Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.05.2024, Az.: 14 Sa 618/23

Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung i.R.v. Ansprüchen eines Beschäftigten auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
31.05.2024
Aktenzeichen
14 Sa 618/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 18869
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:0531.14Sa618.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 20.09.2023 - AZ: 5 Ca 157/23
ArbG Hannover - AZ: 5 Ca 159/23

Fundstelle

  • ArbR 2024, 367

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts D-Stadt vom 20.09.2023 - 5 Ca 157/23 - teilweise abgeändert und im Tenor zu 1. wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 173,91 Euro brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2023 zu zahlen. Im Übrigen wird der Entgeltfortzahlungsantrag abgewiesen.

Im Übrigen werden die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung des Klägers zurückgewiesen.

Von den erstinstanzlichen Kosten haben der Kläger 79 % und die Beklagte 21 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger 78 % und die Beklagte 22 % zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 10.030,71 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, eine Zielerreichungsprämie und Urlaubsabgeltung.

Der 50-jährige Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.07.2020 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Vereinbart waren ein monatliches Grundgehalt von 3.000,00 Euro brutto zuzüglich einer festen Provision in Höhe von 1.000,00 Euro brutto sowie ein kalenderjährlicher Urlaubsanspruch von 26 Arbeitstagen. Bei Beginn des Arbeitsverhältnisses übergab der Geschäftsführer dem Kläger ein Dokument mit dem Titel "Variable Vergütung für Außendienstmitarbeiter der C." mit dem Hinweis, dass es sich dabei um die aktuell gültige Regelung für die variable Vergütung handeln würde (Anlage K4 zur Klagschrift). Der vom Kläger erwirtschaftete Rohertrag betrug im Jahr 2021 ca. 27.000,00 Euro und im Jahr 2022 ca. 70.000,00 Euro.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 30.11.2022 zum 31.03.2023. Im Kündigungsschreiben heißt es: "Mit sofortiger Wirkung stellen wir Sie von der Arbeit - bis auf Widerruf - unter Anrechnung sämtlicher Ihnen noch zustehenden Urlaubsansprüche sowie eventueller Freizeitausgleichsansprüche frei." Im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht erkannte die Beklagte den Kündigungsschutzantrag des Klägers mit Schriftsatz vom 19.04.2023 an und forderte ihn auf, am Folgetag wieder zur Arbeit zu erscheinen, was der Kläger tat. Am Montag, dem 24.04.2023 wies der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger an, eine Präsentation zu erstellen, die sich mit seiner zukünftigen Tätigkeit auseinandersetzen sollte. Mit der am Freitag, dem 28.04.2023 durch den Kläger vorgestellten Präsentation war der Geschäftsführer der Beklagten nicht einverstanden. Auf Nachfrage des Geschäftsführers, wann er mit einer Überarbeitung rechnen könne, gab der Kläger an, am nächsten Arbeitstag, Dienstag, dem 02.05.2023, eine neue Präsentation vorstellen zu können. Der Geschäftsführer der Beklagten forderte ihn daraufhin auf, an diesem Tag eine überarbeitete Präsentation vorzustellen. Der Kläger sprach am 28.04.2023 weiterhin seinen geplanten Segelurlaub Anfang Juni 2023 an, bei dem zwischen den Parteien streitig ist, ob er bereits genehmigt war oder nicht. Der Geschäftsführer lehnte den Urlaubswunsch des Klägers ab.

Am 02.05.2023 meldete sich der Kläger arbeitsunfähig krank. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom selben Tag enthält die ICD-10-Codes Z60 G und M77.8 G L und bescheinigte eine voraussichtliche Arbeitsunfähigkeit bis zum 16.05.2023.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.05.2023 an die Beklagte führte der Kläger aus, ihm sei bereits im letzten Jahr für die Zeit vom 05.06.2023 bis zum 09.06.2023 Urlaub genehmigt worden. Daraufhin habe er mit Freunden einen Segelurlaub für diesen Zeitraum gebucht; das Segelboot sei bereits am 03.10.2022 gechartert und die Flüge seien am 14.10.2022 gebucht worden. Sollte die Beklagte nicht bis zum 15.05.2023 bestätigen, dass der Urlaub genehmigt werde, behalte sich der Kläger vor, den Urlaubsanspruch mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen.

