Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.08.2024, Az.: 6 Sa 799/23

Anspruch eines freigestellten Betriebsratsmitglieds auf die Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer mit beruflicher betriebsüblicher Entwicklung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
15.08.2024
Aktenzeichen
6 Sa 799/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 22621
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:0815.6Sa799.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 15.11.2023 - AZ: 3 Ca 166/23

Fundstellen

  • ArbR 2024, 511
  • NZA-RR 2024, 603-607

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Der Anspruch eines freigestellten Betriebsratsmitglieds auf die Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer mit beruflicher betriebsüblicher Entwicklung folgt aus § 611a Abs.2 BGB i.V.m § 37 Abs.4 BetrVG.

  2. 2.

    Das Betriebsratsmitglied kann sich den Vortrag des Arbeitgebers zur Vergleichsgruppenbildung hilfsweise zu eigen machen.

  3. 3.

    Bei einer kleinen Vergleichsgruppe, innerhalb derer tarifliche Höherstufungen nach keinem erkennbaren System erfolgt sind, ist für die Ermittlung der betriebsüblichen Entwicklung auf die durchschnittliche Erhöhung abzustellen. Dem steht die Entscheidung des BGH vom 10.01.2023 - 6 StR 133/2223 nicht entgegen.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts vom 15.11.2023 - 3 Ca 166/23 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Bemessung der Vergütung des Beklagten.

Der am 00.00.0000 geborene Beklagte ist bei der Klägerin, einem Unternehmen der Automobilindustrie, seit dem 14.11.1995 tätig und seit dem 04.05.2002 freigestelltes Mitglied des bei der Klägerin in deren Betrieb gebildeten Betriebsrates.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die zwischen der Klägerin und der IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt geschlossenen Tarifverträge Anwendung.

Der Beklagte ist ausgebildeter Maurer. Er war bis zum 04.05.2002 als Güteprüfer tätig und in die Entgeltstufe (ES) 11 eingruppiert.

Zur Bestimmung der Entgeltentwicklung von Betriebsratsmitgliedern hat die Klägerin mit dem Gesamtbetriebsrat verschiedene Vereinbarungen getroffen und zwar mit Wirkung ab dem 01.10.1991 die Regelung über die Einsetzung einer Kommission zu § 37 Abs. 4 BetrVG (vgl. Bl. 144 der erstinstanzlichen Akte), mit Wirkung ab dem 01.04.2012 die Gesamtbetriebsvereinbarung "Kommission zur Festlegung der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern der Aktiengesellschaft" nebst Geschäftsordnung (vgl. Bl. 142 u. 143 der erstinstanzlichen Akte) sowie mit Wirkung ab dem 01.12.2020 die Gesamtbetriebsvereinbarung "Bestimmung der Entgeltentwicklung von Betriebsratsmitgliedern (GBV 2020, vgl. Bl. 167 - 171 der erstinstanzlichen Akte).

Mit Schreiben vom 14.10.2002 teilte die Kommission für die Festlegung der Vergütung der Betriebsratsmitglieder dem Beklagten mit, sie habe sein Entgelt entsprechend der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer mit betrieblicher Entwicklung gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG der Entgeltstufe 12 angepasst, seine Vergütung betrage daher ab dem 01.10.2002 3.721,00 € (Bl. 55 der erstinstanzlichen Akte). Die Klägerin zahlte seit dem 01.10.2002 auf dieser Grundlage die Vergütung an den Beklagten. Mit Schreiben vom 15.11.2006 (Bl. 354 der erstinstanzlichen Akte) teilte die Kommission dem Beklagten mit identischem Wortlaut mit, dass sein Arbeitsentgelt ab dem 01.12.2006 der Entgeltstufe 13 angepasst werde. Dementsprechend leistete die Klägerin ab dem 01.12.2006 Vergütung an den Beklagten. Mit Schreiben vom 10.11.2008 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, die Kommission Betriebsratsvergütung habe sein Arbeitsentgelt entsprechend der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG angepasst und zum 01.12.2008 nach Entgeltstufe 14 erhöht (Bl. 353 der erstinstanzlichen Akte). Dementsprechend zahlt die Klägerin an den Beklagten anschließend eine Vergütung nach ES 14.

Aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10.01.2023 - 6 StR 133/22 - sah sich die Klägerin veranlasst, die den freigestellten Betriebsratsmitgliedern gezahlten Vergütungen einer internen Überprüfung zu unterziehen. Sie erachtete danach eine Eingruppierung des Beklagten in ES 13 als zutreffend. Seit Februar 2023 gewährt die Klägerin dem Beklagten ein Gehalt nach Entgeltstufe 13. Die Differenz zwischen den Entgeltstufen ES 13 und ES 14 beträgt Stand Mai 2023 monatlich 298,00 € brutto.

