Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.03.2024, Az.: 11 Sa 588/23

Berechnung der zurückzuzahlenden Ausbildungsvergütung im öffentlichen Dienst

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
19.03.2024
Aktenzeichen
11 Sa 588/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 20741
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:0319.11Sa588.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Lingen - 01.08.2023 - AZ: 4 Ca 26/23 Ã

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur Auslegung des Tarifbegriffs "von der Nachwuchskraft zu vertretender Grund" in § 30 Abs. 1 TVN-BA

  2. 2.

    Die Berechnung der zurückzuzahlenden Ausbildungsvergütung nach einem Vielfachen der "monatlichen Ausbildungsvergütung" in § 30 Abs. 2 TVN-BA ist nicht hinreichend bestimmt.

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen - 4 Ca 26/23 Ö - vom 01.08.2023 abgeändert.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Rückzahlung von Ausbildungsvergütung.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Lingen hat mit Urteil vom 01.08.2023 der Klage stattgegeben. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ergebe sich aus § 2 des Ausbildungstarifvertrages in Verbindung mit § 30 TVN-BA. Auf die zusätzliche Erklärung vom 31.05.2018 komme es nicht an.

Die Beklagte sei Nachwuchskraft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 TVN-BA. Laut § 1 des Ausbildungsvertrages sei die Beklagte als Studierende für die Dauer des Studienganges Arbeitsmarktmanagement an der Hochschule der A. eingestellt.

Die Beklagte habe ihr Arbeitsverhältnis zur Klägerin mit Kündigung vom 00.00. zum 00.00.0000 noch im ersten Jahr der Beschäftigung beendet. Das Arbeitsverhältnis sei "im Anschluss an den erfolgreichen Abschluss der Ausbildung" zum 00.00.0000 geschlossen worden.

Es liege auch kein arbeitgeberseitiges Verhalten vor, dass die Beklagte zum Ausspruch einer Eigenkündigung berechtigt hätte. Das Arbeitsverhältnis ende damit aus einem von der Beklagten zu vertretenden Grund.

Nach Auffassung der Kammer stellten die von der Klägerin geschilderten Konflikte der Klägerin mit ihren Kolleginnen im Ausgangspunkt zwischenmenschliche Konflikte dar, die im Arbeitsleben nicht zu vermeiden seien. Soweit die Klägerin geltend mache, der Teamleiter habe nicht adäquat reagiert, sei bereits nicht ersichtlich, welche Umstände dem Teamleiter konkret geschildert worden seien sollten in dem Gespräch "im November". Nichts anderes ergebe sich auch im Blick auf die Behauptung, der Teamleiter habe es ihr verwehrt, eine Stelle im Bereich Kurzarbeitergeld anzutreten bzw. ihre Bewerbung an eine andere Dienststelle vereitelt, indem er keine Beurteilung erteilt habe. Es bleibe offen, was genau die Beklagte gegenüber dem Teamleiter jeweils gesagt haben wolle.

Auch eine behauptete mangelhafte Einarbeitung rechtfertige ebenfalls keine Kündigung der Beklagten, es bestehe insoweit ein weiter Spielraum des Arbeitgebers. Die Behauptung der Beklagten verblieben pauschal und für die Klägerin nicht einlassungsfähig.

Unabhängig von den Vorwürfen im Einzelnen wäre die Beklagte vor Ausspruch einer Kündigung in einer derartigen Gemengelage gehalten gewesen, eine Abmahnung auszusprechen, dass habe sie aber nicht getan.

§ 30 TVN-BA sei über § 2 des Ausbildungsvertrages wirksam einbezogen. Ein Verstoß gegen AGB-Recht liege nicht vor. Die rechtswirksame Einbeziehung scheitere weder am Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB, noch liege eine überraschende Klausel im Sinne des § 305c BGB vor.

Ein Verstoß gegen aus Art. 12 Abs. 1 GG abgeleitete Grundsätze liege nicht vor. Auch der Einwand der Ungleichbehandlung gegenüber Studierende, die mehr als 3 Jahre zum Abschluss des Studiums benötigten, greife nicht. Den Tarifvertragsparteien sei im Rahmen ihrer Autonomie zuzugestehen eine möglichst einfache und klare Regelung zu treffen. Genauso sei es unbedenklich, dass die Rückforderungsklausel keine Quotelung pro rata temporis enthält.

