Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.05.2003, Az.: L 4 KR 233/01

Berechnung von Krankengeld; Keine Überschreitung des kalendertäglichen Nettoentgelts bei Zahlung des Krankengeldes; Absetzen der entsprechenden Beitragsanteile zu den einschlägigen Sozialversicherungszweigen vom Regelentgelt

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
28.05.2003
Aktenzeichen
L 4 KR 233/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 20369
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0528.L4KR233.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - AZ: S 3 KR 69/98

Tenor:

Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die Berechnung von Krankengeld.

2

Der Kläger war ab dem 23. Juli 1997 arbeitsunfähig und bezog bis zum 2. September Lohnfortzahlung. In der Zeit vom 3. September 1997 bis 31. August 1998 war der Kläger weiterhin arbeitsunfähig und bezog von der Beklagten Krankengeld. Grundlage für die Berechnung war eine Verdienstbescheinigung der Arbeitgerberin des Klägers, der Firma Meyering-Reisen in Lingen/Ems vom 8. September 1997. Hieraus ergab sich, dass der Kläger im Letzten Lohnabrechnungszeitraum vom 1. bis 30. Juni 1997 ein Bruttoentgelt von 4.937,00 DM bezog, das Nettoentgelt betrug 3.365,28 DM. Unter Berücksichtigung dieser Angaben errechnete die Beklagte aus dem Bruttoentgelt ein tägliches Regelentgelt von 164,57 DM (davon 70 % = 115,20 DM). Aus dem Nettoentgelt errechnete sie ein tägliches Regelentgelt von 112,18 DM (davon 90 % = 100,96 DM). Mit Schreiben vom 12. September 1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ab dem 3. September Krankengeld in Höhe von 100,96 DM kalendertäglich bewillige und hiervon Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe von 0,85 %, zur Rentenversicherung in Höhe von 10,15 % und zur Arbeitslosenversicherung in Höhe von 3,25 % abzuziehen seien. Hiergegen erhob der Kläger am 7. Oktober 1997 Widerspruch und machte geltend, dass das aus dem Bruttoentgelt errechnete tägliche Regelentgelt 115,20 DM betrage. Unter Abzug der Beitragsanteile ergebe sich ein tägliches Krankengeld in Höhe von 98,79 DM. Dieser Betrag sei mit dem aus dem Netto-Entgelt berechneten Betrag von 100,96 DM zu vergleichen. Da das aus dem Bruttoentgelt errechnete Krankengeld nicht höher als 90 % des aus dem Netto-Lohn errechnete Regelentgelt sein dürfe, müsse es zur Auszahlung gelangen. Soweit die Beklagte von dem bereits als Nettobetrag zu verstehenden Betrag von 100,96 DM noch die Beitragsanteile zur Sozialversicherung abziehe und nur dieses reduzierte Krankengeld auszahle, handele sie gegen die gesetzlichen Bestimmungen.

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Mit Schreiben vom 27. Oktober, 7. November und 11. Dezember 1997 und 9. Januar 1998 erläuterte die Beklagte dem Kläger im Einzelnen die Berechnungsschritte für das auszuzahlende Krankengeld in Höhe von 86,57 DM. Den Widerspruch wies sie mit Bescheid vom 15. April 1998 zurück.

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Mit seiner am 4. Mai 1998 erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Das Sozialgericht (SG) Osnabrück hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 14. September 2001 unter Hinweis auf ein Urteil des Senates vom 29. März 1995 (L 4 KR 121/93) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Berechnungen der Beklagten unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden seien. Die Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen dürfe mit der Berechnung des Krankengeldes nicht vermischt werden. Insgesamt sei es zutreffend, wenn von dem errechneten Krankengeld die Beiträge zur Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung abgeführt würden. Die Abzüge führten dazu, dass entsprechende Ansprüche in den jeweiligen Versicherungszweigen bestünden.

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Gegen diesen ihm am 19. September 2001 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 2. Oktober 2001 Berufung eingelegt. Zur Begründung seines Standpunktes, wonach von dem errechneten Krankengeld aus dem Nettoentgelt keine Abzüge mehr vorgenommen werden dürften, verweist er auf die Anmerkungen im Handbuch des Sozialversicherungsrechts von Schulin.

