Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 16.05.2003, Az.: L 9 U 443/00
Gewährung von Verletztenrente wegen der Erkrankung an einer Berufskrankheit; Beschäftigung als Krankenpfleger / Anästhesiepfleger; Verrichtung wirbelsäulenbelastender Tätigkeiten; Schädigungen im Bereich der gesamten Wirbelsäule; Arbeitstechnische Voraussetzungen für die Feststellung einer bandscheibenbedingte Erkrankung nach der Nr. 2108 bzw. Nr. 2109 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV); Vollständige Aufgabe der belastenden Tätigkeiten
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 16.05.2003
- Aktenzeichen
- L 9 U 443/00
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2003, 21071
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2003:0516.L9U443.00.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - AZ: S 11 U 157/99
Rechtsgrundlagen
- § 56 Abs. 1 SGB VII
- § 9 Abs. 1 SGB VII
Redaktioneller Leitsatz
Der Versicherungsfall einer BK ist eingetreten, wenn alle Tatbestandsmerkmale der betreffenden Nummer der Anlage zur BKVO erfüllt sind. Die BK Nr. 2108 der Anlage zur BKVO setzt u.a. voraus, dass die dort bezeichnete Wirbelsäulenerkrankung zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein könnten. Dies bedeutet, dass die Tätigkeit, die zur Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich objektiv aufgegeben hat. Eine solche Tätigkeit ist jedoch nicht bereits dann aufgegeben, wenn diejenige Tätigkeit nicht mehr ausgeübt wird, welche die BK herbeigeführt oder verschlimmert hat. Dieses Merkmal erfüllt den Zweck, ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz zu verhindern und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung zu verhüten. Demzufolge ist für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals konkret zu fordern, dass die genannten belastenden Tätigkeiten, denen der Versicherte ausgesetzt war, in vollem Umfang aufgegeben sein müssen.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Berufungskläger begehrt die Feststellung seiner Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule als Folgen einer Berufskrankheit nach Nrn. 2108 und 2109 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKVO) und die Gewährung von Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der 1939 geborene Berufungskläger war von April 1954 bis August 1958 als Waldarbeiter in der Forstwirtschaft beim Forstamt C. und daran anschließend bis 1968 als Zimmermann entgeltlich beschäftigt. Ab Oktober 1968 bis zum 30. September 1969 durchlief er eine Ausbildung zum Krankenpfleger und war mit Wirkung vom 1. Oktober 1969 als Krankenpfleger tätig, ab April 1972 bis einschließlich Januar 1992 als Anästhesiepfleger im Kreiskrankenhaus D. und ab Februar 1992 als Krankenpfleger auf der chirurgischen Krankenstation dieses Kreiskrankenhauses.
Seit dem 1. Januar 1992 bezieht der Berufungskläger seitens der Hannoverschen Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft Verletztenrente wegen eines Arbeitsunfalles vom 21. September 1957 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H. (Bescheid vom 29. Dezember 1993). Der durch den Arbeitsunfall verursachte Körperschaden bestand in einem Bruch des linken oberen Sprunggelenkes. Als Unfallfolgen wurden festgestellt:
Minderung der Muskulatur am linken Bein, Weichteilschwellung an der linken Fessel und Knöchelgabel, Bewegungseinschränkung im linken oberen und unteren Sprunggelenk, röntgenologisch nachweisbare Veränderungen im früheren Bruchbereich.
Als Folgen dieses Unfalles wurden nicht anerkannt:
Schicksalsmäßige Veränderungen an der Wirbelsäule und altersbedingter Hüftgelenksverschleiß, Senk-Spreizfuß beiderseits, Verdacht auf Meniskusschädigung im linken Kniegelenk.
