Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 14.02.2024, Az.: 2 Sa 374/23

Ausübung des Zurückbehaltungsrechts des Arbeitnehmers aufgrund einer ihm zustehenden Gegenforderung

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
14.02.2024
Aktenzeichen
2 Sa 374/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 16070
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2024:0214.2Sa374.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Emden - 12.04.2023 - AZ: 1 Ca 164/22

Fundstelle

  • AA 2024, 144

Amtlicher Leitsatz

Der Arbeitnehmer muss vor der Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht aufgrund einer ganz bestimmten, konkreten Gegenforderung ausüben. Sofern der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber zunächst mitteilt, er werde ab einem bestimmten Datum sein Zurückbehaltungsrecht ausüben und er sodann an diesem und an weiteren Tagen arbeitsunfähig ist, ist das bloße Nichterscheinen im Betrieb nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit keine wirksame Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung das Urteil des Arbeitsgerichtes Emden vom 12. April 2023 - 1 Ca 164/22 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat April 2022 einen Betrag in Höhe von 1.690,78 EUR brutto zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreites tragen der Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 20 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird bis zum 22. Juni 2023 auf 8.008,98 EUR und ab dem 23. Juni 2023 auf 5.910,57 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche des Klägers.

Der am 24. Februar 2002 geborene Kläger wurde mit Arbeitsvertrag vom 8. Juli 2020 mit Wirkung ab dem 11. Juli 2020 als Pflegeassistent in dem auf A-Stadt gelegenen Pflegeheim der Beklagten eingestellt (Bl. 4 ff. d. A.).

Mit Schreiben vom 8. April 2022 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2022 und bat darum, seine Urlaubstage und Überstunden anzurechnen und nicht auszubezahlen. Der Kläger erbrachte bis zum 19. April 2022 seine Arbeitsleistung.

Für den Zeitraum vom 20. April 2022 bis zum 13. Mai 2022 legte er insgesamt drei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor, und zwar für die Zeiträume vom 20. bis 22. April 2022 (Erstbescheinigung), vom 22. bis 29. April 2022 (Folgebescheinigung) und vom 29. April 2022 bis 13. Mai 2022 (Folgebescheinigung). Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wurden von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Michael Vit ausgestellt.

Mit Anwaltsschreiben vom 29. April 2022, am gleichen Tage per Fax zugegangen, teilte der Kläger der Beklagten u. a. mit (Bl. 74 d. A.):

"...

Wir fordern Sie auf, das Aprilgehalt bzw. einen Abschlag in Höhe von mindestens 1.000,00 € bis zum 03.05.2022 12.00 Uhr auf das Ihnen bekannte Konto unseres Mandanten zur Auszahlung zu bringen.

Wir weisen Sie darauf hin, dass im Falle des Nichtzahlens unser Mandant am Mittwoch, den 03.05.2022 von seinem Zurückbehaltungsrecht der Arbeitsleistung Gebrauch machen wird.

..."

Ab dem 14. Mai 2022 nahm der Kläger seine Tätigkeit bei der Beklagten nicht wieder auf. Er zeigte der Beklagten weder die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit ab dem 14. Mai 2022 an noch bot er die Arbeitskraft an. Die Beklagte zahlte für die Monate April, Mai und Juni 2022 weder die volle noch eine anteilige Vergütung.

Mit seiner am 11. Mai 2022 beim Arbeitsgericht Emden eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Vergütung für den Monat April 2022 und mit der am 14. September 2022 beim Arbeitsgericht Emden eingegangenen Klageerweiterung begehrt er die Vergütung für die Monate Mai und Juni 2022.

Wegen des unstreitigen Sachverhaltes, der streitigen erstinstanzlichen Behauptungen, der konträren Rechtsauffassungen, der geltend gemachten Ansprüche sowie des gesamten erstinstanzlichen Sachverhaltes im Übrigen wird auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, Seite 2 bis 3 desselben, Blatt 109 bis 110 d. A. Bezug genommen.

