Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.05.2024, Az.: 2 TaBV 81/23
Unterrichtung des Betriebsrats bei einer Anhörung zu einer Versetzung eines Arbeitnehmers über deren konkreten Folgen; Aushöhlung von Provisionsregelungen trotz Weitergeltung durch Wechsel von dem Außen- in den Innendienst
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 08.05.2024
- Aktenzeichen
- 2 TaBV 81/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 16678
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2024:0508.2TaBV81.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 05.09.2023 - AZ: 12 BV 10/23
Rechtsgrundlagen
- § 99 Abs. 4 BetrVG
- § 3 Abs. 3 ArbStättV
Fundstellen
- AA 2024, 147
- ArbR 2024, 344
- FA 2024, 235
Amtlicher Leitsatz
Der Betriebsrat ist bei einer Anhörung zu einer Versetzung über deren konkreten Folgen zu unterrichten. Wenn der betroffene Arbeitnehmer trotz Weitergeltung der bisherigen Provisionsregelung aufgrund der veränderten Tätigkeit (Wechsel vom Außendienst in den Innendienst) keine Möglichkeit mehr besitzt, in unverändertem Umfang Provisionen zu erzielen, ist der Betriebsrat hierüber zu informieren.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Betriebsrates wird der Beschluss des Arbeitsgerichtes Hannover vom 5. September 2023 - 12 BV 10/23 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Versetzung des Mitarbeiters S.
Die Beteiligte zu 1) (im Folgenden: Arbeitgeberin) ist ein Dienstleister für Recycling, Service und Wasser mit 33 Standorten in Deutschland. Der Beteiligte zu 2) (im Folgenden: Betriebsrat) ist der bei der Arbeitgeberin in der Niederlassung C-Stadt gebildete Betriebsrat.
Die Arbeitgeberin entschloss sind im ersten Quartal 2023 dazu, zum 1. April 2023 am Standort in C-Stadt die neue Stelle kaufmännischer Mitarbeiter im Back-Office zu schaffen. Hintergrund war der Umstand, dass die Arbeitgeberin wiederholt den Eindruck gewann, dass es eines zunehmenden Abstimmungsbedarfs zwischen den drei Bereichen Disposition, Faktura und Außendienst bedürfe. Bei dem neu geschaffenen Arbeitsplatz handelt es sich um einen Büroarbeitsplatz im Verwaltungsgebäude der Niederlassung C-Stadt. Für die bereits bestehenden Büroarbeitsplätze in dem Verwaltungsgebäude existiert seit 2021 und zuletzt aktualisiert im April 2023 eine Gefährdungsbeurteilung für kaufmännische Tätigkeiten, Kundenbetreuung und Beratung per Telefon (ArbG, Bl. 65 ff. d. A.).
Der neu geschaffene Arbeitsplatz verlangt neben einer mehrjährigen Berufserfahrung im Vertrieb einschlägige Kenntnisse und Erfahrungen in den drei Bereichen Disposition, Faktura und Außendienst sowie fundierte Kenntnisse im Hinblick auf die bestehenden Betriebsabläufe. Vor diesem Hintergrund entschied sich die Arbeitgeberin dazu, Herrn S. zum 1. April 2023 auf die neue Position zu versetzen.
Herr S., der eine Ausbildung als Umweltschutztechniker absolviert hat, ist seit dem 1. September 2009 bei der Arbeitgeberin beschäftigt, zuletzt als Außendienstmitarbeiter in C-Stadt zu einem Jahresgrundgehalt in Höhe von 47.340,00 Euro. In dieser Funktion ist Herr S. mit der Akquise von Neuaufträgen, der Angebotserstellung, der Kundenpflege sowie der Aufnahme und Abwicklung von Kundenreklamationen befasst. Herr S. verfügt aufgrund seiner langjährigen Berufserfahrung als Außendienstmitarbeiter über die für die neue Position erforderlichen fachlichen, technischen und kaufmännischen Kenntnisse und Qualifikationen. Ferner ist er mit den Betriebsabläufen bei der Arbeitgeberin vertraut und kennt die drei Teilbereiche sowie die dort tätigen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen.
Am 8. März 2023 informierte die Arbeitgeberin Herrn S. im Beisein von Herrn B., kaufmännischer Leiter am Standort C-Stadt, Herrn Br., Niederlassungsleiter am Standort C-Stadt, sowie Herrn K., Mitglied des Betriebsrates, darüber, dass geplant sei, ihn auf arbeitsvertraglicher Grundlage ab dem 1. April 2023 bei gleichbleibender Vergütung als kaufmännischen Mitarbeiter im Back-Office einzusetzen.
Am 15. März 2023 fand ein weiteres Treffen statt, in dem vergeblich versucht wurde, eine einvernehmliche Lösung zu finden.
Nach einer anschließenden Beratung entschloss sich die Arbeitgeberin dazu, Herrn S. zum 1. April 2023 zu versetzen. Sie teilte dies dem Betriebsrat mit Schreiben vom 16. März 2023, zugegangen am 20. März 2023, mit und bat zugleich um Zustimmung. In dem Schreiben heißt es u.a. (ArbG, Bl. 19 ff. d. A.):
"...
Name, Vorname .............S.
geb. am ....
......................
Wohnort ....
......................
Straße ....
.......................
Familienstand / Kinder....
.....
Beschäftigt seit:............................01.04.2009
Bereich/Abteilung .........................Vertrieb
bisher tätig als: ............................Außendienstmitarbeiter
Entgeltgruppe: ........ . .. . . .. ....
......
Versetzung in Position:.............Kfm. Mitarbeiter im Back-Office
Entgelt: ..............................47.340,00 € brutto p.a.
