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 23. September 2002 entsprechend der Rechtsmittelbelehrung eingegangenen Nichtzulassungsbeschwerde, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
- 1.
das Urteil des SG Hannover vom 25. Juni 2002 und den Bescheid vom 24. September 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 1997 aufzuheben,
- 2.
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 983,69 DM zu zahlen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Neben den Gerichtsakten beider Rechtszüge haben die den Kläger betreffenden Beschädigtenakten mit dem Beiheft Heil- und Krankenbehandlung des VA Hannover vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.
II.
Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss, weil er einstimmig die Berufung für nicht begründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält.
Die gemäß dem Senatsbeschluss vom 23. April 2003 zulässige Berufung ist nicht begründet. Zutreffend ist das SG von der Zulässigkeit der Klage auf Zahlung der Gesamtmehrkosten von 983,69 DM ausgegangen. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Erstattung dieser Mehrkosten für den Zahnersatz nicht zu. Denn die Versorgung, die sich insoweit nach krankenversicherungsrechtlichen Grundsätzen richtet, geht über das Maß der notwendigen Leistungen im Sinne des § 30 Abs. 3 Satz 1 SGB V hinaus. Wählen Versicherte eine über die (notwendige) Versorgung nach § 30 Abs. 1 SGB V hinausgehende Versorgung, so entfällt damit nicht der Leistungsanspruch; indes haben die Versicherten die Mehrkosten einer zusätzlichen, über die Versorgung nach § 30 Abs. 1 SGB V hinausgehenden Versorgung selbst in vollem Umfang zu tragen, § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB V. In der dem Kläger zuteil gewordenen Versorgung mit Keramikkronen liegt eine über den Leistungsumfang nach § 30 Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB V hinausgehende Leistung. Das SG hat dies nicht ergänzungsbedürftig im angegriffenen Urteil festgestellt. Zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen nimmt der Senat auf die Ausführungen des SG Bezug, auf die er sich zur Zurückweisung der Berufung stützt, § 153 Abs. 2 SGG. Ergänzend ist hinzuzufügen, dass zwar Zweifel bestehen, ob der Kläger nicht mit der behandelnden Zahnärztin eine Vereinbarung über die Inanspruchnahme der Mehrkostenregelung getroffen hat, die - gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b Satz 3 des Bundesmanteltarifvertrags-Zahnärzte sogar schriftlich - vorgesehen ist. Dies kann indes offen bleiben, weil ein entsprechendes Versäumnis zwischen der behandelnden Zahnärztin und dem Kläger nicht zu Lasten des gesetzlich gebundenen Beklagten geht. Denn Rechte und Pflichten in den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuchs dürfen nur festgestellt, geändert oder aufgehoben werden, soweit ein Gesetz es vorschreibt oder zulässt, § 31 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil (SGB I). Zu den Sozialleistungsbereichen des Sozialgesetzbuchs gehört gemäß § 5 SGB I auch das Soziale Entschädigungsrecht, auf welches der Kläger seine Ansprüche gründet. Insoweit ist der Beklagte aber, wie das SG zutreffend unter Heranziehung der einschlägigen Vorschriften ausgeführt hat, gesetzlich gebunden. Darüber hinausgehende Leistungen würden dem Gesetzesvorbehalt widersprechen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, besteht nicht, § 160 Abs. 2 SGG.