Mit der am 11.05.2023 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage begehrt die Klägerin - soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung - die Feststellung, dass der Beklagte zutreffend in Entgeltgruppe 13 eingruppiert und entsprechend zu vergüten ist. Der Beklagte hat - soweit für das Berufungsverfahren von Bedeutung - die Klägerin widerklagend einerseits auf Zahlung der Differenz zwischen der nach ES 13 geleisteten zu - nach seiner Ansicht - nach ES 14 geschuldeten Vergütung in Anspruch genommen sowie die Feststellung begehrt, dass die Klägerin verpflichtet sei, den Beklagten seit dem 01.02.2023 nach ES 14 zu vergüten nebst Zinsen auf die Differenzbeträge.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, angesichts des aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes resultierenden Strafrechtsrisikos habe sie sich gezwungen gesehen, die Entgelte sämtlicher Betriebsräte zu überprüfen. Bei der Vergleichsgruppenbildung für den Beklagten habe sie unter Zugrundelegung der Vergleichsmerkmale in Gestalt der gleichen Tätigkeit in demselben Betrieb, einer ähnliche Qualifikation (insbesondere schulische und fachliche Ausbildung), der Eingruppierung in dieselbe Tarifgruppe und eines vergleichbares Lebensalter, Einstellungsdatums sowie der Dauer der Betriebszugehörigkeit 17 potentielle Vergleichspersonen ermitteln können, die zum Zeitpunkt der Amtsübernahme am 02.05.2002 am Standort in der ES 11 als Güteprüfer/in eingruppiert gewesen seien. Von den 17 potentiellen Vergleichspersonen seien neun ermittelt worden, die ebenfalls wie der Beklagte eine Ausbildung abgeschlossen und sich in Bezug auf die Betriebszugehörigkeit und des Lebensalters in einem Korridor von +/- 10 Jahre bewegt hätten (siehe Anlage K4 der erstinstanzlichen Akte). Herausgefiltert worden seien Arbeitnehmer, die keine Ausbildung oder weiterführende Qualifikationen abgeschlossen hätten. Bei der Auswertung seien Mitarbeiter, die bereits in Rente seien, mit ihrer letzten vor Renteneintritt erreichten Entgeltstufe eingezogen worden. Soweit ersichtlich, sei in der beruflichen Entwicklung dieser Vergleichspersonen kein Umstand eingetreten, der das nachträgliche Entfernen aus der Vergleichsgruppe erforderlich mache. Innerhalb der Gruppe hätten sich lediglich zwei Arbeitnehmer in die ES 14 oder höher entwickelt. Ein Entgeltsprung in die ES 14 entspreche daher nicht der beruflichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer, so dass kein "betriebsüblicher Aufstieg" in Sinne des BGH-Urteils vorliege. Folglich verbleibe es für die Ermittlung der an den Beklagten zu zahlenden Vergütung bei der ES 13 als Median der Vergleichsgruppe.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. 1.

    den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 214,36 € zu zahlen;

  2. 2.

    festzustellen, dass der Beklagte zutreffend in die Entgeltgruppe 13 eingruppiert und entsprechend dieser Entgeltgruppe zu vergüten ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen sowie widerklagend

  1. 1.

    die Klägerin zu verurteilen, an den Beklagten für die Monate Mai 2023 bis Oktober 2023 643,14 € netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 107,19 € netto seit dem 01.06.2023, 01.07.2023, 01.08.2023, 01.09.2023, 01.10.2023 und 01.11.2023 zu zahlen;

  2. 2.

    festzustellen, dass die Klägerin verpflichtet ist, den Beklagten seit dem 01.02.2023 nach Entgeltstufe 14 der Anlage 1 zum Entgelttarifvertag zwischen der AG und der IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt vom 05.03.2018 in der jeweils gültigen Fassung (aktuell der Fassung vom 01.06.2023) zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge gemäß § 22.2 II MTV für die Beschäftigten der AG (Anlage B2) ab dem jeweils auf den letzten Arbeitstag des Abrechnungsmonats folgenden Tag mit 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz zu verzinsen;

  3. 3.

    die Klägerin zu verurteilen, dem Beklagten Auskunft zu erteilen über

    1. a)

      die für seine Eingruppierung zugrunde gelegten Kommissionsvorschläge,

    2. b)

      die Namen der Kommissionsmitglieder im Vorschlagszeitpunkt,

    3. c)

      die Begründung für die Höherstufung des Beklagten auf Entgeltstufe 14,

    4. d)

      die seit der Amtsübernahme am 04.05.2002 für die Beklagte bis heute jeweils gebildete Vergleichsgruppe unter Benennung der Klarnamen, Geburtsdaten, Eintrittsdaten, Qualifikationen, Eingruppierung über den Gesamten Zeitraum und ausgeübten Tätigkeit über den gesamten Zeitraum,

  4. 4.

    hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag Ziffer 2.,

    die Klägerin zu verpflichten, den Beklagten unter Vorlage von Abrechnungen oder vergleichbaren Nachweisen, aus denen die Klarnamen erkennbar sind, Auskunft zu erteilen über die Vergütung, die an die in der Klageschrift als Vergleichspersonen benannten Beschäftigten seit dem 04.05.2002 gezahlt wurden unter Aufschlüsselung der Vergütungsbestandteile nach Grundvergütung, Schichtvergütung, Mehrarbeitsvergütung sowie Boni und Sonderzahlungen.