Dazu im Einzelnen:
Antrag auf Zustimmung zur Versetzung und Eingruppierung nach § 99 BetrVG
1. zu besetzende Stelle
Zu den Aufgaben des kfm. Back-Office gehört insbesondere
- Bearbeitung von durch den Betrieb reklamierten Abfallanlieferungen
- Bearbeitung und Klärung der offenen Postenliste zur Vorbereitung der Abgabe der Vorgänge an die Credit Reform
- Klärung von offenen Aufträgen, die im System vorhanden sind und bisher nicht abgerechnet wurden
- Bearbeitung / Nachhalten von eingereichten Proben-& Abfalldatenblättern; Rückinfo an Betrieb, ob Angebote angenommen wurden und wann die Abfälle abgeliefert werden
- Zuarbeit bei der Planung / Koordination sowie betriebliche Abstimmung industrielle und kommunale Schadstoffsammlung
- Überprüfung von Wirtschaftlichkeit angelieferte Abfälle
- Vorbereitung und Koordination von Kunden-Audits
- Unterstützung kommunaler Ausschreibungen
- Schnittstelle zwischen Faktura, Außendienst und Disposition - Unterstützung der Disposition bei der Planung
2. Angaben zum ausgewählten Arbeitnehmer
Herr S. ist seit dem 01.04.2009 als gelernter und ausgebildeter Umweltschutztechniker für uns tätig. Für die neu geschaffene Position als kfm. Mitarbeiter im Back Office ist Herr S. bestens geeignet. Er hat entsprechende Vorkenntnisse, Qualifikationen und kennt die Betriebsablaufstrukturen im Hause.
Herr S. erfüllt die genannten Anforderungen, er ist Umweltschutztechniker und besitzt langjährige Erfahrung gepaart mit der praktischen Erfahrung in den Betriebsabläufen.
Weiterhin ist zu seiner persönlichen und fachlichen Eignung zu sagen: Herr S. hat auch in schwierigen Zeiten stets kollegial und sachlich mit intensiver Kommunikation und persönlicher Überzeugungskraft schwierige Aufgaben und Probleme erfolgreich gelöst.
Das Vorstehende ergibt sich aus den als Anlage 1 beigefügten Bewerbungsunterlagen vom 14.01.2009.
3. Ein-Umgruppierung
Herr S. ist bislang als ADM nicht eingruppiert, da ADM nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des ERTV der RIS KG fallen.
Er soll weiterhin als AT-Mitarbeiter geführt werden.
4. Auswirkungen auf die Belegschaft
Für uns sind keine Nachteile der Versetzung von Herrn S. auf die übrige Belegschaft ersichtlich
Wir bitten um Ihre Zustimmung zu der Versetzung von Herrn S. auf die Stelle und bitten um Ihre Zustimmung.
..."
Der Betriebsrat widersprach der Versetzung mit Schreiben vom 27. März 2023 und begründete seinen Widerspruch wie folgt (ArbG, Bl. 22 d.A.):
"Arbeitsplatzbeschreibung unvollständig, fehlende Gefährdungsbeurteilungen".
Mit ihrem am 21. April 2023 beim Arbeitsgericht Hannover eingegangenen Antrag begehrt die Arbeitgeberin die Feststellung, dass die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung von Herrn S. als erteilt gilt, hilfsweise die von dem Betriebsrat verweigerte Zustimmung zu ersetzen.
Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, sie habe den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet. Der Betriebsrat habe ihrem Antrag nicht mit hinreichender Begründung widersprochen, so dass die Zustimmung als erteilt gelte. Die vom Betriebsrat benannten Gründe seien unsubstantiiert und es sei nicht ersichtlich, auf welchen Verweigerungsgrund sich der Betriebsrat beziehe.
Ferner fehle es aber auch an einem Verweigerungsgrund. Die Versetzung gehe lediglich mit einer Änderung der Aufgabenbereiche einher. Im Hinblick auf die Tätigkeiten, die mit der neuen Position verbunden seien, sei der Betriebsrat hinreichend informiert worden. Einer näheren Beschreibung des alten Arbeitsplatzes habe es nicht bedurft, weil dieser dem Betriebsrat hinreichend bekannt sei. Entgegen der Ansicht des Betriebsrates liege kein Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG vor. Unabhängig davon, ob man entgegen der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes einen Verstoß gegen § 5 ArbSchG und/oder § 3 ArbStättV als Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG annehme oder nicht, übersehe der Betriebsrat, dass für den neuen Arbeitsplatz von Herrn S. im Verwaltungsgebäude der Niederlassung C-Stadt seit Februar 2021 bereits eine Gefährdungsbeurteilung existiere.
Im Rahmen der Unterrichtung seien weitere Angaben zu den einzelnen Gehaltsbestandteilen von Herrn S. nicht notwendig gewesen. Die Unterrichtungspflicht beziehe sich allein auf eine vorgesehene Eingruppierung oder Umgruppierung, nicht indes auf den Inhalt des Arbeitsvertrages und insbesondere die Gehaltshöhe bzw. zusätzliche Gehaltsbestandteile von AT-Mitarbeitern. Bei AT-Mitarbeitern - wie bei Herrn S. - genüge die Angabe, dass der Angestellte außertariflich entlohnt werde. Die Angabe von etwaigen weiteren Gehaltsbestandteilen hätte nur dann Relevanz, wenn es hier zu Veränderungen kommen würde.
Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2023 teilte die Arbeitgeberin im vorliegenden Verfahren mit, dass die aktuellen Provisionsregelungen von Herrn S. durch die Versetzung grundsätzlich nicht berührt würden und er für den Entfall der privaten Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens einen finanziellen Ausgleich erhalten werde. Diesen Schriftsatz erhielt der Betriebsrat am 10. Juli 2023. Am 14. Juli 2023 widersprach der Betriebsrat erneut der Versetzung und teilte dies der Arbeitgeberin am 17. Juli 2023 mit. Zur Begründung führte er aus, dass zu befürchten sei, dass Herr S. auf dem neuen Arbeitsplatz weniger Provisionen verdienen werde und er für den Entzug der privaten Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens keinen vollen finanziellen Ausgleich bekomme.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
- 1.
festzustellen, dass die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung des Herrn S. auf die Stelle als kaufmännischer Mitarbeiter im Back-Office in der Niederlassung C-Stadt als erteilt gilt;
- 2.
für den Fall der Erfolglosigkeit mit dem Antrag zu Ziffer 1, hilfsweise die Zustimmung des Betriebsrates zur Versetzung des Herrn S. auf die Stelle als kaufmännischer Mitarbeiter im Back-Office in der Niederlassung C-Stadt zu ersetzen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, er sei nicht ordnungsgemäß unterrichtet worden. Es fehle an Informationen, die es ihm ermöglichten zu prüfen, ob ein Verweigerungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG vorliege. Insbesondere fehle es an einer näheren Beschreibung des alten und des neuen Arbeitsplatzes. Ein Vergleich sei deshalb nicht möglich. Zwar seien ihm die Aufgaben im Einzelnen bekannt, es habe aber Gespräche gegeben, dass Herr S. wohl weitere Aufgaben übernehmen solle.
