Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 20.02.2024, Az.: 9 Sa 577/23

Darlegen von weiteren belastenden Umständen durch den Arbeitgeber im Wege der abgestuften Darlegungs- und Beweislast bzgl. Verdachts eines Arbeitszeitbetrugs

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
20.02.2024
Aktenzeichen
9 Sa 577/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 15292
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:0220.9Sa577.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Lingen - 15.08.2023 - AZ: 4 Ca 71/23

Amtlicher Leitsatz

Allein der Umstand, dass eine Arbeitnehmerin nach Beendigung einer Einsatzfahrt später ausstempelt als andere Teammitglieder, begründet noch keinen hinreichenden Verdacht eines Arbeitszeitbetruges, wenn unstreitig Nacharbeiten zu erledigen sind, die auch von einem Teammitglied allein erledigt werden können. Auch der Vergleich mit den Arbeitszeiten anderer Teams begründet in diesen Fällen allein keinen hinreichenden Verdacht eines Arbeitszeitbetruges. Der Arbeitgeber hat vielmehr im Wege der abgestuften Darlegungs- und Beweislast weitere belastende Umstände darzulegen. Ein in einer Anhörung abgegebenes - streitiges - Geständnis rechtfertigt allein nicht den Vorwurf eines Arbeitszeitbetruges, wenn im Prozess konkret vorgetragen wird, welche Arbeiten in dem - streitigen - Zeitraum geleistet wurden. Der im Kündigungsschutzprozess darlegungs- und beweispflichtige Arbeitgeber muss die behaupteten Arbeiten widerlegen.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen 4 Ca 71/23 vom 15.08.2023 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund ordentlicher Tat- und Verdachtskündigung.

Die am 00.00.1985 geborene Klägerin ist bei dem Beklagten seit 01.06.2018 als Rettungssanitäterin mit einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.434,26 EUR beschäftigt. Sie ist zwei Kindern zum Unterhalt.

Bei dem Beklagten sind mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt. Er betreibt unter anderem einen Rettungsdienst und im hier maßgeblichen Zeitpunkt ein Impfzentrum. Es besteht ein Betriebsrat. Die Klägerin war im Kündigungszeitpunkt in der Rettungswache B. tätig.

Der Einsatz der Rettungssanitäter erfolgt grundsätzlich in einem Team von zwei Personen. Nach Beendigung eines Einsatzes fallen am Fahrzeug und in der Wache Folgearbeiten an. Die Dienstanweisung 7.1.4 DA "Fahren mit Dienstfahrzeugen" lautet:

"Jeder Kraftfahrer ist für die Pflege, Vollzähligkeit der Ausrüstung und die Einsatzfähigkeit des ihm überlassenen Fahrzeuges selbst verantwortlich. Nach jeder Benutzung ist das Fahrzeug gemeinsam von der jeweiligen Besatzung in einen einsatzbereiten Zustand zu versetzen. Hierbei ist folgendes zu beachten:

1. Das Fahrzeug ist aufzutanken, wenn die Tankanzeige weniger als 3/4 beträgt.

2. Das Fahrzeug ist bei Bedarf von innen und außen zu reinigen.

3. Die medizinische Ausstattung ist für einen neuen Einsatz herzurichten.

4. Das Fahrzeug ist ggf. technisch zu überprüfen.

5. Auftretende Mängel sind unverzüglich dem Dienstvorgesetzten zu melden."

Auf Seite 4 des Schriftsatzes der Klägerin vom 20.06.2023 wird Bezug genommen.

Außerdem sind in der Wache Aufräumarbeiten wie Müllentsorgung und ähnliches vorzunehmen. Hierzu wird auf die Anlage FSW 8 (Bl 123 d. A.) Bezug genommen.

Nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin werden diese Folgearbeiten nicht immer gemeinsam vom Team durchgeführt, sondern teilweise nur von einem Besatzungsmitglied. Die Klägerin hat diese Tätigkeiten häufig allein übernommen.

Des Weiteren gibt es bei dem Beklagten eine Pausenregelung, die wie folgt lautet:

"Mitarbeiter im Krankentransport erhalten pro Schicht eine Pause von 30 Minuten, sofern die Schichtlänge kleiner/gleich 9 Stunden ist. Die Pause erfolgt spätestens nach 6 Stunden. Übersteigt die Schichtlänge 9 Stunden, so überträgt die Pausenlänge 45 Minuten. Auch hier ist die erste Pause nach spätestens 6 Stunden zu machen. Die Pause wird von der Rettungsleitstelle geplant, um eine Vereinbarkeit mit geplanten und ungeplanten Einsätzen sicherzustellen. Die Pause muss in einem Korridor von +/- 1,5 Stunden zur Hälfte der Schicht ermöglicht werden. ......."

Für den Inhalt der Pausenregelung wird auf die Anlage FSW 5 (Bl. 120 d. A.) Bezug genommen. Die Planung der Pausenzeiten erfolgt durch die Einsatzleitstelle des Landkreises. Hierzu wird ein Einsatz mit dem Einsatzstichwort PAUSE eingeplant. Damit ist das Fahrzeug für andere Einsätze blockiert und die Besatzung wird in der vorgesehenen Zeit nicht für andere Einsätze herangezogen. Konnte die Pause nicht genommen werden, können die Mitarbeiter nachträglich eine (Zeit-)Gutschrift beantragen.

Für den Monat Mai 2021 stellte der Beklagte für 15 Arbeitstage fest, dass die Einsatzzeiten der Klägerin die des jeweiligen Kollegen/der jeweiligen Kollegin in der Schicht regelmäßig überschritten. Die Abweichungen betrugen 1 - 75 Minuten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Aufstellungen im Schriftsatz des Beklagten vom 20.04.2023 verwiesen.

