Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.06.2024, Az.: 15 TaBV 79/23

Einzelvertragliche Festlegung von Arbeitsbedingungen; Einzelvertragliche Vereinbarung der Arbeitsbedingungen in einem vorformulierten Vertrag; Vergleichsberechung nach § 1 Abs. 3 c) des VerGRTV (neu)

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
10.06.2024
Aktenzeichen
15 TaBV 79/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 21509
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:0610.15TaBV79.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Hannover - 22.08.2023 - AZ: 12 BV 4/23

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Für die einzelvertragliche Festlegung von Arbeitsbedingungen kommt es nicht auf die Übertragung der auszuübenden Tätigkeiten an.

  2. 2.

    Eine einzelvertragliche Vereinbarung der Arbeitsbedingungen kann auch in einem vorformulierten Vertrag, der für eine Mehrzahl von Fällen verwendet wird erfolgen.

  3. 3.

    Bei der Vergleichsberechung nach § 1 Abs. 3 c) des VerGRTV (neu) sind Mehrarbeitszuschläge und abgegoltene Mehrarbeitsstunden nicht zu berücksichtigen.

Tenor:

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 22.08.2023 - 12 BV 4/23 - wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I,

Die Beteiligten streiten um die Ersetzung der Zustimmung zu einer Eingruppierung.

Die Beteiligte zu 1. ist ein Unternehmen der T. N. G. und erbringt technische TÜV Leistungen. Der Beteiligte zu 2. ist der für den Betrieb H. gebildete Betriebsrat.

Bei der Beteiligten zu 1. findet der Vergütungsrahmentarif vom 05.10.1999 in der Fassung vom 01.01.2016 (VergRTV (neu)) Anwendung. Dieser lautet auszugsweise:

"§ 1

Geltungsbereich

(...)

3. persönlich:

(...)

Darüber hinaus werden folgende Mitarbeiter vom persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrages nicht erfasst:

a) Vorstandsmitglieder oder Geschäftsführer

b) Leiter von Direktionsbereichen, Hauptabteilungen, Fachbereichen, Dienststellen, Fachabteilungen, Niederlassungen oder von vergleichbaren Organisationseinheiten

c) Ferner diejenigen Mitarbeiter, deren Arbeitsbedingungen einzelvertraglich festgelegt sind und deren monatliche Vergütung mindestens 10% über der zutreffenden Stufe der höchsten Tätigkeitsgruppe A liegt."

Wegen des weiteren Wortlauts des VergRTV (neu) wird auf Bl. 10-141 dA. Bezug genommen.

Bei der Beteiligten zu 1. findet weiter Anwendung der Manteltarifvertrag vom 21.06.1999 (MTV) (neu), der in § 1 Ziffer 3 c) eine im Wortlaut identische Regelung des Geltungsbereichs enthält. Wegen des Wortlauts des MTV (neu) wird auf Bl. 204-229 der Akte Bezug genommen. In der zuvor geltenden Fassung des MTV war in die Regelung zwischen die Worte "Arbeitsbedingungen" und "einzelvertraglich" das Wort "ausschließlich" eingefügt.

Mit Stellenausschreibung vom 13.01.2023 (Bl. 8 und 9 der erstinstanzlichen Akte) schrieb die Beteiligte zu 1. eine Stelle als Gruppenleiter:in Controlling TN Systems aus.

Mit Schreiben vom 09.02.2023 (Bl. 6 und 7 der erstinstanzlichen Akte) unterrichtete die Beteiligte zu 1. den Beteiligten zu 2. über die beabsichtigte Versetzung der Arbeitnehmerin K. von der Tätigkeit der strategischen Assistenz auf die ausgeschriebene Stelle als Gruppenleiter:in und die damit einhergehende Umgruppierung von der tariflichen Entgeltgruppe G Entgeltstufe 1 zu einem außertariflichen Gehalt in Höhe von 78.000.00 EUR brutto zuzüglich einer Tantieme in Höhe von 5.000,00 EUR bei 100% Zielerreichung und bat den Beteiligten um Zustimmung zu beiden Maßnahmen. Am 14.02.2023 stimmte der Beteiligte zu 2. der Versetzung zu und verweigerte die Zustimmung zur Eingruppierung mit der Begründung, Frau K. sei nach dem Tarifvertrag einzugruppieren. Wegen des Wortlauts der Begründung im Einzelnen wird auf Bl. 7 der erstinstanzlichen Akte Bezug genommen.

