Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.06.2024, Az.: 4 TaBV 71/23
Wirksamkeit der Bildung eines Wirtschaftsausschusses mangels Tendenzbetriebs
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 10.06.2024
- Aktenzeichen
- 4 TaBV 71/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 20277
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2024:0610.4TaBV71.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hannover - 09.08.2023 - AZ: 11 BV 3/23
Rechtsgrundlage
- § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG
Fundstellen
- ArbR 2024, 445
- ArbRB 2024, 300
- FA 2024, 280
Amtlicher Leitsatz
Soziale Arbeit ist von karitativer Arbeit zu unterscheiden. Soziale Arbeit ist nicht vom Tendenzschutz nach § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfasst.
Tenor:
- 1.
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.08.2023 - 11 BV 3/23 - wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten die Wirksamkeit der Bildung eines Wirtschaftsausschusses.
Die antragstellende Arbeitgeberin ist eine gemeinnützige GmbH. Sie betreibt Wohnheime für die Unterbringung und Betreuung von Geflüchteten, Aussiedlern und Obdachlosen. Derzeit handelt es sich um insgesamt 4 Notunterkünfte (davon 1 Obdach und 3 Flucht) und 20 Regelunterkünfte (davon 1 Obdach und 13 Flucht). Darüber hinaus existieren 5 weitere Einrichtungen (Sleep In, Tagestreff, begleitetes Wohnen).
Momentan sind 162 Arbeitnehmer beschäftigt. Hiervon sind 116 der Arbeitnehmer als Heimleiter (ca. 25) und Sozialarbeiter bzw. solche, die mit den Tätigkeiten eines Sozialarbeiters betraut sind, tätig. Hinzu kommen 26 Hausmeister, 12 Mitarbeiter in der Verwaltung und 8 Mitarbeiter in der Reinigung. Die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter in der Reinigung kündigte die Arbeitgeberin zum 31.07.2024.
Der Beteiligte zu 2 ist der bei der Arbeitgeberin errichtete Betriebsrat. Er besteht aus 9 Mitgliedern. Am 16.11.2022 und am 26.04.2023 fasste der Betriebsrat den Beschluss, einen Wirtschaftsausschuss bei der Arbeitgeberin zu bilden.
Im Gesellschaftsvertrag der Arbeitgeberin vom 14.04.2021 heißt es - auszugsweise, soweit für dieses Verfahren von Interesse - wie folgt:
"§ 3 Gegenstand der Gesellschaft
(1) Gegenstand der Gesellschaft ist die Hilfe und Unterstützung von Menschen, um soziale Benachteiligung, Not und menschenunwürdige Situationen zu beseitigen sowie auf die Verbesserung der individuellen, familiären und sozialen Lebensbedingungen hinzuwirken, insbesondere durch Unterbringung, soziale Betreuung, Beratung und Versorgung von politisch, rassisch oder religiös Verfolgten, von Asylbewerbern, Flüchtlingen und Obdachlosen. Die Gesellschaft fördert mildtätige Zwecke und Zwecke der Wohlfahrtspflege. Daneben kann die Gesellschaft auch ideell und finanziell gemeinnützige Organisationen im Deutschen Roten Kreuz mit den genannten Zwecken durch Beschaffung und Weitergabe von Mitteln fördern.
(2) Der Gesellschaftszweck wird erreicht durch ein vielfältiges Angebot von Dienst- und Sachleistungen, die es hilfebedürftigen Menschen erlauben, ein Leben in Würde, größtmöglicher Selbstständigkeit und unter Anerkennung ihrer soziokulturellen Wurzeln zu führen und ihre eigenen Potenziale zu entwickeln. Die Gesellschaft führt dazu auch Einrichtungen und Unterkünfte für Flüchtlinge, Obdachlose und Wohnungslose.
(3) ...
§ 5 Gemeinnützigkeit
(1) Die Gesellschaft verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige und mildtätige Zwecke im Sinne des Abschnitts "steuerbegünstigte Zwecke" der Abgabenordnung. Sie ist selbstlos tätig und verfolgt nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke. Der Gesellschafter D.-Region H. e.V. darf Gewinnanteile und sonstige Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft im Rahmen des § 58 Nr. 2 AO erhalten. Gesellschafter, die nicht steuerbegünstigt sind, dürfen keine Gewinnanteile und keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft erhalten.
