Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 27.06.2024, Az.: 5 Sa 672/23

Tarifliche Eingruppierung eines Beschäftigten als freigestelltes Betriebsratsmitglied

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
27.06.2024
Aktenzeichen
5 Sa 672/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 21581
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:0627.5Sa672.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Braunschweig - 13.09.2023 - AZ: 1 Ca 146//23

Amtlicher Leitsatz

Der Arbeitgeber, der ein freigestelltes Betriebsratsmitglied herabgruppiert und sich dabei auf § 37 Abs. 4 BetrVG beruft, trägt nach den Grundsätzen der korrigierenden Rückgruppierung die Darlegungs- und Beweislast.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Braunschweig vom 13.09.2023 - 1 Ca 146/23 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe der dem Kläger als freigestelltem Betriebsratsmitglied zustehenden Vergütung.

Der Kläger ist ausgebildeter Möbeltischler und seit 1979 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Automobilindustrie, beschäftigt.

Während seiner Beschäftigungszeit übernahm er die Funktion eines Vertrauensmanns der I.. Im Jahr 2000 stellte die Beklagte ihn aufgrund dieser Funktion teilweise von der Arbeitsleistung unter Lohnfortzahlung frei. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger als Kunststoffwerker bzw. Modelltischler im Arbeitssystem ZF3HK908 tätig und in der tariflichen Entgeltstufe 13 eingruppiert. Noch vor seiner Teilfreistellung fanden zwischen ihm und seinem damaligen Vorgesetzten erste Gespräche über eine Höhergruppierung in die Entgeltstufe 14 sowie über die dafür notwendigen Leistungen und maßgeblichen Kriterien statt. Als Folge dieser Gespräche beantragte der damalige Vorgesetzte des Klägers am 17.12.2001 dessen Umgruppierung in die Entgeltstufe 14. Die Beklagte entsprach diesem Begehren aufgrund der guten Zeugnisse des Klägers in seiner damaligen Tätigkeit als Kunststoffwerker sowie wegen der erwarteten positiven Entwicklung.

Am 01.07.2004 wurde der Kläger Mitglied des bei der Beklagten gewählten Betriebsrats und die Beklagte stellte ihn aufgrund dieser Funktion von seiner Tätigkeit frei. Mit Schreiben vom 10.04.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Kommission Betriebsratsvergütung sein Arbeitsentgelt gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG entsprechend der vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung der Entgeltstufe 15 angepasst habe. Ab dem 01.05.2007 gewährte sie Vergütung nach der Entgeltstufe 15.

Auf Grundlage eines vergleichbaren Schreibens vom 16.04.2009 erhielt der Kläger ab dem 01.05.2009 Vergütung nach der Entgeltstufe 16.

Im Juli 2017 suchte die Beklagte für das Demografieprojekt in Halle x Führungskräfte vom Meister bis Fertigungsabschnittsleiter. In diesem Rahmen wandte sich der zuständige Leiter des Fertigungsbereichs x, Herr J., an den Kläger und fragte diesen, ob er bereit sei, in dieser neuen Abteilung die Funktion eines Fertigungsabschnittsleiters zu übernehmen. Diese Stelle ist der Entgeltstufe 16 zugeordnet gewesen mit der Möglichkeit einer weiteren Entwicklung in den Tarif Plus. Der Kläger lehnte dieses Angebot ab.

Im Betrieb der Beklagten gilt seit dem 01.12.2020 die Gesamtbetriebsvereinbarung Nr. 08/20 zur Bestimmung der Entgeltentwicklung von Betriebsratsmitgliedern sowie die interne Durchführungsanweisung zu dieser Gesamtbetriebsvereinbarung.