Unter dem 14.2.2023/1.3.2023 schloss die Beteiligte zu 1. mit der Mitarbeiterin K. einen als "AT-Arbeitsvertrag" überschriebenen von der Beteiligten zu 1. vorformulierten Vertrag über die Tätigkeit als Gruppenleiterin Controlling TN Systems im Bereich Finanzen & IMS, Abteilung Controlling GB IS, der auszugsweise lautet:

"(...)

§ 2 Tarifvertrag, Betriebsvereinbarungen

(1) Auf dieses Arbeitsverhältnis findet der zwischen der Tarifgemeinschaft Technischer Überwachungs-Vereine e.V. und ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft abgeschlossene Manteltarifvertrag (neu) in der jeweils gültigen Fassung einzelvertraglich für ausschließlich folgende Regelungssachverhalte Anwendung:

§ 7 Bezahlte Freizeit

§ 9 Sterbe- und Jubiläumsgeld

§ 10 Fortzahlung der Vergütung bei Krankheit, Kur- und Heilverfahren

(2) Auf dieses Arbeitsverhältnis finden die beim Arbeitgeber geltenden Betriebsvereinbarungen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.

(...)

§ 3 Vergütung

(1) Die Vergütung wird einzelvertraglich festgelegt.

(2) Die Mitarbeiterin erhält einzelvertraglich eine jährliche außertarifliche fixe Grundvergütung in Höhe von EUR 78.000,00 brutto, die in zwölf gleichen monatlichen Raten jeweils am Ende eines Kalendermonats ausgezahlt wird.

(3) Neben der Grundvergütung erhält die Mitarbeiterin jährlich, beginnend ab 2024, anteilig für das Geschäftsjahr 2023, einen leistungsbezogenen Gehaltsanteil auf Basis einer Zielvereinbarung. Die Ziele werden zwischen dem jeweiligen Vorgesetzten und der Mitarbeiterin besprochen, vereinbart und im Rahmen einer Tantiemevereinbarung vertraglich fixiert.

(4) Die vom jeweiligen Erfüllungsgrad der Zielvereinbarung sowie vom wirtschaftlichen Ergebnis eines Geschäftsjahres des Arbeitgebers abhängige Höhe der Tantieme beträgt:

bei 100 % Zielerfüllung EUR 5.000,00 brutto.

Die Tantieme kann bei darüber liegender Zielerfüllung den Betrag von EUR 7.500,00 nicht überschreiten.

(...)

§ 4 Arbeitszeit

(1) Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit orientiert sich an den jeweils betriebsüblichen Regelungen. Sie beträgt zurzeit ausschließlich der Pausen 38,5 Stunden.

(...)

(3) Die Mitarbeiterin ist verpflichtet, in dienstlich notwendigem Umfang auf Anordnung Mehrarbeit zu leisten.

(4) Soweit in betrieblichen Regelungen nichts anderes festgelegt ist, sind pro Jahr bis zu 240 Stunden der über die vertragliche geschuldete Arbeitszeit hinaus von der Mitarbeiterin geleisteten Stunden mit den monatlichen Bezügen abgegolten. Etwaige darüber hinaus geleistete Stunden werden nach Wahl des Arbeitgebers durch Freizeit oder Geld ausgeglichen, soweit es sich hierbei um vom Arbeitgeber angeordnete Mehrarbeit handelt.

(...)"