Der Beklagte nahm die Arbeitszeitabweichungen im Mai 2021 zum Anlass, weitere Arbeitszeitangaben der Klägerin zu prüfen. Hieraus ergab sich, dass die Klägerin für den 07.04.2021 im Wege eines Korrekturantrages nachträglich eine zusätzliche Pause von 45 Minuten geltend gemacht hat. Der Antrag wurde seitens der Beklagten mit 45 Minuten Pause bewilligt. Hierzu wird auf Anlage 2, Bl. 42 d. A. verwiesen. Der Beklagte behauptet hierzu, dass die Klägerin an dem Tag bereits eine Pause in der Zeit von 11:04 bis 11:56 gehabt habe. So der Einsatzbericht der Einsatzleitstelle des Landkreises für den 07.04.2021, für dessen Inhalt auf die Anlage 3 (Bl. 43 d. A.) verwiesen wird.

Am 31.05.2021 arbeitete die Klägerin im Impfzentrum des Beklagten und im Anschluss in regulärer Schicht als Rettungssanitäterin. Der Arbeitszeitnachweis für die Tätigkeit im Impfzentrum enthält den Eintrag 08:00 bis 16:00 Uhr, für die Schicht im Rettungsdienst dokumentierte die Klägerin Arbeitszeit von 15:40 bis 0:31 Uhr. Die Tätigkeit im Impfzentrum wird gesondert vergütet.

Am 20.06.2021 dokumentierte die Klägerin eine Arbeitszeit bis 19:57 Uhr. Der Beklagte behauptet, der Teamkollege habe sich bereits um 18:22 Uhr ausgestempelt und der Krankenwagen sei unmittelbar nach Einsatzende von dem Folgeteam übernommen worden.

Am 25.06.2021 hörte der Beklagte die Klägerin zu dem Vorwurf des systematischen Arbeitszeitbetruges an. An der Anhörung nahmen der Vorstandsvorsitzende W., der damalige Personalleiter und jetziges Vorstandsmitglied H., der Betriebsratsvorsitzende des Beklagten K., die Klägerin und deren Lebensgefährte und Arbeitskollege Herr S. teil. Inhalt und Ablauf der Anhörung ist zwischen den Parteien streitig.

Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.06.2021 außerordentlich fristlos. Hiergegen wand sich die Klägerin mit einer Kündigungsschutzklage im Verfahren 4 Ca 132/21 beim Arbeitsgericht. Der Beklagte verzichtete auf die Rechte aus dieser Kündigung, nachdem die Klägerin mitgeteilt hatte, im Zeitpunkt der Kündigung schwanger gewesen zu sein, und behielt sich vor, die Vorwürfe zu ahnden, sobald dies aus Rechtsgründen nicht mehr ausgeschlossen sei.

Mit Datum vom 29.03.2023 hörte der Beklagten den Betriebsrat zur beabsichtigten ordentlichen Tat-/Verdachtskündigung der Klägerin an. Der Betriebsrat stimmte der ordentlichen Kündigung am 03.04.2023 zu. Für den Inhalt der Betriebsratsanhörung wird auf Anlage B1, Bl. 37 - 40 d. A. Bezug genommen.

Nach Rückkehr der Klägerin aus der Elternzeit am 04.04.2023 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nach Anhörung des Betriebsrats ordentlich unter Einhaltung der Kündigungsfrist zum 31.05.2023.

Die Klägerin hat mit am 12.04.2023 beim Arbeitsgericht eingegangener Klage die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe das Recht zur Kündigung verwirkt, weil die Vorwürfe zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung fast zwei Jahre zurücklägen und der Beklagte keinen Antrag auf Zustimmungserteilung zur Kündigung bei der zuständigen Behörde gestellt habe. Sie bestreitet außerdem die Ordnungsgemäßheit der Anhörung des Betriebsrates. Die Anlagen seien der Betriebsratsanhörung nicht beigefügt worden. Zu den ihr vorgeworfenen Differenzen im Monat Mai hat die Klägerin unter anderem darauf verwiesen, dass die im Team arbeitenden Rettungssanitäter nicht zeitgleich die Arbeit beenden und die erforderlichen Zusatzarbeiten häufig von ihr alleine erbracht worden seien. Im Übrigen seien die Angaben teilweise unrichtig. Am 09.05.2021 habe sie nicht wie aufgeführt mit Herrn D., sondern mit Frau S. zusammengearbeitet. Am 15.05.2021 sei die Differenz in der Arbeitszeit darauf zurückzuführen, dass die Teamkollegin J. wegen ihres erkrankten Kindes frühzeitig gegangen sei. Die von dem Beklagten für den 07.04.2021 behauptete Pause gemäß Einsatzleitbericht habe sie nicht nehmen können. Sie sei während dieser Zeit anderweitig im Einsatz gewesen. Hinsichtlich des 31.05.2021 habe sie versehentlich die Arbeitszeit um 20 Minuten falsch dokumentiert. Das ändere aber nichts daran, dass sie von 08:00 bis 0:31 Uhr durchgängig gearbeitet habe. Für das Versehen habe sie sich im Rahmen der Anhörung entschuldigt. Am 20.06.2021 habe sie sich mit ihrem Schichtkollegen A. - nicht wie von dem Beklagten behauptet Herrn T. - noch um 18:15 Uhr auf der Rückfahrt befunden. Sie bestreitet daher auch, dass der Kollege sich um 18:22 Uhr ausgestempelt habe. Im Nachgang habe sie noch den Einsatzbericht geschrieben und das Desinfektionsprotokoll um 18:51 Uhr gefertigt. Im Anschluss habe sie noch die Aufenthaltsräume gereinigt und den Müll herausgebracht. Außerdem sei nach ihrer Auffassung die Anhörung vom 25.06.2021 fehlerhaft dargestellt. Ihr seien keine schriftlichen Unterlagen vorgelegt worden. Der Bezug zu den Arbeitszeiten der Schichtkollegen sei nicht hergestellt worden, sondern lediglich drei Daten "in den Raum gestellt" und Erklärungen verlangt worden, warum sie dort länger gemacht habe. Der von ihr geforderte rechtliche Beistand sei verwehrt worden. Zudem hätte der Beklagte sie vor Ausspruch der Kündigung erneut zu den Verdachtsvorwürfen anhören müssen.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. 1.

    Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 04.04.2023 nicht mit Ablauf des 31.05.2023 aufgelöst ist.

  2. 2.

    Der Beklagte wird verurteilt, die Klägerin im Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag zu 1) zu den im Arbeitsvertrag vom 20.02.2018 geregelten Arbeitsbedingungen als Rettungssanitäterin bis zu einer rechtkräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiter zu beschäftigen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass angesichts der Differenzen in den Arbeitszeiten der Klägerin zu denen der Kollegen im Mai 2021 der Verdacht systematischen Arbeitszeitbetruges gerechtfertigt sei. Er habe daher weiter recherchiert und die nachfolgenden Pflichtverstöße festgestellt: Er behauptet, dass sich die Klägerin für den 07.04.2021 nachträglich eine nicht genommene Pause mit 45 Minuten zu Unrecht habe gutschreiben lassen. Sie habe an diesem Tag bereits eine Pause gehabt. Zudem habe die Klägerin in der Anhörung vom 25.06.2021 zugegeben, dass sie sich eine Pause unberechtigt habe gutschreiben lassen. Sie habe ausdrücklich gesagt: "Ja, die 1,5 Stunden habe ich zu Unrecht als Arbeitszeit gebucht". Für den 31.05.2021 sei eindeutig dokumentiert, dass die Klägerin 20 Minuten Arbeitszeit zu viel aufgeschrieben habe. Am 20.06.2021 habe die Klägerin ebenfalls zu viel Arbeitszeit dokumentiert. Obwohl sie ausweislich der Mail von Herrn T. (Anlage 6 zu B 1, Bl. 46 d.A.) bereits um kurz nach 18.00 Uhr von der Einsatzfahrt zurückgekehrt sei, habe sie erst um 19:52 Uhr ausgestempelt, ihr Kollege hingegen bereits um 18:22 Uhr. Der Einsatzwagen habe die Wache dann wieder verlassen, sodass Reinigungsarbeiten nicht anfallen konnten. Hieraus ergebe sich der Verdacht auf systematischen Arbeitszeitbetrug, aufgrund ihres Geständnisses für den 07.04.2021 sogar als Tatkündigung. Die Klägerin sei vor Ausspruch der Kündigung auch ordnungsgemäß angehört worden. Sie sei zu Beginn der Anhörung am 25.06.2021 darauf hingewiesen worden, dass der Verdacht systematischen Arbeitszeitbetruges bestehe und man ihr Gelegenheit geben wolle, diesen zu entkräften. Man habe der Klägerin hinsichtlich der einzelnen Tage und Vorwürfe jeweils die entsprechenden Unterlagen vorgelegt. Auch die Betriebsratsanhörung sei ordnungsgemäß erfolgt, insbesondere hätten der Anhörung die Anlagen beigelegen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 15.08.2023 stattgegeben. Für die Entscheidungsgründe wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG). Der Beklagte hat gegen das am 15.08.2023 zugestellte Urteil mit am 14.09.2023 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ging am 10.11.2023 ein, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 11.10.2023 mit Beschluss vom 11.10.2023 bis 14.11.2023 verlängert worden war.

Der Beklagte wendet sich gegen das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe seiner Berufungsbegründung. Er wiederholt und vertieft das erstinstanzliche Vorbringen und ergänzt die von ihm festgestellten Differenzen für den Monat Mai 2021 durch den Vortrag der Arbeitszeiten anderer Teams auf Krankentransportwagen(KTW-) Besatzungen aus dem Bereich Meppen im Mai 2021 und einem Team aus dem Bereich L. 2. Er verweist darauf, dass die zeitliche Differenz des Ausstempelns der Kollegen stets geringfügig sei. Für den genauen Inhalt der Aufstellung wird auf Seite 2 und 3 der Berufungsbegründung Bezug genommen. Des Weiteren stellt der Beklagte klar, dass die Klägerin am 9. Mai 2021 tatsächlich nicht mit Herrn D., sondern mit Frau S. zusammengearbeitet habe. Der Einsatz der Klägerin und Frau S. habe um 19:44 Uhr geendet. Im Anschluss hätten beide das Fahrzeug gereinigt und neu aufgerüstet, dieses bis maximal 20:13 Uhr. Dann hätte der Rettungswagen (RTW) die Wache mit Herrn D. um 20:13 Uhr verlassen. Dennoch habe die Klägerin erst um 21:28 Uhr ausgestempelt. Der Einwand der Klägerin, Frau J. sei am 15. Mai 2021 wegen der Erkrankung ihres Kindes früher gegangen, sei nicht zutreffend. Für den 7. April 2021 bleibt der Beklagte dabei, dass die Klägerin einen Arbeitszeitbetrug gestanden habe, indem sie erklärt habe, 1,5 Stunden zu Unrecht als Arbeitszeit gebucht zu haben. Auch für den 20. Juni 2021 bleibe es dabei, dass die Klägerin sich erheblich später als ihr Arbeitskollege ausgeloggt habe. Die von ihr behaupteten Folgearbeiten könnten in ca. fünf Minuten erledigt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei es dem Beklagten nicht verwehrt, sich auf die Kündigungsgründe zu berufen. Es sei ihr nicht zumutbar gewesen, das Verwaltungsverfahren auf Erteilung der Zustimmung bei der zuständigen Behörde durchzuführen.