Mit Schreiben vom 30.01.2023 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass angesichts der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023 die Auszahlung seiner Vergütung ab Januar 2023 unter einem Vorbehalt der rückwirkenden Anpassung an den Median der Vergleichsgruppe erfolge, da man die Auswirkungen der vorgenannten BGH-Entscheidung auf die Vergütung der Betriebsratsmitglieder prüfe. Die Beklagte gelangte zu dem Ergebnis, dass der Kläger in die Entgeltstufe 14 einzugruppieren sei und zahlte ihm für Februar 2023 ein monatliches Tarifentgelt in Höhe von 4.879,50 € brutto. Mit Schreiben vom 29.03.2023 forderte die Beklagte von dem Kläger für den Zeitraum Oktober 2022 bis einschließlich Januar 2023 insgesamt 2.521,86 € zurück. Sie brachte von der Vergütung für Mai 2023 1.329,28 € netto als Einbehalt wegen (streitiger) Rückzahlungsansprüche für den Zeitraum Oktober 2022 bis Januar 2023 in Abzug.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Nachzahlung der Vergütungsdifferenzen für Februar bis Mai 2023 sowie die Nachzahlung des Nettolohnabzuges betreffend die Maivergütung 2023 auf der Basis der von ihm für sich als richtig reklamierten Vergütung nach Entgeltstufe 16 beantragt. Schließlich hat er die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet sei, das Arbeitsverhältnis entsprechend den jeweiligen tariflichen und betrieblichen Regelungen für Beschäftigte auf der Basis der Entgeltstufe 16 durchzuführen und zwar für die Zeit ab dem 01.05.2009. Sodann hat er sich mit einer negativen Feststellungsklage gegen den behaupteten Anspruch der Beklagten entsprechend ihrer Forderung vom 29.03.2023 gewandt.

Wegen weiterer Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (dort Bl. 2 bis 8 desselben) verwiesen.

Mit Urteil vom 13.09.2023 hat das Arbeitsgericht dem Klagebegehren in vollem Umfang stattgegeben und die Feststellungswiderklage der Beklagten, die darauf abzielt, die zutreffende Eingruppierung in die Entgeltstufe 14 festzustellen, abgewiesen.

Wegen der genauen Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe dieses Urteils (dort Bl. 8 bis 14 desselben) verwiesen.

Dieses Urteil ist der Beklagten am 11.10.2023 zugestellt worden. Mit einem am 17.10.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat sie Berufung eingelegt und diese mit einem am 10.01.2024 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom 08.12.2023 die Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum 11.01.2024 verlängert hatte.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte in vollem Umfang das erstinstanzliche Ziel der Klageabweisung und Zuerkennung ihrer Widerklage weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Die Beklagte meint, die Auswertung einer von ihr gebildeten Vergleichsgruppe zeige, dass die Medianvergütung dieser Vergleichsgruppe heute in der Entgeltstufe 13 liege. Sie habe dabei für die Auswertung der potentiellen Vergleichsgruppe auf den 01.01.2002 abgestellt. Maßgeblich sei der Zeitpunkt der Teilfreistellung des Klägers als Mitglied des Vertrauensleutekörpers im Jahr 2000. Allein aufgrund der fehlenden Verfügbarkeit von Daten aus dem Jahr 2000 habe sie auf den 01.01.2002 als letztmöglichen Zeitpunkt einer Auswertung abgestellt. Soweit ihr entgegengehalten werde, sie habe die Namen der Vergleichspersonen nicht offengelegt, folge dies aus dem Datenschutzrecht sowie dem Persönlichkeitsrecht der Vergleichsgruppenpersonen.

Soweit es um das Angebot einer Stelle als Fertigungsabschnittsleiter im Jahr 2007 geht, hat sie erstmals mit einem Schriftsatz vom 19.06.2024 behauptet, zu den formalen Voraussetzungen bei der Besetzung dieser Stelle gehöre das Vorliegen einer sogenannten Volkswagenführungslizenz. Auch dürfe die Besetzung der Stelle zu keinem unzulässig großen Entgeltsprung führen dürfen.