Am 31. Oktober 1994 zeigte die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. E. den Verdacht einer Berufskrankheit (BK) wegen einer Wirbelsäulenerkrankung bei der Berufungsbeklagten an. Die Berufungsbeklagte veranlasste Ermittlungen durch ihren Technischen Aufsichtsdienst (TAD) zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der Tätigkeiten des Berufungsklägers, zog ärztliche Unterlagen, das Vorerkrankungsverzeichnis der DAK vom 13. August 1996 bei und holte Befundberichte des Dr. F. vom 24. Juli 1996 und des Dr. G. vom 30. Juli 1996 und das fachchirurgische Gutachten des Dr. H. vom 7. September 1993, erstattet für die Hannoversche landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft, ein. Die Berufungsbeklagte veranlasste die gutachterliche Beurteilung des Berufungsklägers nach Aktenlage durch den Arzt für Orthopädie Dr. I. (Gutachten vom 11. Mai 1998). Dr. I. konnte bei dem Berufungskläger weder eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule noch dem Alter vorauseilende degenerative Veränderungen an der Lendenwirbelsäule feststellen. Mit Bescheid vom 15. Juni 1998 lehnte die Berufungsbeklagte Entschädigungsansprüche aus Anlass der bei dem Berufungskläger festgestellten anlagebedingten Veränderungen im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule mit der Begründung ab, dass keine BK nach Nr. 2108/2109 der Anlage zur BKVO vorliege. Ansprüche auf Maßnahmen nach § 3 BKVO bestünden ebenfalls nicht.
Hiergegen legte der Berufungskläger Widerspruch ein. Die Berufungsbeklagte holte die Stellungnahme ihres TAD vom 15. Juli 1999 ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass in der Zeit, in der der Berufungskläger im OP gearbeitet habe, pro Tag ca. 25 Hebevorgänge mit schweren Lasten angefallen seien. Dies reiche nicht aus für das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2108. Im Bereich der chirurgischen Station würden täglich ca. 25 Patienten versorgt. Ca. 30 % der Patienten seien in der Pflegestufe A 3 eingruppiert. In der Frühschicht seien ca. 5 - 6, in der Spätschicht ca. 4 Pflegekräfte anwesend. Durch die hohe Anzahl von A 3-Patienten ergebe sich, dass für den Berufungskläger auf der chirurgischen Station die arbeitstechnischen Kriterien für eine BK 2108 erfüllt seien. Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 1999 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Hiergegen hat der Berufungskläger am 12. November 1999 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Sowohl die arbeitstechnischen als auch die medizinischen Voraussetzungen für die Feststellung der bei ihm vorliegenden Schädigung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule als BK nach Ziffn. 2108/2109 der Anlage zur BKVO seien erfüllt. Die bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen der Wirbelsäule seien auf seine langjährigen körperlich schweren Tätigkeiten in der Krankenpflege zurückzuführen. Mit Gerichtsbescheid vom 8. November 2000 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Es sei nichts dafür ersichtlich, dass der Berufungskläger während seiner beruflichen Tätigkeit als Krankenpfleger langjährig schwere Lasten (Lastgewichte von 50 kg oder mehr) auf der Schulter getragen habe. Bei der Erkrankung des Berufungsklägers im Bereich der HWS handele es sich danach um ein typisches schicksalhaftes Schadensbild, das in keinerlei Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit stehe. So habe der Berufungskläger zwar während seiner Tätigkeit als Krankenpfleger auf der chirurgischen Station ab Februar 1992 die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser BK erfüllt, für die Zeit ab April 1972 während der Zeit im OP-Bereich jedoch nicht. Das Gericht brauche nicht der Frage nachzugehen, ob das Merkmal der Langjährigkeit der beruflich schädigenden Einwirkungen erfüllt sei; denn es fehle an den zusätzlich zu fordernden medizinischen Voraussetzungen. Die Schädigung seiner LWS sei nicht rechtlich wesentlich auf seine berufliche Tätigkeit zurückzuführen. Dies ergebe sich aus dem Gutachten des Dr. I ... An der Lendenwirbelsäule des Berufungsklägers lägen keine dem Alter vorauseilenden bandscheibenbedingten Veränderungen vor. Die Wirbelsäule des Berufungsklägers weise kein belastungstypisches Schadensbild mit von unten nach oben abnehmenden Schäden auf. Es liege noch nicht einmal das Krankheitsbild einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS vor. Schädigungsrelevante Veränderungen an den übrigen von den beruflichen Belastungen ebenfalls betroffenen lumbalen Segmenten hätten ärztlicherseits nicht festgestellt werden können. Der Schwerpunkt der Erkrankung des Berufungsklägers liege im Bereich der BWS.