Der Beklagte und Berufungskläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Lingen vom 15.08.2023 - 4 Ca 71/23 - abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil nach Maßgabe ihrer Berufungserwiderung und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie bleibt bei ihrer Auffassung, dass der Beklagte sein Kündigungsrecht für Gründe aus dem Jahre 2021 verwirkt habe. Außerdem verweist sie daraufhin, dass in dem Verfahren 4 Ca 132/21 vor dem Arbeitsgericht über den Stand des Arbeitszeitkontos per 31.08.2021 gestritten worden sei, welches die hier streitigen Arbeitszeiten für Mai und Juni 2021 beinhalte. Der Beklagte habe die hier streitigen Arbeitszeiten nicht in Frage gestellt, sondern vielmehr erklärt, dass das Arbeitszeitkonto der Klägerin am 31.08.2021 noch 193,81 Plusstunden aufwies. Die Klägerin bestreitet, die mit der Berufungsbegründung dargestellten Übersichten der Arbeitszeitdifferenzen zwei weiterer Teams und weist zudem daraufhin, dass diese weder alle Arbeitstage noch sämtliche Fahrzeuge enthielten. Es bleibe dabei, dass die von dem Beklagten behaupteten Differenzen für Mai 2021 zum Teil unrichtig ermittelt seien. Zum 9. Mai 2021 führt sie ergänzend aus, dass sie beim letzten Einsatz als Transportführerin eingesetzt gewesen sei und noch ein Protokoll zur Situation und Behandlung der Patienten habe fertigen und versenden müssen. Am 15.05.2021 habe sich die Kollegin J. nicht bei Herrn T., wie vom Beklagten behauptet, sondern beim Leitstellendisponenten S. abgemeldet. Die Klägerin habe die Folgearbeiten dann alleine ausgeführt. Im Mai 2021 seien mehrere Korrekturanträge genehmigt worden. Schließlich bleibt sie bei ihrer Auffassung, ihre Anhörung sei nicht ordnungsgemäß erfolgt und habe zudem vor Ausspruch der erneuten Kündigung wiederholt werden müssen. Auch die Betriebsratsanhörung sei nach ihrer Auffassung fehlerhaft.

Für das gesamte Vorbringen beider Parteien wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen (§ 313 Abs. 2 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 64, 66 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO zulässige und insbesondere statthafte Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Kündigung vom 04.04.2023 das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Dementsprechend hat die Klägerin auch Anspruch auf Weiterbeschäftigung.

I.

Die Kündigung ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht verwirkt oder treuwidrig, weil der Beklagte sich auf Kündigungsvorwürfe beruft, die rund zwei Jahre vor Ausspruch der Kündigung entstanden und bekannt geworden sind. Der Beklagte hatte sich nach Kenntniserlangung der Schwangerschaft der Klägerin im Zeitpunkt der Kündigung im Jahre 2021 ausdrücklich vorbehalten, auf die Kündigungsvorwürfe zurückzukommen. Der Umstand, dass der Beklagte die Zustimmung nach § 17 Abs. 2 MuSchGz und § 18 Abs. 1 S. 4 BEEG nicht eingeholt hat, führt nicht dazu, dass er sich auf die Kündigungsgründe nicht mehr berufen kann. Das Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung kann zwar verwirken, wenn er in Kenntnis eines Kündigungsgrundes längere Zeit untätig bleibt, das heißt, die Kündigung nicht ausspricht, obwohl ihm dies möglich und zumutbar wäre und er dadurch beim Arbeitnehmer das berechtigte Vertrauen erweckt, die Kündigung werde unterbleiben und wenn der Arbeitnehmer sich deshalb auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einrichtet (BAG 15.08.2002 - 2 AZR 514/01 - Rn. 27). Hier fehlt es schon an dem sogenannten Umstandsmoment, weil der Beklagte ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass er auf die Kündigungsvorwürfe zurückkommt. Auch aus dem Umstand, dass der Beklagte keine Zustimmung zur Kündigung eingeholt hat, folgt nichts Anderes. Ein längeres Zuwarten trotz Kenntnis der Kündigungsgründe kann zwar zu der Annahme führen, die Vorwürfe bedingen die Kündigung nicht mehr. Wann dies der Fall ist, hängt wiederum von den Umständen des Einzelfalles ab (vgl. auch BAG vom 31.01.2019 - 2 AZR 426/18 - Rn. 31). Das längere Zuwarten ist vorliegend bedingt durch das Erfordernis der Zustimmung der zuständigen Behörden. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, das Zustimmungsverfahren bei den zuständigen Behörden einzuleiten. Er verliert lediglich das Recht auf Ausspruch einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, nicht aber der ordentlichen Kündigung.

II.

Es fehlt allerdings an einem hinreichenden Kündigungsgrund im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG. Hiernach kann ein Arbeitsverhältnis aus Gründen, die durch das Verhalten eines Arbeitnehmers bedingt sind, sozial gerechtfertigt sein.