Mit Urteil vom 12. April 2023 hat das Arbeitsgericht Emden der Klage teilweise stattgegeben. Der Kläger habe in dem Zeitraum vom 1. bis zum 19. April 2022 seine Arbeitsleistung erbracht. Ihm stehe insoweit ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.690,78 € brutto zu.

Für den Zeitraum vom 14. bis zum 31. Mai 2022 stehe dem Kläger ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.550,13 € brutto (2.669,66 €/31 Kalendertage x 18 Kalendertage) und für den Monat Juni 2022 ein Anspruch in Höhe der Bruttomonatsvergütung von 2.690,66 € zu. Zwar habe der Kläger während dieses Zeitraums keine Arbeitsleistung erbracht. Er habe seine Arbeitsleistung aber berechtigterweise gemäß § 273 Abs. 1 BGB zurückgehalten. Der Kläger habe mit Ablauf des 30. April 2022 gegenüber der Beklagten einen zur Zahlung fälligen Anspruch auf Vergütung seiner während des Zeitraums vom 1. bis zum 19. April 2022 erbrachten Arbeitsleistung in Höhe von 1.690,78 € brutto gehabt. Wegen eines Teils dieses Vergütungsanspruchs habe er gegenüber der Beklagten die Zurückhaltung seiner Arbeitsleistung mit Schreiben vom 29. April 2022 geltend gemacht. Zwar sei die schriftliche Unterrichtung noch vor Fälligkeit der Aprilvergütung erfolgt. Die tatsächliche Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes sei in zeitlicher Hinsicht erst nach Fälligkeit erfolgt, nämlich durch das tatsächliche Unterbleiben der Arbeitstätigkeit ab dem 14. Mai 2022. Die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts sei klar und eindeutig genug erfolgt. Die Gegenforderung sei mit dem im Anwaltsschreiben bezifferten Betrag von 1.000,00 € beziffert worden. Mit der ab dem 14. Mai 2022 zurückgehaltenen Arbeitsleistung habe der Kläger nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Dabei sei entscheidend, dass die Beklagte dem Kläger für den gesamten Monat April 2022 keine Vergütung gezahlt habe, obwohl nach der Bestimmung des Gesetzgebers in § 394 BGB i. V. m. § 850 c ZPO auch dann zumindest der unpfändbare Teil des Nettolohnes auszuzahlen sei, wenn dem Arbeitgeber eine fällige Gegenforderung zustehe. Gegen den mit 1.000,00 € bezifferten "Abschlag" auf das Gehalt für den Monat April 2022, den der Kläger zur Abwendung des Zurückbehaltungsrechtes geltend gemacht habe, hätte die Beklagte schon nicht aufrechnen können. Ein monatlicher Nettolohn von bis zu 1.339,99 € sei auch bei fehlenden Unterhaltsverpflichtungen unpfändbar. Hinzu komme, dass die Beklagte sich keiner irgendwie gearteter konkreter Gegenansprüche, mit denen sie hätte aufrechnen können, berühmt habe. Auch habe sich die Beklagte nicht lediglich in - kurzfristigen - Zahlungsschwierigkeiten befunden, weswegen sich die Zahlung nur verzögert habe. Die Beklagte habe es vielmehr abgelehnt, dem Kläger für die seinerseits erbrachte Arbeitsleistung das vertraglich vereinbarte Gehalt zu zahlen.