Die Regelung sei auch nicht mit Blick auf die Rechtsfolge unbestimmt und damit unwirksam. Die Höhe der Rückzahlungsverpflichtung bestimme sich nach der in § 30 Abs. 2 TVN-BA enthaltenen Staffelung und der monatlichen Ausbildungsvergütung, die vorliegend in § 3 des Ausbildungsvertrags konkret beziffert sei. Die Beklagte habe daher bei Vertragsschluss ohne weiteres erkennen können, in welcher Höhe eine Erstattungspflicht auf Sie zukommt. Zurückzuzahlen sei "die" Ausbildungsvergütung. Für Studierende gebe es bei der Klägerin nur eine geltende Ausbildungsvergütung, die sich auch nicht wie bei Auszubildenden abhängig vom Ausbildungsjahr staffele. Die zeitliche Abstufung erfolge nur in Anbetracht üblicher Lohnsteigerungen.

Die Rückzahlung scheitere auch nicht an § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BBiG.

Die Parteien hätten die Rechtsgrundlage für die Rückzahlung auch nicht durch den Auflösungsvertrag aus August 2021 aufgehoben. Hierfür müsste den wechselseitigen Willenserklärungen neben der Auflösung des Ausbildungsverhältnisses konkludent oder ausdrücklich gleichermaßen zu entnehmen sei, dass auch die nachvertragliche Rückzahlungspflicht entfallen sollte. Für einen solchen Willen lasse sich den Erklärungen jedoch nichts entnehmen.

Das 15-fache der Ausbildungsvergütung habe die Klägerin rechnerisch richtig ermittelt.

Gegen dieses ihr am 23.08.2023 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.09.2023 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Begründungsfrist fristgemäß am 16.11.2023 begründet.

§ 30 TVN-BA genüge schon nicht dem Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit und sei insgesamt unwirksam. Es sei durch eine Auslegung nach den Regeln der juristischen Methodenlehre schon nicht hinreichend zu konkretisieren, welche "Ausbildungsvergütung" hinreichend konkret gemeint sei. Der in dem Ausbildungsvertrag genannte Betrag von 1.570,00 € tauche in dem vorgelegten § 7 TVN-BA nicht einmal auf, das Arbeitsgericht lege ihn auch nicht zugrunde.

Weiter sei nicht hinreichend konkret ersichtlich, was als "Erstattungsbetrag" gemeint sei. In § 30 Abs. 1 TVN-BA sei ausgeführt, dass "Ausbildungskosten" von der Nachwuchskraft zu erstatten seien. Dazu gehörten allerdings auch die unständigen Vergütungsbestandteile nach § 8, Entschädigung bei Dienstreisen nach § 9, Entgelt im Krankheitsfall nach § 11, Vermögenswirksame Leistungen nach § 13, die Jahressonderzahlung nach § 14, zusätzliche Altersversorgung nach § 15, Übernachtungskosten, Reisekosten, Trennungsgeld nach § 27. Mit Schreiben vom 30.08.2022 sei die Beklagte selbst von einem monatlichen Bruttobetrag von 2.101,65 € ausgegangen.

Es erschließe sich aus den Ausführungen des Arbeitsgerichts auch nicht, warum auf die "zuletzt gezahlte" Vergütung abzustellen sein solle. § 30 Abs. 2 TVN-BA sei gerade nicht so formuliert. Es gebe gerade nicht "nur eine in Betracht kommende Vergütung", wie das Arbeitsgericht ausführe. Anders als etwa in § 18 Abs. 2 TVSöD sei in § 30 TVN-BA gerade nicht ausgeführt, was mit Ausbildungskosten konkret gemeint sei. Außerdem sei in dem ebenfalls in Bezuggenommenen § 39a des Tarifvertrages für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der A. Regelungen für den Fall der Rückforderungen von Arbeitsentgelt enthalte. Umso wichtiger wäre es, dass die Tarifvertragsparteien § 30 TVN-BA klare Regelungen geschaffen hätten.