Gegen diesen ihm am 14. November 2000 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Berufungskläger am 12. Dezember 2000 Berufung beim Landessozialgericht Niedersachsen eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Entstehung einer BK 2109 erfüllt seien, lasse das SG dahingestellt sein. Bei ihm liege zweifelsfrei eine bandscheibenbedingte Erkrankung auch der LWS vor. Nach der Diagnose der J. vom 12. April 1994 ergebe sich bei ihm ein HWS- und LWS-Syndrom bei bekannten degenerativen Wirbelsäulenveränderungen. Aus dem Bericht der J. ergebe sich auch, dass er bereits seit 1982 rezidivierende Beschwerden im Bereich der gesamten Wirbelsäule aufwiese. Aus seiner Sicht liege eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS vor. Es habe auch eine schädigende Einwirkung i.S.d. BK 2108 gegeben. Zu berücksichtigen sei, dass er vor seiner Tätigkeit im Krankenhaus schwere Lasten auf der Schulter getragen habe, wobei auch eine entsprechende Schädigung der HWS eingetreten sein könne. Zu der Frage der Aufgabe der belastenden Tätigkeit sei entscheidend auf die Aufgabe der Tätigkeit als Anästhesiepfleger 1992 abzustellen. Er sei von seiner Tätigkeit als Anästhesiepflege 1992 entbunden und in die chirurgische Station versetzt worden, weil er die Tätigkeit als Anästhesiepfleger auf Grund der bekannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht mehr habe verrichten können. Diese Tätigkeit als Anästhesiepfleger habe er 1992 einzig und allein auf Grund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen abschließend und endgültig aufgeben müssen. Auf Grund seiner Wirbelsäulenbeschwerden sei er auch nach der Aufgabe der Tätigkeit als Anästhesiepfleger häufig und lange krankgeschrieben gewesen. Auf Grund der nachgewiesenen Krankschreibungszeiten und der fehlenden Belastbarkeit als Stationspfleger sei auch von einer Aufgabe der Tätigkeit insgesamt bereits vor der normalen Verrentung auszugehen.
Der Berufungskläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß:
- 1.
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Hildesheim vom 8. November 2000 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 1999 aufzuheben,
- 2.
die Beklagte zu verurteilen, die bei dem Kläger vorliegende Schädigung der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule als Berufskrankheit nach Ziff. 2108/2109 der Anlage zur BKVO anzuerkennen und
- 3.
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 20 v.H. der Vollrente zu gewähren.
Die Berufungsbeklagte beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend ...
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Prozessakten des ersten und zweiten Rechtszuges, insbesondere auf das Protokoll des Termins zur Erörterung des Sachverhaltes mit den Beteiligten durch den Berichterstatter vom 30. März 2001 und auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Berufungsbeklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Gem. §§ 155 Abs. 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Senat durch seinen Berichterstatter als Einzelrichter im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig eingelegte Berufung ist nicht begründet. Der Berufungskläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Berufungsbeklagte die bei ihm im Bereich der Lendenwirbelsäule bestehenden Gesundheitsstörungen als Folge einer BK nach den Nrn. 2108 bzw. 2109 der Anlage zur BKVO feststellt und ihm Verletztenrente gewährt. Das SG hat insoweit zutreffend erkannt, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach der Nr. 2108 bzw. Nr. 2109 der Anlage zur BKVO nicht vorliegen und der Berufungskläger auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente hat. Der Bescheid der Berufungsbeklagten vom 15. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 1999 ist rechtmäßig und verletzt den Berufungskläger nicht in seinen Rechten.
Das SG hat in seinem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 8. November 2000 im Einzelnen überzeugend ausgeführt, dass der Berufungskläger keinen Anspruch auf Entschädigung der Folgen einer BK 2108 bzw. 2109 der Anlage zur BKVO im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung hat. Insbesondere hat das SG zu Recht darauf hingewiesen, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer durch berufliche Belastungen verursachten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS und HWS nicht vorliegen. Es wird daher zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug genommen.
Neue Gesichtspunkte, die zu einer abweichenden Entscheidung führen könnten, sind im Berufungsverfahren nicht zu Tage getreten.
Da bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer beruflich verursachten bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS bzw. der HWS nicht vorliegen, kann es dahin gestellt bleiben, ob die medizinischen bzw. gesundheitlichen Voraussetzungen für eine beruflich bedingte Verursachung der Bandscheibenschäden erfüllt sind, insbesondere ob ein belastungstypisches Schadensbild festzustellen ist. Aus diesem Grunde war der Senat auch nicht gehalten, dem Antrag des Berufungsklägers auf Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens nach § 109 SGG nachzugehen; denn es ist bereits wegen der fehlenden arbeits-technischen Voraussetzungen nicht mehr entscheidungserheblich, ob die gesundheitlichen Voraussetzungen einer beruflich bedingten Verursachung der Bandscheibenschäden vorliegen.
Dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Feststellung einer bandscheibenbedingten Erkrankung der Halswirbelsäule nach Nr. 2109 der Anlage zur BKVO nicht vorliegen, ergibt sich bereits daraus, dass es weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass der Berufungskläger langjährig schwere Lasten auf der Schulter getragen hat. Von 1972 bis 1992 arbeitete er im OP des K. in Stadtoldendorf. Nach dem Aktenvermerk des technischen Aufsichtsbeamten der Berufungsbeklagten wurden dort pro Tag etwa 10 Operationen durchgeführt. Der Berufungskläger hob die Patienten während seines Dienstes vom OP-Tisch ins Bett und die meisten auch vom Bett auf den OP-Tisch. Darüber hinaus musste er Gasflaschen für Lachgas und Sauerstoff tragen. Unzweifelhaft hat der Berufungskläger die von ihm zu hebenden Patienten nicht auf der Schulter getragen, sodass bereits aus diesem Grunde die Voraussetzungen einer BK nach 2109 der Anlage zur BKVO nicht gegeben sind. Selbst wenn er die von ihm zu transportierenden Flaschen für Lachgas und Sauerstoff auf der Schulter getragen haben sollte, reicht dies ebenfalls nicht für die Anerkennung einer BK nach 2109 aus; denn ausweislich des Aktenvermerkes des technischen Aufsichtsbeamten der Berufungsbeklagten vom 15. Juli 1999 fielen täglich lediglich durchschnittlich vier Hebe- und Tragevorgänge über 8 - 10 m für die Flaschen bei einem Gewicht von mehr als 25 kg an. Dies bedeutet, dass der Berufungskläger derartige Lasten, soweit er sie überhaupt auf der Schulter getragen haben sollte, nicht mit einer gewissen Regelmäßigkeit und gebotenen Häufigkeit in der überwiegenden Zahl der Arbeitsschichten getragen hat. Eine außergewöhnliche intensive mechanische Belastung der HWS hat demzufolge nicht vorgelegen. Auch seine Tätigkeit als Krankenpfleger auf der chirurgischen Station des Krankenhauses D. umfasste ebenfalls kein Tragen schwerer Lasten auf der Schulter, sodass auch insoweit die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2109 der Anlage zur BKVO infolge dieser Tätigkeit ausgeschlossen sind.
Soweit der Berufungskläger die Anerkennung der bei ihm bestehenden Veränderungen im Bereich der Brustwirbelsäule - hier liegt der Schwerpunkt seiner Wirbelsäulenerkrankung - als BK begehrt, scheitert sein Begehren bereits daran, dass der Gesetzgeber bzw. Verordnungsgeber Erkrankungen der Brustwirbelsäule ausdrücklich nicht in die Liste der Berufskrankheitenverordnung aufgenommen und demzufolge nicht durch Rechtsverordnung als Berufskrankheit bezeichnet hat. Mangels Normierung als BK kann die festgestellte Osteochondrose im Bereich der Brustwirbelsäule des Berufungsklägers nicht als BK anerkannt werden. Ebenso wenig liegen die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII vor.
Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Feststellung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage zur BKVO liegen bis zum 31. Januar 1992 nicht vor; denn der Berufungskläger hat in der Zeit von 1972 bis 1992 als Anästhesiepfleger keine den Anforderungen entsprechenden Hebe- und Tragevorgänge verrichtet. Dies ergibt sich aus den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Berufungsbeklagten vom 15. Juli 1999. Danach hat der Berufungskläger im OP des L. arbeitstäglich anlässlich der durchschnittlich pro Tag durchgeführten 10 Operationen Patienten vom OP-Tisch ins Bett und meist auch vom Bett auf den OP-Tisch gehoben und Gasflaschen für Lachgas und Sauerstoff arbeitstäglich durchschnittlich vier Mal gehoben und über 8 - 10 m getragen bei einem Gewicht dieser Flaschen von mehr als 25 kg. Anlässlich der Bereitschaftsdienste des Berufungsklägers, die durchschnittlich monatlich 10 - 15-mal anfielen, wurden pro Nacht etwa 3 - 4 Patienten versorgt, teils auch gehoben. Während seiner Tätigkeit im OP-Bereich fielen danach pro Tag lediglich ca. 25 Hebevorgänge an. Dies reicht nach den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes der Berufungsbeklagten vom 15. Juli 1999 nicht aus, um die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKVO in Übereinstimmung mit dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (Bekanntmachung des BMA, BArbbl. 3193, S. 50) bejahen zu können.