Mit Folgebescheinigung vom 16.05.2023 attestierte dieselbe Ärztin dem Kläger unter Wiederholung der vorherigen ICD-Codes Z60 G und M77.8 G L sowie der Erweiterung auf den ICD-10-Code K29.7 G eine fortgesetzte Arbeitsunfähigkeit bis zum 31. Mai 2023.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 26.05.2023 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis außerordentlich zum 31.05.2023. In der Erklärung gab er Differenzen im Zusammenhang mit der Urlaubsgewährung als Grund für die Kündigung an und er machte Ansprüche auf Zahlung einer Zielerreichungsprämie in Höhe von 4.000,00 Euro brutto sowie auf Abgeltung von 11 Urlaubstagen geltend. Am 03.06.2023 reiste der Kläger zu seinem für die Zeit vom 05.-09.06.2023 wahrgenommenen Segelurlaub ab.

Mit seiner am 16.06.2023 eingegangenen Klage hat der Kläger die vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche weiter verfolgt und zusätzlich das Bruttogehalt für den Monat Mai 2023 einschließlich der Privatnutzung des Dienstwagens in Höhe von insgesamt 4.586,- Euro brutto begehrt.

Der Kläger hat behauptet, er habe ab dem 02.05.2023 bedingt durch die mehrmonatige Belastungssituation des Vorprozesses an Schlaflosigkeit, Durchfall und Bauchschmerzen sowie einer schmerzhaften Sehnenentzündung im linken Arm gelitten. Er hat die Auffassung vertreten, dass sich aus dem Dokument mit dem Titel "Variable Vergütung für Außendienstmitarbeiter der C." ein Anspruch auf die geltend gemachte Zielerreichungsprämie ergebe.

Der Kläger hat beantragt,

  1. 1.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.586,00 Euro brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 1. Juni 2023 zu zahlen,

  2. 2.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 4.000,00 Euro brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 1. Juni 2023 zu zahlen,

  3. 3.

    die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.030,71 Euro brutto nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 1. Juni 2023 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den Beweiswert der vom Kläger vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen u. a. wegen Verstoßes gegen die Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie als erschüttert angesehen und hierzu behauptet, an der Darstellung des Klägers sei bereits zweifelhaft, dass er an den angegebenen Erkrankungen seit mehreren Monaten gelitten haben wolle, diese aber ausgerechnet im zeitlichen Zusammenhang mit der Präsentation die Schwelle der Arbeitsunfähigkeit überschritten hätten. Der Kläger lasse sich gar nicht dazu ein, welche konkreten Symptome am 02.05.2023 hinzugetreten seien oder sich verschlimmert hätten, die die Erkrankung von einer Arbeitsfähigkeit mit den Symptomen zu einer Arbeitsunfähigkeit hätten werden lassen. Der Vortrag des Klägers passe auch nicht zum ICD-Code Z 60 G. Durchfall und Bauchschmerzen seien gar nicht aufgenommen und die Magenschleimhautentzündung erst in der Folgebescheinigung benannt worden.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat dem Gehaltsanspruch für Mai in Höhe von 4.000,- Euro brutto und dem Urlaubsabgeltungsanspruch in voller Höhe stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Klagabweisungsbegehren weiter: Zu berücksichtigen sei, dass der Kläger im Juni 2023 Urlaub für einen Segelurlaub hätte haben wollen, der bereits am 28.04.2023 nicht genehmigt worden sei. Eine medizinische Grundlage sei dafür, dass die Erkrankung exakt am 31.05.2023, zu welchem die Eigenkündigung ausgesprochen worden sei, nicht ersichtlich. Es sei auch der zeitliche Zusammenhang mit der vorher erfolgten Zuteilung von neuen Arbeitsaufgaben zu berücksichtigen. Es sei keinerlei medizinische Erklärung dafür ersichtlich, warum ein Zustand der Arbeitsunfähigkeit gerade dann habe entstehen sollen, wenn eine konkrete Weisung ausgeführt werden solle. Es sei zu fragen, warum gerade am 02.05.2023 die Schwelle zur Arbeitsunfähigkeit überschritten gewesen sei. Auch sei ein zeitlicher Zusammenhang mit dem Konflikt der Parteien aufgrund des nicht genehmigten Urlaubs gegeben. Zudem stünden schwerwiegende psychische und physische Probleme im Widerspruch zu einer mehrtägigen Abwesenheit vom Festland und einer sportlichen Aktivität. Ebenso bestehe ein erheblicher Widerspruch zwischen den ICD-Codes und den vom Kläger vorgetragenen Krankheitsbildern.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Hannover (5 Ca 159/23) abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    die Berufung zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung

  2. 2.

    das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover (5 Ca 159/23) teilweise abzuändern und die Beklagte über die ausgeurteilten Beträge hinaus zu verurteilen, an den Kläger weitere 4.000,00 € brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.06.2023 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil im Rahmen der Stattgabe: Allein das Bestehen von Zweifeln der Beklagten an ärztlichen Feststellungen rechtfertigten nicht die Erschütterung des Beweiswertes einer AU. Selbstverständlich träten Krankheiten in der Regel nicht geplant auf, sondern unvorbereitet an irgendeinem beliebigen Tag. Eine Gastritis sei eine typische Begleiterscheinung von einer psychischen Belastung. Aufgrund der Kündigung zum 31.05.2023 lasse sich nicht der Schluss ziehen, dass mit Ablauf dieses Tages die Arbeitsunfähigkeit auch tatsächlich beendet gewesen sei, er habe keine weitere Bescheinigung benötigt. Ein Aktivurlaub bedeute es nicht, er sei nur auf einem Segelboot mitgefahren. Die starke Belastungssituation des Klägers habe auf dem Vorprozess beruht. Die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung habe eine erhebliche psychische Belastung für den Kläger bedeutet. Die Situation sei für ihn nach Erhalt der Kündigung unangenehm gewesen und seine Zukunft ungewiss. Dieser Zustand habe über mehrere Monate konstant angedauert. Er habe überhaupt kein Problem damit gehabt, die von der Beklagten gewünschten Präsentationen zu erstellen.

Der Geschäftsführer habe bei der Übergabe des Dokuments gemäß der Anlage K4 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die in diesem Dokument enthaltenen Regelungen auch für das mit dem Kläger zu begründende Arbeitsverhältnis gelten sollten, nur so habe der Kläger die Äußerung des Geschäftsführers verstehen können.

Mit Schriftsatz vom 29.05.2024, dem Beklagtenvertreter am Abend dieses Tages zugegangen und von ihm in der Sitzung vom 31.05.2024 bestritten, wies der Kläger ergänzend darauf hin, dass die schmerzhafte Sehnen- bzw. Sehnenscheidenentzündung im Arm mit einer in der Arztpraxis angelegten Tape-Bandage behandelt worden sei. Zusätzlich seien ihm 6 Einheiten Physiotherapie verschrieben und auch durchgeführt worden.

Wegen des weiteren zweitinstanzlichen Sachvortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 31.05.2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet. Die zulässige Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet.

1. Die Berufung der Beklagten ist ganz überwiegend begründet, soweit es den Entgeltfortzahlungsanspruch für Mai 2023 betrifft.

a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit vom 02. - 31.05.2023. Der Beweiswert der beiden von ihm eingereichten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ist erschüttert, ohne dass er daraufhin in ausreichender und überzeugender Weise Tatsachen vorgetragen hätte, die den Schluss auf eine zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankung zuließen (vgl. zu den Voraussetzungen BAG 13.12.2023 - 5 AZR 137/23 -).