Die Beklagte verbleibe auch dabei, dass § 30 TVN-BA wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG unwirksam sei. Mit der im Schriftsatz vom 24.07.2023 vorgenommenen Beispielrechnung setze sich das Arbeitsgericht nicht auseinander. Das Rechenbeispiel zeige, dass ein krasses, nicht mehr hinnehmbares Missverhältnis vorliege. Auszubildende, welche die Ausbildung in der Regelzeit innerhalb von drei Jahren abschließen, sollten 41,66 % der Ausbildungsvergütung zurückzahlen, während Auszubildende, welche nahezu die doppelte Ausbildungszeit in Anspruch nehmen und damit einen nahezu doppelten Vorteil in Form der Ausbildungsvergütung erhalten haben, sollten dann nur noch 25 % zurückzahlen müssen. Damit hätten die Tarifvertragsparteien ihren Gestaltungsspielraum im Rahmen der Tarifautonomie überschritten. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG begrenze als fundamentale Gerechtigkeitsnorm auch die Tarifautonomie (BAG 9 AZR 219/22).

§ 30 TVN-BA verstoße auch gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Die Verpflichtung zur Rückzahlung von Ausbildungskosten dürfe nicht schlechthin an das Ausscheiden aufgrund einer Eigenkündigung geknüpft werden. Bereits im Schriftsatz vom 27.04.2023 sei unter Beweisantritt ausgeführt worden, dass die Beklagte aufgrund der Situation am Arbeitsplatz verstärkt unter Migräneanfällen, Angstzuständen und Panikattacken gelitten habe.

Jedenfalls sei die Klage der Höhe nach unschlüssig. Im Fall der Erstattung vom Bruttovergütung habe der Arbeitgeber gegen den Arbeitnehmer nach § 26 Abs. 2 und 3 SGB IV nur einen Anspruch auf Abtretung des gegen den Sozialversicherungsträger bestehenden Erstattungsanspruches. Diesen habe die Klägerin nicht beziffert.

Die Beklagte verbleibe auch dabei, dass § 30 TVN-BA nicht wirksam in den Ausbildungsvertrag einbezogen worden sei.

Schließlich könne nach der auch anzuwendenden Regelung des § 39a Abs. 5 TV-BA von der Rückforderung von Arbeitsentgelt aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden. Der Klägerin sei insoweit mithin ein Ermessen eingeräumt, von welchem sie allerdings nicht einmal im Ansatz Gebrauch gemacht habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 01.08.2023 - 4 Ca 26/23 Ö - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Das Bestimmtheitsgebot sei nur verletzt, wenn sich Tarifnormen auch durch eine Auslegung nach den Regeln der juristischen Methoden nicht hinreichend konkretisieren ließen und ihre Anwendung daher nicht mehr vorhersehbar und justiziabel sei. An einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot seien hohe Anforderungen zu stellen. § 30 Abs. 1 TVN-BA, in dem von "Ausbildungskosten" die Rede sei, regele die Rückerstattungspflicht nur dem Grunde nach. § 30 Abs. 2 regele sodann die Anspruchshöhe. Dabei werde auf ein Vielfaches der monatlichen Ausbildungsvergütung abgestellt. Die sonstigen von der Beklagten genannten Vergütungsbestandteile fielen somit erkennbar nicht unter den Anwendungsbereich des § 30 Abs. 2 TVN-BA.

Die Höhe der maßgeblichen Ausbildungsvergütung könne nur in Abhängigkeit vom Fälligkeitszeitpunkt bestimmt werden. Damit gebe es, wie das Arbeitsgericht zutreffend feststelle, immer nur eine in Betracht kommende Vergütung. Dies wahre auch die Voraussetzung, dass der ggf. zur Rückzahlung Verpflichtete bereits bei Abschluss der Vereinbarung sein Rückzahlungsrisiko abschätzen könne.

§ 39a TV-BA regele die Rückforderung von zu Unrecht gezahltem Entgelt und damit eine gänzlich andere Konstellation als § 30 TVN-BA.

Hinsichtlich der von der Beklagten geltend gemachten Grundrechtsverstöße hätten mehrere Landesarbeitsgerichte bestätigt, dass weder ein Verstoß gegen Art. 12 noch gegen Art. 3 GG vorliege.