Wegen des weiteren Wortlauts des Arbeitsvertrages wird auf Bl. 218 bis 226 der erstinstanzlichen Akte Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 3.3.2024, bei dem Arbeitsgericht Hannover eingegangen am 3.3.2024 hat die Beteiligte zu 1. das vorliegende Verfahren eingeleitet.

Auf die Rüge des Beteiligten zu 2., er sei im Rahmen der Anhörung nicht auseichend über den Inhalt der vertraglichen Vereinbarungen mit der Mitarbeiterin K. informiert worden, hat die Beteiligte zu 1. mit Schriftsatz vom 29.6.2023 den Arbeitsvertrag vom 14.2.2023/1.3.2023 vorgelegt. Mit E-Mail vom 4.7.2023 (Bl. 349 der erstinstanzlichen Akte) hat der Beteiligte zu 2. die Zustimmung zur Eingruppierung erneut verweigert.

Die Beteiligte zu 1. hat Ansicht vertreten, die Mitarbeiterin K. sei nicht in die Entgeltgruppen des VergRTV (neu) einzugruppieren.

Die Beteiligte zu 1. hat beantragt,

die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zu der Umgruppierung der Frau K. aus einer tariflichen Vergütungsgruppe hin zu einer außertariflichen Vergütung wird ersetzt.

Der Beteiligte zu 2. hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er hat die Ansicht vertreten, die Unterrichtung vom 9.2.2023 sei unvollständig gewesen, da die Einzelheiten des Vertrages mit der Mitarbeiterin K. nicht mitgeteilt worden seien. Die Mitarbeiterin übe Tätigkeiten aus, die in den Tätigkeitsgruppen des Katalogs des VergRTV (neu) enthalten seien. Die Tätigkeiten seien nicht einzelvertraglich vereinbart, da dem Arbeitsverhältnis ein Musterarbeitsvertrag zu Grunde liege. Der Abstand von 10 % zur Vergütung der zutreffenden Stufe der Tätigkeitsgruppe H dürfte zwar erfüllt sein, es sei aber zu prüfen, ob der Entfall von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld sowie die abgegoltenen Mehrarbeitsstunden zu einer Unterschreitung des Abstands führten.

Mit Beschluss vom 22.8.2023 hat das Arbeitsgericht Hannover dem Antrag stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Beteiligte zu 2. habe zwar form- und fristgerecht die Zustimmung zur Umgruppierung der Mitarbeiterin K. verweigert. Ein Grund für die Verweigerung der Zustimmung liege aber nicht vor. Die Voraussetzungen für die Herausnahme der Mitarbeiterin K. aus dem Anwendungsbereich des VergRTV (neu) lägen vor. Tatsachen, die die Besorgnis begründeten, im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer erlitten durch die Umgruppierung Nachteile seien nicht ersichtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die Darstellung unter I. der Gründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 389 bis 393 der erstinstanzlichen Akte), wegen der rechtlichen Würdigung durch das Arbeitsgericht auf die Darstellung unter II. der Gründe (Bl. 393 bis 400 der erstinstanzlichen Akte) Bezug genommen.

Gegen den ihm am 31.8.2023 zugestellten Beschluss vom 22.8.2023 hat der Beteiligte zu 2. mit Schriftsatz vom 28.9.2023, bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangen am 28.9.2023 Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 31.10.2023, bei dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangen am 31.10.2023 begründet.