Im Termin zur Kammerverhandlung relativiert die Beklagte diese schriftsätzlichen Erklärungen wie folgt: Sie räumt ein, dass jemand, den der Vorgesetzte vorgeschlagen hat, auch befördert werde. Ob der Kläger die Formalqualifikation für diese Stelle gehabt hätte, könne sie nicht erklären. Nach kurzer Unterbrechung erklärt sie, dass man die Stelle auch bekommen könne und dann erst die x Führungsleiterkompetenz nachweisen müsse. Wenn man sie nicht erwerben könne, werde man auf eine andere Stelle, allerdings bei gleicher Vergütungsgruppe versetzt. Dies sei jedenfalls heute so, ob es auch früher so gewesen sei, könne man nicht mehr genau vortragen.

Im Übrigen vertritt die Beklagte die Auffassung, der Kläger sei in vollem Umfang für die Tatsachen darlegungs- und beweispflichtig, aus denen sein Vergütungsanspruch nach der Entgeltstufe 16 folge.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Braunschweig vom 13.09.2023, Az.: 1 Ca 146/23 abzuändern und die Klage abzuweisen

und

auf die Widerklage festzustellen, dass der Kläger zutreffend in der Entgeltstufe 14 eingruppiert und entsprechend dieser Entgeltstufe, vorbehaltlich einer tariflichen Änderung mit dem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 5.446,50 € zu vergüten ist.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er vertritt mit dem angefochtenen Urteil die Auffassung, dass die Beklagte dafür darlegungs- und beweispflichtig sei, dass ihm die Entgeltstufe 16, die sie bislang nach einer Prüfung gewährt habe, nicht zustehe. Dieser ihr obliegenden Darlegungslast sei sie nicht nachgekommen. Die von ihr reklamierte Vergleichsgruppenbildung vergleichbarer Arbeitnehmer sei bereits deswegen prozessual unzureichend, weil sie in anonymisierter Form erfolgt sei. Auch habe die Beklagte den falschen Zeitpunkt zu Grunde gelegt. Sodann beruft sich der Kläger auf seine hypothetische Karriere, insbesondere auf das Stellenangebot durch Herrn J. aus dem Jahr 2017.

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufung wird auf ihre Schriftsätze vom 10.01., 07.03., 19.06., 26.06. sowie auf das Sitzungsprotokoll vom 27.06.2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 64, 66 ArbGG und 519, 520 ZPO).

B.

Die Berufung ist unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das angefochtene Urteil dem Klagebegehren entsprochen und die Widerklage abgewiesen. Insbesondere hat das angefochtene Urteil zutreffend die Darlegungs- und Beweislast zu Lasten der Beklagten verteilt. Die Beklagte ist der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen.

Im Einzelnen:

I.

1.

Die Klage ist insgesamt zulässig, insbesondere ist auch der Klageantrag zu 2.) insoweit zulässig, als er sich auf den Zeitraum rückwirkend bereits ab dem 01.05.2009 bezieht. Zutreffend hat das angefochtene Urteil auch insoweit das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse bejaht. Denn es ist zwischen den Parteien unstreitig und im Kammertermin vom 28.06.2024 protokolliert worden, dass trotz fehlender Rückforderungsmöglichkeiten für die Vergangenheit (mit Ausnahme der streitgegenständlichen Beträge) die Frage der Eingruppierung bereits ab dem 01.05.2009 für die Höhe der betrieblichen Altersversorgung von Bedeutung ist.

2.

Die Zulässigkeit des negativen Feststellungsantrages zu Ziffer 3 als negativer Feststellungsklage folgt daraus, dass sich die Beklagte - wie mit Schreiben vom 29.03.2023 geschehen - eines Rückforderungsanspruches in eben dieser Höhe berühmt.

II.

Die Klage ist auch in vollem Umfang begründet.

1.

Der Kläger hat bezogen auf den Klageantrag zu 1.) zunächst einmal Anspruch auf Nachzahlung des Nettolohnabzuges in Höhe von 1.329,82 € brutto in Bezug auf die Maivergütung 2023.

Dieser Anspruch folgt aus § 611 a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Parteien. Dieser Anspruch ist ursprünglich entstanden und nicht durch den als Aufrechnung zu qualifizierenden Einbehalt gemäß § 387 ff. BGB erloschen. Zwar ist diese Aufrechnung zulässig, jedoch in Ermangelung einer aufrechenbaren Gegenforderung unbegründet.