Darüber hinaus hätte die Arbeitgeberin über die einzelnen Gehaltsbestandteile informieren müssen, damit er prüfen könne, ob Herr S. auf seiner neuen Position dieselben Provisionsmöglichkeiten habe wie auf seiner Position als Außendienstmitarbeiter. Hinsichtlich der Kompensation für den Dienstwagen fehle es an der Mitteilung des Wertes der privaten Nutzungsmöglichkeit und inwiefern diese ausgeglichen werden solle. Im Hinblick darauf, dass die Arbeitgeberin mit Schriftsatz vom 6. Juli 2023 mitgeteilt habe, dass die aktuellen Provisionsregelungen durch die Versetzung grundsätzlich nicht berührt würden und Herr S. für den Entfall der privaten Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens einen finanziellen Ausgleich erhalte, habe er in seiner Sitzung am 14. Juli 2023 erneut den Beschluss gefasst, seine Zustimmung zu der beabsichtigten Versetzung zu verweigern. Dies habe er der Arbeitgeberin am 17. Juli 2023 mitgeteilt.
Ungeachtet dessen habe er seine Zustimmung ordnungsgemäß verweigert. Die Arbeitgeberin habe gegen § 3 Abs. 3 ArbStättV verstoßen und für den neuen Arbeitsplatz keine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt. Damit liege ein Verweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG vor. Die bereits bestehende Gefährdungsbeurteilung für den Bereich kaufmännischer Büroarbeitsplatz im Verwaltungsgebäude greife für den im Streit stehenden Arbeitsplatz nicht, weil dieser erst nach der letzten Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung geschaffen worden und damit von ihr nicht erfasst sei.
Mit Beschluss vom 5. September 2023 hat das Arbeitsgericht Hannover den Hauptantrag der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Die Arbeitgeberin habe den Betriebsrat vollständig unterrichtet. Das Zustimmungsersuchen der Arbeitgeberin vom 16. März 2023 enthalte die notwendigen Angaben hinsichtlich der Person, die von der personellen Einzelmaßnahme betroffen sei. Auch die Bewerbungsunterlagen von der erstmaligen Einstellung vom 14. Januar 2009 seien dem Betriebsrat als Anlage überreicht worden. Die Rüge des Betriebsrates, eine nähere Beschreibung des alten Arbeitsplatzes von Herrn S. fehle, führe nicht zu einer unvollständigen Unterrichtung. Dem Betriebsrat sei bekannt, welche Tätigkeiten im Außendienst bei der Arbeitgeberin ausgeübt würden. Zum einen sei ein Mitglied des Betriebsrates ebenfalls als Außendienstmitarbeiter tätig, zum anderen sei Herr S. bereits seit 2009 bei der Arbeitgeberin tätig, so dass auch aus diesem Grund die Tätigkeitsbereiche bekannt sein dürften. Auch im Hinblick auf den neuen Arbeitsplatz sei der Betriebsrat hinreichend informiert worden. Die Arbeitgeberin habe den Betriebsrat sowohl über den Arbeitsplatz als auch über die damit einhergehenden Tätigkeiten hinlänglich unterrichtet. Hinsichtlich der Überlegungen, der Position weitere Tätigkeiten zuzuordnen, sei der Betriebsrat nicht zu informieren, solange sich die Arbeitgeberin zu einer entsprechenden Umsetzung noch nicht entschlossen habe.
Auch in Bezug auf die Vergütung von Herrn S. sei der Betriebsrat ordnungsgemäß und umfassend informiert worden. In dem Zustimmungsgesuch vom 16. März 2023 sei mitgeteilt worden, dass Herr S., wie bereits zuvor als Außendienstmitarbeiter, weiterhin als AT-Mitarbeiter geführt werde. Ferner sei sein jährliches Bruttogehalt genannt worden. Dies genüge sowohl im Hinblick auf die Unterrichtung bezüglich der Eingruppierung als auch in Bezug auf die Versetzung. Die Arbeitgeberin sei nicht gehalten gewesen, auch Angaben zu Provisionsmöglichkeiten und zum Dienstwagen zu machen. Als Außendienstmitarbeiter unterfalle Herr S. der bei der Arbeitgeberin seit 2014 bestehenden Provisionsregelung. Auch die neue Position des kaufmännischen Mitarbeiters im Back-Office unterfalle dieser Provisionsregelung. Mithin komme es diesbezüglich zu keiner Veränderung, so dass der Betriebsrat hierüber nicht zu unterrichten gewesen sei. Auch der Umstand, dass sich aufgrund der neuen Position unter Umständen die Höhe der Provision ändere, führe nicht zu einer Informationspflicht der Arbeitgeberin. Die Höhe einer Provision sei abhängig von bestimmten Voraussetzungen, insbesondere der Leistung eines Mitarbeiters. Die Möglichkeit, Provisionen zu erzielen, besitze Herr S. auch auf seiner neuen Position. Es komme zu keiner Benachteiligung des Mitarbeiters, worüber der Betriebsrat hätte informiert werden müssen. Auch soweit Herrn S. auf dem neuen Arbeitsplatz kein Dienstwagen mehr zur Verfügung stehe, den er privat nutzen könne, sei der Betriebsrat hierüber nicht zu informieren. Für den Wegfall der privaten Nutzung des Dienstwagens erhalte Herr S. einen gleichwertigen finanziellen Ausgleich. Folglich komme es auch diesbezüglich zu keiner Veränderung der materiellen Arbeitsbedingungen. Im Anschluss an die ordnungsgemäße Unterrichtung habe der Betriebsrat mit seinem Schreiben vom 27. März 2023 form- und fristgerecht seine Zustimmung verweigert.
Die Zustimmungsverweigerung sei auch unter Angabe von Gründen im Sinne von § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfolgt. Der Betriebsrat habe seine Zustimmungsverweigerung ausdrücklich damit begründet, dass es an einer Gefährdungsbeurteilung fehle. Insofern nehme der Betriebsrat die Vorschrift des § 3 Abs. 3 ArbStättV in Bezug und damit eine Vorschrift im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Ob der vom Betriebsrat geltend gemachte Verweigerungsgrund auch vorliege, betreffe nicht schon die Frage, ob seine Verweigerung unter Angabe von Gründen im Sinne des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG erfolgt sei.
