Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 10.09.2024, Az.: 10 Sa 818/23

Befristung; Beschluss; Eigenart; gerichtlicher Vergleich; Mitwirkung; Protokollieren; Rechtsmissbrauch; Sachgrund Befristung; Treu und Glauben; Treuwidrig; vorübergehender Bedarf; Befristung eines Arbeitsverhältnisses durch gerichtlichen Vergleich

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
10.09.2024
Aktenzeichen
10 Sa 818/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 26207
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:0910.10Sa818.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Lingen - 14.11.2023 - AZ: 4 Ca 174/23

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Ein Sachgrund zur Befristung durch Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs im Sinne von § 14 Abs 1 S 2 Nr 8 TzBfG ist nicht nur gegeben, wenn der Vergleich auf Vorschlag des Gerichts zustande kommt. Es genügt auch ein gerichtlicher Vergleich im Sinne von § 278 Abs 6 ZPO, der auf übereinstimmenden Vorschlag der Parteien geschlossen wird.

  2. 2.

    Sieht ein solcher Vergleich für die gesamte Befristungsdauer die unwiderrufliche bezahlte Freistellung des Arbeitnehmers vor, kann außerdem die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung im Sinne von § 14 Abs 1 S 2 Nr 4 TzBfG rechtfertigen

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Teilurteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 14. November 2023 - 4 Ca 174/23 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten, soweit der Rechtsstreit in der Berufungsinstanz zur Entscheidung angefallen ist, um die Wirksamkeit einer Befristung.

Der Kläger war seit dem 16. September 2018 Arbeitnehmer der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin (im Folgenden nur: Beklagte). Zuvor hatte er seit dem Jahre 2004 im selben Betrieb die gleiche Aufgabe als Leiharbeitnehmer ausgeführt. Der Arbeitsvertrag (Bl. 9 d.A. I. Instanz) sah eine Befristung bis zum 15. September 2022 vor; der kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme anwendbare Manteltarifvertrag der Tarifgruppe RWE ermöglicht eine sachgrundlose Befristung von bis zu vier Jahren.

In einem über die Wirksamkeit vorgenannter Befristung geführten Rechtsstreit erörterten die Parteien im Termin zur Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht auch einen Vergleich auf der Basis einer Anschlussbefristung, wobei der Prozessbevollmächtigte der Beklagten den 31. März 2023 als Beendigungsdatum anbot. Eine Einigung kam nicht zustande, doch folgten ein Schriftwechsel der Parteien, mehrere Unterredungen und wechselseitige Vorschläge der jeweiligen Prozessbevollmächtigten. Neben anderen streitigen Aspekten erhöhte die Beklagte ihr Angebot zur Dauer einer weiteren Befristung um drei Monate, also bis zum 30. Juni 2023. Dies lehnte der Kläger zunächst ab; nachdem die Beklagte zusätzlich eine Freistellung bis zu diesem Zeitpunkt angeboten hatte, erzielten die Parteien eine Einigung. Mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2022 zeigte die Beklagte dies dem Arbeitsgericht an und bat, das Zustandekommen des Vergleichs "festzustellen bzw. zu beschließen." Nachdem das Arbeitsgericht den Schriftsatz dem Kläger zur Kenntnisnahme übersandt hatte, stimmte dieser dem Vergleich mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2022 zu. Mit Beschluss vom Folgetage (Bl. 289 f. d.A. I. Instanz) stellte das Arbeitsgericht fest, dass ein Vergleich zustande gekommen sei, der unter anderem vorsah, dass das Arbeitsverhältnis durch Befristung mit Ablauf des 30. Juni 2023 sein Ende finden und der Kläger bis dahin von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung unwiderruflich freigestellt bleiben sollte. Bis zur Beendigung sollte das Arbeitsverhältnis auf der Basis einer monatlichen Vergütung von 4.800,00 Euro brutto abgewickelt und abgerechnet werden. Ferner wurde dem Kläger ein vorzeitiges Ausscheiden mit einer Ankündigungsfrist von einer Woche zum Monatsende ermöglicht; in diesem Falle sollte ihm anstelle des Bruttoentgeltes eine Abfindung gezahlt werden. Der Vergleich schloss mit Regelungen zum Arbeitszeugnis, einer Vertraulichkeitsvereinbarung und einer sogenannten großen Erledigungsklausel. Die Parteien wickelten das Arbeitsverhältnis im Sinne dieses Vergleichs ab.