(2) Mittel der Gesellschaft dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Die Gesellschaft kann, soweit es zur nachhaltigen Erfüllung ihres Zweckes erforderlich ist, in gemeinnützigkeitsrechtlich zulässigem Umfang Rücklagen bilden.
(3) ..."
Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die von ihr durchgeführten Tätigkeiten seien überwiegend karitativ iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 BetrVG. Sie erbringe unmittelbar in den verschiedenen sozialen Projekten sozialen Dienst an geistig, seelisch und körperlich leidenden Menschen. Diese Hilfe zu leisten, könne auch durch Unterstützung im Alltag und Hilfe bei der Eingliederung in die Gesellschaft erfolgen. All diese Tätigkeiten seien darauf gerichtet, die Not der betreuten Personen zu lindern. Sie handele nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern selbstlos. Dies folge bereits aus dem Gesellschaftsvertrag und der Tatsache, dass sie auch vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt sei. Soweit Gewinne abgeführt würden, dürfe dies nur an den Regionsverband erfolgen, der seinerseits die Gelder nur für karitative Aufgaben nutze und nutzen dürfe.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
festzustellen, dass die Bildung des Wirtschaftsausschusses durch den Beteiligten zu 2 unwirksam ist.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Betriebsrat hat gemeint, die Arbeitgeberin sei nicht karitativ tätig. Bei Flüchtlingen und Obdachlosen handele es sich nicht per se um körperlich, geistig und seelisch leidende Menschen. Die ihnen zukommende Hilfe werde nicht wesentlich im gesundheitlichen, sondern im Bereich der Integration in Gesellschaft, Arbeitsleben und Schule erbracht. Es handele sich um Hilfe zur Selbsthilfe, Organisation von Kontakten zu weiteren Hilfen (Ärzten/Anwälten) und nicht um Therapiemaßnahmen, schon gar nicht pflegerischer oder medizinischer Art. Er hat die fehlende Gewinnerzielungsabsicht mit Nichtwissen bestritten.
Mit Beschluss vom 09.08.2023 hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung - zusammengefasst - wie folgt ausgeführt: Die Arbeitgeberin diene nicht karitativen Bestimmungen. Es könne nicht erkannt werden, dass das Klientel der Arbeitgeberin notwendig hilfsbedürftig im Sinne körperlich und seelischen Leidens sei. Die Haupttätigkeit der Arbeitgeberin liege auch nicht darin, seelische und körperliche Leiden direkt zu behandeln, sondern die Menschen bei der Suche nach Hilfeleistern zu unterstützen.
Gegen den der Arbeitgeberin am 24.08.2023 zugestellten Beschluss richtet sich deren am 29.08.2023 beim Landesarbeitsgericht eingegangene Beschwerde, die sie am 24.11.2023, innerhalb der bis dahin verlängerten Beschwerdebegründungsfrist, unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vortrags im Wesentlichen wie folgt begründet:
Bei der schwerpunktmäßig von ihr betriebenen Flüchtlingsarbeit handele es sich entgegen den Feststellungen des Arbeitsgerichts um einen Tätigkeitsbereich, bei dem ihre Mitarbeiter vielfach in erheblichem Umfang bemüht seien, körperlich und vor allem seelisch leidenden Menschen Milderung und Heilung zu verschaffen. Das Arbeitsgericht verkenne, dass die Mehrzahl der von ihr betreuten Flüchtlinge seelische und gegebenenfalls körperliche Leiden aufweise. Zur Bewältigung erlebter Traumata seien die bei ihr beschäftigten Sozialarbeiter explizit angestellt. Das Arbeitsgericht gehe fälschlicherweise davon aus, dass sich ihre Tätigkeit in der Unterbringung, sozialen Betreuung, Beratung und Versorgung erschöpfe und sie lediglich bei der Abwicklung von Formalien unterstütze. Ein wesentlicher Schwerpunkt ihrer Arbeit liege jedoch in der Organisation von Projekten, die unmittelbar auf eine Verbesserung der Lebenssituation sowie der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben abziele. Dies mit dem Ziel, den Obdachlosen und Flüchtlingen ein sicheres Umfeld sowie eine gesellschaftliche Anbindung zu verschaffen, um die negativen Erfahrungen und erlebten Traumata zu verarbeiten. Sie wirke durch ihre Tätigkeit unmittelbar und direkt an der Verbesserung des psychologischen Zustands von Flüchtlingen und Obdachlosen mit. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei eine besonders schwerwiegende Hilfsbedürftigkeit keine Voraussetzung für karitatives Handeln. Entscheidend sei lediglich, ob die Menschen, denen die Hilfe dienen solle, überhaupt in dem beschriebenen Sinn hilfsbedürftig seien. Dies sei der Fall.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Hannover vom 09.08.2023 - 11 BV 3/23 - abzuändern und festzustellen, dass die Bildung eines Wirtschaftsausschusses durch den Beteiligten zu 2 unwirksam ist.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Betriebsrat verteidigt den arbeitsgerichtlichen Beschluss unter Wiederholung und Vertiefung seiner erstinstanzlichen Ausführungen. Es gehöre nicht zur Hauptaufgabe der Arbeitnehmer die psychischen Belange der Flüchtlinge zu behandeln, sondern primär gehe es um die Hilfe zur Selbsthilfe und um die Vermittlung von entsprechenden Anlaufstellen. Eine soziale Betreuung zur Integration beinhalte nicht zwingend eine karitative Tätigkeit von seelisch und körperlich leidenden Menschen. Jedenfalls fehle es an einem Überwiegen von karitativen Tätigkeiten.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten in beiden Instanzen nebst Anlagen, auf die Sitzungsniederschriften und auf die ausweislich der Sitzungsprotokolle abgegebenen Erklärungen ergänzend Bezug genommen.
B.
I.
Die nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthafte Beschwerde der Arbeitgeberin ist gemäß § 87 Abs. 2 Satz 1, § 66 Abs. 1 Satz 1, § 89 Abs. 2 ArbGG zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und ordnungsgemäß begründet worden.
II.
Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet. Zu Recht und mit zutreffender und sorgfältiger Begründung hat das Arbeitsgericht den Antrag zurückgewiesen.
1.
Der Antrag ist zulässig. Bestehen Meinungsverschiedenheiten zwischen den Betriebspartnern darüber, ob in einem Unternehmen oder Betrieb zu Recht ein Wirtschaftsausschuss gebildet worden ist, kann dies durch einen entsprechenden Feststellungsantrag im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens geklärt werden (BAG 15. März 2006 - 7 ABR 24/05 - Rn. 18 mwN). An der begehrten Feststellung besteht auch das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse.
2.
Richtigerweise wurde der Wirtschaftsausschuss nicht am Verfahren beteiligt. Dieser übt lediglich Hilfsfunktionen für den Betriebsrat aus. Er hat keine eigenen Entscheidungsbefugnisse. Wegen dieser Hilfsfunktion des Wirtschaftsausschusses berührt die Entscheidung darüber, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Bildung eines Wirtschaftsausschusses gegeben sind, nur die betriebsverfassungsrechtliche Rechtsstellung des Betriebsrats, nicht jedoch eine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition des Wirtschaftsausschusses (BAG 15. März 2006 - 7 ABR 24/05 - Rn. 23).
3.
Der Antrag der Arbeitgeberin ist unbegründet. Die Bildung des Wirtschaftsausschusses ist zulässig. Bei der Arbeitgeberin handelt es sich nicht um einen Tendenzbetrieb iSd. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG, so dass die §§ 106 - 110 BetrVG im vorliegenden Fall Anwendung finden.
a)
Nach § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG finden die Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes keine Anwendung auf Unternehmen und Betriebe, die unmittelbar und überwiegend (ua.) karitativen Bestimmungen dienen, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebs dem entgegensteht. Die §§ 106 bis 110 sind nicht anzuwenden (§ 118 Abs. 1 Satz 2 1. HS BetrVG). Nach § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist in allen Unternehmen mit in der Regel mehr als einhundert ständig beschäftigten Arbeitnehmern ein Wirtschaftsausschuss zu bilden.
b)
Die Arbeitnehmerin beschäftigt derzeit 162 und damit mehr als 100 ständig beschäftigte Arbeitnehmer.
c)
§ 106 BetrVG findet auf den Betrieb der Arbeitgeberin auch Anwendung. Die Arbeitgeberin dient nicht unmittelbar und überwiegend karitativen Bestimmungen.