Die Beklagte hat insbesondere keine Gegenforderung aus § 812 BGB, weil sie dem Kläger nicht ohne Rechtsgrund in der Vergangenheit Vergütung nach der Entgeltstufe 16 gezahlt hat.

a.

Soweit die Beklagte mit einer vermeintlichen Forderung wegen Überzahlung die Aufrechnung erklärt, ist sie hierfür nach allgemeinen Regeln der ZPO darlegungs- und beweispflichtig. Derjenige, der sich auf eine Forderung gemäß § 812 BGB beruft, ist für sämtliche Tatbestandsmerkmale darlegungs- und beweispflichtig, insbesondere auch für das Tatbestandsmerkmal "ohne Rechtsgrund".

b.

Die Beklagte ist der ihr obliegenden Darlegungslast nicht nachgekommen. Insbesondere hat die Beklagte nicht dargetan, dass dem Kläger nach Maßgabe des § 37 Abs. 4 BetrVG für die Zeit ab 01.05.2009 eine niedrigere Vergütung nach Entgeltstufe 14 zustand. Die von der Beklagten dargestellte Vergleichsgruppenbildung ist nicht ausreichend substantiiert und nachvollziehbar. Die Berufungskammer teilt insoweit vollumfänglich die Argumentation der Vorinstanz: Fehlerhaft ist es für die Vergleichsgruppenbildung auf einen Zeitpunkt vor Amtsübernahme des Klägers als Betriebsrat abzustellen. Darüber hinaus genügt die Beklagte mit der abstrakten Darstellung der Vergleichsgruppenbildung ohne Namensnennung nicht ihrer Darlegungslast. Diese Darstellung ist nicht einlassungsfähig, der Kläger kann sich gegen diese Darstellung nicht wirksam verteidigen. Es hätten die Namen der vergleichbaren Arbeitnehmer offengelegt werden müssen. Denn die grundlegenden Vorschriften der Zivilprozessordnung (§§ 138, 286 ZPO) bilden einen Erlaubnistatbestand im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 e i.V.m. Abs. 3 und gegebenenfalls Abs. 4 i.V.m. Art. 23 Abs. 1 f und j DSGVO i.V.m. § 3 BDSG (BAG - 29.Juni 2023 - 2 AZR 296/22, Rn. 26). Mit anderen Worten: Der Datenschutz steht der prozessualen Obliegenheit, "Ross und Reiter" (die Namen der Vergleichspersonen) zu benennen, nicht entgegen.

2.

Mit aus gleichen Erwägungen ist auch die Zuerkennung des Antrages zu Ziffer 3, der negativen Feststellungsklage, zu Recht erfolgt. Die Beklagte, die sich auf eine Forderung beruft, ist auch insoweit prozessual darlegungs- und beweispflichtig.

3.

Soweit der Kläger die Differenzvergütung zwischen der gewährten Vergütung nach Entgeltstufe 14 und der aus seiner Sicht zutreffenden Entgeltstufe 16 für den Zeitraum Februar bis einschließlich Mai 2023 geltend macht und soweit es um seinen generellen Feststellungsantrag zu Ziffer 2 geht, trägt gleichfalls die Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass dem Kläger nicht die Entgeltstufe 16, sondern lediglich die Entgeltstufe 14 zusteht.

a.