Bereits eine Gesamtbetrachtung der Geschehnisse vor der Arbeitsunfähigkeit, ihr Zeitraum und die anschließenden Aktivitäten des Klägers lassen ganz erhebliche Zweifel daran zu, ob er tatsächlich im Mai 2023 gesundheitlich nicht in der Lage war, die ihm übertragenen Tätigkeiten auszuüben. Der Kläger war in der Zeit seit dem 20.04. bis zum 28.04.2023 nach gewonnenem Kündigungsschutzprozess wieder im Betrieb erschienen. Am Freitag, dem 28.04.2023 sah er sich der Kritik des Geschäftsführers im Hinblick auf eine Erläuterung seiner weiteren Tätigkeit ausgesetzt, die er nach dem verlängerten Wochenende in einer Präsentation weiter ausführen sollte. An diesem Tag sprach er, zu einem Zeitpunkt, an dem er nach eigenen Angaben unter einer über mehrere Monate konstant anhaltenden, tatsächlich aber bereits seit dem 19.04.2023 beendeten Belastungssituation wegen der Kündigung gelitten haben will, die von Schlaflosigkeit, Durchfall und Bauchschmerzen sowie einer zeitlich nicht konkretisierten schmerzhaften Entzündung im linken Arm begleitet gewesen sein soll, seinen seit längerem für Anfang Juni gebuchten Segeltörn an, für den der Geschäftsführer ihm keinen Urlaub geben wollte. Wenn der Kläger sich dann ab dem nächsten Arbeitstag wiederholt bis zum Monatsende des Mai krankschreiben lässt, den Segelurlaub trotz angeblich erheblicher Erkrankung gleich noch einmal mit Schreiben vom 09.05.2023 einfordert, anschließend genau zum Monatsende das Arbeitsverhältnis kündigt, um dann offenbar ausreichend gesundet den vorgesehenen Segelurlaub anzutreten, für den man gewöhnlich ein robustes Verdauungssystem und schon aus Sicherheitsgründen zuverlässige Armkraft benötigt, setzt er sich dem begründeten Verdacht aus, dass die genannten Krankheiten entweder nicht vorlagen oder jedenfalls nicht ausreichend geeignet waren, eine Arbeitsunfähigkeit herbeizuführen.

Die erste Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 02.05.2023 ist mit den vom Kläger angegebenen Beschwerden nicht vereinbar. Konstant anhaltende Schlaflosigkeit, Durchfall und Bauchschmerzen, wie sie der Kläger behauptet, finden sich in den angegebenen ICD-Codes zunächst nur andeutungsweise wieder. Der ICD-Code Z60 steht unter der Überschrift "Z55-Z65 Personen mit potentiellen Gesundheitsrisiken aufgrund sozioökonomischer oder psychosozialer Umstände"

und lautet:

Kontaktanlässe mit Bezug auf die soziale Umgebung

Inkl.:

Alleinlebende Person

Anpassungsprobleme an die Übergangsphasen im Lebenszyklus

Atypische familiäre Situation

Empty nest syndrome

Schwierigkeiten bei der kulturellen Eingewöhnung

Soziale Ausgrenzung oder Ablehnung

Zielscheibe feindlicher Diskriminierung und Verfolgung

Hätte die Ärztin Durchfall diagnostiziert, wären ICD-Codes aus den Gruppen A oder K, etwa A09 oder K59 in Betracht gekommen, ebenso bei Bauchschmerzen. Schlafstörungen sind etwa in G47 und F51 genannt. Entgegen § 5 Abs. 1 S. 5 der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie in der im Mai 2023 geltenden Fassung (im folgenden: AUR) wurde die Arbeitsunfähigkeit darüber hinaus über 7 Tage hinaus ausgestellt, ohne hinsichtlich des ersten vom Kläger angegebenen Beschwerdebildes eine Diagnose zu erstellen. Der ICD-Code Z60 enthält keine Krankheitsdiagnose, sondern beschreibt, auf welcher Grundlage mögliche Gesundheitsrisiken bestehen. Bereits aus diesen Gründen ist der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung insgesamt erschüttert, weil in ihr zum Ausdruck kommt, dass vom Kläger genannte erhebliche Krankheitsbilder nicht aufgenommen und die Vorgaben der Arbeitsunfähigkeitsrichtlinie nicht eingehalten wurden. Davon unabhängig ist er aber auch deshalb erschüttert, weil es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, warum der zunächst für den Innendienst eingeteilte Kläger wegen einer Enthesiopathie im linken Arm, die ohne Erläuterung angeblich genau zu einem Termin nach der Ablehnung eines Urlaubs und passend zum Termin der Abgabe einer neuen Präsentation eingetreten sein soll, für zunächst 2 Wochen nicht in der Lage gewesen sein soll, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten nachzukommen. Davon unabhängig führt auch die von derselben Ärztin ausgestellte in ihrem Beweiswert erschütterte Folgebescheinigung (s. dazu sogleich), die die ICD-Codes der Erstbescheinigung aufnimmt, wiederum zu einer Erschütterung ihres Beweiswerts.

Die zweite Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 16.05.2023 wurde entgegen § 5 Abs. 4 S. 1 AUR für mehr als 14 Tage und ausgerechnet auf einen Mittwoch als dem letzten Tag des Monats ausgestellt, ohne dass irgendwelche Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 5 Abs. 4 S. 2 AUR vorliegen. Sie erhielt darüber hinaus wiederum einen ICD-Code der bereits nach 7 Tagen durch eine Diagnose hätte abgelöst werden müssen.

Damit wäre es Sache des Klägers gewesen, konkrete Tatsachen darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den Schluss auf jedenfalls eine bestehende Erkrankung zulassen, die nicht nur vorliegen, sondern auch zur Unfähigkeit führen musste, die konkret geschuldete Tätigkeit auszuüben. Einen solchen Vortrag hat der Kläger nicht geführt.

Seine angebliche Schlaflosigkeit, die Bauchschmerzen und der Durchfall sollen monatelang "konstant" vorgelegen haben, weil die Situation für ihn nach Erhalt der Kündigung unangenehm und seine Zukunft ungewiss gewesen sei. Diese Situation war jedoch mit dem Anerkenntnis der Beklagten im Kündigungsschutzprozess am 19.04.2023 beseitigt und dementsprechend erschien der Kläger ab dem 20.04. bis zum 28.04.2023 wieder zur Arbeit, ohne dass ihn Bauchschmerzen, Durchfall und Schlaflosigkeit daran gehindert hätten. Es ist ohne weitere Erklärungen nicht nachvollziehbar, warum eine seelische Belastung plötzlich am 13. Tag nach ihrem Fortfall zu einer die Arbeitsunfähigkeit auslösenden Zukunftsangst führen soll. Dass die zum 02.05.2023 vorgesehene Präsentation hierbei eine Rolle gespielt haben könnte, behauptet der Kläger nicht. Nach seinen eigenen Angaben habe er damit "überhaupt kein Problem" gehabt. Das Erstellen bedeute für ihn "nichts Unangenehmes", wie er in der Berufungserwiderung ausführte. Darüber hinaus ist nicht dargelegt, ob und ggf. wie denn die behaupteten und durchaus ernstzunehmenden angeblichen Beeinträchtigungen therapiert worden sein sollen. Auch zu den arbeitsplatzbedingten Beeinträchtigungen durch die nunmehr am 16.05.2023 zusätzlich diagnostizierte Gastritis und deren Therapie schweigt sich der Kläger aus.