Auf den Hilfsantrag der Arbeitgeberin sei die Zustimmung des Betriebsrates zu ersetzen.
Die vom Betriebsrat angeführten Gründe rechtfertigten seine Zustimmungsverweigerung nicht. Sein Einwand, es fehle an einer Gefährdungsbeurteilung für den Arbeitsplatz des kaufmännischen Mitarbeiters im Back-Office, begründe keinen Verweigerungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Die Arbeitsstättenverordnung sehe lediglich die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber und deren Dokumentation vor Aufnahme der Tätigkeit vor. Deshalb werde die Versetzung an sich nicht von § 3 Abs. 3 ArbStättV erfasst. Mit dem Ausspruch einer Versetzung gehe nicht unmittelbar eine tatsächliche Aufnahme der Tätigkeit einher. Die Versetzung führe zunächst vielmehr nur zu einer Neubestimmung des arbeitsvertraglich maßgeblichen Tätigkeitsbereiches des Arbeitnehmers. Selbst wenn die Versetzung als solche wirksam sein sollte, die Tätigkeit aber gegen Vorschriften verstoße, bestehe für den Arbeitnehmer die Möglichkeit, seine Tätigkeitsaufnahme zu verweigern. Daher sei es nach Sinn und Zweck der Norm nicht zwingend, bereits vor der Versetzung eine Gefährdungsbeurteilung vorzunehmen.
Der Beschluss ist dem Betriebsrat am 5. September 2023 zugestellt worden. Hiergegen hat er mit einem am 2. Oktober 2023 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit einem am 24. November 2023 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen Antrag vom 1. November 2023 durch Beschluss vom gleichen Tag die Beschwerdebegründungsfrist bis zum 5. Dezember 2023 verlängert worden war.
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Betriebsrat seine erstinstanzlichen Ziele weiter. Er wiederholt und vertieft seine Ausführungen. Die Arbeitgeberin habe ihn nicht ordnungsgemäß unterrichtet, weil sie ihm gegenüber keine Angaben dazu gemacht habe, ob und inwiefern die Zuweisung des neuen Arbeitsbereiches für Herrn S. Einfluss auf seinen Vergütungsbestandteil Provision haben könne. Ein Arbeitgeber müsse gegenüber dem Betriebsrat Angaben dazu machen, ob die Möglichkeit der Provisionserzielung durch den Wechsel des Arbeitsbereiches wegfallen werde oder nicht. Dies müsse jedenfalls dann gelten, wenn ein solcher Wegfall nicht ganz abwegig erscheine. Erstinstanzlich habe die Arbeitgeberin das Bestehen einer Provisionsmöglichkeit auf dem bisherigen Arbeitsplatz eingeräumt und sodann die Information nachgeschoben, dass die Provisionsregelung nicht verändert werde. Herr S. werde auch dann einen Nachteil im Sinne des § 99 Abs. 2, Nr. 4 BetrVG erleiden, wenn die bisherige Provisionsabrede zwar bestehen bleibe, auf dem neuen Arbeitsplatz aber gar nicht die tatsächlichen Voraussetzungen dafür bestünden, die nach der Provisionsabrede bestehenden Voraussetzungen für das Entstehen des Provisionsanspruchs zu erfüllen. Vorliegend sei zu befürchten, dass Herr S. nach der Versetzung eine geringere Vergütung erhalte als vorher, weil es sein könne, dass er aufgrund des veränderten Aufgabenbereiches nicht mehr im gleichen Maße die Möglichkeit besitze, eine Provision zu verdienen. Auf seinem bisherigen Arbeitsplatz sei Herr S. im Bereich Vertrieb tätig und mit der Akquise von Neuaufträgen betraut gewesen. Es stelle sich die Frage, wie Herr S. in seinem neuen Aufgabenbereich die Chance besitzen solle, ein Umsatzziel in Höhe von 2,5 Mio. € zu erreichen, wenn die Akquise von Neuaufträgen nicht mehr zu seinen Aufgaben gehöre. Es bestünden sogar Zweifel daran, ob die Vertriebsprovisionsregelung nach dem Wegfall des Arbeitsbereiches überhaupt noch zur Anwendung kommen könne. Die Annahme des Arbeitsgerichtes, Herr S. habe auch auf seiner neuen Position die Möglichkeit, Provisionen zu erzielen, finde im bisherigen Tatsachenvortrag der Arbeitgeberin keine Grundlage. Das Arbeitsgericht habe seine Entscheidung zu Unrecht auf diese Annahme gestützt.
Ferner habe der Betriebsrat seine Zustimmung zu Recht verweigert, weil für den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz keine Gefährdungsbeurteilung im Sinne von § 3 Abs. 3 ArbStättV erstellt und dokumentiert worden sei. Das Arbeitsgericht habe einen Verstoß gegen diese Vorschrift mit der Begründung abgelehnt, mit dem Ausspruch einer Versetzung gehe nicht unmittelbar eine tatsächliche Aufnahme der Tätigkeit einher. Diese Begründung sei nicht nachvollziehbar. Zwischen dem Ausspruch einer Versetzung und der tatsächlichen Aufnahme der neu zugewiesenen Tätigkeit gebe es keinen rechtlich relevanten Zwischenschritt mehr.
Der Betriebsrat beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichtes Hannover vom 5. September 2023 - 12 BV 10/23 - abzuändern und die Anträge insgesamt zurückzuweisen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuwiesen.
Sie vertritt die Ansicht, die Beschwerde sei als unzulässig zu verwerfen. Der Betriebsrat habe sich in seiner Beschwerdebegründung inhaltlich nicht mit dem erstinstanzlichen Beschluss auseinandergesetzt.
Im Übrigen verteidigt die Arbeitgeberin den angefochtenen Beschluss als zutreffend nach Maßgabe ihrer Beschwerdeerwiderung vom 22. Dezember 2023 und ihres Schriftsatzes vom 2. Mai 2024. Sie vertritt die Auffassung, der Betriebsrat sei in Bezug auf (weitere) Vergütungsbestandteile nur dann zu unterrichten, wenn es zu einem Wegfall der Provisionsmöglichkeiten komme, nicht hingegen, wenn die Regelung weiterhin angewandt werde. Eine Veränderung in diesem Sinne existiere vorliegend nicht. Herr S. habe auch weiterhin die Möglichkeit, Provisionsansprüche zu erwerben.