Der Beteiligte zu 2. trägt vor, bei einem Vergütungsvergleich könne nicht lediglich auf die Grundvergütung abgestellt werden. Außertariflich sei als Übertariflich zu verstehen und es könne nicht sein, dass außertariflich Beschäftigte durch die Streichung tariflicher Leistungen ein geringeres Gehalt als Tarifbeschäftigte erhielten. Bei dem verwandten Formularvertrag handele es sich nicht um einen individuell vereinbarten Einzelarbeitsvertrag. Der Vertrag weiche nur in wenigen Punkten von den tariflichen Regelungen ab, insofern sei eine Herausnahme aus dem Anwendungsbereich der Tarifverträge nicht gerechtfertigt. Ein Vergleich des Gehaltes der Mitarbeiterin K. mit dem Gehalt, dass ihr als Tarifbeschäftigter zustünde ergebe, dass sie eine geringere als die tarifliche Vergütung erhalte. In den Vergleich seien die abgegoltenen Mehrarbeitsstunden einzubeziehen. Der Vertrag lege keine von den Verträgen der Tarifbeschäftigten abweichenden Bedingungen fest. Die Regelungen entsprächen weitgehend den tariflichen Bedingungen und seien im Übrigen betriebsvereinbarungsoffen, so dass auch die weiteren kollektiven Arbeitsbedingungen Anwendung fänden.

Der Beteiligte zu 2. beantragt,

den Beschluss des Arbeitsgerichts vom 22.08.2023 - 12 BV 4/23- abzuändern und den Antrag der Beteiligten zu 1. abzuweisen.

Die Beteiligte zu 1. beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als richtig und wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Zum 1.7.2023 erhöhten sich die Tarifentgelte nach dem EntgeltRTV (neu). Zum 1.1.2024 hob die Beteiligte zu 1. die Grundvergütung und die nach der Zielvereinbarung zu zahlende Vergütung der Mitarbeiterin Kreutzer ebenfalls an.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in der Beschwerdeinstanz wird auf die Schriftsätze vom 31.10.2023, 22.12.2023, 14.2.2024, 16.2.2024, 18.3.2024, 18.4.2024 und 5.6.2024 jeweils nebst Anlagen und die Sitzungsniederschriften vom 19.2.2024 und 10.6.2024 Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. ist zulässig aber unbegründet.

1.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist gemäß § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft sowie in der gesetzlichen Form und Frist gemäß § 87 Abs. 2, § 89 Abs. 1, Abs. 2, § 66 ArbGG eingelegt und begründet worden.

2.

Die Beschwerde ist unbegründet.

Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung des Beteiligten zu 2. zu der Umgruppierung der Mitarbeiterin K. zu Recht und mit zutreffender Begründung ersetzt, da der Antrag der Beteiligten zu 1. zulässig und begründet ist.

a.

Gegen die Zulässigkeit des Antrags der Beteiligten zu 1. bestehen, wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, keine Bedenken.

Die Beteiligte zu 1. benötigt für die Einordnung der Mitarbeiterin K. als außertarifliche Angestellte die Zustimmung des Beteiligten zu 2..

Gegenstand der Ein- oder Umgruppierung ist die Einordnung des Arbeitnehmers in ein kollektives Entgeltschema. Dies ist keine konstitutive Maßnahme, sondern ein Akt der Rechtsanwendung. Die Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG soll dazu beitragen, dass diese Rechtsanwendung möglichst zutreffende Ergebnisse erzielt. Daher ist der Betriebsrat zur Prüfung verpflichtet, ob die dem Arbeitnehmer zugewiesenen Tätigkeiten den Anforderungen einer Gehaltsgruppe der anzuwendenden Vergütungsordnung entsprechen. Will der Arbeitgeber feststellen, dass der Arbeitnehmer nicht in eine der Gehaltsgruppen der nach ihrem Geltungsbereich maßgeblichen Vergütungsordnung einzugruppieren ist, weil die vorgesehene Tätigkeit höherwertige Qualifikationsmerkmale aufweist, so hat er gem. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG dazu die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, weil er den Arbeitnehmer nach der maßgeblichen Vergütungsordnung eingruppiert sieht, so kann der Arbeitgeber gem. § 99 Abs. 4 BetrVG ein entsprechendes Ersetzungsverfahren durchführen. In diesem ist die Richtigkeit der Beurteilung zu überprüfen; vgl. BAG, 26.11.2003, 4 ABR 54/02, Juris Rn. 24.

b.