Zwar sind nach den Ermittlungen des TAD der Berufungsbeklagten vom 15. Juli 1999 die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Annahme einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKVO für die Tätigkeiten des Berufungsklägers auf der chirurgischen Station hinsichtlich der durchschnittlich durchgeführten Hebe- und Tragevorgänge insbesondere wegen der hohen Anzahl von Patienten der Pflegestufe A 3 erfüllt. Nach dem Bericht des TAD der Berufungsbeklagten vom 15. Juli 1999 werden auf der chirurgischen Station täglich 25 Patienten versorgt, wovon ca. 30 % in der Pflegestufe A 3 eingruppiert sind, die in der Frühschicht von 5 bis 6 und in der Spätschicht von ca. 4 Pflegekräften versorgt werden. Wegen der großen Anzahl dieser Patienten nach der Pflegestufe A 3 ergibt sich nach den Ausführungen des TAD der Berufungsbeklagten, dass auf der chirurgischen Station die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die BK 2108 der Anlage zur BKVO erfüllt sind.
Gleichwohl sind die Voraussetzungen für die Anerkennung dieser BK nicht festzustellen; für die Ablehnung der vom Berufungskläger begehrten Anerkennung der BK ist letztlich insbesondere Streit entscheidend, dass er nicht - wie es Voraussetzung für die Feststellung dieser BK ist - alle Tätigkeiten aufgegeben hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule ursächlich waren oder sein könnten.
Der Versicherungsfall einer BK ist eingetreten, wenn alle Tatbestandsmerkmale der betreffenden Nummer der Anlage zur BKVO erfüllt sind. Die BK Nr. 2108 der Anlage zur BKVO setzt u.a. voraus, dass die dort bezeichnete Wirbelsäulenerkrankung zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein könnten. Dies bedeutet, dass die Tätigkeit, die zur Erkrankung geführt hat, aus arbeitsmedizinischen Gründen nicht mehr ausgeübt werden soll und der Versicherte die schädigende Tätigkeit und solche Tätigkeiten, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können, tatsächlich objektiv aufgegeben hat (vgl. BSG Urt. v. 22. August 2000, Az.: B 2 U 34/99 R m.w.N.). Eine solche Tätigkeit ist jedoch nicht bereits dann aufgegeben, wenn diejenige Tätigkeit nicht mehr ausgeübt wird, welche die BK herbeigeführt oder verschlimmert hat. Dieses Merkmal erfüllt den Zweck, ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz zu verhindern und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung zu verhüten (BSG a.a.O.). Demzufolge ist für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals konkret zu fordern, dass die genannten belastenden Tätigkeiten, denen er durch seine Tätigkeit als Pfleger auf der chirurgischen Abteilung ausgesetzt war, in vollem Umfang aufgegeben sein müssen (vgl. BSG a.a.O.; LSG Nds. Urt. v. 29.01.2003 - L 9 U 373/00).
Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Der Berufungskläger hat seine Tätigkeit als Pfleger auf der chirurgischen Station des L. nicht aus berufsbedingten Gründen aufgegeben. Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes am 30. März 2001 hat der Berufungskläger nochmals ausgeführt, dass er bis zu seiner vorzeitigen Berentung wegen Alters als Schwerbehinderter seine Tätigkeit als Krankenpfleger auf der chirurgischen Männerstation ausgeübt hat. Dies bedeutet zum Einen, dass die bei ihm vorliegende Wirbelsäulenerkrankung ihn nicht zur Unterlassung seiner Tätigkeit als Pfleger auf der chirurgischen Station gezwungen hat, sondern dass er diese Tätigkeit bis zum Eintritt seiner Altersrente weiter ausgeübt hat. Dies bedeutet zum anderen, dass nicht seine Wirbelsäulenerkrankung für die Aufgabe der Tätigkeit ursächlich war, sondern vielmehr das Erreichen einer Altersgrenze, die ihn als Schwerbehinderten in die Lage versetzte, Altersruhegeld zu beziehen.
Demzufolge steht dem Berufungskläger auch kein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gesetzliche Gründe für die Zulassung der Revision gem. § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG haben nicht vorgelegen.