Der Vergütungsanspruch sei auch nicht verfallen. Die in § 16 des Arbeitsvertrages geregelte Ausschlussfrist sei rechtsunwirksam. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 des Arbeitsvertrages verfallen aller beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei in Textform geltend gemacht würden. Nach § 16 Abs. 3 Satz 1 des Arbeitsvertrages seien Ansprüche auf Zahlung des Mindestlohnes nach dem Mindestlohngesetz nicht von dieser Ausschlussklausel erfasst. Nach § 16 Abs. 3 Satz 2 des Arbeitsvertrages gelte für Ansprüche auf das Mindestentgelt nach der Zweiten Pflegearbeitsbedingungenverordnung abweichend, dass diese verfielen, wenn sie nicht innerhalb von 12 Monaten nach ihrer Fälligkeit in Textform geltend gemacht würden.

Die erste Stufe der Verfallklausel sei wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Verfallklausel stelle die Rechtslage nicht nur missverständlich, sondern sogar unzutreffend dar. Sie ermögliche der Beklagten als Verwenderin, begründete Ansprüche unter Hinweis auf die in der Klausel getroffene Regelung abzuwehren. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 8. Juli 2020 sei die im Arbeitsvertrag zitierte Zweite Pflegearbeitsbedingungenverordnung gar nicht mehr in Kraft gewesen. Ab dem 1. Mai 2022 habe die Fünfte Pflegearbeitsbedingungenverordnung gegolten.

Die einzelvertragliche Verfallklausel ermögliche der Beklagten gegenüber einem restlichen Vergütungsanspruch in Höhe von 523,43 € mangels Wahrung der einzelvertraglichen Dreimonatsfrist den Verfall einzuwenden, obwohl nur ein anteiliger Betrag in Höhe von 286,87 € brutto innerhalb von drei Monaten und der restliche Betrag von 236,55 € brutto (523,42 € abzüglich 286,87 €) innerhalb der noch laufenden Zwölfmonatsfrist geltend gemacht werden könne. Rechtsfolge dieser unangemessenen Benachteiligung sei die Rechtsunwirksamkeit der gesamten ersten Stufe der arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist. Wegen der Einzelheiten der rechtlichen Würdigung wird auf die Entscheidungsgründe Seite 4 bis 13 derselben, Bl. 191 bis 200 d. A. Bezug genommen.

Das Urteil ist dem Kläger und der Beklagten jeweils am 2. Mai 2023 zugestellt worden. Hiergegen hat der Kläger mit einem am 25. Mai 2023 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese am 23. Juni 2023 zurückgenommen.

Die Beklagte hat mit einem am 31. Mai 2023 beim Landesarbeitsgericht Niedersachsen eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 31. Juli 2023 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf ihren Antrag vom 26. Juni 2023 durch Beschluss vom gleichen Tag die Berufungsbegründungsfrist bis zum 31. Juli 2023 verlängert worden war.

Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Ziel der Klagabweisung weiter. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen. Der Kläger habe sein Zurückbehaltungsrecht nicht wirksam ausgeübt. Das Arbeitsgericht habe übersehen, dass die Prozessbevollmächtige des Klägers in ihrem Schreiben vom 29. April 2022 ausdrücklich formuliert habe, dass der Kläger am 3. Mai 2022 von seinem Zurückbehaltungsrecht im Falle der Nichtzahlung Gebrauch machen werde. Dies bedeute, dass der Kläger ein Zurückbehaltungsrecht mit anwaltlichem Schreiben vom 29. April 2022 tatsächlich noch nicht ausgeübt, sondern lediglich in Aussicht gestellt bzw. angekündigt habe. Ferner habe er das Zurückbehaltungsrecht mit anwaltlichem Schreiben vom 29. April 2022 bereits vor Fälligkeit des Vergütungsanspruches angekündigt. Darauf, dass der Kläger die Arbeitsleistung im Folgenden erst nach erfolgter Genesung zurückbehalten habe, komme es nicht an. Maßgebend sei allein die Tatsache, dass der Kläger das Zurückbehaltungsrecht vor Fälligkeit nicht wirksam habe ausüben können. Nach dem 29. April 2022 habe der Kläger das Zurückbehaltungsrecht nicht ausgeübt. Er sei nach Wiederherstellung der Arbeitsunfähigkeit ohne Begründung nicht zur Arbeit erschienen. Auch die Auffassung des Arbeitsgerichts, dass ein Rückstand von 1,5 Monatsgehältern jedenfalls ausreichend sei, sei unzutreffend. Ungeachtet der Tatsache, dass vorliegend von einem nur geringfügigen Zahlungsrückstand auszugehen sei, werde allgemein ein Rückstand mit zwei vollen Monatsgehältern als ausreichend angesehen. Ferner sei am 29. April 2022 allenfalls eine kurzfristige Verzögerung der Zahlung des Aprilgehaltes zu erwarten gewesen. Die Tatsache, dass der Kläger das Zurückbehaltungsrecht mit anwaltlichem Schreiben vom 29. April 2022 gemeinsam mit seinen Arbeitskolleginnen Frau S. und Frau P. ausgeübt bzw. angekündigt habe, sei als Streik zu bewerten.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichtes sei die Verfallklausel im Arbeitsvertrag rechtswirksam. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sich die maßgebliche Ausschlussfrist nach den Pflegearbeitsbedingungenverordnungen nicht verändert habe. In allen Pflegearbeitsbedingungenverordnungen sei gleichbleibend eine zwölfmonatige Ausschlussfrist normiert. Die arbeitsvertragliche Verfallklausel sei von einem durchschnittlichen Arbeitnehmer regelmäßig dahin zu verstehen, dass nicht die Zweite Pflegearbeitsbedingungenverordnung, sondern die jeweils gültige Pflegearbeitsbedingungenverordnung gemeint sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichtes Emden vom 12. April 2023 - 1 Ca 165/22 - abzuändern, soweit die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger für den Monat April 2022 einen Betrag in Höhe von 1.690,78 € brutto, für den Monat Mai 2022 einen Betrag in Höhe von 1.550,13 € brutto und für den Monat Juni 2022 einen Betrag in Höhe von 2.669,66 € brutto zu zahlen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung, soweit seiner Klage stattgegeben worden ist, als zutreffend nach Maßgabe seiner Berufungserwiderung vom 31. August 2023 (Bl. 231 ff. d. A.). Er behauptet, der Beklagten sei es einzig und allein um eine Maßregelung seiner Person gegangen. Die Beklagte habe bereits beim Einreichen der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung am 20. April 2022 mitteilen lassen, dass das gesamte Gehalt für den Monat April 2022 nicht gezahlt werde, wenn er nicht unverzüglich wieder zur Arbeit komme. Am 29. April 2022 habe er die Beklagte zur Zahlung eines Vorschusses von 1.000,00 € bis zum 3. Mai 2022 aufgefordert, sonst werde er ab dem 4. Mai 2022, also nach Fälligkeit des Gehaltes, von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen. Es handele sich hierbei um die Ankündigung des Zurückbehaltungsrechtes, die tatsächliche Geltendmachung sei erst am 5. Mai 2022 mit dem tatsächlichen Nichterscheinen zur Arbeit erfolgt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst den zu Akten gereichten Anlagen sowie auf das Protokoll der Kammerverhandlung vom 12. April 2024 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.

Die gemäß § 64 Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung der Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit zulässig (§§ 66 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, §§ 519, 520 ZPO). Die Berufungsbegründung genügt den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 bis 4 ZPO. Sie lässt erkennen, in welchen Punkten tatsächlicher und rechtlicher Art nach Ansicht der Beklagten das angefochtene Urteil unrichtig ist und worauf dies im Einzelnen beruht.

B.

Die Berufung ist nur zum Teil begründet.

I.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.690,78 € brutto gemäß § 611 a Abs. 2 BGB i.V.m. dem Arbeitsvertrag der Parteien.

1.