Diese Darlegungslast folgt allerdings nicht schon bereits daraus, dass die Parteien die arbeitsvertragliche Vergütung gemäß §§ 145 ff. BGB vereinbart hätten. Insbesondere enthalten die Schreiben der Beklagten vom 10.04.2007 und 16.04.2009 keine als Vertragsangebot auszulegenden Willenserklärungen, sondern lediglich Mitteilungen, die als Wissenserklärungen zu qualifizieren sind. Insoweit folgt die Berufungskammer den bekannten Rechtsausführungen des LAG Niedersachsen vom 08.02.2024 (6 Sa 559/23 - Rn. 41 und 42): Weder den beiden Schreiben, noch den anschließenden Vergütungszahlungen lässt sich für sich genommen oder in Kombination ein rechtgeschäftliches Angebot der Beklagten im Sinne von § 145 entnehmen, das der Kläger auch konkludent gemäß § 151 BGB hätte annehmen können. Vielmehr ist ihm durch diese Schreiben allein eine Anpassungsentscheidung der Kommission auf Grundlage von § 37 Abs. 4 BetrVG mitgeteilt worden. Die Anpassung erforderte dabei jeweils keine vertragliche Umsetzung durch die Parteien, sondern der Anspruch darauf entstand auf Grundlage des Arbeitsvertrages, sofern und soweit die gesetzlichen Voraussetzungen des § 37 Abs. 4 BetrVG erfüllt waren. Die Anpassungszahlungen sind von der Beklagten anschließend durch die entsprechenden Zahlungen schlicht faktisch umgesetzt worden. Für den Kläger war danach eindeutig erkennbar, dass die Beklagte damit und nicht etwa jeweils ein Angebot zum Abschluss eines Änderungsvertrages im Hinblick auf die Vergütung abgeben, sondern ihm durch die Schreiben allein die Entscheidung der Kommission zur Kenntnis bringen wollte. Die anschließenden Vergütungszahlungen konnte der Kläger nur als Umsetzung bzw. Erfüllung seines Anpassungsanspruchs nach § 37 Abs. 4 BetrVG i.V.m. § 611 a Abs. 2 BGB auffassen.

b.

Jedoch folgt die Darlegungs- und Beweislast der entsprechenden Anwendung der Rechtsgrundsätze, die bei einer korrigierenden Rückgruppierung zur Anwendung kommen:

aa)

Im Falle einer sogenannten korrigierenden Rückgruppierung, d. h. bei einer beabsichtigten Zuordnung zu einer niedrigeren als der bisher als zutreffend angenommenen Entgeltgruppe, trifft den Arbeitgeber, wenn sich der Beschäftigte auf die ihr zuvor als maßgeblich mitgeteilte Entgeltstufe beruft, die Darlegungs- und Beweislast für die objektive Fehlerhaftigkeit der bisherigen Eingruppierung. Die spezifische Darlegungs- und Beweislast bei einer korrigierenden Rückgruppierung setzt einen "begrenzten Vertrauensschutz" um, den der Beschäftigte aufgrund der Mitteilung der von dem Arbeitgeber vorgenommenen ursprünglichen Eingruppierung in Anspruch nehmen kann. Der Arbeitgeber ist aufgrund ihrer Sachnähe und Kompetenz verpflichtet, die Eingruppierung sorgfältig und korrekt vorzunehmen. Die hierbei vertrauensbegründende Sorgfalt um Kompetenz bezieht sich jedoch nicht allein auf die Mitteilung der maßgeblichen Entgeltgruppe innerhalb der jeweiligen Entgeltordnung. Sie erfasst auch die von dem Arbeitgeber aufgrund einer Bewertung vorgenommenen Zuordnung der Tätigkeit der Beschäftigten sowie die von ihr angenommene Erfüllung von Anforderungen des konkreten Tätigkeitsmerkmals einer Entgeltordnung. Auf die Richtigkeit gerade dieses Bewertungs- und Zuordnungsvorgangs darf ein Beschäftigter vertrauen (BAG - 16.August 2023 - 4 AZR 339/22 - Rn. 26 und 27).

bb)

Die Grundsätze dieser Entscheidung werden entsprechend auch auf die vorstehende Fallkonstellation angewandt, bei der es um die hypothetische berufliche Entwicklung eines Betriebsratsmitglieds gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG geht.

aa1)

Das vom Bundesarbeitsgericht entwickelte Rechtsinstitut der korrigierenden Rückgruppierung erfasst die vorliegende Fallkonstellation nicht unmittelbar. Denn dieses Rechtsinstitut betrifft die Problematik der Überprüfung der konkreten Tätigkeit eines Arbeitnehmers und der Zuordnung zu einem tarifvertraglichen Tätigkeitsmerkmal.