Zum Zeitpunkt des Vergleichsschlusses stellte die Beklagte das von ihr in Lingen betriebene Atomkraftwerk, in dem der Kläger tätig war, auf sogenannten Rückbaubetrieb um, weil sie aufgrund politischer Entscheidungen von einem Laufzeitende mit Ablauf des Jahres 2022 ausging. Im November 2022 wurde die Laufzeit des Kraftwerks bis zum 15. April 2023 verlängert. Anfang Juni 2023 veröffentlichte ein Konzernschwesterunternehmen der Beklagten eine Stellenausschreibung, mit der es für das Kraftwerk zum nächstmöglichen Zeitpunkt einen "Facharbeiter Überwachung" suchte. Der Kläger bewarb sich vergeblich auf diesen Arbeitsplatz. Einige Tage später, am 17. Juli 2023, hat er die vorliegende Befristungskontrollklage eingereicht.

Der Kläger hat gemeint, die Befristung sei mangels Befristungsgrundes unwirksam. Ein gerichtlicher Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG liege nicht vor, weil es an einer verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts fehle. Er hat behauptet, es habe - anders als von der Beklagten stets dargestellt - Beschäftigungsbedarf für ihn gegeben. Dies sei aus der Stellenausschreibung des Konzernschwesterunternehmens mit deckungsgleicher Aufgabenbeschreibung ersichtlich.

Der Kläger hat, soweit es das vorliegende Berufungsverfahren betrifft, beantragt,

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung des Arbeitsvertrags durch Vergleich mit Beschluss des Arbeitsgerichts Lingen vom 27. Oktober 2022 - 4 Ca 133/22 - am 30. Juni 2023 beendet worden ist.

Die Beklagte hat, soweit es vorliegend von Belang ist, beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat vorgetragen, es habe der Sachgrund des vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs vorgelegen, denn aufgrund des befristeten Betriebs des Atomkraftwerks habe über den 15. September 2022 hinaus keine Möglichkeit bestanden, den Kläger einzusetzen. Dieser Sachgrund liege auch dann vor, wenn - wie hier - schon im Zeitpunkt der Befristungsabrede kein Bedarf an der Arbeitskraft mehr bestehe. Entscheidend sei, dass feststehe, dass mit Ablauf der Befristung ein solcher Bedarf nicht vorliege. Dies sei der Fall; nur wegen einer nachträglichen, unerwarteten Personalfluktuation sei im Juni 2023 neuer Beschäftigungsbedarf entstanden, was zu der Stellenanzeige geführt habe.

Darüber hinaus sei die Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG gerechtfertigt. Ein gerichtlicher Vergleich im Sinne dieser Vorschrift sei gegeben. Eine verantwortliche Mitwirkung des Gerichts sei in hinreichender Weise erfolgt. Im Termin zur Güteverhandlung sei es die Vorsitzende gewesen, die den Gedanken einer weiteren Befristung aufgeworfen habe. Unabhängig davon dürfe die verantwortliche Mitwirkung des Gerichts nicht zur Voraussetzung für den Befristungsgrund erhoben werden; dies folge aus der Entstehungsgeschichte der Norm.

Die Befristung sei außerdem nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt, weil sie ausschließlich im Interesse des Klägers erfolgt sei, um dessen Schwierigkeiten beim Übergang in ein neues Arbeitsverhältnis zu überwinden. Nur damit er sich aus einem laufenden Arbeitsverhältnis habe bewerben können und aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen habe man die weitere Befristung mit bezahlter Freistellung statt einer Abfindung vereinbart.