6

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Osnabrück vom 14. September 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 12. September 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 1998 zu ändern;

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum vom 3. September 1997 bis 31. August 1998 Krankengeld in Höhe von 98,79 DM je Kalendertag abzüglich bereits geleisteten Krankengeldes zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

8

Sie hält den Gerichtsbescheid und die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat konnte mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Die gemäß §§ 143 und 114 Abs. 1 Ziffer 1 SGG statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Der Kläger kann weiteres Krankengeld, als bereits von der Beklagten geleistet, nicht beanspruchen. Nach § 47 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch - (SGB V) in der ab 1. Januar 1997 geltenden Fassung des Beitragsentlastungsgesetzes vom 1. November 1996 (BGBl.. I, S. 1631) beträgt das Krankengeld 70 v. H. des erzielten Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf 90 vom Hundert des bei entsprechender Anwendung des Absatzes 2 berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen. Das Regelentgelt wird nach den Absätzen 2, 4 und 6 berechnet. Das Krankengeld wird für Kalendertage gezahlt. Ist es für einen ganzen Kalendermonat zu zahlen, ist dieser mit dreißig Tagen anzusetzen. Nach § 47 Abs. 2 Satz 3 SGB V gilt der dreißigste Teil des im Letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt, wenn - wie hier - das Arbeitsentgelt nach Monaten bemessen oder eine Berechnung des Regelentgelts nach den Sätzen 1 und 2 nicht möglich ist. Unter Berücksichtigung dieser gesetzlichen Bestimmungen hat die Beklagte das dem Kläger zustehende Krankengeld im streitbefangenen Zeitraum zutreffend berechnet. Bei einem monatlichen Bruttoentgelt von 4.937,00 DM ist ein tägliches Regelentgelt von 164,57 DM gegeben. Das Krankengeld wäre auf dieser Basis kalendertäglich auf 115,20 DM zu errechnen (70 % von 164,57 DM). Das kalendertägliche Nettoentgelt beträgt dagegen 112,18 DM und 90 % davon 100,96 DM. Dieser Betrag (100,96 DM) darf nach § 47 Abs.1 Satz 2 SGB V bei der Zahlung des Krankengeldes nicht überschritten werden. Von diesem Betrag sind sodann die Beiträge zur Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung abzuführen (vgl. § 57 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch -Elftes Buch -, § 166 Abs. 1 Ziffer 2 Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch - und § 186 Abs. 1 Sätze 2 und 3 Arbeitsförderungsgesetz). Das SG hat in seinem Gerichtsbescheid zutreffend darauf hingewiesen, dass der Senat bereits entschieden hat, dass die vom Kläger präferierte Berechnungsmethode, von dem Regelentgelt die entsprechenden Beitragsanteile zu den einschlägigen Sozialversicherungszweigen abzusetzen, den so ermittelten Betrag dann mit dem ungekürzten Nettoentgelt zu vergleichen und dieses als Krankengeld zu gewähren, nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht (vgl. Senatsurteil vom 29. März 1995, L 4 KR 121/93, Umdruck Seite 7). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von dem Kläger zitierten Kommentierung bei Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1 Krankenversicherungsrecht. Ferner hat die Beklagte die Beitragsanteile zutreffend aus 80 % des Regellohns nach § 47 Abs. 1 Satz 1 SGB V berechnet. Diese Berechnung beruht darauf, dass das Nettoarbeitsentgelt nach § 47 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit den Berechnungen nach Absätzen 2, 4 und 6 der Vorschrift keine selbstständige Berechnungsgröße darstellt, sondern das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Bruttoarbeitsentgelt. Von dem Bruttoarbeitsentgelt (bzw. 80 % davon) sind die auf den Arbeitnehmer entfallenden gesetzlichen Anteile der Beiträge zur Sozialversicherung zu berechnen (vgl. Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1 Krankenversicherungsrecht, München 1994, § 23 Randnr. 88). Die von der Beklagten in ihrem Schreiben an den Kläger vom 9. Januar 1998 im Einzelnen erläuterten Beträge sind vor diesem Hintergrund richtig berechnet. Die Beklagte hat damit zu Recht an den Kläger einen Nettozahlbetrag von 86,57 DM kalendertäglich ausgekehrt. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Es hat keine Veranlassung bestanden, die Revision zuzulassen.