Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.05.2024, Az.: 14 SLa 26/24

Anspruch eines ehemaligen langjährig beschäftigten Arbeitnehmers auf Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie während der passiven Phase der Altersteilzeit

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
17.05.2024
Aktenzeichen
14 SLa 26/24
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 19316
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:0517.14SLa26.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 21.12.2023 - AZ: 8 Ca 333/23

Amtlicher Leitsatz

Ein Arbeitnehmer in der Passivphase der Altersteilzeit wird nicht sachfremd benachteiligt, wenn der Arbeitgeber nur an die noch aktiv Beschäftigten eine Inflationsausgleichsprämie nach § 3 Nr. 11 c) EStG zahlt.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 21.12.2023 - 8 Ca 333/23 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gegenstandswert wird für das Berufungsverfahren auf 1.250,-Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie während der passiven Phase der Altersteilzeit.

Der im Jahr 1959 geborene Kläger war bei der Beklagten seit März 1983 beschäftigt. Am 03.08.2018 schlossen die Parteien einen Vertrag über Altersteilzeit im Blockmodell. Auf dieser Grundlage befindet sich der Kläger seit dem 01.10.2022 in der passiven Phase.

Im April 2023 zahlte die Beklagte an ihre aktiv beschäftigten Mitarbeiter, auch an diejenigen, die noch in der aktiven Phase eines Altersteilzeitverhältnisses standen, eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.250,00 Euro. Der Kläger erhielt dementsprechend keine Inflationsausgleichsprämie.

Er hat die Auffassung vertreten, er habe aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ebenfalls einen Anspruch auf Zahlung der Inflationsausgleichsprämie. Eine Differenzierung nach aktiver und passiver Phase der Altersteilzeit sei unzulässig. Mit der Inflationsausgleichsprämie sollten Beschäftigte entlastet werden, die mit stark gestiegenen Energie- und Nahrungsmittelpreisen zu kämpfen hätten. Von den gestiegenen Verbraucherpreisen seien alle Arbeitnehmer betroffen, es mache keinen Unterschied, ob sie sich in der Arbeitsphase oder in der Freistellungsphase befänden. Bei einer Motivationsprämie liege ein durchaus nachvollziehbares Differenzierungskriterium vor, allerdings hätte die Wahl des Mittels dann die Zahlung einer solchen Prämie sein müssen. Die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie sei ungeeignet, um das von der Beklagten definierte Ziel zu erreichen.

Der Kläger hat beantragt,

an ihn eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.250,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, ein Rechtsanspruch auf die Zahlung bestehe nicht. Bei der Inflationsausgleichsprämie handele es sich um eine freiwillige Leistung. Die Beklagte habe vorliegend ihre aktiv im Arbeitsverhältnis Tätigen durch eine Sonderzahlung unterstützen und in der Arbeitsleistung motivieren wollen. Eine Motivation der nicht aktiv im Arbeitsverhältnis Tätigen sei nicht geboten. Bei freiwilligen Leistungen sei der Arbeitgeber grundsätzlich frei, den Personenkreis festzulegen, dem er die Leistung zukommen lassen wolle.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein erstinstanzliches Begehren weiter: Ob der ausgeschlossene Personenkreis zu Recht ausgenommen worden sei, sei nach dem mit der Zahlung verfolgten Zweck zu beurteilen. Es handele sich um eine steuerbegünstigte Inflationsausgleichsprämie. Damit sei zugleich auch der Zweck definiert. Zweck einer Inflationsausgleichsprämie sei gerade nicht die Förderung der Motivation der arbeitenden Mitarbeiter im Gegensatz zu denjenigen Mitarbeitern, die nicht aktiv arbeiteten, sondern die Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise. Allein hiernach sei zu beurteilen, ob die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung gerechtfertigt sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 21.12.2023 - AZ: 8 Ca 333/23 - aufzuheben und die Beklagte zu fordern, an den Kläger eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.250,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil: Die Zahlung des Inflationsausgleichs sei eine freiwillige Leistung gewesen, weil die Beklagte nicht aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung oder Regelung zur Zahlung verpflichtet gewesen sei. Die Beklagte habe den Kreis der begünstigten Arbeitnehmer festgelegt, die Kriterien entsprächen dem arbeitsrechtlichen allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Differenzierung zwischen aktiv und nicht aktiv Beschäftigen sei zulässig. So erläutere auch das Bundesfinanzministerium ausdrücklich, hinsichtlich des begünstigten Kreises der Empfänger einer Inflationsausgleichsprämie keine Vorgaben zu machen.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden.

Der Berufungsantrag begegnet keinen Bedenken. Bei sachgerechter Auslegung begehrt der Kläger die Abänderung des angefochtenen Urteils und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Inflationsausgleichsprämie.