Er hat die Auffassung vertreten, die Klägerin habe darzulegen und zu beweisen, dass der Beklagte vor dem 01.02.2023 falsch eingruppiert gewesen sei. Die Klägerin habe dem Beklagten bei jeder Vergütungsentwicklung schriftlich mitgeteilt, wie sich seine Vergleichsgruppe betriebsüblich weiterentwickelt habe und zwar zuletzt mit Schreiben vom 10.11.2008 nach ES 14. Die dem Beklagten bekannten drei - direkten - Vergleichspersonen, mit welchen er vor Amtsübernahme für ca. 3 Jahre im selben Büro/Prüfraum zusammen die gleichen Tätigkeiten ausgeübt habe, hätten sich alle über ES 14 hinaus entwickelt. Es handele sich dabei um F. W. (heute in ES 16), Herrn B. H. (heute in ES 15) und Herrn M. G. (heute in ES 16). Daneben hätten sich folgende dem Beklagten bekannte Personen (Güteprüfer) vergleichbaren Alters ebenfalls in die ES 14 entwickelt und zwar Herr J. L., Herr T. L., Herr V. H., Herr H. M. und Herr A. S.. Die Entwicklungsmöglichkeiten für Güteprüfer hätten sich stetig verbessert. Zum 01.06.2015 sei von den Tarifvertragsparteien ein neues Vergütungssystem eingeführt worden, um den Veränderungen der Berufsbilder gerecht zu werden. Hiernach erfolge nun der Zugang zu den Entgeltstufen 13 und 14 lediglich auf der Basis der ausgeübten Tätigkeit. Der Kläger wäre bis heute weitere 21 Jahr als Güteprüfer tätig gewesen.

Abgesehen davon hätten sich nach dem Vortrag der Klägerin von den vor ihr genannten neun Vergleichspersonen alle um mindestens eine Entgeltstufe entwickelt. Nur vier Personen - die relative, aber nicht die absolute Mehrheit - habe sich in ES 13 entwickelt. Der Rentner sei aus der Vergleichsgruppe zu entfernen, da er keine Entwicklung mehr nehmen könne. Die größte Gruppe schrumpfe mithin auf drei Personen und die Gesamtzahl auf acht. Im Zuge der Durchschnittsbetrachtung ergebe sich danach eine betriebsübliche Entwicklung von plus drei Entgeltstufen. Acht Personen hätten sich in Summe um 20 Entgeltstufen entwickelt. Durchschnittlich belaufe sich die Entgeltentwicklung auf 2,5. Aufgerundet errechne sich so ein Wert von drei Entgeltstufen. ES 11 bei Antritt des Betriebsratsamtes plus drei Entgeltstufen ergäben für den Beklagten als berufsübliche Entwicklung eine Vergütung nach ES 14. Seinem Widerklageantrag sei hilfsweise auch auf dieser Grundlage zu entsprechen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf die in erster Instanz zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen Bezug genommen.

Mit Urteil vom 15.11.2023 hat das Arbeitsgericht die Klage insgesamt abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage des Beklagten verurteilt, an ihn für die Monate Mai 2023 bis Oktober 2023 rückständige 643,14 € netto nebst Zinsen zu zahlen. Zudem hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, dem Beklagten seit dem 01.02.2023 nach Entgeltstufe 14 der Anlage 1 zum Entgelttarifvertrag zwischen der AG und der IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt vom 05.03.2018 in der jeweils gültigen Fassung zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die darüber hinaus gehende Widerklage hat das Arbeitsgericht abgewiesen. Wegen der rechtlichen Erwägungen wird auf die Entscheidungsgründe diese Urteils verwiesen (Blatt 6 bis 12 desselben, Blatt 393 bis 399 der erstinstanzlichen Akte)

Das Urteil ist der Klägerin am 04.12.2023 zugestellt worden. Ihre hiergegen gerichtete Berufung ist am 11.12.2023 und die Berufungsbegründung, nachdem der Klägerin zuvor Fristverlängerung gewährt worden war, unter dem 08.03.2023 beim LAG Niedersachsen eingegangen. Die Versendung der Berufungsbegründung erfolgte aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach der Rechtsanwältin Frau P.. Signiert hat die Berufungsbegründung Herrn Rechtsanwalt W., der ebenso wie Frau P. Mitglied der die Klägerin vertretende Rechtsanwälte PartGmbH ist.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass die Vergütung des Beklagten nach ES 13 und nicht nach ES 14 zu erfolgen habe. Dazu trägt sie unter anderem nachstehendes vor:

Der Beklagte sei darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass ihm ein Anspruch nach ES 14 zustehe. Die Grundsätze der korrigierenden Rückgruppierung seien nicht anwendbar. Soweit das Arbeitsgericht moniert habe, die Klägerin habe nicht dargelegt, die Voraussetzungen der ES 13 seien erfüllt, dazu bedürfe es der namentlichen Benennung, da nur so die Überprüfbarkeit der Zusammensetzung der Vergleichsgruppe gewährleistet sei, sei das unzutreffend. Allein aus dem Namen einer Person ließen sich unter keinem logischen Gesichtspunkt Rückschlüsse auf deren ausgeübte Tätigkeit ziehen. Es sei vollkommen unklar, weshalb ohne namentliche Benennung nicht nachvollziehbar sei, ob die in den Vergleich eingezogenen Personen die aufgestellten Kriterien erfüllen würden. Die Klägerin habe alle von ihr herangezogenen Kriterien der Vergleichsperson ausdrücklich ausgeführt. Gleichwohl lege die Klägerin nunmehr die Namen der Vergleichsgruppe vor (siehe insoweit Anlage K12, Bl. 110 der zweitinstanzlichen Akten), um weitere potentielle Nachteile in diesem Verfahren zu vermeiden und unter Verwahrung gegen eine entsprechende rechtliche Verpflichtung. Des Weiteren sei das Arbeitsgericht zu Unrecht davon ausgegangen, die Kriterien Alter und Betriebszugehörigkeit seien bei der Vergleichsgruppenbildung nicht zu berücksichtigen. Das Arbeitsgericht habe es zudem unterlassen, eine eigene Vergleichsgruppe unter Auslassung der Merkmale Alter und Betriebszugehörigkeit zu bilden. Dazu sei es auf Grundlage der Anlage K3 (potentielle Vergleichspersonen) in der Lage gewesen. Filtere man alle weiterführenden (Techniker, Meister) und niedrigeren (Hauptschule) Qualifikationen heraus und lege keinen Korridor für das Alter und die Betriebszugehörigkeit fest, so sei lediglich der Arbeitnehmer mit der Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur in die Vergleichsgruppe aufzunehmen. Dieser habe sich zwar nur in die ES 12 entwickelt, deshalb ändere sich jedoch der Median der Vergleichsgruppe nicht. Dieser verbleibe bei ES 13.