Der Kläger hat während des Zeitraums vom 1. April 2022 bis zum 19. April 2022 seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht. Für diesen Zeitraum steht ihm ein Vergütungsanspruch in Höhe von 1.690,78 € brutto zu. Mit ihrer Berufung hat die Beklagte die insoweit zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichtsgerichts in der angefochtenen Entscheidung nicht angegriffen und insbesondere auch nicht dargelegt, dass die Berechnung des Vergütungsanspruches unzutreffend wäre.

2.

Der Vergütungsanspruch für den Monat April 2022 ist auch nicht verfallen.

Der Kläger hat die in § 16 des Arbeitsvertrages vom 8. Juli 2020 bestimmte Ausschlussfrist, deren Rechtswirksamkeit insoweit nicht zu diskutieren ist, gewahrt. Er hat seinen Anspruch auf die am Monatsletzten fällige Vergütung (§ 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrages) bis zum 31. Juli 2022 der Beklagten gegenüber geltend gemacht und zwar spätestens mit der ihr am 17. Mai 2022 zugestellten Klageschrift.

II.

Der Kläger hat gegenüber der Beklagten für den Zeitraum vom 14. Mai 2022 bis zum 30. Juni 2022 keine Vergütungsansprüche.

1.

Der Kläger hat während des vorgenannten Zeitraumes keine Arbeitsleistung erbracht.

2.

Bezüglich der eingeklagten Vergütung für den Zeitraum vom 14. Mai 2022 bis zum 30. Juni 2022 ergibt sich ein Vergütungsanspruch des Klägers nicht aus einem von ihm wirksam geltend gemachten Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB i.V.m. §§ 615, 298 BGB).

a.

Nach § 273 Abs. 1 BGB kann der Schuldner, der aus demselben Rechtsverhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen den Gläubiger hat - sofern sich aus dem Schuldverhältnis nicht ein anderes ergibt -, die geschuldete Leistung verweigern, bis die ihm gebührende Leistung bewirkt wird.

Ein Arbeitnehmer kann das Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung nach § 273 Abs. 1 BGB ausüben, wenn der Arbeitgeber den fälligen Vergütungsanspruch nicht erfüllt. Er ist dann nicht mehr nach § 614 BGB zur Vorleistung verpflichtet. Er muss vielmehr erst dann (wieder) seine Arbeit leisten, wenn der Arbeitgeber die rückständige Gegenleistung erbringt, indem er das rückständige Entgelt zahlt. Solange der Arbeitnehmer sein Zurückbehaltungsrecht wirksam ausübt, endet der Annahmeverzug des Arbeitgebers nicht. Das ergibt sich aus § 298 BGB, der für alle Fälle des Zurückbehaltungsrechtes und damit auch für § 273 BGB gilt (BAG, 8. Mai 2014 - 6 AZR 246/12 - Rn. 17). Nach § 273 Abs. 1 BGB muss der Gegenanspruch des Schuldners, zu dessen Sicherung das Zurückbehaltungsrecht ausgeübt wird, fällig sein. Bedingte oder künftige Ansprüche können grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht begründen (BAG, 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 43).

Entsprechend dem Grundgedanken des § 273 Abs. 1 BGB, dass der Gläubiger, der selbst nicht leisten will, arglistig handelt, wenn er die vertraglich geschuldete Leistung einfordert, steht die Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes unter dem Gebot von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Das Zurückbehaltungsrecht darf vom Schuldner nicht rechtsmissbräuchlich ausgeübt werden. Dementsprechend muss der Schuldner vor der Ausübung seines Zurückbehaltungsrechts unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen, er werde dieses Recht aufgrund einer ganz bestimmten, konkreten Gegenforderung ausüben. Nur so wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, den möglichen Anspruch des Arbeitnehmers zu prüfen und zu erfüllen (BAG, 13. März 2008 - 2 AZR 88/07 - Rn. 45, 46).

b.

Bei der gebotenen Anwendung vorstehender Grundsätze hat der Kläger das Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung nicht wirksam ausgeübt.

aa.