aa)
Ein Unternehmen dient nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts karitativen Zwecken, wenn es den sozialen Dienst an körperlich oder seelisch leidenden Menschen zum Ziel hat, auf Heilung oder Milderung innerer oder äußerer Nöte des Einzelnen oder auf deren vorbeugende Abwehr gerichtet ist, die Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht erfolgt und der Unternehmer nicht ohnehin von Gesetzes wegen zu derartigen Hilfeleistungen verpflichtet ist (vgl. BAG 14. September 2010 - 1 ABR 29/09 - Rn. 20 mwN). Ob karitatives Handeln iSv. § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG vorliegt, bestimmt sich nicht nach dem Maß der Hilfsbedürftigkeit. Entscheidend ist allein, ob die Menschen, denen die Hilfe dienen soll, überhaupt in dem beschriebenen Sinne hilfsbedürftig sind (BAG 22. Mai 2012 - 1 ABR 7/11 - Rn. 21).
Die Regelung des § 118 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG normiert eine Ausnahme von der gesetzgeberischen Entscheidung zugunsten betrieblicher Mitbestimmung; woraus regelmäßig - jedenfalls bezogen auf das Merkmal der karitativen Tätigkeit - ein restriktives Verständnis der Norm folgt (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 30. April 2015 - 1 BvR 2274/12 - Rn. 15).
bb)
Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei Geflüchteten und Obdachlosen - wie von der Arbeitgeberin dem Grunde nach vertreten - überwiegend um körperlich und seelisch leidende Menschen handelt und ob diese Annahme für speziell in den Einrichtungen der Arbeitgeberin untergebrachte Betroffene anhand der von der Arbeitgeberin aufgeführten Zahlen in allgemeinen Statistiken und der einzelnen Vorkommnisse in den Einrichtungen der Arbeitgeberin gerechtfertigt ist. Dies erscheint zweifelhaft.
Jedenfalls differenziert schon die Zwecksetzung der Arbeitgeberin ausweislich des Gesellschaftsvertrags nicht danach, ob es sich bei den Personen, die in ihren Einrichtungen unterzubringen und zu betreuen sind, um körperlich und seelisch leidende Menschen handelt. Ein körperliches oder seelisches Leiden stellt kein Aufnahmekriterium der zugewiesenen Personen dar, wie dies etwa bei Werkstätten für behinderte Menschen nach §§ 56 ff. SGB IX der Fall ist. Aufgenommen werden alle der Arbeitgeberin nach dem Verteilerschlüssel zugewiesenen politisch, rassisch oder religiös Verfolgten, Asylbewerber, Flüchtlinge und Obdachlosen mit dem Ziel der Hilfe und Unterstützung, um soziale Benachteiligung, Not und menschenunwürdige Situationen zu beseitigen sowie auf die Verbesserung der individuellen, familiären und sozialen Lebensbedingungen hinzuwirken.
Dem Gesellschaftszweck kann auch nicht entnommen werden, dass das Ziel die Heilung oder Milderung innerer oder äußerer Nöte des Einzelnen oder deren vorbeugende Abwehr ist. Auch wenn sich die Zwecksetzung der Arbeitgeberin nicht auf die reine Unterbringung der Betroffenen beläuft, steht ausweislich des Gesellschaftszwecks das Hinwirken auf die Beseitigung von sozialer Benachteiligung, von Not und menschenunwürdigen Situationen sowie die Verbesserung der individuellen, familiären und sozialen Lebensbedingungen im Vordergrund. Der Gesellschaftszweck wird nach § 3 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags erreicht durch ein vielfältiges Angebot von Dienst- und Sachleistungen, die es hilfebedürftigen Menschen erlauben, ein Leben in Würde, größtmöglicher Selbstständigkeit und unter Anerkennung ihrer soziokulturellen Wurzeln zu führen und ihre eigenen Potenziale zu entwickeln.