1.

Dabei kommt nicht nur die erwiesene Vertragsverletzung, sondern auch schon der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung als verhaltensbedingter Kündigungsgrund in Betracht. Eine Verdachtskündigung liegt aber nur dann vor, wenn und soweit der Arbeitgeber seine Kündigung damit begründet, gerade der Verdacht eines (nicht erwiesenen) vertragswidrigen Verhaltens habe das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zerstört. Ein solcher Verdacht stellt gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Tat begangen, einen eigenständigen Kündigungsgrund dar (BAG vom 24.05.2012 - 2 AZR 206/11 -). Eine Verdachtskündigung kann gerechtfertigt sein, wenn sich starke Verdachtsmomente auf objektive Tatsachen gründen und die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören (BAG vom 24.05.2012 a. a. O). Der Verdacht muss auf konkrete - vom Kündigenden gegebenenfalls zu beweisende Tatsache gestützt sein. Er muss ferner dringend sein. Es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass der dahinterstehende Vorwurf zutrifft (BAG vom 24.05.2012 a. a. O. und BAG 25.11.2010 - 2 AZR 801/09, BAG vom 12.05.2010 - 2 AZR 587/08).

2.

Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber nur schwer zu kontrollierende Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen verhaltensbedingten Grund zur außerordentlichen wie auch ordentlichen Kündigung darzustellen. Das gilt für den vorsätzlichen Missbrauch von Stempeluhren ebenso wie für das wissentliche und vorsätzlich falsche Ausfüllen entsprechender Formulare. Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung an, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit seiner Arbeitnehmer vertrauen können. Überträgt er den Nachweis der geleisteten Arbeitszeit den Arbeitnehmern selbst und füllt ein Arbeitnehmer die dafür zur Verfügung gestellten Formulare wissentlich und vorsätzlich falsch aus, so stellt dies in der Regel einen schweren Vertrauensmissbrauch dar. Der Arbeitnehmer verletzt damit in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB gegenüber dem Arbeitgeber (BAG vom 13.12.2018 - 2 AZR 370/18 - Rn. 17 und BAG vom 09.06.2011 - 2 AZR 381/10). Das bloß fahrlässig falsche Ausfüllen eines Formulars genügt hingegen ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht.

3.

Liegt ein Pflichtenverstoß seitens des Arbeitnehmers vor, ist stets im Rahmen der gebotenen Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme zu prüfen, ob es ein "schonenderes" Gestaltungsmittel - etwa Abmahnung, Versetzung, im Falle einer außerordentlichen Kündigung eine ordentliche Kündigung - gibt, das ebenfalls geeignet ist, die mit einer Kündigung verfolgten Zwecke zu erreichen (BAG vom 13.12.2018 aaO. Rn. 29, BAG vom 23.08.2018 - 2 AZR 235/18 Rn. 40 und vom 29.06.2017 - 2 AZR 302/16 Rn. 27). Der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers ist im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere hinsichtlich einer möglichen Wiederholungsgefahr von Bedeutung. Je höher der Verschuldungsgrad ist, desto größer ist die Wiederholungsgefahr. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn bereits von vornherein erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten ist oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich - auch für den Arbeitnehmer erkennbar - ausgeschlossen ist (BAG vom 13.12.2018 aaO. Rn. 30 und BAG vom 29.06.2017 aaO. Rn. 28).

4.

Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 4 KSchG ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen des Kündigungsgrundes. Der Arbeitgeber hat auch diejenigen Tatsachen zu widerlegen, die einen vom gekündigten Arbeitnehmer behaupteten Rechtfertigungsgrund betreffen und diese entlastenden Umstände auszuschließen (BAG vom 16.12.2021 - 2 AZR 356/21, Rn. 31 und BAG vom 08.05.2014 - 2 AZR 75/13 Rn. 30). Dabei gilt grundsätzlich eine abgestufte Darlegung- und Beweislast, wenn Umstände für die Kündigung relevant sind, die der Arbeitgeber nicht kennen kann, weil sie nicht in seiner Sphäre entstanden sind. Dazu gehören insbesondere Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe seitens des Arbeitnehmers, die dieser einwendet, um die ihm gegenüber erhobenen Vorwürfe zu entkräften. In diesen Fällen hat sich der Arbeitnehmer substantiiert zu den ihn aus seiner Sicht entlastenden Umständen äußern. Es ist dann wiederum Aufgabe des Arbeitgebers, diese konkret zu bestreiten und gegebenenfalls Beweis dafür anzubieten, dass die Entlastungsgründe nicht vorliegen.

5.

Gemessen an diesen Grundsätzen hat der Beklagte weder den Verdacht eines systematischen Arbeitszeitbetruges, noch die Tat eines solchen hinreichend dargelegt.

a.

Aus der nachträglichen Gutschrift für eine Pause von 45 Minuten als Arbeitszeit für den 07.04.2021 folgt kein Arbeitszeitbetrug und zwar weder als Tat- noch Verdachtsvorwurf. Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, dass die Klägerin eine Pause von 45 Minuten nachgebucht habe, obwohl bereits zwischen 11:04 und 11:56 Uhr eine mit 52 Minuten eingeplante Pause gemäß Einsatzleitbericht genommen worden sei. Er hat sich hierzu auf die Einsatzplanung durch den Landkreis bezogen. Ausweislich des Arbeitszeitjournals hatte die Klägerin am 07.04.2021 Dienst von 7:00 bis 18:32 Uhr. Mit Antrag vom 12.05.2021 hat sie die Gutschrift einer Pause beantragt. Auf dem Antrag ist - von einer anderen Person als der Klägerin - handschriftlich vermerkt "45 Minuten". Der Antrag wurde genehmigt. Für den Inhalt des Korrekturantrages wird auf Blatt 42 der Akte; für den Inhalt des Arbeitszeitjournals auf Blatt 98 der Akte Bezug genommen.