Vor der tarifvertraglichen Anpassung des Arbeitssystems Güteprüfer hätten die ES 12 und 13 durch die Erbringung bestimmter Tätigkeiten erreicht werden können. Für die Eingruppierung in die ES 13 und 14 habe eine Umstufungsquote je Standort (M/N -Quote) bestanden. Die Quote "M" für Leistungsstufe ES 13 habe am Standort 10,2 % und die Quote "N" für die Leistungsstufe 14 2,7% betragen. Diese Quoten hätten nicht nur für das Arbeitssystem des Güteprüfers, sondern für alle Facharbeitssysteme bestanden (siehe Tabelle Blatt 283 der zweitinstanzlichen Akte). Im Jahr 2020 sei das Arbeitssystem Güteprüfer dergestalt angepasst worden, dass die ES 13 als Spezialist I und die ES 14 als Spezialist II beschrieben würden. Zusätzlich würden für beide Entgeltstufen Tätigkeiten benannt, bei deren Ausübung die Entwicklung in die entsprechende Entgeltstufe erfolge (siehe hierzu Blatt 277- 280 der zweitinstanzlichen Akte). Nach der Anpassung sei die Quote der Facharbeiter am Standort in der ES 13 auf 18,43% und in der ES 14 auf 5,63% gestiegen (siehe Tabelle Blatt 290 der zweitinstanzlichen Akte).

Abgesehen davon, dass die Klägerin nicht darlegen müsse, wie die Vergütung des Beklagten in der Vergangenheit festgelegt worden sei, habe sie gleichwohl versucht, die Vergütungsentscheidungen ausweislich der Schreiben vom 14.10.2002, 15.11.2006 und 10.08.2008 nachzuvollziehen. In der für den Beklagten geführten Handakte seien keine Vergleichspersonen für den Sprung von ES 11 in die ES 12 im Jahr 2002 und von der ES 12 in die ES 13 im Jahr 2006 angeführt worden. Die Umstufung im Jahr 2008 sei mit dem Hinweis "Regelumstufung zum 01.12.2008" versehen. Die Höherstufungen seien offenbar nicht aufgrund der Entwicklung von vergleichbaren Arbeitnehmern nach § 37 Abs. 4 BetrVG vorgenommen worden. Hinweise auf eine hypothetische Entwicklung des Beklagten seien der Handakte nicht zu entnehmen. Auch der Beklagte selbst habe hierzu keine Angaben gemacht. Deshalb müsse die Beklagte davon ausgehen, dass die Vergütung des Beklagten nach ES 14 weder durch eine Entwicklung seiner Vergleichsgruppe, noch durch seine hypothetische Entdeckung gerechtfertigt sei.

Schließlich fehle es in den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen an jeglicher Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes vom 15.11.2023 - 3 Ca 166/23 - teilweise - abzuändern und

  1. 1.

    die Widerklage abzuweisen und

  2. 2.

    festzustellen, dass der Beklagte zutreffend in Entgeltgruppe 13 eingruppiert und entsprechend dieser Entgeltgruppe, vorbehaltlich einer tariflichen Änderung, mit einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von € 5.133,00 zu vergüten ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend und führt darüber hinaus Nachstehendes aus:

Bereits in erster Instanz sei vorgetragen worden, dass der Beklagte für die Zeit von etwa drei Jahren vor seiner Amtsübernahme mit Herrn F. W., Herrn B. H. und Herrn M. G. im selben Büro mit der gleichen Tätigkeit als Güteprüfer betraut gewesen sei und sich die benannten Personen in ES 15 und ES 16 weiterentwickelt hätten. Die Klägerin halte die benannten Personen zwar nicht für vergleichbar, da sie sich im Amtsübernahmezeitpunkt in höheren Entgeltstufen befunden hätten, die relative Vergütungsentwicklung zeige jedoch, dass sich alle drei Personen, die tatsächlich die gleiche Tätigkeit wie der Beklagte ausgeübt hätten, um drei Entgeltstufen hätten entwickeln können. Auch der Beklagte habe sich vor der Rückgruppierung um drei Entgeltstufen von ES 11 in ES 14 entwickelt. Darüber hinaus habe der Beklagte weitere vergleichbare, ihm bekannte Güteprüfer namentlich benannt, die sich von 2005 bis 2012 allesamt in die ES 14 entwickelt hätten. Die Klägerin selbst bestätige, dass die Entwicklung von Güteprüfern in die ES 14 möglich und zur Weiterentwicklung nur auf die ausgeübte Tätigkeit abzustellen sei. Eine Entwicklung setze somit seine keine Versetzung voraus, sondern lediglich Erfahrungswerte durch die Ausübung der Tätigkeit. Der Beklagte sei bei Amtsübernahme vor 21 Jahren unstreitig bereits als Güteprüfer tätig gewesen. Da sich Güteprüfer auf Basis der ausgeübten Tätigkeit (Erfahrungswerte) weiterentwickeln würden, stelle sich die Frage, wie der Median der von der Klägerin benannten Vergleichsgruppe lediglich ES 13 betragen könne. Es müsse daher bestritten werden, dass diese Personen bezüglich Tätigkeitsinhalt, persönlicher Qualifikationen und persönlicher Leistungsfähigkeit im Amtsübernahmezeitpunkt nicht mit dem Beklagten vergleichbar gewesen seien. Soweit die Klägerin erstmals eine Liste namentlich benannter Vergleichspersonen vorlege, finde sich keine der von ihm genannten Personen in der deanonymisierten Vergleichsgruppe. Darüber hinaus bleibe die Herleitung unklar. Es würden lediglich die finalen Vergleichspersonen genannt. Die als Anlage K3 von der Klägerin vorgelegte Liste der zunächst ermittelten 17 Vergleichspersonen sei nicht deanonymisiert worden. Deutlich sei jedoch, dass es sich um Personen aus unterschiedlichsten Organisationseinheiten handele und dass die Klägerin an ihrer Alterskorridorbildung festhalte. Selbst in der von der Klägerin gebildeten Vergleichsgruppe finde sich eine Person in ES 14 (T. R.) und eine Person in der ES 19 (P. P.). Der Beklagte habe sich zumindest wie Frau R. entwickeln können. Es werde bestritten, dass er eine solche Entwicklung nicht habe hinnehmen können.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die in der mündlichen Verhandlung am 15.09.2024 abgegebenen Erklärungen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

A.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, §§ 64, 66 ArbGG und 519, 520 ZPO. Insbesondere ist der Berufungsbegründungsschriftsatz der Klägerin vom 29.02.2024 innerhalb der mit Beschluss vom 05.02.2024 bis zum 08.03.2024 verlängerten Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangen. Dem steht der Umstand, dass die Berufungsbegründung von Herrn Rechtsanwalt W. qualifiziert elektronisch signiert worden ist, die Versendung jedoch aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach der Frau Rechtsanwältin P. erfolgt ist, nicht entgegen. Die qualifizierte elektronische Signatur seitens des Herrn Rechtsanwalt W. hat die gleiche Rechtswirkung wie seine handschriftliche Unterschrift. Dadurch hat Herr Rechtsanwalt W. die Verantwortung für den Inhalt der Berufungsbegründung übernommen und ist eindeutig "verantwortende Person" im Sinne von § 130 a Abs. 3 1. Alt. ZPO(vgl. nur BAG, 24.10.2019 - 8 AZN 589/19 - Rn. 9).

B.

Die Berufung ist jedoch begründet.

Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage des Beklagten dazu verurteilt, einerseits an den Beklagten für die Monate Mai 2023 bis Oktober 2023 die Differenz zwischen geleisteter Vergütung nach ES13 zu geschuldeter Vergütung nach ES14 nebst Zinsen auf die Differenzbeträge zu zahlen, und andererseits festgestellt, dass die Klägerin verpflichtet ist, den Beklagten seit dem 01.02.2023 nach Entgeltstufe 14 der Anlage 1 zum Entgelttarifvertrag zwischen der AG und der IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt vom 05.03.2018 der jeweils gültigen Fassung zu vergüten und die Bruttonachzahlungsbeträge mit 5 % über dem Basiszinssatz zu verzinsen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin unterliegt der Zurückweisung.

I.

Die Klägerin ist gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG i.V.m. § 611a Abs.2 BGB dazu verpflichtet, an den Beklagten seit dem 01.02.2023 eine Vergütung nach Entgeltstufe 14 der Anlage 1 zum Entgeltmanteltarifvertrag zwischen der AG und der IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zu zahlen.

1.

Nach § 37 Abs. 4 Satz BetrVG darf das Arbeitsentgelt von Mitgliedern des Betriebsrates einschließlich eines Zeitraumes von einem Jahr nach Beendigung der Amtszeit nicht geringer bemessen werden als das Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung. Die Vorschrift soll sicherstellen, dass Mitglieder des Betriebsrates weder in wirtschaftlicher, noch in beruflicher Hinsicht gegenüber vergleichbaren Arbeitnehmern mit betriebsüblicher beruflicher Entwicklung Nachteile erleiden. Die Gehaltsentwicklung des Betriebsratsmitglieds darf daher während der Dauer seiner Amtszeit in Relation zu derjenigen vergleichbare Arbeitnehmer nicht zurückbleiben. Vergleichbar im Sinne von § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG sind Arbeitnehmer, die im Zeitpunkt der Amtsübernahme ähnliche, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten ausgeübt haben wie der Amtsträger und dafür in gleicher Weise wie dieser fachlich und persönlich qualifiziert waren. Üblich ist eine Entwicklung, die ausgehend vom Zeitpunkt der Amtsübernahme vergleichbare Arbeitnehmer bei Berücksichtigung der normalen betrieblichen und personellen Entwicklung in beruflicher Hinsicht genommen haben. Eine Üblichkeit entsteht aufgrund gleichförmigen Verhaltens des Arbeitgebers und einer von ihm aufgestellten Regel. Dabei muss der Geschehensablauf so typisch sein, dass aufgrund der Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten zumindest in der überwiegenden Anzahl der vergleichbaren Fälle mit der jeweiligen Entwicklung gerechnet werden kann. Da § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG das Benachteiligungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG konkretisiert, darf die Anwendung der Vorschrift nicht zu einer Begünstigung des Betriebsratsmitgliedes gegenüber anderen Arbeitnehmern führen. Deshalb ist die Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nur dann betriebsüblich, wenn diese dem Betriebsratsmitglied nach den betrieblichen Gepflogenheiten hätten übertragen werden müssen oder die Mehrzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer einen solchen Aufstieg erreicht. Nicht ausreichend ist, dass das Betriebsratsmitglied bei der Amtsübernahme in seiner bisherigen beruflichen Entwicklung einen vergleichbaren Arbeitnehmer vollkommen gleichgestanden hat oder die Besserstellung eines oder mehrerer vergleichbarer Arbeitnehmer auf individuellen, nur auf diese bzw. diesen Arbeitnehmer persönlich zugeschnittenen Gründen beruht (vgl. BAG, 22.01.2020 - 7 AZR 222/19 - Rn. 20 bis 21).