Der Antrag ist auch begründet.

(1)

Gegenstand des Verfahrens ist die Frage, ob die Beteiligte zu 1. betriebsverfassungsrechtlich berechtigt ist, die geplante Umgruppierung der Mitarbeiterin K. auf der Grundlage des Schreibens vom 9.2.2023 durchzuführen. Die Beteiligte hat dieses Zustimmungsersuchen nicht durch die Ergänzung der Anhörung durch Vorlage des Arbeitsvertrages mit der Mitarbeiterin K. mit Schriftsatz vom 29.6.2023 zurückgezogen. Ein neues Zustimmungsverfahren zu einer eigenständigen personellen Einzelmaßnahme hätte sie damit nur dann eingeleitet, wenn sie von der ursprünglich geplanten Einstellung Abstand genommen hätte; vgl. BAG, 13.12.2023, 1 ABR 28/22, Juris Rn. 15.

Mit dem Schriftsatz vom 29.6.2023 hat die Beteiligte zu 1. ausdrücklich ihren Rechtsstandpunkt aufrechterhalten, zur ausreichenden Anhörung des Beteiligten zu 1. habe es der Vorlage des Arbeitsvertrages nicht bedurft. Daraus wird deutlich, dass es ihr ausschließlich darum ging, die geplante personelle Maßnahme weiterhin umzusetzen.

(2)

Die Beteiligte zu 1. hat das Zustimmungsersetzungsverfahren ordnungsgemäß eingeleitet.

Die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG setzt eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats durch den Arbeitgeber iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG voraus. Dieser hat den Betriebsrat über die geplante personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Urkunden zu unterrichten. Erforderlich und ausreichend ist eine Unterrichtung, die es dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist. Bei einer Einstellung ist nach § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG insbesondere der in Aussicht genommene Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen; vgl. BAG, 12.6.2019, 1 ABR 5/18, Juris Rn. 29 m. w. N..

Diesen Anforderungen wird die Unterrichtung des Beteiligten zu 2. jedenfalls nach der Vorlage des Arbeitsvertrages der Mitarbeiterin K. gerecht.

(3)

Die Zustimmung des Beteiligten zu 2. gilt nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt, da der Beteiligte zu 2. sie form- und fristgerecht gemäß § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG verweigert hat.

Gegen die dazu erfolgten Ausführungen des Arbeitsgerichts haben die Beteiligten in der Beschwerdeinstanz nichts eingewandt und sie treffen auch aus Sicht der Beschwerdekammer zu.

(4)

Die Zustimmung des Beteiligten zu 2. ist gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG zu ersetzen, da ein Grund für die Verweigerung der Zustimmung gemäß § 99 Abs. 2 BetrVG nicht vorliegt.

(a)

Die Einordnung der Mitarbeiterin K. als außertarifliche Angestellte verstößt nicht gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gegen den VergRTV (neu).

Die Mitarbeiterin K. ist gemäß § 1 Abs. 3 c VergRTV (neu) vom Geltungsbereich des Tarifvertrages ausgenommen.

Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 c VergRTV (neu) liegen vor, denn die Beteiligte zu 1. und die Mitarbeiterin K. haben die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiterin einzelvertraglich festgelegt und die monatliche Vergütung der Mitarbeiterin liegt 10 % über der zutreffenden Stufe der höchsten Tätigkeitsgruppe H des VerRTV (neu). Dies ergibt die Auslegung des Tarifvertrages.

Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend herangezogen werden. Mit zu berücksichtigen ist ferner die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt; vgl. BAG, 12.10.2022, 5 AZR 48/22, Juris Rn. 19.

(aa)

Die Beteiligte zu 1. und die Mitarbeiterin K. haben die Arbeitsbedingungen einzelvertraglich festgelegt.