Dass die Klägerin bereits eine andere Pause hatte und ihr die weitere Pause nicht zustand, hat der Beklagte nicht ausreichend vorgetragen. Unwidersprochen hat die Klägerin hierzu vorgetragen, dass sie zu der vom Beklagten behaupteten vorgeplanten Pausenzeit eine Einsatzfahrt vom St. B. H. in L. zum Altenheim in B. und anschließend aufgrund Alarmdepesche um 12:30 Uhr von dort nach S. hatte. Der Beklagte hat nicht widerlegt, dass die von der Klägerin vorgetragenen Einsätze während der von ihr behaupteten Pausenzeit tatsächlich nicht stattgefunden haben. Der Beklagte ist insoweit seiner Darlegungslast nicht nachgekommen. Er hat auch nicht auf den Hinweis der Klägerin erwidert, wonach in der Regel die Einsatzplanung eine Pause von 30 Minuten vorsehe, weil nicht von vornherein absehbar sei, ob eine 30 oder 45-minütige Pause anfalle. Das sei entsprechend der Pausenregelung der Beklagten von der Dauer ihres Einsatzes abhängig. Insofern ist der Beklagte auch die Erläuterung schuldig geblieben, weshalb von vornherein absehbar war, dass eine längere Pause von 52 Minuten anfällt. Beginn und Ende der Arbeitszeit sind von der Beklagten nicht infrage gestellt worden. Der Korrekturantrag hinsichtlich der Gutschrift einer Pause ist von der Beklagten geprüft und genehmigt worden. Insofern ist der von ihr erhobene Vorwurf nicht plausibel.

Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt aus dem von ihr behaupteten Geständnis der Klägerin in der mündlichen Anhörung vom 25.06.2021 nicht, dass der Vorwurf eines Arbeitszeitbetruges bestätigt wurde und daher sogar eine Tatkündigung trägt. Der Beklagte hat ihrem Vorwurf zugrunde gelegt, dass die Klägerin in der Anhörung ausgeführt haben soll, sie habe sich eine 1,5 stündige Pause gutgeschrieben, weil ihr diese Zeit im März nicht erfasst worden sei. Für 1,5 Stunden seien lediglich die Zuschläge abgerechnet worden, aber nicht die vollständige Arbeitszeit. Selbst wenn diese Äußerungen seitens der Klägerin getätigt worden wären, würden sie keinen Rückschluss auf einen tatsächlich begangenen Arbeitszeitbetrug zu lassen. Erforderlich ist, dass ein eventuelles Eingeständnis der Klägerin sich an anhand der erfassten Arbeitszeiten nachvollziehen lässt. Das ist angesichts der ausgewiesenen Arbeitszeiten für den 07.04.2021 und des genehmigten Korrekturantrags nicht der Fall.

b.

Die Klägerin hat für den 31.05.2021 die Arbeitszeit für 20 Minuten falsch dokumentiert. Die Klägerin hat für die Tätigkeit im Impfzentrum eine Arbeitszeit von 7:00 Uhr bis 16:00 Uhr eingetragen. Zudem hat sie eingetragen, dass sie ab 15:40 Uhr in der regulären Schicht des Rettungsdienstes tätig gewesen zu sein. Das stellt grundsätzliche eine Pflichtverletzung dar. Allerdings hat die Klägerin unstreitig seit 7:00 Uhr im Impfzentrum und im Anschluss im Rettungsdienst bis 0:31 Uhr tatsächlich gearbeitet. Anhaltspunkte für ein vorsätzliches oder systematisches Vorgehen für diesen fehlerhaften Eintrag liegen nicht vor. Ein Versehen ist hier durchaus nachvollziehbar, da es sich um zwei unterschiedliche Arbeitsplätze handelt. Die Klägerin hat den Fehler auch eingeräumt und zwar nach ihrem Vortrag bereits in der Anhörung. Einmaliges fahrlässiges Verhalten genügt nicht für die Rechtfertigung einer ordentlichen Kündigung. Mangels Vorliegen erschwerender Umstände wäre es ausreichend, diese Pflichtverletzung der Klägerin abzumahnen. Erst im Wiederholungsfalle kann sich eine negative Prognose für die zukünftige Entwicklung des Arbeitsverhältnisses ergeben, die eine Kündigung rechtfertigen kann.

c.