2.

Geht es wie vorliegend zunächst darum, eine betriebsübliche Beförderungspraxis als Voraussetzung einer entsprechenden Gehaltssteigerung darzulegen, hat das Mitglied des Betriebsrates unter Berücksichtigung der zugänglichen Tatsachen vorzutragen, mit welchen Arbeitnehmern es aus seiner Sicht vergleichbar ist und aus welchen Umständen auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit zu schließen ist, dass die Mehrzahl der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer die behauptete Gehaltsentwicklung genommen hat (BAG, 04.11.2015 - 7 AZR 972/13 - Rn. 24). Verfügt das Betriebsratsmitglied wegen der Größe des Betriebes und der Vielzahl vergleichbarer Arbeitnehmer nicht über ausreichend Erkenntnismöglichkeiten, kann es genügen, wenn das Betriebsratsmitglied Referenzfälle schlüssig darlegt, aus denen sich auf eine betriebsübliche Beförderungspraxis in dem Zeitraum seiner Zugehörigkeit zum Betriebsrat schließen lässt (BAG, aaO). Insoweit ist unter Anwendung des im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren geltenden Beiwohnungsgrundsatzes davon auszugehen, dass das Gericht seiner Entscheidung nur die Tatsachen zugrunde legen darf, die die Parteien vorgetragen haben. Übereinstimmend Vorgetragenes und Zugestandenes ist grundsätzlich ohne Beweisaufnahme zu übernehmen, §§ 138 Abs.3, 288 ZPO(vgl. BAG, 24.03.1993 - 2 AZR 21/82 - Rn. 32). Zudem sind die Grundsätze der sekundären Darlegungslast zu berücksichtigen. Ist der darlegungspflichtigen Partei ein näheres Vorbringen zu den erforderlichen Tatsachen nicht möglich oder zumutbar, während der bestreitende Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und die nähere Angaben zuzumuten sind, kann von diesem nach dem Grundsatz der sekundären Darlegungslast das substantiierte Bestreiten einer durch die darlegungspflichtige Partei behaupteten Tatsachen unter Darlegung der für das Gegenteil sprechende Tatsachenumstände und damit der Vortrag positiver Gegenangaben verlangt werden. Kommt der sekundär Darlegungsverpflichtete seiner Vortragslast nicht nach, gilt die Behauptung des primär Darlegungspflichtigen im Sinne von § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (vgl. BAG 20.03.2024 - 4 AZR 142/23 - Rn. 68).

3.

Es kann dahin gestellt bleiben, ob die grundsätzliche Darlegungs- und Beweisverpflichtung des Beklagten vorliegend deshalb ausnahmsweise auf die Klägerin übergegangen ist, weil dem Beklagten mit Schreiben vom 14.10.2002, 15.11.2006 und 10.08.2008 jeweils die von der Kommission festgestellte betriebsübliche Entwicklung seiner Vergleichsgruppe zuletzt mit einer Vergütung nach ES 14 mitgeteilt worden ist und die Klägerin den Beklagten bis zum 31.01.2023 durchgehend auf dieser Grundlage vergütet hat. Der Beklagte hat seiner Darlegungsverpflichtung genügt, ohne dass die Klägerin dem substantiiert widersprochen hat.

a)

Dabei ist zwar auf Grundlage des Hauptvorbringens des Beklagte nicht davon auszugehen, dass er mit dem Hinweis auf die relative Entwicklung der Herren W., H. und G. mit ihm im Sinne von § 37 Abs.4 BetrVG vergleichbare Güteprüfer vorgetragen hat, da sich diese bei seinem Amtsantritt im Jahre 2002 jeweils in einer höherer Entgeltstufe befunden haben. Soweit er sich auf die Entwicklung der Herren L., L., H., M. und S. beruft, führt er nicht aus, warum diese über ihrer Tätigkeit als Güteprüfer hinaus aufgrund welcher Umstände mit ihm vergleichbar sein könnten.

b)

Der Beklagte hat sich jedoch das Vorbringen der Klägerin zur Bildung der für ihn maßgeblichen Vergleichsgruppe und deren betriebsübliche Entwicklung zu eigen gemacht und auf dieser Grundlage schlüssig dargelegt, dass die mit ihm danach vergleichbaren Mitarbeiter in der Mehrzahl - jedenfalls Stand 01.02.2023 - eine betriebsübliche Entwicklung hin zu einer Vergütung nach ES 14 genommen haben.