Die Vorschrift des § 26 SGB IV sei vorliegend nicht anwendbar.

Auch die vertragliche in Bezugnahme des § 30 TVN-BA sei nicht zu beanstanden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Protokollerklärung der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Berufung ist zulässig gemäß § 519, 520 ZPO, §§ 64, 66 ArbGG.

II.

Die Berufung ist auch begründet. Einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung von Ausbildungskosten besteht nicht.

1.

In § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Ausbildungsvertrages ist die tarifliche Rückzahlungsverpflichtung des § 30 TVN-BA wirksam in Bezug genommen. Gegen die vertragliche Inbezugnahme des vollständigen Tarifwerkes bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken nach den §§ 305 ff. BGB. Die Kammer macht sich insoweit die Ausführungen des Arbeitsgerichts ausdrücklich zu Eigen (§ 69 Abs.2 ArbGG).

Mit ebenso zutreffenden Erwägungen hat das Arbeitsgericht angenommen, dass mit dem Aufhebungsvertrag nicht zugleich die nachvertragliche Verpflichtung zur ggf. Erstattung von Ausbildungskosten aufgehoben ist.

2.

Es entspricht gesicherter Rechtsprechung, dass ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers bestehen kann, einen Arbeitnehmer nach abgeschlossener Ausbildung für einen gewissen Zeitraum an das Arbeitsverhältnis zu binden und bei unberechtigter vorheriger Kündigung durch den Arbeitnehmer zumindest einen Teil der aufgewendeten Ausbildungskosten zurückzuerhalten. Derartige Rückzahlungsklauseln sind in verschiedenen Varianten anzutreffen; die Beklagte hat etwa hingewiesen auf den Tarifvertrag für Studierende in ausbildungsintegrierten dualen Studiengängen im öffentlichen Dienst (TVSöD). Zu betonen ist, dass es sich vorliegend nicht um eine einzelvertragliche Klausel handelt (dazu etwa BAG 6.9.95, 5 AZR 174/94, BAGE 81, 5), sondern um eine tarifliche Regelung. Im Ergebnis sind unter dem Gesichtspunkt des Art. 12 Abs. 1 GG durchgreifende Bedenken gegen die Wirksamkeit der Tarifnorm nicht ersichtlich, ohne das auf alle Einzelheiten einzugehen ist. Größere Bedenken bestehen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG. Wie die Beklagte dargestellt hat, treffen an dieser Stelle zwei rechnerische Aspekte zusammen. Zum einen ist die Zahl der höchstens zu erstattenden 15 Monatsvergütungen unabhängig von der Dauer der Ausbildung, d. h. unabhängig von der Zahl der von der Arbeitgeberin bezahlten Ausbildungsmonate. Wer wie die Beklagte das Studium in drei Jahren abschließt, hat ggf. dieselbe Zahl an Raten zurückzuzahlen, wie jemand, der sein Studium in 5 Jahren absolviert hat. Ferner sieht die Tarifvorschrift eine Minderung der Rückzahlungspflicht nicht anteilig nach Monaten, sondern in deutlich gröberer Stufung nach vollen Jahren des Bestehens des Arbeitsverhältnisses vor. Im Fall der Beklagten bedeutet dies, dass trotz einer Vertragsdauer von 10 Monaten eine Minderung ihrer Zahlungsverpflichtung überhaupt nicht eintritt. In der Vergangenheit hat die Rechtsprechung den Tarifvertragsparteien unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität einen weiten Bewertungsspielraum eingeräumt (etwa BAG 6.9.95, 5 AZR 174/94, BAGE 81, 5; LAG Hamm 11.1.13, 1 Sa 1006/13, LAGE § 611 BGB 2002 Ausbildungsbeihilfe N. 6). Die Frage, mit welcher Intensität die Gerichte für Arbeitssachen Tarifnormen unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG zu prüfen haben, ist allerdings in den letzten Jahren in die Diskussion geraten (vgl. BAG 28.3.23, 9 AZR 219/22, AP Nr. 123 zu § 7 BUrlG). Letztlich mag dies dahinstehen.

3.