Auch aus dem Vorbringen der Beklagten zum 20.06.2021 folgt weder der Verdacht noch die Tat eines Arbeitszeitbetrugs, der eine ordentliche Kündigung rechtfertigt kann. Es ist schon nicht eindeutig vorgetragen, zu welcher Zeit der Einsatz der Klägerin endete und das Fahrzeug von dem Folgeteam übernommen wurde. Der Beklagte hat vorgetragen, dass der Kollege A. sich um 18:22 Uhr, die Klägerin hingegen erst um 19:57 Uhr aus geloggt habe. Die Klägerin hat die Stempelzeit des Kollegen bestritten. Ein Arbeitszeitjournal des Kollegen A. hierüber liegt nicht vor. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob die Betriebsratsanhörung deswegen fehlerhaft ist, weil dort anstelle des Kollegen A. der Vorgesetzte T. angegeben ist und es sich hierbei um eine Fehlinformation des Betriebsrates oder ein unbeachtliches Versehen handeln könnte. Der Beklagte hatte zunächst vorgetragen, dass der Einsatz der Klägerin kurz nach 18:00 Uhr endete, der Kollege sich um 18:22 ausgeloggt habe und der Krankentransportwagen seitens des Folgeteams übernommen worden sei. Mit Schriftsatz vom 16.01.2024 wurde vorgetragen, die Übernahme des KTW sei um 17:59 Uhr erfolgt. Unabhängig von diesen - zugegebenermaßen geringen zeitlichen - Unklarheiten im Sachvortrag hat die Klägerin unstreitig unter der Uhrzeit 18:51 Uhr ein Desinfektionsprotokoll erstellt. Darüber hinaus hat die Klägerin ein Foto mit der Uhrzeit 18.15 aus dem Fahrzeug vorgelegt, das sie für die Anfertigung des Berichts benötige. Die Beklagte hat sich dazu nicht eingelassen, sondern pauschal erwidert, das Schreiben eines Berichts dauere keine 5 Minuten. Die Klägerin verweist auf das Schreiben des Berichts und allgemeine Aufräumarbeiten. Der allgemeine Hinweis des Beklagten, dass die Folgearbeiten allenfalls 5 Minuten in Anspruch nehmen würden, genügt ohne Darlegung der konkreten Aufgaben und der dafür vorgesehenen Zeiten nicht. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte das Anfallen von Folgearbeiten in entsprechendem Umfang negiert, obwohl ein Desinfektionsprotokoll mit der Uhrzeit 18:51 Uhr vorliegt. Unstreitig gibt es die Dienstanweisung "Fahren mit Dienstfahrzeugen" und über das Aufräumen der Wache. Zeitliche Vorgaben für die übliche Dauer liegen nicht vor. Der Beklagte hat des Weiteren ausgeführt, die Klägerin habe sich in der Anhörung damit entschuldigt, dass ihr noch eine weitere Pause zugestanden hätte. Selbst wenn sie diese Äußerung getätigt hätte, besagt das nichts über vorsätzlichen Arbeitszeitbetrug. Die Klägerin hat unwidersprochen mehrfach Korrekturanträge hinsichtlich der Arbeitszeit gestellt, die genehmigt wurden. Das ist auch so vorgesehen, da die Mitarbeitenden naturgemäß im Rahmen von Einsätzen keine Pausen nehmen können. Angesichts der Gesamtumstände kann jedenfalls nicht auf einen vorsätzlichen und systematischen Arbeitszeitbetrug geschlossen werden. Soweit die Klägerin gegebenenfalls im Anschluss an den Einsatz gebummelt haben sollte, hätte dies ein anderes Gewicht hinsichtlich der Pflichtverletzung als der Vorwurf eines Arbeitszeitbetruges. Auch hier wäre das mildere Mittel einer Abmahnung ausreichend.

d.

Die Differenzen der Arbeitszeiten zu denen der anderen Teams im Mai 2021 lassen ebenfalls nicht auf den dringenden Verdacht einer schweren Pflichtverletzung in Form eines systematischen Arbeitszeitbetruges schließen. Es handelt sich hierbei um 15 einzelne Arbeitstage, die auch Gegenstand der Betriebsratsanhörung waren. Der Beklagte hat nicht bestritten, dass die Klägerin die Folgearbeiten in der Regel allein vorgenommen hat. Insofern sind die längeren Arbeitszeiten der Klägerin gegenüber dem jeweiligen Teamkollegen, dem der Teamkollegen zunächst plausibel. Da der Beklagte nichts dazu vorgetragen, ob die anderen Teams die Folgearbeiten gemeinsam oder auch jeweils einzeln erledigen, sind die Zeiten nicht vergleichbar. Zudem gibt es keine Richtzeiten für die Dauer der Folgearbeiten. Auch die im Berufungsverfahren dargestellten Arbeitszeiten anderer Teams für 2 KTW, mit den angegebenen Abweichungen von nur wenigen Minuten sind nicht aussagekräftig. Die Klägerin weist zurecht darauf hin, dass sich die Abweichungen nur auf 2 KTWs beziehen, es aber allein in der Wache B. 7 Rettungswagen gebe und auch nicht alle Arbeitstage erfasst seien. Die Abweichungen sind also nicht notwendig repräsentativ. Darüber hinaus folgt aus der Aufstellung der Arbeitszeiten anderer Teams nicht, ob diese die erforderlichen Folgearbeiten gemeinsam oder auch in Absprache untereinander jeweils allein getätigt haben. Schließlich sind bereits die der Klägerin vorgehaltenen Differenzen für Mai 2021 nicht unstreitig:

aa.