Die Befristung sei auch durch einen vom Gesetz nicht benannten Sachgrund gerechtfertigt, nämlich den "Mehrwert" der Beilegung des Rechtsstreits über die ursprüngliche Befristung. Außerdem handle der Kläger widersprüchlich und unredlich, wenn er sich auf die Unwirksamkeit der Befristung berufe. Er habe über Monate die bezahlte Freistellung in Anspruch genommen und sich erst nach deren Ende von der Vereinbarung lösen wollen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage durch Teilurteil stattgegeben, soweit sie die Unwirksamkeit der Befristung zum Gegenstand hat. Es hat ausgeführt: Der Sachgrund des vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs liege nicht vor, weil der im Vergleichswege geschlossene befristete Arbeitsvertrag nicht der Deckung eines solchen Bedarfs habe dienen sollen. Auch der Sachgrund des gerichtlichen Vergleichs bestehe nicht, denn es fehle an der erforderlichen verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts. Dieses habe den Vorschlag der Beklagten nur weitergeleitet und ihn nicht als eigenen unterbreitet. Die von der Beklagten behauptete Äußerung einer "Idee" einer weiteren befristeten Beschäftigung durch die Vorsitzende stellte, wenn es sie gegeben habe, keine verantwortliche Mitwirkung dar. Ein Sachgrund liege auch nicht in der Person des Klägers, denn das überwiegende Motiv der Beklagten sei es nicht gewesen, ihm eine Überbrückung in ein anderes Arbeitsverhältnis zu ermöglichen, sondern ihr eigenes Prozessrisiko zu minimieren. Auch andere Sachgründe lägen nicht vor.

Der Kläger verstoße nicht gegen Treu und Glauben, indem er die Befristung angreife. Er habe weder einen Vertrauenstatbestand begründet noch lägen besondere Umstände vor. Seine Bewerbung betreffe keinen Arbeitsplatz bei der Beklagten und bleibe daher außer Betracht. Dass der Vergleich in Vollzug gesetzt worden sei und er das vereinbarte Entgelt entgegengenommen habe, genüge nicht. Allerdings liege insofern eine besondere Konstellation vor, als der Entgeltzahlung keine Arbeitsleistung gegenübergestanden habe, wodurch der Vergleich materiell einer Abfindungslösung nahekomme. Auch dies verwehre es dem Kläger aber nicht, sich auf die Unwirksamkeit zu berufen. Die Beklagte sei das mit einer weiteren Befristung offensichtlich verbundene, nicht aus der Sphäre des Klägers stammende Risiko bewusst eingegangen. Es sei auch nicht erkennbar, dass der Kläger den Vergleich bereits mit der Absicht abgeschlossen habe, sich später auf dessen Unwirksamkeit zu berufen; Anlass für seine Klage sei es gewesen, dass die Stellenausschreibung bei ihm Zweifel daran geweckt habe, ob die Mitteilung der Beklagten, es gebe keinen Beschäftigungsbedarf, der Wahrheit entsprach.

Gegen das ihr am 5. Dezember 2023 zugestellte Teilurteil des Arbeitsgerichts hat die Beklagte am 19. Dezember 2023 Berufung eingelegt und sie innerhalb der verlängerten Frist am 4. März 2024 begründet.

Die Berufung führt aus: Die Befristung beruhe auf einem gerichtlichen Vergleich, denn hierfür reiche es aus, dass er gerichtlich festgestellt worden sei. Dies sei hier der Fall. Der Gesetzgeber habe in § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG lediglich die außergerichtlichen Vergleiche aus dem Regelbeispiel ausklammern wollen. Auch der Sachgrund des vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs liege vor. Er setze nur die Prognose voraus, dass am Ende des Befristungszeitraums ein Bedarf an der Beschäftigung nicht mehr bestehe. Dies sei auch dann der Fall, wenn - wie hier - der Bedarf schon während der vorangegangenen Befristung geendet habe. Ein weiterer Befristungsgrund liege in der Eigenart der Arbeitsleistung. Hierunter fielen auch Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses. Diese lägen darin, dass die Hauptleistungspflicht des Klägers zum Ruhen gebracht worden und ihm daher Geld ohne Arbeit geschuldet sei. Darüber hinaus habe bei Vergleichsschluss im Oktober 2022 noch Bedarf an der Beschäftigung des Klägers bestanden; dieser habe nach der damaligen Prognose erst mit dem 31. Dezember 2022 am Tag der Abschaltung des Reaktors geendet.

Einen weiteren Sachgrund für die Befristung stelle es dar, dass - wie hier - eine Ungewissheit über die Dauer des Arbeitsverhältnisses beseitigt werde. Die Interessenlage entspreche derjenigen bei einer Prozessbeschäftigung. Bestehe zwischen den Parteien ein offener Streit über das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses, so könne dieser selbst durch einen außergerichtlichen Vergleich mit dem Inhalt einer weiteren Befristung beigelegt werden. Erst recht gelte dies für einen nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Var. 1 ZPO zustande gekommenen Vergleich.