Am 8. September 2023 habe es ein Gespräch zwischen der Arbeitgeberin und dem stellvertretenden Vorsitzenden des Betriebsrates, Herrn K. gegeben. Darin sei Herrn K. eine von ihr erstellte Liste mit den zukünftig (weiterhin) geltenden Arbeitsbedingungen von Herrn S. zur Verfügung gestellt worden. Die einzelnen Informationen lauteten wie folgt:
- Wegfall Dienstwagen nach einer angemessenen Frist von z. B. zwei Monaten. Dann finanzieller Ausgleich des bisherigen geldwerten Vorteils - 378,00 € brutto
- "Einfrieren" der Umsatzzahlen zum Ende der Beschwerdefrist oder z. B. 31.10.23. Auszahlung der mtl. Prov-Abschlagszahlung 70 % bis Ende des Jahres (857,50 €/mtl) und eine Spitzabrechnung zum 28. Februar 2024. Stand aktuell: 97 %;
- Überführung der alten Provisionsregel in eine neue auf den im Innendienst abgestimmte neue Provisionsregelung für 2024, die mit, wie immer erreichbaren Zielen versehen ist (maximal 14.700 € p. a.), z. B. "Festprovision"
Vergleiche man die aktuelle Provisionsregelung von Herrn S. mit den am 8. September 2023 Herrn K. übergebenen Informationen, zeige sich, dass die darin enthaltenen Werte übereinstimmten. Laut aktueller Provisionsregelung solle Herr S. bei vollständiger Zielerreichung eine Provision in Höhe von 14.700 € brutto pro Jahr erhalten. Diese Provisionshöhe solle - ausweislich des Informationsschreibens - auch weiter gelten, mit dem Vorschlag, diese sogar als Festprovision zu zahlen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu den Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll des Anhörungstermins vom 8. Mai 2024 Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
1.
Die Beschwerde ist zulässig, weil sie statthaft (§ 87 Abs. 1 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 87 Abs. 2, 89 Abs. 1 und 2, 64 Abs. 6, 66 ArbGG, §§ 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO). Die Beschwerdebegründung setzt sich in ausreichendem Maße mit den tragenden Gründen des angefochtenen Beschlusses auseinander.
2.
Die Beschwerde ist begründet. Die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Versetzung des Herrn S. ist nicht zu ersetzen.
a.
Der Antrag der Arbeitgeberin auf Ersetzung der Zustimmung zur Versetzung ist gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG i.V.m. § 2 a ArbGG zulässig.
Die Arbeitgeberin besitzt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Sie beschäftigt mehr als 20 Arbeitnehmer und bedarf deshalb für die beabsichtigte Versetzung von Herrn S. der Zustimmung des Betriebsrates.
b.
Der Antrag ist unbegründet.
aa.
Nach § 99 Abs. 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Versetzung zu unterrichten, ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Beteiligten zu geben. Er hat dem Betriebsrat unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Auskunft über die Auswirkungen der geplanten Maßnahme zu geben und die Zustimmung des Betriebsrates zu der geplanten Maßnahme einzuholen. Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber bei Einstellungen und Versetzungen insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen.
bb.
Bei der betreffenden personellen Einzelmaßnahme in Bezug auf Herrn S. handelt es sich um eine Versetzung im Sinne der §§ 99 Abs. 1, 95 Abs. 3 BetrVG, weil ihm für nicht absehbare Zeit ein anderer Arbeitsbereich zugewiesen werden soll.
cc.
Für eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrates muss der Arbeitgeber die Anforderungen des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sowie bei Einstellungen und Versetzungen auch diejenigen des § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG erfüllen (ständige Rechtsprechung, BAG, 1. Juni 2011 - 7 ABR 18/10 - Rn. 19). Der Umfang der vom Arbeitgeber geforderten Unterrichtung des Betriebsrates bestimmt sich nach dem Zweck der Beteiligung an der jeweiligen personellen Maßnahme. Die Unterrichtungs- und Vorlagepflichten nach § 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG dienen dazu, dem Betriebsrat die Informationen zu verschaffen, die er benötigt, um sein Recht zur Stellungnahme nach § 99 Abs. 2 BetrVG sachgerecht ausüben zu könne. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat so zu unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt (BAG, 1. Juni 2011 - 7 ABR 18/10 - Rn. 20; BAG, 27. Oktober 2010 - 7 ABR 86/09 - Rn. 21).
Gemäß § 99 Abs. 3 BetrVG gilt die Zustimmung des Betriebsrates zu einer personellen Einzelmaßnahme im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG als erteilt, wenn der Betriebsrat die Zustimmung nicht fristgemäß innerhalb einer Woche schriftlich unter Angabe von Gründen verweigert. Voraussetzung für den Eintritt dieser gesetzlichen Fiktion ist eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrates nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch den Arbeitgeber. Nur diese setzt die Frist für die Zustimmungsverweigerung in Lauf (ständige Rechtsprechung, BAG, 21. November 2018 - 7 ABR 16/17 - Rn. 16; BAG, 13. Mai 2014 - 1 ABR 9/12 - Rn. 18; BAG, 13. März 2013 - 7 ABR 39/11 - Rn. 31). Hat der Arbeitgeber den Betriebsrat nicht oder nur unzureichend informiert, so tritt die Zustimmungsfiktion nicht ein. Die Frist wird grundsätzlich auch dann nicht in Lauf gesetzt, wenn es der Betriebsrat unterlässt, den Arbeitgeber auf die offenkundige Unvollständigkeit der Unterrichtung hinzuweisen (BAG, 9. April 2019 - 1 ABR 30/17 - Rn. 33; BAG, 13. März 2013 - 7 ABR 39/11 - Rn. 34). Die Frist wird bei offensichtlich unvollständiger Unterrichtung des Betriebsrates selbst dann nicht in Gang gesetzt, wenn der Betriebsrat sich auf ein Zustimmungsersuchen des Arbeitgebers mit Widerspruchsgründen nach Absatz 2 einlässt (BAG, 9. April 2019 - 1 ABR 30/17 - Rn. 33).
dd.
Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze hat die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit dem Zustimmungsersuchen vom 16. März 2023 nicht in ausreichendem Umfang über die beabsichtigte personelle Maßnahme unterrichtet.
(1.)
Das Zustimmungsersuchen der Arbeitgeberin vom 16. März 2023 enthält zwar die notwendigen Angaben hinsichtlich der Person, die von der personellen Einzelmaßnahme betroffen ist. Auch die Bewerbungsunterlagen der erstmaligen Einstellung von Herrn S. vom 14. Januar 2009 sind dem Betriebsrat als Anlage überreicht worden. Auch im Hinblick auf den neuen Arbeitsplatz ist der Betriebsrat hinreichend informiert worden. Die Unterrichtung hat dabei die Aufgaben und Verantwortung des Arbeitnehmers sowie die Art seiner Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes zu umfassen, wobei der Begriff und funktional zu verstehen ist. Er umfasst neben der Arbeitsleistung auch die Art der Tätigkeit und den gegebenen Platz in der betrieblichen Organisation (BAG, 12. Juni 2019 - 1 ABR 39/17 - Rn. 19). Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat sowohl über den Arbeitsplatz - kaufmännischer Mitarbeiter im Back-Office - als auch über die damit einhergehenden Tätigkeiten unterrichtet. In dem Zustimmungsgesuch vom 16. März 2023 ist dem Betriebsrat mitgeteilt worden, dass Herr S., wie bereits zuvor als Außendienstmitarbeiter, weiterhin als AT-Mitarbeiter geführt wird. Ferner ist sein jährliches Bruttogehalt in Höhe von 47.340,00 Euro genannt. Hinsichtlich etwaiger Überlegungen, der Position weitere Tätigkeiten zuzuordnen, war der Betriebsrat nicht zu informieren, solange sich die Arbeitgeberin zu einer entsprechenden Übertragung/Umsetzung noch nicht entschlossen hat.
(2.).
Der Betriebsrat ist jedoch auch darüber zu unterrichten, wenn es bei einer Versetzung zum Wegfall von Provisionsmöglichkeiten kommt (LAG Schleswig-Holstein, 3. Juli 2001 - 3 TaBV 7/01 - Rn. 15; ErfK/Kania, 24. Aufl. 2024, BetrVG § 99 Rn. 20). Als Außendienstmitarbeiter unterfiel Herr S. der bei der Arbeitgeberin seit 2014 bestehenden Provisionsregelung. Zum Zeitpunkt der Information des Betriebsrates fand auf das Arbeitsverhältnis von Herrn S. die Vertriebsprovisionsregelung gemäß Vereinbarung vom März 2023 Anwendung (LAG, Bl. 95 ff d. A.). Danach wurde mit Herrn S. für das laufende Jahr 2023 ein Gesamtumsatzziel in Höhe von 2,5 Mio. € vereinbart. Bei Zielerreichung wird eine Provision in Höhe von 14.700 € gezahlt. Bei Zielunterschreitung des zugeordneten Gesamtumsatzzieles um je 1 % reduziert sich der Provisionsanspruch um je 5 % Punkte. Bei Überschreitung des Gesamtumsatzzieles um je 1 % erhöht sich der Provisionsanspruch um je 1 %. Diese Regelung gilt bis zu einer Überschreitung des Gesamtumsatzzieles von 15 %. Eine höhere Überschreitung wird nicht vergütet. Sofern Herr S. eine anderweitige Tätigkeit im Unternehmen aufnimmt oder das Arbeitsverhältnis beendet wird, erfolgt eine auf das Wechsel- bzw. Austrittsdatum bezogene "Spitzabrechnung" der Umsätze. Weiterhin enthält die Provisionsregelung eine Stück- und Qualitätsprovisionsregelung: Diese Provisionsregelung bemisst sich nach dem in der Provisionsvereinbarung detailliert aufgeführten Voraussetzungen.
Die konkreten Folgen der Versetzung des Mitarbeiters S. hinsichtlich seiner möglichen Provisionsansprüche hat die Arbeitgeberin dem Betriebsrat in dem Anhörungsschreiben vom 16. März 2023 nicht mitgeteilt. Sie hat es unterlassen, dem Betriebsrat gegenüber anzugeben, in welcher Höhe Herr S., der während seiner Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter Provisionen gemäß der Vertriebsprovisionsregelung erzielen konnte, bislang Provision erhalten hatte und wie groß für ihn der Nachteil durch eine möglicherweise eine entfallende Provisionsmöglichkeit ist. Mit der angestrebten Versetzung in das Back-Office wäre Herr S. nicht mehr im Vertrieb tätig. Zu seinen Aufgaben würde dann insbesondere nicht mehr die Akquise von Neuaufträgen gehören. Die Arbeitgeberin hätte den Betriebsrat deshalb darüber informieren müssen, ob Herr S. auch nach der Versetzung die gleiche Chance hat, sein jährliches Gesamtumsatzziel gemäß Provisionsregelung vom März 2023 zu erreichen, bzw. ob und inwieweit er Einkünfte aus der Stück- und Qualitätsprovisionsregelung erzielen kann.
Der Betriebsrat benötigt von der Arbeitgeberin diese Information darüber, ob Herr S. auch nach der Versetzung die gleiche Chance hat, sein jährliches Gesamtumsatzziel zu erreichen. Es kann ein Nachteil im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG darstellen, wenn Herr S. diese Chance nicht mehr besitzt.
Der Einwand der Arbeitgeberin, auch für die neue Tätigkeit im Back-Office finde die bisherige Provisionsregelung Anwendung, es habe sich also keine Veränderung ergeben mit der Folge, dass sie den Betriebsrat insoweit nicht habe informieren müssen, greift nicht durch. Kann Herr S. auf der neuen Position trotz Weitergeltung der bisherigen Provisionsvereinbarung aufgrund der Tätigkeit im Back-Office keine Provisionen mehr erzielen, ist dies einem Wegfall der Provisionsregelung gleichzustellen. Eine derartige Information ist mit dem Unterrichtungsschreiben vom 16. März 2023 nicht erfolgt. Die Unterrichtung war ersichtlich nicht ausreichend. Daher kommt es nicht darauf an, ob der Betriebsrat hierauf fristgemäß hingewiesen hat.
ee.