Hinsichtlich der vorgetragenen Abweichung für den 09.05.2021 hatte die Klägerin zunächst darauf hingewiesen, dass die Aufstellung falsch sei, weil sie nicht mit Herrn D., sondern mit Frau S. zusammengearbeitet habe. Der Beklagte hat mit der Berufung eingeräumt, dass der Einsatz gemeinsam mit Frau S. erfolgt sei. Herr D. habe aber um 20:13 Uhr den Rettungswagen, den Frau S. und die Klägerin im Einsatz hatten, übernommen. Nachdem die Klägerin dies bestritten hatte, hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 16.02.2024 vorgetragen, Frau S. habe Herrn D. abgelöst. Der Vortrag ist bereits widersprüchlich. Unstreitig endete der Einsatz der Klägerin mit Frau S. um 19:44 Uhr. Das Mitarbeiterjournal wies eine Arbeitszeit der Klägerin bis 20:43 Uhr aus. Der Vorwurf der Beklagten, die Klägerin habe erst um 21:28 Uhr ausgestempelt, entspricht wiederum nicht den Arbeitszeitangaben auf dem Mitarbeiterjournal. Danach hat die Klägerin um 20:43 Uhr ausgestempelt. In Folge der Gutschrift einer 45-minütigen Pause wurde die Arbeitszeit auf 21:28 Uhr korrigiert. Auch hierauf ist der Beklagte nicht weiter eingegangen. Es bleibt zwar ein Zeitraum von einer Stunde zwischen Einsatzende und Ausstempeln der Klägerin. Aus dem Umstand, dass Frau S. um 20:13 Uhr den Rettungswagen übernommen haben soll, kann man aber schließen, dass Frau S. zumindest auch eine halbe Stunde nach Abschluss des Einsatzes auf der Wache war. Dem Vorbringen des Beklagten, der Lebensgefährte der Klägerin sei auch bis um 21:28 Uhr dort gewesen, ist die Klägerin mit dem Vorbringen entgegengetreten, dieser habe sich ab 20:30 Uhr in einem Einsatz befunden. Auch dem ist der Beklagte nicht entgegengetreten und damit ihrer Darlegung und Beweislast nicht nachgekommen. Ein systematischer und vorsätzlicher Arbeitszeitbetrug ist nicht zu erkennen

bb.

Ähnliches gilt für den 15.05.2021. Auch hier ist der Beklagte seiner Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen, weil er auf die Einlassung der Klägerin nicht erwidert hat. Die Klägerin hat die 57 Minuten Differenz im Verhältnis zu ihrer Teamkollegin J. damit erläutert, dass Frau J. wegen ihres kranken Kindes früher nach Hause gegangen sei und sich bei Herrn S. und nicht wie von der Beklagten behauptet, bei Herrn T. abgemeldet habe. Der Beklagte hat dies weder bestritten noch sich auf Herrn S. als Zeuge zum Beweis dafür berufen, dass der Vortrag der Klägerin falsch sei. Die Klägerin hat um 23:34 Uhr aus gestempelt. Wann genau Frau J. ausgestempelt hat, ist ebenfalls nicht vorgetragen. Darüber hinaus hat die Klägerin behauptet, für den 15.05.2021 einen Korrekturantrag gestellt zu haben, der auch genehmigt wurde. Das wurde von dem Beklagten nicht bestritten. Die Beklagte verweist auch hier nur pauschal darauf, dass die Folgearbeiten lediglich 5 Minuten dauern würden, ohne auf die jeweilige Einsatzart einzugehen oder die nach ihrer Auffassung übliche Dauer zu erläutern.

e.

Auch aus der Gesamtschau des Sachverhalts folgt keine andere Bewertung. Die Klägerin hat in einem Fall die Arbeitszeit nachweislich dokumentiert (31.05.2021). Darüber hinaus ist die Beklagte überwiegend ihrer Darlegung und Beweislast nicht nachgekommen. Er hat die Einwände der Klägerin insbesondere hinsichtlich des 07.04, 09.05., 15.05. und 20.06.2021 nicht widerlegt und ist seiner Darlegungslast nicht nachgekommen. Ein vorsätzlicher systematischer Arbeitszeitbetrug, der eine Kündigung rechtfertigen könnte, kann nicht festgestellt werden. Soweit die aufgeführten Differenzen im Mai 2021 unerklärt bleiben, ist dem Beklagten anzulasten, dass er keine genauen Vorgaben und Erläuterungen zu den erforderlichen Tätigkeiten vorgetragen hat. Die Vergleichszeiten anderer Teams sind wie ausgeführt nicht aussagekräftig und unvollständig. Unwidersprochen gab es zahlreiche Korrekturanträge seitens der Klägerin, die vom Beklagten genehmigt wurden. Die Gesamtumstände lassen auf vorsätzliches und systematisches Handeln nicht schließen.

6.

Es kann dahinstehen, ob die Anhörung zu den von dem Beklagten vorgetragenen Verdachtsmomenten am 25.06.2021 ordnungsgemäß war und ob eine erneute Anhörung nach Rücknahme der ursprünglichen Kündigung und vor Ausspruch der hier streitgegenständlichen Kündigung erforderlich war.

Bei der Verdachtskündigung muss der Arbeitgeber alles Zumutbare zur Aufklärung des Sachverhalts getan haben, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellung gegeben haben (BAG vom 25.04.2018 - 2 AZR 611/17 - Rn. 31). Der Arbeitnehmer muss erkennen können, zur Aufklärung welchen Sachverhalts ihm Gelegenheit gegeben werden soll. Er muss die Gelegenheit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen gegebenenfalls zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Erhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Die Klägerin hat bestritten, dass ihr konkret mitgeteilt worden sei, um welche Arbeitszeitdifferenzen es gehe. Darüber hinaus sei ihr die Aufstellung der Differenzen für Mai 2021 nicht vorgelegt worden. Zudem hat sie behauptet, dass der von ihr beantragt Rechtsbeistand verwehrt worden sei. Hierauf hätte sie im Rahmen einer Anhörung vor einer Verdachtskündigung im Regelfall Anspruch (BAG vom 13.03.2008 - 2 AZR 961/06 - Rn. 18). Gemäß obigen Ausführungen kam es auf diese Fragen aber nicht mehr an.

III.

Die Kosten des Berufungsverfahrens waren dem Beklagten gemäß § 97 Abs. 1 ZPO aufzuerlegen.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.