Zu Unrecht habe das Arbeitsgericht ein treuwidriges Verhalten des Klägers verneint. Wer sich eine Leistung dafür gewähren lasse, dass er ausscheide, könne nicht mehr geltend machen, er müsse weiterhin beschäftigt werden. Der Kläger habe zahlreiche aktive "Vergleichsabwicklungsmaßnahmen" ergriffen.

Die Beklagte beantragt,

das Teilurteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor: Unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei der Sachgrund des gerichtlichen Vergleichs nicht gegeben. Die Vorschrift des § 278 Abs. 6 ZPO gebe für die Frage, ob ein Sachgrund vorliege, nichts her; dies regle ausschließlich das Teilzeit- und Befristungsgesetz. Entscheidend sei, ob durch eine gerichtliche Mitwirkung die Schutzinteressen des Arbeitnehmers sichergestellt würden. Hieran fehle es, wenn das Gericht einen Vergleich lediglich protokolliere, ohne Einfluss auf dessen Inhalt zu nehmen. Auf die anwaltliche Mitwirkung oder eine individuelle Aushandlung komme es nicht an. Die verantwortliche Mitwirkung des Gerichts am Vergleichsschluss sei auch unionsrechtlich geboten.

Ein vorübergehender Bedarf an der Arbeitsleistung könne die Befristung gleichfalls nicht rechtfertigen, denn der Kläger sei nicht zur Deckung dieses Mehrbedarfs eingestellt worden. Ohnehin habe, wie auch die Stellenausschreibung des Konzernschwesterunternehmens aus dem Sommer 2023 zeige, dauerhafter Beschäftigungsbedarf bestanden. Eine die Befristung rechtfertigende Eigenart der Arbeitsleistung bestehe für den Kläger als Facharbeiter gleichfalls nicht. Die Ungewissheit über die Dauer eines Arbeitsverhältnisses zu beseitigen, stelle ebenfalls keinen eigenen Sachgrund dar, denn der Streit über den Bestand des Arbeitsverhältnisses sei bereits Voraussetzung für eine Befristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs. Der Kläger habe sich nicht treuwidrig verhalten. Aus seinem Verlangen nach korrekten Lohnabrechnungen und einer Arbeitsbescheinigung könne nicht geschlossen werden, dass er sich nicht auf die Unwirksamkeit der Befristung berufen würde. Aus mittlerweile von der Beklagten geschalteten Stellenanzeigen ergebe sich, dass der Beschäftigungsbedarf nicht entfallen sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat Erfolg.

I.

Die gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 1, 2b ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist von dieser fristgemäß und formgerecht eingelegt und begründet worden (§ 66 Abs. 1, 2 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1, 2 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung ist begründet. Die Befristung des Arbeitsverhältnisses auf den 30. Juni 2024 ist zulässig, weil sie auf einem gerichtlichen Vergleich beruht und zudem durch die Eigenart der Arbeitsleistung gerechtfertigt ist.

1.

Die Befristung beruht auf einem gerichtlichen Vergleich iSv. § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG.

a)

Die Parteien vereinbarten die Befristung, indem sie einen Vergleich dadurch schlossen, dass sie im Rahmen eines Rechtsstreits dem Gericht einen übereinstimmenden schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiteten, § 278 Abs. 6 Satz 1 Var. 1 ZPO. Das Arbeitsgericht stellte das Zustandekommen des Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO durch Beschluss fest.

b)

Mit dem Vergleich legten die Parteien einen offenen Streit um den Fortbestand des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses bei.

aa)

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts setzt der Sachgrund des gerichtlichen Vergleichs das Bestehen eines offenen Streits der Parteien über den Fortbestand des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses voraus. Dafür sei es erforderlich, dass die Parteien gegensätzliche Rechtsstandpunkte darüber eingenommen hätten, ob bzw. wie lange zwischen ihnen ein Arbeitsverhältnis besteht. Insbesondere müsse der Arbeitnehmer nachdrücklich seine Rechtsposition vertreten und gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht haben. Der Arbeitgeber müsse es daraufhin abgelehnt haben, den Arbeitnehmer entsprechend seiner Forderung zu beschäftigen (BAG - 7 AZR 891/12 - Rn. 14, BAGE 150, 8 [BAG 12.11.2014 - 7 AZR 891/12]).

bb)