aa)

Es ist anerkannt, dass für ein Klagebegehren in tatsächlicher Hinsicht widersprechende Begründungen gegeben werden können, wenn das Verhältnis dieser Begründungen zueinander klargestellt wird. Nach dem Grundsatz der Gleichwertigkeit des Parteivorbringens kann sich die eine Partei die von ihrem Vortrag abweichenden Behauptungen der Gegenseite hilfsweise zu eigen machen und ihr Begehren darauf stützen. Aber nur dann, wenn die Partei das auch tatsächlich tut (BGH, 18.01.2018 - I ZR 150/15 - Rn. 39). Der Beklagte hat sich den Vortag der Klägerin zur Vergleichsgruppenbildung und deren betriebsübliche Entwicklung im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 26.07.2023 (Blatt 326, 328 der erstinstanzlichen Akte) hilfsweise zu eigen gemacht, indem er ausdrücklich erklärt hat, auf dessen Grundlage sei seinem Begehren auf Vergütung nach ES 14 hilfsweise auch zu entsprechen.

bb)

Auf Grundlage der hilfsweise zu eigen gemachten von der Klägerin ausweislich der Anlage K 12 (Blatt 110 der zweitinstanzlichen Akte) gebildeten Vergleichsgruppe und der von den genannten Mitgliedern danach absolvierten beruflichen Entwicklung auf Basis der jeweils erreichten Entgeltstufe hat der Beklagte schlüssig dargelegt, dass die Mehrzahl der im Zeitpunkt der Amtsübernahme mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung inzwischen nach ES 14 erreicht haben.

(1)

Dabei ist die Vergleichsgruppenbildung auf Grundlage der GBV 2020 im Grundsatz zwar nicht zu beanstanden. Die Klägerin konnte auch schon vor Inkrafttreten des Zweiten Gesetztes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes am 24.7.2024 mit ihrem Gesamtbetriebsrat Vereinbarungen über ein Verfahren zur Festlegung der vergleichbaren Arbeitnehmer treffen, soweit diese sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben nach den §§ 37 Abs.4, 78 Satz 2 BetrVG halten (vgl. BAG, 18.01.2017 - 7 AZR 205/15 - Rn. 22). Diesen Vorgaben werden die in Ziffer 3.2 der GBV genannten Kriterien gerecht. Sie sind zudem keinesfalls grob fehlerhaft nach § 37 Abs. 4 Satz 5 BetrVG in der seit dem 24.07.2024 geltenden Fassung.

(2)

Die Vergleichsgruppe ist jedoch in Übereinstimmung mit dem Beklagten und auf Grundlage der GBV 2020 um eine Person auf dann acht vergleiche Arbeitnehmer zu reduzieren. Herr M. ist nach seinem Renteneintritt und dem damit verbundenen Ausscheiden aus dem Betrieb der Klägerin nicht mehr Mitglied der Vergleichsgruppe. Er konnte seitdem keine berufliche Entwicklung mehr vornehmen und durfte daher bei der Beurteilung der betriebsüblichen Entwicklung keine Berücksichtigung mehr finden. Das entspricht den Regelungen in der aktuell gültigen GBV 2020. Darin ist unter 4.3 eine ausdrückliche Bestimmung ausschließlich für den Fall getroffen worden, dass sich die Zusammensetzung der Vergleichsgruppe u.a. durch das Ausscheiden von Mitgliedern zum Nachteil des Betriebsratsmitgliedes ändert; dann kann dessen höhere Vergütung auf der Basis der ursprünglichen Vergleichsgruppe nicht rückgängig gemacht werden. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass Veränderungen der Vergleichsgruppe, die sich zum Vorteil des Betriebsratsmitgliedes auswirken, bei der Entgeltentwicklung zu berücksichtigen sind.

(4)

Ausgehend von den verbleibenden acht Vergleichsgruppenmitglieder ergibt sich eine betriebsübliche Entwicklung von einer Vergütung nach ES 11 zu einer solchen nach ES 14.

(a)

Ausgangspunkt ist die Vergütung der mit dem Beklagten vergleichbaren Mitarbeiter in der Tätigkeit als Güteprüfer im Betrieb nach der ES 11 im Zeitpunkt der Amtsübernahme durch den Beklagten.

(b)

Zwischen den Parteien ist nicht im Streit, dass jedenfalls seit der Anpassung des Arbeitssystems Güteprüfer im Jahr 2020 die Vergütung der Güteprüfer im Betrieb (Qualitätssicherung), zu denen sowohl der Beklagte als auch die Vergleichsgruppenmitglieder gehören, ausschließlich tätigkeitsbezogen erfolgt, also unabhängig von bestimmten Qualifikationen. Allen vergleichbaren Arbeitnehmern und auch dem Beklagten konnten danach Tätigkeit der ES 14 zugewiesen werden.