Die Arbeitgeberin hat die fehlenden Informationen im Zustimmungsersetzungsverfahren mit ihrem Schriftsatz vom 6. Juli 2023 nachgeholt und damit das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet.
(1.)
Die Nachholung der fehlenden Information des Betriebsrates zu einer beabsichtigten personellen Maßnahme gemäß § 99 Abs. 1 BetrVG ist grundsätzlich auch noch im Laufe des Zustellungsersetzungsverfahrens möglich.
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kann der Arbeitgeber in Fällen, in denen der Betriebsrat auf eine unvollständige Unterrichtung hin seine Zustimmung verweigert hat, auch noch im Zustimmungsersetzungsverfahren die fehlenden Informationen nachholen. Mit der Nachholung der Unterrichtung und der Vervollständigung der Informationen wird nun die Wochenfrist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG im Lauf gesetzt. Für den Betriebsrat muss allerdings erkennbar sein, dass der Arbeitgeber die Informationen während des Zustimmungsersetzungsverfahrens auch deswegen vervollständigt, weil er seiner ggf. noch nicht vollständig erfüllten Unterrichtungspflicht aus § 99 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BetrVG nachkommen möchte. Das muss nicht ausdrücklich geschehen, sondern kann sich aus den Umständen der nachgereichten Informationen ergeben. Das Zustimmungsersuchen muss nicht wiederholt werden. Ein Hinweis darauf, dass jetzt die Zustimmungsverweigerungsfrist für den Betriebsrat erneut zu laufen beginnt, ist nicht erforderlich. Die ergänzende Information des Betriebsrats kann auch durch einen in einem gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren eingereichten Schriftsatz oder in beigefügten Anlagen erfolgen. Dem steht nicht entgegen, dass unmittelbarer Adressat nicht der Betriebsrat, sondern das Gericht ist. In einem solchen Fall besteht allerdings die erhebliche Gefahr, dass der Betriebsrat die Mitteilung nicht als ergänzende abschließende Unterrichtung versteht und auch nicht als solche verstehen muss. Der Lauf der Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG beginnt in einem derartigen Fall zudem erst dann, wenn die Mitteilung beim Vorsitzeden des Betriebsrates eingeht.
(2.)
Die Arbeitgeberin hat vorliegend mit ihrem Schriftsatz vom 6. Juli 2023 gegenüber dem Betriebsrat die fehlende Information nachgeholt.
In dem Schriftsatz vom 6. Juli 2023 hat sie gegenüber dem Betriebsrat mitgeteilt, dass die aktuelle Provisionsregelung durch die Versetzung grundsätzlich nicht berührt werde und Herr S. für den Entfall der privaten Nutzungsmöglichkeit einen finanziellen Ausgleich erhalten werde. Das Provisionssystem war dem Betriebsrat bekannt. Unwidersprochen hatte die Arbeitgeberin vorgetragen, der Betriebsrat sei über dieses im April 2014 informiert worden und habe dem Provisionsmodell am 9. Mai 2014 zugestimmt. Anhand der ihm im Schriftsatz vom 6. Juli 2023 mitgeteilten Informationen war es dem Betriebsrat nunmehr möglich, das Vorliegen von Zustimmungsverweigerungsgründen nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG zu prüfen.
(3.)
Aufgrund der enthaltenen neuen Informationen hat der Betriebsrat am 14. Juli 2023 sodann erneut den Beschluss gefasst, seine Zustimmung zu der beabsichtigten Versetzung zu verweigern und hat dies der Arbeitgeberin am 17. Juli 2023 schriftlich mitgeteilt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass zu befürchten sei, dass Herr S. auf dem neuen Arbeitsplatz weniger Provision verdienen werde und dass ihm die private Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens entzogen werde und er dafür keinen vollen finanziellen Ausgleich bekomme. Damit hat der Betriebsrat gegenüber der Arbeitgeberin die Zustimmung im Hinblick auf den Zustimmungsverweigerungsgrund des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG verweigert.
(4.)
Der Widerspruch des Betriebsrates erfolgte entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin auch fristgemäß.
Der Lauf der Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG begann im Hinblick auf die ursprünglich unvollständige Unterrichtung erst dann zu laufen, als der Schriftsatz der Arbeitgeberin vom 6. Juli 2023 bei dem Vorsitzenden des Betriebsrates eingegangen ist. Dieser ist als Vorsitzender des Betriebsrates der richtige Adressat des ergänzenden Unterrichtungsschreibens, weil er in dieser Funktion zur Entgegennahme von Erklärungen, die dem Betriebsrat gegenüber abzugeben sind, berechtigt ist, § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG. Der Eingang war erst am 10. Juli 2023. Das Risiko einer verspäteten oder unterbliebenen Weiterleitung von nachgereichten Informationen trägt der Arbeitgeber (BAG, 01. Juni 2011 - 7 ABR 18/10 - Rn. 21; BAG, 9. März 2011 - 7 ABR 127/09 - Rn. 25; BAG, 12. Januar 2011 - 7 ABR 25/09 - Rn. 45).
Es wäre der Arbeitgeberin auch unproblematisch möglich gewesen, die im Schriftsatz vom 6. Juli 2023 enthaltenen Informationen über die Fortgeltung der Provisionsregelung und des finanziellen Ausgleiches für den Entzug des Dienstwagens direkt an den Vorsitzenden des Betriebsrates zu übersenden. Dies ist nicht erfolgt.
(5.)
Unabhängig davon ist tragend auszuführen, dass eine erneute Zustimmungsverweigerung des Betriebsrates im Anschluss an die von der Arbeitgeberin nachgeholten Informationen im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 29. Januar 2020 ( - 4 ABR 8/18 - Rn. 12) nicht erforderlich war, weil sie von ihrer ursprünglichen Maßnahme keinen Abstand genommen hat und keine eigenständige, neue Personalmaßnahme eingeleitet hat. Dies hat zur Folge, dass die ursprüngliche form- und fristgerechte Zustimmungsverweigerung gemäß Schreiben des Betriebsrates vom 27. März 2023 weiterhin Bestand hat.
ff.
Der Betriebsrat hat seine Zustimmung zu der beabsichtigten Versetzung des Mitarbeiters Herr S. zu Recht nach § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG verweigert.
(1.)