Diese Voraussetzung ist erfüllt. In dem durch Vergleich beendeten Vorprozess stritten die Parteien um die Wirksamkeit einer Befristung bis zum 15. September 2022 und damit um den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses. Ob die Kritik an der zitierten Rechtsprechung (vgl. etwa Lipke FS Preis S. 773, 775) berechtigt ist, bedarf daher keiner Entscheidung.

c)

Einer weitergehenden Mitwirkung des Arbeitsgerichts am Zustandekommen des Vergleichs bedurfte es für den Sachgrund gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG nicht.

aa)

Zwar verlangt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts für die Befristung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs, dass das Gericht bei dessen Zustandekommen auch inhaltlich verantwortlich mitwirkt, etwa indem es den Parteien den Vergleich vorschlägt. Beschränke sich die Mitwirkung des Gerichts auf die Feststellung, dass der Vergleich zustande gekommen sei, fehle es in der Regel an der erforderlichen verantwortlichen Mitwirkung des Gerichts (BAG 21. März 2017 - 7 AZR 369/15 - Rn. 16; 8. Juni 2016 - 7 AZR 467/14 - Rn. 23; 14. Januar 2025 - 7 AZR 2/14 - Rn. 26; 15. Februar 2012 - 7 AZR 734/10 - Rn. 20, BAGE 140, 368).

bb)

Dem vermag das Berufungsgericht jedoch nicht zu folgen.

(1)

Die zitierte Rechtsprechung hat mit gewichtigen Argumenten Kritik erfahren (vgl. zB KR-Lipke/Bubach 13. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 486 ff.; Staudinger/Temming [2022] BGB § 620 Rn. 164; Lipke FS Preis S. 773 ff.; zweifelnd auch ErfK/Müller-Glöge 24. Aufl. 2024 § 14 TzBfG Rn. 77 mwN). Sie wird unter anderem darauf gestützt, dass sich das Bundesarbeitsgericht über den gesetzlichen Wortlaut und den gesetzgeberischen Willen zu § 278 Abs. 6 ZPO hinwegsetze (Lipke FS Preis S. 773, 777; Marschner EzTöD 100 § 30 Abs. 1 TVöD Sachgrundbefristung Nr. 42), weil der Wortlaut des Gesetzes keinen Anhaltspunkt für die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Unterscheidung biete (LAG Sachsen-Anhalt 26. Februar 2015 - 3 Sa 318/13 - Rn. 53; Schnelle NZA 2018, 1445, 1446) und nach der Gesetzesbegründung zu § 278 Abs. 6 Satz 1 Var. 1 ZPO das Gericht zu prüfen habe, ob der Vergleich gegen Gesetze oder gegen die guten Sitten verstoße (Schnelle ebd.; Meinel/Heyn/Herms TzBfG 6. Aufl. § 14 Rn. 210).

(2)

Diese Kritik ist berechtigt.

(a)

Auch das Zustandekommen des Vergleichs nach § 278 Abs. 6 Satz 1 Var. 1 ZPO erfordert eine verantwortliche Mitwirkung des Gerichts. Nach der Gesetzesbegründung zur Neufassung dieser Vorschrift soll durch die Mitwirkung des Gerichts eine Gewähr dafür bestehen, dass der Vergleich nicht der öffentlichen Ordnung widerspricht, so dass sich die Prüfungskompetenz des Gerichts auch auf diesen Gesichtspunkt erstreckt. Grundsätzlich bestehen im schriftlichen Vergleichsverfahren dieselben gerichtlichen Prüfungskompetenzen wie bei einem protokollierten Vergleich (BT-Drs. 15, 3482, S. 17). Der Gesetzgeber wollte die Formen des Vergleichsschlusses gleich behandeln; dies findet sich im geltenden Recht wieder. So unterscheidet etwa § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht danach, ob der Vergleich gerichtlich protokolliert oder im Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt wurde. Für andere Vorschriften wie § 492 Abs. 3 Halbsatz 2 ZPO oder § 118 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 ZPO, die nach ihrem Wortlaut einen gerichtlich protokollierten Vergleich voraussetzen, ist anerkannt, dass der Vergleich auch nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen werden kann (BGH 1. Februar 2017 - XII ZB 71/16 - Rn. 35, BGHZ 214, 45). Der Schutz der Beteiligten vor einer übereilten Entscheidung im Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO dürfte sogar meist besser gewährleistet sein als bei der Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs im Rahmen einer mündlichen Verhandlung. Im Verfahren nach § 278 Abs. 6 ZPO wird den Beteiligten vor dem Vergleichsschluss entweder ein Vorschlag des Gerichts übermittelt oder die Parteien haben selbst einen Vergleichsvorschlag erarbeitet und bei Gericht eingereicht. In beiden Fällen haben die Beteiligten die Möglichkeit, die beabsichtigte Vereinbarung ausführlich und ohne Zeitdruck, gegebenenfalls unter Zuhilfenahme rechtlicher Beratung, zu prüfen. Bei einem protokollierten Vergleich werden die Beteiligten hingegen oft erstmals in der mündlichen Verhandlung den Vergleichstext zur Kenntnis nehmen können, um dann noch in der mündlichen Verhandlung entscheiden zu müssen, ob sie den Vergleich annehmen. Der Beschlussvergleich bietet daher jedenfalls keinen geringeren Schutz vor übereilten Entscheidungen als ein gerichtlich protokollierter Vergleich (BGH vom 1. Februar 2017 - XII ZB 71/16 - Rn. 37, BGHZ 214, 45). Dieses Argument greift für beide Varianten des Beschlussvergleichs.