(aaa)

Für die Annahme einer einzelvertraglichen Vereinbarung von Arbeitsbedingungen kommt es zunächst nicht darauf an, ob die Tätigkeiten, die der Mitarbeiterin K. übertragen werden sollen, in den Entgeltgruppen des EntgeltRTV (neu) genannt sind. Die auszuübenden Tätigkeiten zählen nicht zu den Arbeitsbedingungen im Sinne des Tarifvertrages.

Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut der Tarifnorm. Arbeitsbedingungen sind rechtliche und tatsächliche Rahmenbedingungen, unter denen Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung erbringen. Das Begriffsverständnis ist unter anderem geprägt von der Aufzählung der wesentlichen Bedingungen in § 2 Abs. 1 Satz 2 NachwG und der Regelung in Artikel 4 der Richtlinie (EU)2019/1152. In diesen Vorschriften ist die zu leistende Tätigkeit nur als ein Punkt unter vielen genannt.

Das Begriffsverständnis ergibt sich aber auch aus dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung.

Die Tarifvertragsparteien haben die einzelvertragliche Vereinbarung der Arbeitsbedingungen als Voraussetzung für die Herausnahme aus dem Geltungsbereich des EntgeltRTV (neu) vereinbart. Daraus folgt, dass sie diese Voraussetzung für ein taugliches Differenzierungskriterium halten. Wären unter dem Begriff "Arbeitsbedingungen" die übertragenen Tätigkeiten zu verstehen, wäre diese Voraussetzung nicht gegeben. Eine Differenzierung danach wäre dann nicht möglich, weil die Übertragung der Tätigkeiten als Beschreibung der Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers immer durch den Arbeitsvertrag erfolgt. Der Wille, eine Regelung zu treffen, deren eine Voraussetzung in jedem Fall erfüllt wäre, kann den Tarifvertragsparteien nicht unterstellt werden.

(bbb)

Auch die Voraussetzung einer einzelvertraglichen Vereinbarung der Arbeitsbedingungen ist erfüllt.

Hierfür kommt es zunächst nicht darauf an, ob es sich bei dem Vertrag zwischen der Mitarbeiterin K. und der Beteiligten zu 1. um einen vorformulierten oder einen individuell ausgehandelten Arbeitsvertrag handelt.

Wie bereits das Arbeitsgericht ausgeführt hat, ist "einzelvertraglich festgelegt" als Gegenbegriff zu "tarifvertraglich festgelegt" zu sehen. Hierauf deutet neben den vom Arbeitsgericht angeführten Argumenten auch der Wortlaut der Regelung hin. Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff "einzelvertraglich" gewählt. Der Wortlaut unterscheidet sich damit von dem des § 305b BGB, denn dort wird als Gegenbegriff zu allgemeinen Geschäftsbedingungen der Begriff "Individualabrede" verwandt.

Der Annahme einer einzelvertraglichen Vereinbarung steht vorliegend auch nicht der Umfang der Abweichung von den tariflichen Regelungen entgegen.

Allerdings ist dem Beteiligten zu 2. zuzugeben, dass es für die einzelvertragliche Vereinbarung nicht ausreichte, wenn die Parteien lediglich die Geltung der tariflichen Regelungen vereinbart hätten. Der Arbeitsvertrag der Mitarbeiterin K. weicht aber unstreitig in mehreren Punkten von den tariflichen Regelungen ab. Die Parteien haben im Hinblick auf die Abgeltung von Überstunden, den Verzicht auf Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld und Zuschläge, einen zusätzlichen Urlaubstag, die Kündigungsfristen und die Gruppenunfallversicherung abweichende Regelungen getroffen. Die Frage, ob diese Regelungen sich zum Teil auch auf die Vergütungshöhe und damit auf das zweite Differenzierungskriterium auswirken, kann in diesem Zusammenhang noch offenbleiben. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, wirkte es sich auf die Annahme einer einzelvertraglichen Vereinbarung nicht aus. Diese betrifft nur die Frage, auf welcher Grundlage die Arbeitsbedingungen Anwendung finden. Ob sie im Übrigen so weit von den tariflichen Regelungen abweichen, dass sie die Herausnahme der Mitarbeiterin K. aus dem Geltungsbereich des EntgeltRTV (neu) rechtfertigen, spielt für die Erfüllung des ersten Differenzierungskriteriums keine Rolle.