Zum Zeitpunkt der Übersendung des Schreibens am 29. April 2022 war der Vergütungsanspruch des Klägers für den Monat April 2022 noch nicht fällig. Gemäß § 5 Abs. 2 des Arbeitsvertrages war die Vergütung jeweils am Monatsende fällig, d. h. erst am 30. April 2022.

Ferner hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers in ihrem Schreiben vom 29. April 2022 ausdrücklich formuliert, dass der Kläger am 3. Mai 2022 von seinem Zurückbehaltungsrecht im Falle der Nichtzahlung Gebrauch machen werde. Es handelte sich dabei - so auch der Vortrag des Klägers - lediglich um die Ankündigung des Zurückbehaltungsrechtes.

bb.

Nach dem 29. April 2022 hat der Kläger gegenüber der Beklagten sein Zurückbehaltungsrecht nicht mehr ausgeübt. Soweit er behauptet, dies sei mit einem Schreiben vom 5. Mai 2022 geschehen, hat die Beklagte bereits erstinstanzlich den Zugang dieses Schreibens bestritten. Der Kläger hat für den Zugang dieses Schreibens auch im Rahmen der Berufung keinen Beweis angeboten.

cc.

Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, er habe sein Zurückbehaltungsrecht mit dem tatsächlichen Nichterscheinen zur Arbeit am bzw. nach dem 14. Mai 2022 ausgeübt, übersieht er, dass der Schuldner vor der Ausübung seines Zurückbehaltungsrechtes unter Angabe des Grundes dem Arbeitgeber klar und eindeutig mitteilen muss, er werde dieses Recht aufgrund einer ganz bestimmten, konkreten Gegenforderung ausüben. Dies ist nicht geschehen.

Die Angabe des Klägers in dem Schriftsatz vom 29. April 2022, er werde im Falle der Nichtzahlung am 3. Mai 2022 sein Zurückbehaltungsrecht geltend machen, ist schon nicht klar und eindeutig. Es ist daraus nicht zweifelsfrei zu entnehmen, ob der Kläger nunmehr nur am 3. Mai 2022 - so der Wortlaut des Schreibens - oder ab dem 3. Mai 2022 bzw. erst ab dem 4. Mai 2022 sein Zurückbehaltungsrecht ausüben wird.

Dabei ist zudem berücksichtigen, dass der Kläger gegenüber der Beklagten zunächst angezeigt hat, dass er aufgrund der von ihm übermittelten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen arbeitsunfähig erkrankt ist. Dabei wurde in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 29. April 2022 eine Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 13. Mai 2022 bescheinigt. Nach dem Inhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung konnte der Kläger mangels Leistungsverpflichtung am bzw. ab dem 3. Mai 2022 kein Zurückbehaltungsrecht ausüben.

Nach Ablauf der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit am 13. Mai 2022 hat der Kläger gegenüber der Beklagten nicht erklärt, dass er nunmehr aufgrund einer bestimmten, ihm zustehenden Forderung ab einem bestimmten Zeitpunkt von seinem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch machen werde. Das bloße Nichterscheinen des Klägers bei der Beklagten stellt deshalb auch keine konkludente Ausübung des Zurückbehaltungsrechtes dar.

III.

Auch das weitere Vorbringen der Parteien, auf das in diesem Urteil nicht mehr besonders eingegangen wird, weil die Entscheidungsgründe gemäß § 313 Abs. 3 ZPO lediglich eine kurze Zusammenfassung der tragenden Erwägungen enthalten sollen, führt nicht zu einem abweichenden Ergebnis.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97, 516 Abs. 3 ZPO.

Der Streitwert war in Höhe der bezifferten Klagforderung festzusetzten, §§ 3 ff. ZPO.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), bestanden nicht.

Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben. Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) und der sofortigen Beschwerde (§ 72 b ArbGG) wird hingewiesen.