Die angeführte Sehnen- oder Sehnenscheidenentzündung "im linken Arm" lässt ebenfalls keinen ausreichenden Vortrag zu den arbeitsplatzbedingten Beeinträchtigungen erkennen. Auf Nachfrage erklärte der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung, der Kläger sei Außendienstmitarbeiter und deshalb nicht in der Lage gewesen, Auto zu fahren. Abgesehen davon, dass der Kläger keine näheren Angaben zu der Art und Dauer der Beeinträchtigungen machte, war jedenfalls für den 02.05.2023 eine Präsentation im Innendienst vorgesehen und daher waren lange Autofahrten nicht erforderlich. Dass der Weg zur Arbeitsstelle, die im Übrigen auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen gewesen wäre, dem Kläger gesundheitlich nicht möglich gewesen sein könnte, ist nach seinem Vortrag nicht feststellbar. Davon unabhängig geht der Kläger nicht auf die Einwendung der Beklagten ein, dass die behauptete Erkrankung ausgerechnet zum 02.05.2023 auftrat, er schildert keinerlei Tatsachen, die etwa die plötzlich auftretenden Beschwerden im Arm erklären könnten. Soweit der Kläger behauptet, die Beschwerden seien am 31.05.2023 noch nicht abgeklungen gewesen, ist nicht nachvollziehbar, warum er die Segeltour dennoch wahrnehmen konnte, obwohl die geschilderten Erkrankungen einem solchen Vorhaben deutlich entgegenstehen und jedenfalls nicht ersichtlich ist, warum, sollte dies nicht der Fall sein, sie dann eine vorherige Tätigkeit bei der Beklagten hätten hindern sollen. Davon unabhängig liegt auch kein ausreichender Sachvortrag zu einer Therapie vor. Soweit der Kläger erstmals ganz kurz vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung anführte, dass ihm eine Tape-Bandage angelegt und 6 Einheiten Physiotherapie verschrieben worden seien, war dieser im Termin vom Beklagtenvertreter bestrittene Vortrag als verspätet zurückzuweisen. Das Bestreiten am 31.05.2024 war rechtzeitig erfolgt, weil der klägerische Schriftsatz erst am Abend des 29.05.2024 im Büro des Prozessbevollmächtigten einging. Eine Ladung der Ärztin zum Termin war dem Gericht damit nicht mehr möglich, sodass ein neuer Termin erforderlich gewesen wäre. Davon unabhängig liegt kein Sachvortrag dazu vor, wie sich die angegebene Sehnenerkrankung im langen Verlauf der Krankschreibung unter der Therapie entwickelte.

b) Für den 01.05.2023 hat der Kläger gemäß § 2 Abs. 1 EntgFG einen Anspruch auf Feiertagsvergütung.

Der Kläger hat mit seiner Klage "das Bruttogehalt für den Monat Mai 2023" geltend gemacht und sich nicht auf krankheitsbedingte Entgeltfortzahlung beschränkt, sodass der Feiertagslohn Streitgegenstand wurde.

Seine Krankschreibungen erfolgten erst für die Zeit ab 02.05.2023. Ausreichende Anhaltspunkte für einen fehlenden Leistungswillen des Klägers bereits an diesem Tag waren für das Gericht nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellbar.

Das Gericht hält es für angemessen, diesen Anspruch mit 1/23 von 4.000,- Euro brutto = 173,91 Euro brutto zu berechnen, weil der Mai 2023 eine entsprechende Anzahl von vergütungspflichtigen Arbeits-/Feiertagen enthielt und so der ausgefallene Tag angemessen berücksichtigt wird (vgl. BAG 14.08.1985 - 5 AZR 384/84 - Rn. 15; Schaub/Linck, Arbeitsrechtshandbuch, 19. Aufl., § 98 Rn. 72).

2. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung in rechnerisch unstreitiger Höhe von 2.030,71 Euro brutto. Das Gericht folgt den Ausführungen des Arbeitsgerichts unter 2. der Entscheidungsgründe, § 69 Abs. 2 ArbGG. Soweit die Beklagte meint, die Worte "bis auf Widerruf" in der Freistellungserklärung seien "etwas missverständlich", der Kläger habe nicht mit einem Widerruf rechnen müssen und habe sich uneingeschränkt dem Urlaub widmen können, ist dies nicht in Ansätzen überzeugend. Die Beklagte hat sich ausdrücklich einen Widerruf vorbehalten und keinerlei zeitliche oder inhaltliche Einschränkungen hinsichtlich einer frühestmöglichen Wahrnehmung dieses Rechts formuliert, sodass der Kläger eben nicht sicher sein konnte, unbeschwert seinen Urlaub antreten zu können.

3. Die zulässige Anschlussberufung des Klägers ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine "Zielerreichungsprämie" in Höhe von 4.000,- Euro brutto. Das Gericht folgt den zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil zu I. 4., § 69 Abs. 2 ArbGG. Die Anschlussberufung gibt Anlass zu folgender weiterer Begründung:

Gegen einen Rechtsbindungswillen der Beklagten spricht bereits die Tatsache, dass sie für den Kläger ganz offensichtlich Vertragsabreden schriftlich dokumentiert wissen wollte. Am Tage der Begründung des Arbeitsverhältnisses leisteten die Parteien jeweils 3 Unterschriften. Sie unterzeichneten nicht nur den Arbeitsvertrag selbst, sondern auch einen Anhang, der sich zu Rechten an Arbeitsergebnissen, der Rückgabepflicht von Arbeitsmitteln und Ausschlussfristen verhält und darüber hinaus noch einen weiteren Nachtrag zum Anstellungsvertrag über einen externen Arbeitsplatz. Im Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien eine zeitlich befristete fixe Provision von 1.000,- Euro brutto. Vom Empfängerhorizont des Klägers her musste ihm klar sein, dass die Anlage K4, die ein völlig anderes Schriftbild aufweist und keine zum Vertragsschluss führenden Unterschriftenzeilen enthält, schon deshalb nicht Inhalt des Arbeitsvertrages werden sollte, weil sie eine gestaffelte Provisionsregelung enthält, die mit der arbeitsvertraglichen Regelung unter Nr. 1. der Schlussbestimmungen seines Arbeitsvertrages völlig unvereinbar ist. Davon unabhängig und eigenständig tragend zeigt auch die in Nr. 4. der Schlussbestimmungen enthaltene doppelte Schriftformklausel, die früher weithin üblich war, unabhängig von ihrer AGB-rechtlichen Wirksamkeit den deutlich erklärten Wunsch der Beklagten, arbeitsvertragliche Vereinbarungen durch beiderseitige Unterschrift zu besiegeln und beweisfest zu machen, gerade um Streitigkeiten wie die vorliegende zu vermeiden. Darüber hinaus zeigt auch die Tatsache, dass das Arbeitsverhältnis jahrelang im Sinne der unterzeichneten Erklärungen und gerade nicht der nicht unterzeichneten Anlage K4 gelebt wurde, dass der Kläger selbst nicht davon ausging, diese sei Vertragsinhalt geworden. Anders als der Kläger meint, konnte der Geschäftsführer ihm dieses, zeitlich abgelaufene, Schriftstück übergeben, ohne das er davon ausgehen durfte, die gerade unterschriebenen Verträge seien teilweise hinfällig. Es konnte ohne weiteres als bloßer Hinweis darauf verstanden werden, was bei der Beklagten möglich ist.

Die Zinsansprüche folgen aus §§ 288, 286 BGB.

Auch die Würdigung des sonstigen Sachvortrags der Parteien, von deren Darstellung im Einzelnen Abstand genommen wird, führt zu keinem anderen Ergebnis.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Gegen diese Entscheidung ist daher kein Rechtsmittel gegeben.