Hiernach kann der Betriebsrat die Zustimmung zu einer personellen Maßnahme verweigern, wenn der betroffene Arbeitnehmer durch die personelle Maßnahme benachteiligt wird, ohne dass dies aus betrieblichen oder in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen gerechtfertigt ist.
Eine Benachteiligung im Sinne des § 99 Abs. 2 Nr. 4 BetrVG kann sich aus dem Verlust einer Rechtsposition, aber auch aus tatsächlichen Nachteilen von nicht unerheblichem Gewicht ergeben, wie sie etwa bei ungünstigen Auswirkungen auf die Umstände der Arbeit anzunehmen sind. Solche Nachteile können sowohl bei einer Verschlechterung der äußeren Arbeitsbedingungen als auch der materiellen Arbeitsbedingung gegeben sein (Fitting, BetrVG, 32. Aufl. 2024, § 99 Rn. 242).
(2.)
Derartige Nachteile sind für den von der personellen Maßnahme betroffenen Herrn S. ersichtlich. Es bestehen erhebliche Zweifel daran, dass Herr S. auf dem neuen Arbeitsplatz die nach der bisherigen Provisionsabrede bestehenden Voraussetzungen für das Entstehen des Provisionsanspruchs erfüllen kann. Ob und inwieweit Herr S. bei einer Tätigkeit im Back-Office Einkünfte aus der Stück- und Qualitätsprovisionsregelung 2023 erzielen kann, ist nicht erkennbar. Nach der Vertriebsprovisionsregelung für das Jahr 2023 muss Herr S., um eine Provision in Höhe von 14.700,00 € zu erhalten, ein Gesamtumsatzziel in Höhe von 2,5 Mio. € erreichen. Bei einer Unterschreitung dieses Gesamtumsatzzieles um je 1 % reduziert sich der Provisionsanspruch um je 5 %. Bei einer Überschreitung des Gesamtumsatzzieles um je 1 % erhöht sich der Provisionsanspruch um je 1 %.
Zutreffend hat der Betriebsrat darauf hingewiesen, dass ein Provisionsanspruch für Herrn S. im Ergebnis vollständig entfällt, wenn er einen Umsatz von weniger als 2 Mio. € erzielt. Auf seinem neuen Arbeitsplatz wird die Akquise von Neuaufträgen nicht mehr zu den Aufgaben von Herrn S. gehören, so dass aus diesem Grund die Annahme gerechtfertigt ist, dass er das für seinen Provisionsanspruch erforderliche Mindestumsatzziel gar nicht mehr erreichen kann. Insoweit ist es dann irrelevant, ob die alte Provisionsregelung für den Arbeitnehmer S. weiterhin Anwendung findet.
Unabhängig davon ist tragend auszuführen, dass nach der von der Arbeitgeberin zu den Akten gereichten Vertriebsprovisionsregelungen für das Jahr 2023 bei einem Wechsel der Tätigkeit des Mitarbeiters eine auf den Wechsel bezogene Spitzabrechnung der Umsätze erfolgt. Diese Regelung ist dahingehend zu verstehen, dass entgegen dem Vorbringen der Arbeitgeberin die bisherige Vertriebsprovisionsregelung bezüglich der Umsatzprovision im Falle einer Versetzung von Herrn S. keine Anwendung mehr findet.
Dafür spricht auch das von der Arbeitgeberin mitgeteilte Gespräch vom 8. September 2023. In diesem Gespräch hat die Arbeitgeberin dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden eine Liste mit den zukünftig geltenden Arbeitsbedingungen für Herrn S. zur Verfügung gestellt. Danach sollen die Umsatzzahlen zum Ende der Beschwerdefrist bzw. z. B. zum 31. Oktober 2023 "eingefroren" werden bei gleichzeitiger Auszahlung der monatlichen Provisionsabschlagszahlung in Höhe von 70 % (857,50 € monatlich). Dies belegt, dass die bisherige Provisionsregelung offensichtlich nicht unverändert angewandt werden kann bzw. soll. Aus der Provisionsregelung soll eine feste Provision werden. Weiterhin soll eine auf den Innendienst abgestimmte neue Provisionsregelung für 2024 erstellt werden, möglicherweise in Form einer Festprovision.
Auch der Inhalt des Gespräches vom 8. September 2023 zeigt, dass die unveränderte Anwendung der bisherigen Provisionsregelung bei Versetzung von Herrn S. auf den neuen Arbeitsplatz dazu führen würde, dass er keine Provision erwerben kann. Bei dem im Gespräch am 8. September 2023 gemachten Vorschlag der Arbeitgeberin wird aus einer bisherigen Provisionsregelung bis zur Erstellung einer speziell für den Innendienst angepassten Provisionsregelung eine Festprovision, wobei die Umsatzzahlen eingefroren werden sollen. Dies bedeutet, dass über die monatliche 70 %ige Abschlagszahlung in Höhe von 857,50 € brutto kein höherer Provisionsanspruch erworben werden kann. Auch dies stellt gegenüber den bisherigen Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers S. im Außendienst eine Verschlechterung der materiellen Arbeitsbedingungen dar. Der Inhalt des Gespräches vom 8. September 2023 zeigt, dass auch die Arbeitgeberin selbst davon ausgeht, dass eine Anpassung der Provisionsregelung an den Innendienst erforderlich ist, damit Herr S. auf seinem neuen Arbeitsplatz keine Nachteile erleidet, was seine Möglichkeit zur Provisionserzielung angeht.
(3.).
Die Benachteiligung des Arbeitnehmers S. ist auch nicht durch betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe gerechtfertigt. Die Arbeitgeberin, der insoweit die Darlegungslast obliegt, hat hierzu keinerlei Vortrag geleistet.
c.
Auch eine Würdigung des weiteren Sachvortrages der Beteiligten, von dessen Darstellung im Einzelnen Abstand genommen wird, führte zu keinem abweichenden Ergebnis.
Nach alledem war auf die Beschwerde des Betriebsrates die Entscheidung des Arbeitsgerichtes Hannover teilweise abzuändern und auch der Hilfsantrag und damit die Anträge insgesamt zurückzuweisen.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 2 Abs. 2 GKG.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG) liegen nicht vor. Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 92a ArbGG) und der sofortigen Beschwerde (§ 92b ArbGG) wird hingewiesen.