Eine Anspruchsgrundlage ist nicht gegeben. Soweit der Kläger seinen Anspruch auf den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz stützt, sind dessen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Der gewohnheitsrechtlich anerkannte arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ebenso wie eine sachfremde Differenzierung zwischen Gruppen von Arbeitnehmern. Zwar gilt im Bereich der Vergütung der Gleichbehandlungsgrundsatz nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit für individuell vereinbarte Löhne und Gehälter Vorrang hat. Das Gebot der Gleichbehandlung greift jedoch ein, wenn der Arbeitgeber Leistungen aufgrund genereller Regelungen für bestimmte Zwecke gewährt. Zahlt er aufgrund einer abstrakten Regelung eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden Prinzip und legt er entsprechend dem mit der Leistung verfolgten Zweck die Anspruchsvoraussetzung für diese Leistung fest, darf er einzelne Arbeitnehmer von der Leistung nur ausnehmen, wenn dies sachlichen Kriterien entspricht. Arbeitnehmer werden nicht sachfremd benachteiligt, wenn nach dem Zweck der Leistung Gründe vorliegen, die es unter Berücksichtigung aller Umstände rechtfertigen, ihnen die anderen Arbeitnehmern gewährten Leistungen vorzuenthalten. Die Zweckbestimmung einer Sonderzahlung ergibt sich vorrangig aus ihren tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen. Dementsprechend ist zunächst der Zweck der Leistungen zu ermitteln und zu beurteilen, ob der von ihr ausgeschlossene Personenkreis berechtigterweise außerhalb der allgemeinen Zweckrichtung steht. Steht eine unterschiedliche Ausgestaltung der Zusatzleistung nach Gruppen von Arbeitnehmern fest, hat der Arbeitgeber die Gründe für eine Differenzierung offenzulegen und substantiiert die sachlichen Unterscheidungskriterien darzutun. Sind die Unterscheidungsmerkmale nicht ohne weiteres erkennbar und legt der Arbeitgeber seine Differenzierungsgesichtspunkte nicht dar oder ist die unterschiedliche Behandlung nach dem Zweck der Leistung nicht gerechtfertigt, kann der benachteiligte Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der begünstigten Arbeitnehmergruppe behandelt zu werden (BAG 12.10.2011 - 10 AZR 510/10 - Rn. 13 f.).

Die Beklagte hat die Inflationsausgleichsprämie ausschließlich an aktiv beschäftigte Arbeitnehmer gezahlt und dies damit begründet, diese Arbeitnehmer mit der Leistung motivieren zu wollen, sie habe gerade nicht ihre nicht aktiv im Arbeitsverhältnis Tätigen unterstützen wollen, weil eine Motivation dieser Arbeitnehmergruppe nicht geboten gewesen sei. Damit hat die Beklagte einen Leistungszweck dargelegt, der durch die Gruppenbildung unmittelbar nachvollziehbar und im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ausreichend substantiiert ist. Ein solcher Zweck ist, wie bereits der Kläger erstinstanzlich eingeräumt hat, ein durchaus anerkennenswertes sachliches Differenzierungskriterium. Beschäftigte in der Passivphase der Altersteilzeit haben nach den vertraglichen Bedingungen zukünftig keine Arbeitsleistung mehr zu erbringen, die Beklagte kann sie durch die Zahlung der Inflationsausgleichsprämie daher auch nicht zu solch einer Arbeitsleistung motivieren (so auch LAG Niedersachsen, 21.02.2024 - 8 Sa 564/23 - Rn. 40). Diesem von der Beklagten dargelegten Zweck steht nicht entgegen, dass die von ihr ausgewählte Prämie nach dem Willen des Gesetzgebers im Hinblick auf die Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise steuer- und sozialversicherungsfrei ausgezahlt werden kann. Der von der Beklagten dargelegte Leistungszweck der Motivation der aktiv Beschäftigten wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Arbeitgeber einen sowohl für ihn als auch die Arbeitnehmer besonders günstigen Weg wählt, um sein Ziel zu erreichen. Die vom Gesetzgeber zum Anlass der Privilegierung genommenen gestiegenen Verbraucherpreise stehen der begrenzenden Zwecksetzung der Leistung des Arbeitgebers nicht deshalb entgegen, weil alle Arbeitnehmer von ihnen betroffen sind.

Da die Beklagte nicht darauf abgestellt hat, ob ein Mitarbeiter überhaupt einen Altersteilzeitvertrag abgeschlossen hat, sondern allein darauf, ob der Mitarbeiter sich in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis befindet, ist die Klage auch nicht deshalb begründet, weil ein Verstoß der Gesamtzusage gegen § 4 Abs. 1 TzBfG oder wegen mittelbarer Altersdiskriminierung gegen §§ 7, 1, 3 Abs. 2 AGG vorläge, der zur Teilunwirksamkeit im Hinblick auf die Differenzierung führen würde.

Auch eine Würdigung des weiteren Sachvortrags der Parteien, von deren Darstellung im Einzelnen Abstand genommen wird, führt zu keinem abweichenden Ergebnis.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Gegen diese Entscheidung ist daher kein Rechtsmittel gegeben.