Die Beklagte war Nachwuchskraft im Sinn des § 1 Abs. 1 Satz 2, § 30 Abs.1 lit.b TVN-BA, wie das Arbeitsgericht zutreffend festgestellt hat.

4.

Ob vorliegend ein Tatbestand der Rückzahlung der Ausbildungsvergütung nach § 30 Abs. 1b TVN-BA in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorliegt, ist problematisch.

Die Rückzahlung von Ausbildungsvergütung hat im öffentlichen Dienst eine Parallele zum Beamtenrecht. Das Bundesverwaltungsgericht hat in der Entscheidung vom 04.07.2022 (2 B 5/22; NVWZ 23, 171) ausgeführt:

"Das Ausscheiden aus dem Dienst ist dann von dem Beamten auf Widerruf zu vertreten, wenn es auf Umständen beruht, die seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen sind. Das ist in der Regel der Fall, wenn die Umstände maßgeblich durch das Verhalten des Beamten geprägt sind, wobei die Motive für das Ausscheiden aus dem Dienst zu berücksichtigen sind. Entscheidend ist, ob das Verhalten des Beamten auf Widerruf ... billigerweise dem von dem Bediensteten oder dem vom Dienstherrn zu verantwortenden Bereich zuzuordnen ist."

Bezüglich der Auswertung arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung ist darauf hinzuweisen, dass insbesondere einzelvertragliche Klauseln in der Formulierung unterschiedlich ausfallen. Mit einem "Vertretenmüssen" ist nach Sinn und Zweck nicht primär die Ebene des Verschuldens im Sinne des § 276 BGB gemeint, sondern insbesondere der objektivierbare Anlass der Beendigung des Vertragsverhältnisses.

Nach allgemeinen prozessualen Regelungen ist die Klägerin als Arbeitgeberin darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruches. Allerdings gelten ebenso die allgemeinen Grundsätze über die sogenannte gestufte Darlegungs- und Beweislast. Über Tatsachen oder Beweggründe des Prozessgegners, hier der Beklagten, kann die Klägerin häufig keine nähere Kenntnis haben. Vielmehr ist es dann prozessuale Verpflichtung der Beklagten gemäß § 138 Abs. 2 ZPO, die von ihr geltend gemachten Gründe für die Beendigung des Vertragsverhältnisses konkret vorzutragen. Die Klage kann nur dann Erfolg haben, wenn die Arbeitgeberin im nächsten Schritt das Nichtvorliegen der von der Beklagten geltend gemachten Gründe beweisen kann.

Eine gewisse Ähnlichkeit weist die gesetzliche Vorschrift des § 628 BGB auf. Dennoch bestehen zwischen einer tarifvertraglichen Klausel über die Rückzahlung von Ausbildungsvergütung und § 628 BGB auch erhebliche Unterschiede. § 628 BGB knüpft ausdrücklich an die Voraussetzungen des Ausspruchs einer fristlosen Kündigung an. Dies verlangt den unzweifelhaften Nachweis eines vertragswidrigen Verhaltens der Gegenseite. Ferner ist Voraussetzung einer wirksamen fristlosen Kündigung regelmäßig der vorherige erfolglose Ausspruch einer Abmahnung. Beide Anforderungen werden im Hinblick auf eine Rückzahlungsklausel nicht in dieser Schärfe zu verlangen sein (es sei denn der Tarifvertrag selbst stellt eine Anknüpfung an § 626 BGB ausdrücklich her, wie § 18 Abs. 2 lit. b) TVSöD). Allerdings wird auch im Hinblick auf eine Rückzahlungsklausel zu verlangen sein, dass dem anderen Vertragsteil, hier dem Arbeitgeber konkret die Möglichkeit eingeräumt wird, eventuelle Störungen im Vertragsverhältnis zu beheben; das gilt etwa auch dann, wenn eine ausbildungsadäquate Beschäftigung im Anschluss an die Ausbildung unterbleibt (BAG 5.12.02, 6 AZR 537/00, AP Nr. 11 zu § 5 BBiG).