(b)

Das Unionsrecht vermag die vom Bundesarbeitsgericht vorgenommene Unterscheidung gleichfalls nicht zu begründen. Unionsrechtlich ist nur der Missbrauch von Kettenbefristungen zu verhindern; den daraus folgenden Vorgaben kann dadurch effektiv Rechnung getragen werden, dass die gerichtliche Prüfung eines institutionellen Rechtsmissbrauchs auch bei Befristungen nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 8 TzBfG erfolgt (so auch BAG 12. November - 7 AZR 891/12 - Rn. 36, BAGE 150, 8 [BAG 12.11.2014 - 7 AZR 891/12]; KR-Lipke/Bubach 13. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 490). Eine solche Prüfung hat das Gericht bei jeder Form des Vergleichsschlusses vorzunehmen, bevor es dessen Zustandekommen nach § 278 Abs. 6 Satz 2 ZPO feststellt.

(c)

Die nur formale Unterscheidung danach, ob der Vergleichsvorschlag vom Gericht an die Parteien versandt wurde oder von diesen an das Gericht, wird der Interessenlage im Einzelfall nicht gerecht. Dies zeigt der Streitfall exemplarisch: Der anwaltlich vertretene Kläger konnte nach der gescheiterten Güteverhandlung in längeren außergerichtlichen Verhandlungen und nach umfangreichem Schriftwechsel einen aus seiner Perspektive gegenüber den früheren Vorschlägen der Beklagten deutlich verbesserten Vergleich erzielen. Sein Verhandlungserfolg bestand in einer längeren Dauer des Arbeitsverhältnisses und in einer bezahlten Freistellung. Anhaltspunkte für einen institutionellen Rechtsmissbrauch, für Gesetzes- oder Sittenverstöße sind nicht ersichtlich. Dementsprechend stellte das Arbeitsgericht das Zustandekommen des Vergleichs fest, ohne dass ersichtlich wäre, dass es seine Prüfungspflicht vernachlässigt hätte.

Bei dieser Sachlage sieht das Berufungsgericht keinen Grund, entgegen dem Gesetzeswortlaut der Befristungsabrede die Zulässigkeit abzusprechen. Die bloße Möglichkeit, dass in anderen Fällen ein Gericht seiner Pflicht, den Vergleich auf Rechtsverstöße zu überprüfen, nicht nachkommt, reicht dafür nicht aus. Es kann den Gerichten nicht unterstellt werden, dass sie regelmäßig pflichtwidrig davon absehen, von den Parteien eingereichte Vergleichsvorschläge auf Verstöße gegen Strafgesetze, nach §§ 134, 138 BGB oder gegen die ausgewogene Berücksichtigung der Schutzinteressen des Arbeitnehmers zu überprüfen (KR-Lipke/Bubach 13. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 488). Die zitierte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hat nur zur Folge, dass die Parteien nunmehr regelmäßig - ebenso wie im Falle § 278 Abs. 6 Satz 1 Var. 1 ZPO - mit einem bereits ausverhandelten Vergleich an das Gericht herantreten und es bitten, von sich aus diesen Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Damit ist die Einflussnahme des Gerichts zwar dokumentiert, aber inhaltlich letztlich nichts gewonnen (LAG Niedersachsen 5. November 2013 - 1 Sa 489/13 - Rn. 63); ob das Gericht seine ihm bei jedem Vergleichsschluss obliegende Überprüfungspflicht vollständig erfüllt hat, ist in beiden Fällen gleichermaßen schwierig zu verifizieren. Es besteht daher kein Grund, Vergleiche wie den vorliegenden anders zu behandeln als einen Vergleich mit endgültigem Verlust des Arbeitsplatzes gegen Zahlung einer Abfindung (Lipke FS Preis S. 773, 778 f. mwN). Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass ein zwischen den Parteien ausgehandelter Vergleich, der dem Gericht nach § 276 Abs. 6 Satz 1 Var. 1 ZPO unterbreitet wird, von der Privatautonomie der Parteien getragen wird (Staudinger/Temming [2022] BGB § 620 Rn. 164).