(c)

Ausweislich der von der Klägerin vorgetragenen berufsüblichen Entwicklung erhalten von den vergleichbaren Mitarbeitern inzwischen jeweils drei Vergütung nach ES 12 oder 13, eine nach ES 14 und einer nach ES 19. Keine dieser Gruppen erreicht die Mehrzahl (fünf) innerhalb der Gesamtgruppe von acht. Da die Vergütungsentwicklung bei den Vergleichspersonen unregelmäßig, erkennbar nicht nach einem System erfolgt ist und die Gruppe nur aus acht Personen besteht, muss insoweit die Vergütungserhöhung des Beklagten in dem durchschnittlichen Umfang der Vergleichspersonen erfolgen. Nur so kann eine Benachteiligung des Beklagten aufgrund seiner Amtsübernahme im Mai 2002 ausgeschlossen werden (vgl. BAG, 21.02.2018 - 7 AZR 587/16 - Rn. 27). Danach hat sich die Vergütung der Vergleichsgruppenmitglieder im Schnitt um drei Entgeltstufen erhöht (Dreimal jeweils eine oder zwei Stufen, einmal drei Stufen und einmal acht Stufen ergibt in Summe 20 Stufen geteilt durch acht Vergleichspersonen ergibt 2,5 Stufen und aufgerundet im Durchschnitt drei Stufen pro Vergleichsperson). Ausgehend vom Zeitpunkt der Amtsübernahme ergibt sich so die betriebsübliche Entwicklung der Arbeitnehmer, die nach dem Vortrag der Klägerin, den sich der Beklagte hilfsweise zu eigen gemacht hat, im Wesentlichen gleich qualifizierte Tätigkeiten wie der Beklagte ausgeübt haben und dafür in ähnlicher Weise fachlich und persönlich qualifiziert waren, von der ES 11 in die ES 14. Dem steht nicht entgegen, dass sich nach der Behauptung der Klägerin nach der Anpassung des Arbeitssystems Güteprüfer im Jahre 2020 die Quote der Facharbeiter in ES 14 auf 5,63% erhöht hat, also keineswegs die Mehrzahl der Facharbeiter die ES 14 erreichen konnte. Für die Beurteilung der betriebsüblichen Entwicklung als Voraussetzung für einen entsprechenden Vergütungsanspruch des freigestellten Betriebsratsmitgliedes nach § 37 Abs.4 BetrVG ist nicht auf alle Arbeitnehmer des Betriebs, sondern nur auf die mit dem Betriebsratsmitglied nach den Vorgaben des § 37 Abs.4 BetrVG vergleichbaren Arbeitnehmer abzustellen. Der Beklagte kann mithin von der Klägerin jedenfalls seit dem 01.02.2023 Vergütung nach ES 14 verlangen.

4.

Dem steht die Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 10.01.2023 - 6 StR 133/22 nicht entgegen. Danach schließt die gesetzliche Regelung des § 37 Abs. 4 Satz 1 BetrVG eine Bewertung der Betriebsratstätigkeit für Vergütungszwecke aus. Das ist vorliegend nicht geschehen, sondern es ist ausschließlich auf übliche Entwicklung der vergleichbaren Arbeitnehmer abgestellt worden. Der BGH führt in diese Entscheidung in Übereinstimmung mit der von ihm zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes aus, üblich sei eine Entwicklung, wenn die überwiegende Anzahl der vergleichbaren Arbeitnehmer eine solche typischerweise bei normaler betrieblicher personeller Entwicklung genommen hat (Rn.22). Da im vorliegenden Streitfall nach dem Vorbringen der Parteien keine Mehrzahl vergleichbarer Arbeitnehmer im Hinblick auf eine bestimmte Vergütungssteigerung festgestellt werden konnte, war es geboten entsprechend der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes deren Durchschnitt zugrunde zu legen. Dabei handelt es sich nicht um eine hypothetische Gehaltsentwicklung bei einer Sonderkarriere, sondern vielmehr um die Feststellung der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer des Beklagten. Insoweit ergeben sich keine einschränkenden Vorgaben aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes. Ohnehin ist für die arbeitsrechtliche Beurteilung dieser Frage die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes maßgeblich. Sollte es unterschiedliche Auffassung zu der entscheidungserheblichen Rechtsfrage geben, wäre die Einheitlichkeit der Rechtsprechung durch den gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshilfe wiederherzustellen.

II.

Da dem Beklagten jedenfalls ab 01.02.2023 ein Anspruch auf Vergütung nach ES 14 gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG i.V.m. § 611a Abs.2 BGB und dem Arbeitsvertrag zusteht, ist der Feststellungsantrag der Klägerin, dass der Beklagte zutreffend in Entgeltgruppe 13 eingruppiert und entsprechend dieser Entgeltgruppe zu vergüten ist, unbegründet. Demgegenüber ist die widerklagend vom Beklagten begehrte Feststellung, die Klägerin sei verpflichtet, ihn seit dem 01.02.2023 in der Entgeltstufe 14 des einschlägigen Tarifvertrages zu vergüten, begründet (Widerklageantrag zu 2.). Der Zinsanspruch auf die auszuzahlenden Differenzbeträge hat seine Grundlage in §§ 286, 288 BGB. Ebenso ist die Klägerin danach verpflichtet, an den Beklagten in den Monaten Mai bis Oktober 2023 weitere Vergütung in Höhe der Differenz zwischen ES 14 zur gezahlten Vergütung nach ES 13 (Widerklageantrag zu 1.) zu leisten. Der hierauf bezogene Zinsanspruch hat wiederum seine Grundlage in §§ 286, 288 BGB. Der Widerklageantrag

C.

Die Klägerin hat die Kosten ihrer erfolglosen Berufung gemäß § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.

D.

Die Zulassung der Revision war nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG veranlasst.