(bb)

Die Vergütung der Mitarbeiterin K. liegt auch mindestens 10 % über der zutreffenden Stufe der höchsten Tätigkeitsgruppe H.

(aaa)

Für die Entscheidung, ob ein Grund für die Verweigerung der Zustimmung vorgelegen hat, ist abzustellen auf die Umstände zum Zeitpunkt der Umsetzung der beabsichtigten personellen Maßnahme. Auf die spätere Erhöhung der tariflichen Entgelte zum 1.7.2023 und der Vergütung der Mitarbeiterin K. zum 1.1.2024 kommt es hierfür nicht an.

(bbb)

Auszugehen ist von der mit der Mitarbeiterin K. vereinbarten monatlichen Vergütung in Höhe von 6.500,00 EUR brutto (78.000,00 EUR ./. 12).

Dem gegenüberzustellen ist die monatliche Vergütung, die sich aus der zutreffenden Stufe der höchsten Tätigkeitsgruppe H ergibt. Diese errechnet sich jedenfalls aus dem Tabellenentgelt der Stufe H in Höhe von 5.152,70 EUR brutto, da die Mitarbeiterin K. gemäß § 3 Abs. 2, § 4 Abs. 3 EntgeltRTV (neu) in die Grundstufe der Tätigkeitsgruppe H einzustufen wäre.

(ccc)

Bei der Berechnung des Vergleichsentgelts ist die der Mitarbeiterin K. gegebenenfalls zustehende Führungszulage gemäß § 5 EntgeltRTV (neu) nicht zu berücksichtigen.

Dies ergibt sich nach den oben dargestellten Grundsätzen für die Auslegung von Tarifverträgen aus dem Wortlaut der Tarifregelung. Die Tarifparteien haben sich in der Regelung ausdrücklich auf die monatliche Vergütung bezogen. Dem entspricht, dass als Vergleichsobjekt die tariflich regelmäßig zu zahlende monatliche Vergütung heranzuziehen ist. Zwar ist bei der Benennung des Vergleichsobjekts die monatliche Vergütung nicht ausdrücklich genannt, dass sie gemeint ist, ergibt sich aber aus dem Gesamtzusammenhang und dem Sinn und Zweck der Regelung. Mit dem Abstandsgebot verfolgen die Tarifvertragsparteien den Zweck, den mit dem AT-Status verbundenen Verzicht des außertariflichen Angestellten auf die tariflichen Rechte zu kompensieren. Für die sachliche Rechtfertigung ist die Höhe des als Ausgleich zugesagten Entgelts entscheidend; vgl. BAG, 18.11.2020, 5 AZR 21/20, Juris Rn. 30. Einen Bezug auf das von dem betreffenden Angestellten erreichbaren tariflichen Entgelt lässt die Tarifregelung nicht erkennen. Das von der Vergütung Zulagen, die, wie die Führungszulage auf anderen Tarifregelungen beruhen erfasst sein sollen, ergibt sich nicht. Allerdings ist ein individueller Bezug darin zu erkennen, dass die Tarifparteien auf die zutreffende Stufe der Tätigkeitsgruppe H abstellen. Daraus ist zu schließen, dass es für den Vergleich auch auf die persönlichen Verhältnisse des jeweiligen außertariflichen Angestellten ankommen soll. Die Tarifparteien haben aber keine weiteren Vergütungsbestandteile genannt, insbesondere nicht vereinbart, dass etwaige Zulagen Berücksichtigung finden sollen. Daraus ist zu schließen, dass die Tarifparteien in dem Abstand von 10 % zu der höchsten Tätigkeitsgruppe eine ausreichende Kompensation gesehen haben. Dies hält sich im Rahmen ihres Beurteilungsspielraums.