Soweit sich der Kläger darauf beruft, die Beklagte habe den Wegfall des Arbeitsplatzes wahrheitswidrig behauptet, spricht dies nicht gegen das gefundene Ergebnis. Ihm hätte gegebenenfalls die Möglichkeit offen gestanden, den Vergleich anzufechten.

2.

Ferner rechtfertigt vorliegend die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung.

a)

Bei diesem Befristungsgrund handelt es sich um einen an den Charakter der Arbeitsleistung anknüpfenden Sammeltatbestand (KR-Lipke/Bubach 13. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 298 mwN). Der Begriff der "Eigenart der Arbeitsleistung" ist nicht so zu verstehen, dass nur die Eigenart der Arbeitsleistung als solche, nicht aber Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt werden könnten. Die Arbeitsleistung wird im Rahmen des Arbeitsverhältnisses erbracht und kann nicht davon losgelöst betrachtet werden (BAG 17. Juni 2020 - 7 AZR 398/18 - Rn. 34). Die Eigenart der Arbeitsleistung kann die Befristung eines Arbeitsvertrages aber nur dann rechtfertigen, wenn die Arbeitsleistung Besonderheiten aufweist, aus denen sich ein berechtigtes Interesse der Parteien, insbesondere des Arbeitgebers, ergibt, statt eines unbefristeten nur einen befristeten oder auflösend bedingten Arbeitsvertrag abzuschließen. Diese besonderen Umstände müssen das Interesse des Arbeitnehmers an der Begründung eines Dauerarbeitsverhältnisses überwiegen. Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG erfordert daher eine Abwägung der beiderseitigen Interessen, bei der auch das Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers angemessen zu berücksichtigen ist (BAG 1. Juni 2022 - 7 AZR 151/21 - Rn. 21).

b)

Daran gemessen sind die an einen Sachgrund nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 TzBfG zu stellenden Anforderungen erfüllt. Die Parteien vereinbarten die Befristung zugleich mit einer bezahlten Freistellung des Klägers für den gesamten Befristungszeitraum. Wie das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, weist die Vergleichsregelung damit Ähnlichkeiten zu einer Abfindungslösung auf, wie sie von den Parteien ebenfalls erörtert, letztlich jedoch nicht vereinbart wurde. Die wirtschaftliche Kompensation sollte stattdessen durch eine Regelung erfolgen, die für einen bestimmten Zeitraum die Zahlung von Vergütung ohne Erbringung einer Arbeitsleistung vorsah. Die Beklagte hatte gleichermaßen wie bei einer Abfindung ein berechtigtes Interesse daran, dass der von ihr zu zahlende Betrag durch den Vergleich festgelegt wurde. Bei einer bezahlten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Aufhebung der Hauptpflicht des Arbeitnehmers lässt sich dies nur durch eine Befristung erreichen. Dies ist eine die Befristung rechtfertigende Besonderheit des Arbeitsverhältnisses.

3.

Ob der Beklagten noch weitere Sachgründe für die streitbefangene Befristungsabrede zur Seite stehen, braucht danach nicht entschieden zu werden. Gleiches gilt für die Frage, ob der Kläger sich treuwidrig verhalten hat.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Über die Kosten der ersten Instanz wird das Arbeitsgericht zu entscheiden haben, weil dort noch ein Teil des Rechtsstreits anhängig ist.

IV.

Die Zulassung der Revision ergibt sich aus § 72 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ArbGG.