Im vorliegenden Streitfall wird jedoch aufgrund der Freistellung des Betriebsratsmitglieds keine Tätigkeit überprüft, sondern anhand gesetzlicher Kriterien gemäß § 37 Abs. 4 BetrVG ein sogenannter fiktiver Werdegang des Betriebsratsmitglieds.

bb2)

Der unser gesamtes Rechtssystem durchdringende Grundsatz des Vertrauensschutzes ist auch die vorstehende Fallkonstellation unmittelbar zu übertragen, er ist einschlägig und muss zur gleichen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast führen wie bei der Rechtsfigur der korrigierenden Rückgruppierung. Genauso, wie ein Arbeitgeber verpflichtet ist, die Eingruppierung sorgfältig vorzunehmen und genauso wie ein Arbeitgeber die Sachnähe und Kompetenz zu dieser Überprüfung hat, hat ein Arbeitgeber auch die sogar strafbewehrte Verpflichtung die Tatbestandsvoraussetzungen des § 37 Abs. 4 BetrVG zu überprüfen. Auch in diesem Fall hat er Sachnähe und Kompetenz. Der besondere Vertrauensschutz eines Arbeitnehmers ergibt sich auch daraus, dass im konkreten Streitfall die Beklagte als Arbeitgeberin die Überprüfung der Vergütung auf Grundlage eines tarifvertraglichen Vergütungssystems einer Kommission übertragen hat, die in besonderer Weise für sich den Anschein der Sachkunde, Objektivität und Neutralität in Anspruch nehmen kann. Die bereits im Tatbestand erwähnten Schreiben der Beklagten vom 10.04.2007 und 16.04.2009 erbringen zu Gunsten des Klägers genau denselben Vertrauensschutz, den ein Arbeitnehmer in anderer Konstellation bei einer sogenannten korrigierenden Rückgruppierung genießt.

cc3)

Die vorausgeschickt, hat die Beklagte der ihr obliegenden Darlegungslast nicht entsprochen. Es kann sinngemäß auf die vorstehenden Ausführungen zur Vergleichsgruppenbildung verwiesen werden. Die Darstellung der Beklagten ist unzureichend.

dd4)

Ausgehend von vorstehender Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der Beklagten ergibt sich auf Grundlage des beiderseitigen Sachvortrags auch ein Anspruch des Klägers auf eine Vergütung nach Entgeltstufe 16 unter dem Gesichtspunkt eines fiktiven Beförderungsanspruchs aus § 78 Satz 2 BetrVG. Denn nach dem gesamten Vorbringen der Beklagten, insbesondere auch unter Berücksichtigung der Ausführungen im Kammertermin vom 28.06.2024, ist eine Beförderung des Klägers im Jahr 2017 nicht ausgeschlossen gewesen. Ergänzend wird auch auf die insoweit zutreffende Bewertung in dem arbeitsgerichtlichen Urteil (dort Bl. 9 - 11 desselben, I 2 desselben verwiesen).

4.

Aufgrund des Vorstehenden steht auch die Unbegründetheit der Widerklage der Beklagten fest. Diese Widerklage ist zwar zulässig, da sie sich nicht in einer bloßen Negation des Feststellungsantrages der Klage zu Ziffer 2 erschöpft. Denn mit Abweisung des Antrages zu Ziffer 2 der Klage steht noch nicht positiv fest, dass dem Kläger (lediglich) die Entgeltstufe 14 zusteht. Jedoch ist diese Widerklage unbegründet.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

C.

Gemäß § 97 Abs. 1 ZPO hat die Beklagte als unterlegene Partei vollständig die Kosten ihrer erfolglosen Berufung zu tragen. Gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG war die Revision zum Bundesarbeitsgericht zuzulassen. Denn die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast bei der Vergütung von freigestellten Betriebsratsmitgliedern ist eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.