Die Beklagte hat weiter vorgetragen, sie habe im Anschluss eine vergleichbare Tätigkeit bei einer Kommune bei geringerer Vergütung aufgenommen. Dies würde darauf hindeuten, dass weder eine Abkehr vom Berufsbild noch eine bessere Karriereaussicht die Klägerin zum Wechsel bewogen haben, sondern die Unzufriedenheit mit der Beschäftigungssituation bei der Beklagten. In tatsächlicher Hinsicht bestehen insofern erhebliche Schwächen auf Seiten der Beklagten, weil sie einerseits weder konkrete medizinische Befunde vorgelegt, noch jemals schriftlich fixierte Beschwerden an die zuständige Personalverwaltung versandt hat. Die letzten konkret von der Beklagten geschilderten Vorgänge datieren in den Dezember 2021; für die letzten 6 Monate des Arbeitsverhältnisses trägt die Beklagte keine konkreten Vorfälle vor. Ob nur ein subjektives Überforderungsgefühl auf Seiten der Beklagten oder tatsächliche Führungsmängel auf Seiten des Teamleiters vorgelegen haben, ist daher nur schwer zu beantworten. Auch dies mag letztlich dahinstehen.

5.

Denn jedenfalls ist die konkrete Bezifferung der zurückzuzahlenden "monatlichen Ausbildungsvergütung" gemäß § 30 Abs. 2 TVN-BA zu unbestimmt.

Zwar ist für das Grundverständnis der Tarifnorm klarzustellen, dass es sich um eine pauschalierende Regelung handelt, mit der ein bestimmter Anteil der vom Arbeitgeber insgesamt erbrachten Ausbildungskosten zurückverlangt werden kann. Gegen eine derartige pauschalierte Berechnungsmethode ist aus Gründen der Vereinfachung im Grundsatz nichts einzuwenden (etwa BAG 5 AZR 174/94 aaO.). Zugleich ergibt sich aus diesem konstruktiven Weg, dass es sich nicht um einen Fall der Rückforderung von Vergütung im Sinne des § 26 SGB IV handelt.

Schon die Vorgehensweise der Klägerin selbst im konkreten Fall weckt Zweifel an der Bestimmtheit der Tarifnorm, wenn die Arbeitgeberin als Tarifvertragspartei selbst über die zutreffenden Berechnung im Unklaren ist. In der vorgerichtlichen Geltendmachung hatte die Klägerin noch zusätzlich weitere Nebenkosten der monatlichen Ausbildung mit einberechnet, so dass sie einen Monatsbezug von rund 2.100,00 € zugrunde legte. In der Klage zugrunde gelegt hat die Klägerin die zuletzt gezahlte Ausbildungsvergütung von 1.645,00 €, während im Ausbildungsvertrag ursprünglich eine Vergütung von 1.570,00 € ausgewiesen war. Schriftsätzlich argumentiert die Klägerin in der Berufung damit, es sei auf die Fälligkeit der Rückforderung abzustellen. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Eigenkündigung hatte sich allerdings die Ausbildungsvergütung weiter erhöht auf 1.670,00 €. Angesichts einer Bindungsfrist von 3 Jahren wäre ggf. bei einer Eigenkündigung im Folgejahr eine weitere Erhöhung des Betrages zu erwarten gewesen.

In rechtlicher Hinsicht sind zwei Aspekte zu unterscheiden: Zum einen die notwendige Transparenz einer Rückzahlungsklausel dahingehend, dass die Auszubildende weiß, was "auf sie zukommt". Hierfür ist die abstrakte Angabe einer "Monatsvergütung" durchaus geeignet. Im gerichtlichen Streitverfahren muss aber ein Zahlungsbetrag auch eindeutig bezifferbar sein. Selbst bei einer Veränderung der Monatsvergütung um wenige zig Euro ergeben sich bei der Summe des 15-fachen schnell Abweichungen, die in Richtung eines Gesamtbetrages von 1.000,00 € gehen können. Die Tarifvertragsparteien hätten das Problem auf einfache Weise lösen können, in dem etwa die Formulierung "die zuletzt gezahlte Ausbildungsvergütung" verwendet worden wäre. Auch könnte auf einen Bruchteil der konkret gezahlten gesamten Ausbildungsvergütung abgestellt werden. Beides ist im Tarifwortlaut jedoch nicht der Fall.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Revision ist gem. § 72 Abs. 2 Nr.1 ArbGG zugelassen worden.