Die im Gesellschaftsvertrag aufgeführten Dienst- und Sachleistungen werden überwiegend von den bei der Arbeitgeberin beschäftigten Sozialarbeitern und solchen, die mit Aufgaben eines Sozialarbeiters betraut sind, erbracht. Diese bestehen ausweislich der Stellenbeschreibungen darin, die Bewohner bspw. aktiv über Rechte und Hilfsangebote zu informieren, eine Orientierungshilfe im Gesellschaftssystem zu bieten, die Betroffenen kompetenzorientiert zu beraten und zu fördern, deren Verantwortungsbewusstsein und deren Gemeinschaftssinn im Zusammenleben in der Gemeinschaftsunterkunft zu fördern, Hilfestellungen im Umgang mit Behörden und anderen staatlichen Institutionen zu leisten, die Betroffenen beim Schriftverkehr zu unterstützen und - ohne rechtsberatend tätig zu sein - im Asyl- und Ausländerrecht und/oder der Sozialgesetzgebung zu beraten oder bspw. an eine Rückkehrberatung oder bei gesundheitlichen Problemen ärztliche Hilfe zu vermitteln. Wegen der weiteren Einzelheiten der den Sozialarbeitern obliegenden Aufgaben wird auf die zur Akte gereichten Stellenbeschreibungen (Anlage 2 und 3 des Schriftsatzes des Betriebsrats vom 03.08.2023) Bezug genommen. Körperlich kranke Personen werden - wie die Geschäftsführerinnen auf Nachfrage im Termin am 10.06.2024 eingeräumt haben - nicht von Arbeitnehmern der Arbeitgeberin behandelt. Die Arbeitgeberin beschäftigt auch keine Traumatherapeuten oä. zur Behandlung von psychischen Erkrankungen der Bewohner. Dass die Arbeitnehmerin W. sich eine Fortbildung mit dem Titel "Zertifizierte Weiterbildung zur systemischen Therapeutin und Traumafachberaterin" erbeten und auch eine entsprechende Zusage durch die Arbeitgeberin erhalten hat, befähigt sie dazu, Verhaltensweisen von Bewohnern mit psychischen Erkrankungen besser einordnen zu können und auftretende Konflikte zwischen den Bewohnern besser handhaben und lösen zu können. Es ist aber nicht vorgetragen und es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Arbeitnehmerin W. nunmehr aufgrund der Fortbildung speziell zur Behandlung psychischer Erkrankungen bei der Arbeitgeberin eingesetzt wird.
Die zur Erreichung des Zwecks eingesetzten Sozialarbeiter leisten - wie es ihre Berufsbezeichnung ausdrückt - soziale Arbeit, die sich von karitativer Arbeit unterscheidet und ausweislich des Wortlauts von § 118 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nicht vom Tendenzschutz umfasst ist. Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Menschen dazu, die Herausforderung des Lebens zu bewältigen und das Wohlergehen zu verbessern (so Auszüge aus der deutschsprachigen Definition Soziale Arbeit lt. dem Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit e.V.). Genau diesem Zweck widmet sich die Arbeitgeberin. Die Leistungen der Arbeitgeberin sind unzweifelhaft geeignet, dem betroffenen Personenkreis Hilfestellungen an die Hand zu geben, um die Herausforderungen der für die meisten der Bewohner neuen und unbekannten Lebensumstände besser zu bewältigen und durch die Bereitstellung einer Unterkunft, vor allem aber durch die beratende und vermittelnde Tätigkeit der Sozialarbeiter in Form der Hilfe zur Selbsthilfe das Wohlergehen der Bewohner zu verbessern und damit die objektive Not und die menschenunwürdige Situation, die insbesondere die Geflüchteten zum Teil in ihren Heimatländern erfahren haben, zu beseitigen. Die Leistungen der Arbeitgeberin zielen in erster Linie darauf ab, die äußeren Umstände der Betroffenen zu verbessern, den Geflüchteten das Einfinden in eine für sie fremder Kultur zu erleichtern sowie das gedeihliche Miteinander der Betroffenen zu gestalten. Die Leistungen zielen hingegen nicht darauf ab, etwa durch therapeutische oder medizinische Maßnahmen Heilung zu erzielen, mag auch die Verbesserung des seelischen Zustands ein positiver Nebeneffekt der sozialen Arbeit sein.
Die Beschwerde der Arbeitgeberin konnte schon vor diesem Hintergrund keinen Erfolg haben. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Arbeitgeberin ihre Tätigkeit ohne Gewinnerzielungsabsicht erbringt.
III.
Gegen diese gemäß § 2 Abs. 2 GKG gerichtskostenfrei ergehende Entscheidung ist gemäß § 92 Abs. 1 iVm. § 72 Abs. 2 ArbGG die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 92a ArbGG) wird hingewiesen.