(ddd)

Bei der Vergleichsberechnung sind weiterhin weder Mehrarbeitszuschläge noch die abgegoltenen 240 Stunden Mehrarbeit zu berücksichtigen.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der EntgeltRTV (neu) für die Berechnung der Vergleichsvergütung auf die vereinbarte Arbeitszeit abstellt. Stellt der Tarifvertrag für das Abstandsgebot des Außertariflichen (AT) Angestellten zum Tarifangestellten auf die prozentuale Überschreitung des "Tarifgehaltes" ab, ist mangels anderweitiger Bestimmung des Tarifvertrages die monatliche Vergütung des AT-Angestellten für die Abstandsberechnung auch dann maßgebend, wenn dessen Arbeitszeit die tarifliche Arbeitszeit überschreitet; vgl. BAG, 26.11.2003, 4 ABR 54/02; vgl. auch zu einer tariflichen Abstandsregelung, die auf die individuelle Arbeitszeit Bezug nimmt BAG, 25.4.2018, 5 AZR 85/17.

Die Beteiligte zu 1. hat mit der Mitarbeiterin K. keine von der tarifvertraglichen Arbeitszeit abweichende, individuelle Arbeitszeit vereinbart. In der Regelung der Abgeltung von Mehrarbeit in § 4 Abs. 4 des Arbeitsvertrages ist keine Arbeitszeitvereinbarung zu sehen. Die Regelung begründet keine Verpflichtung zur Leistung von Mehrarbeit, sondern regelt nur deren Vergütung. Leistet die Mitarbeiterin keine Mehrarbeit, kommt die Regelung nicht zum Tragen. Für die Vergleichsberechnung kann sie daher keine Rolle spielen. Beeinflusste die Zahl der geleisteten Mehrarbeitsstunden die zu vergleichende Vergütung, könnte nicht im Voraus festgestellt werden, ob die Voraussetzungen für die Herausnahme aus dem Anwendungsbereich des Tarifvertrages vorliegen. Je nach Anfall von Mehrarbeit, könnte die Vergleichsberechnung für unterschiedliche Zeiträume zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Dass die Tarifvertragsparteien eine solche Regelung beabsichtigten, kann ihnen nicht unterstellt werden.

(eee)

Nach allem liegt die monatliche Vergütung der Mitarbeiterin K. mehr als 10 % über der Vergütung der höchsten Tätigkeitsgruppe H. Auf die Frage, ob bei der monatlichen Vergütung der Tätigkeitsgruppe H das Weihnachtsgeld gemäß § 8 des MTV (neu) und das zusätzliche Urlaubsgeld gemäß § 6 MTV (neu) zu berücksichtigen sind, kommt es im Ergebnis nicht an, da auch bei Berücksichtigung dieser Beträge das Abstandgebot des § 1 Abs. 3 c) EntgeltRTV (neu) gewahrt bleibt.

(b)

Die Einordnung der Mitarbeiterin K. als außertarifliche Angestellte begründet auch kein Recht zur Verweigerung der Zustimmung gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG.

Es liegen keine Tatsachen vor, die die Besorgnis begründen, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer einen Nachteil erleiden. Gegen die Ausführungen des Arbeitsgerichts haben die Beteiligten nichts eingewandt und sie treffen auch aus Sicht der Beschwerdekammer zu.

3.

Auch das weitere Vorbringen der Beteiligten, auf das in diesem Beschluss nicht gesondert eingegangen wird, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

4.

Einer Kostenentscheidung bedurfte es gemäß § 2a Abs. 1, Abs. 2 ArbGG, § 2 Abs. 2 GKG nicht.

Die Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich aus § 92 Abs. 2 i. V. m. § 72 Abs. 2 ArbGG.