Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.09.2019, Az.: 9 LB 136/19
Wahrscheinlichkeit einer Gruppenverfolgung von Yeziden in dem Distrikt Sindjar in der irakischen Provinz Ninive; Bestehen eines nationalen Abschiebungsverbots
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 24.09.2019
- Aktenzeichen
- 9 LB 136/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 38966
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 24.01.2018
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Eine Gruppenverfolgung von Yeziden in dem Distrikt Sindjar in der irakischen Provinz Ninive ist derzeit nicht beachtlich wahrscheinlich (Festhalten an der bisherigen Senatsrechtsprechung im Urteil vom 30.7.2019 - 9 LB 133/19 -).
- 2.
Die schlechte humanitäre Lage im Distrikt Sindjar rechtfertigt nicht die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, da diese nicht auf einen Akteur i. S. v. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i. V. m. § 3c AsylG zurückzuführen ist.
- 3.
In dem Distrikt Sindjar besteht keine außergewöhnliche Situation, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede (yezidische) Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgesetzt wäre.
- 4.
Für die Beurteilung, ob ein nationales Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK vorliegt, stellt der Senat hier auf die Region Kurdistan-Irak ab, nicht dagegen auf den Distrikt Sindjar, aus dem die Kläger stammen.
- 5.
Unter Zugrundelegung der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK entwickelten Kriterien sind trotz der widrigen Lebensbedingungen in der Region Kurdistan-Irak die Voraussetzungen für eine Schutzgewährung nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht allgemein für alle aus dem Irak stammenden Yeziden gegeben. Die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung verfügbaren Erkenntnisse lassen auch nicht den Schluss darauf zu, dass yezidische Familien in Kurdistan-Irak generell ohne Hinzutreten weiterer Umstände so gefährdet wären, dass ihnen bei ihrer Rückkehr stets eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK drohte. Entscheidend für die Frage, ob Art. 3 EMRK einer Abschiebung nach Kurdistan-Irak entgegensteht, sind vielmehr die individuellen Umstände im Einzelfall.
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 6. Kammer (Einzelrichter) - vom 24. Januar 2018 geändert und die Klage abgewiesen.
Die Kläger tragen die außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens als Gesamtschuldner. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzes und weiter hilfsweise die Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes.
Die Kläger zu 1) und 2) sind am P. 1974 und Q. 1977 in dem in der Provinz Ninive liegenden Distrikt Sindjar geboren und irakische Staatsangehörige kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit. Sie reisten mit ihren vier minderjährigen, derzeit 14, 13, 11 und 5 Jahre alten, im Irak geborenen Kindern, den Klägern zu 3) bis 6), am 20. Oktober 2015 aus dem Irak aus und am 2. November 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo sie am 3. Dezember 2015 einen Asylantrag stellten.
Bei ihrer persönlichen Anhörung am 5. Juli 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gaben die Kläger zu 1) und 2) im Wesentlichen Folgendes an:
Sie hätten in dem Dorf R. im Distrikt Sindjar gelebt. Der Kläger zu 1) habe sechs Jahre die Schule besucht und sei anschließend zunächst als Fotograf und die letzten drei Jahre vor seiner Ausreise als Rettungswagenfahrer tätig gewesen. Die Klägerin zu 2) habe ebenfalls sechs Jahre die Schule besucht und sei Hausfrau gewesen. Als der Islamische Staat (IS) vorgerückt sei, hätten sie die Flucht in die Provinz Dohuk ergriffen. Dort seien sie in einer von dem Bruder des Klägers zu 1) angemieteten Drei-Zimmer-Wohnung untergekommen, in der sie mit über 20 Personen gelebt hätten, weil es nicht genügend Wohnraum gegeben habe. In Kurdistan-Irak hätten sie zunächst von Ersparnissen sowie den Einnahmen aus Schmuckverkäufen der Klägerin zu 2) gelebt. Nach zwei Monaten, ab Anfang Oktober 2014, habe der Kläger zu 1) für vier bis fünf Monate als Rettungswagenfahrer für die kurdische Regierung gearbeitet, ab März oder April 2015 bis zur Ausreise wieder als Rettungswagenfahrer in R.. Er sei dann jeweils für sieben Tage zum Arbeiten in seinen Heimatort zurückgekehrt und habe anschließend sieben Tage frei gehabt. Die Kläger zu 2) bis 6) seien in Dohuk geblieben, wo die Kläger zu 3) bis 6) nicht zur Schule gegangen seien. Zwar sei den Klägern in Kurdistan-Irak nichts zugestoßen, aber auch dort seien sie nicht frei gewesen. Die meisten Yeziden lebten dort in Flüchtlingsunterkünften. Eine Versorgung sei nur aufgrund der Hilfsorganisationen gegeben gewesen. Zudem hätten sie auch dort Angst vor dem IS gehabt. In ihr Heimatdorf seien sie nicht zurückgekehrt, da sie, insbesondere auch die Kläger zu 3) bis 6), Angst gehabt hätten. Zudem habe es dort weder Lebensmittel noch Strom und Wasser gegeben. Die Menschen lebten in R. immer nur für eine kurze Zeit und gingen dann nach Dohuk zurück. Sie, die Kläger, hätten nicht gewusst, wie lange sie noch in Dohuk hätten leben müssen und wann sie nach R. hätten zurückkehren können. Als die Grenzen offen gewesen seien, hätten sie die Chance ergriffen und seien mit der gesamten Familie von Dohuk aus mit dem PKW an die türkische Grenze gefahren und zu Fuß in die Türkei gegangen. In der Türkei hätten sie sich zwei Tage aufgehalten, bis sie mit dem Boot nach Griechenland gefahren seien. Nach einem weiteren zweitägigen Aufenthalt in Griechenland seien sie über die Balkanroute nach Deutschland gereist. Die Eltern des Klägers zu 1) lebten noch im Irak, sie seien nach R. zurückgekehrt. Zudem habe er noch drei Schwestern, drei Brüder und die Großfamilie, die in Dohuk lebten, sowie drei Brüder und zwei Cousins, die sich in Deutschland aufhielten. Die Klägerin zu 2) habe einen Bruder sowie drei Schwestern, die in einem Flüchtlingslager in Dohuk lebten; ihre Eltern seien verstorben. Im Falle ihrer Rückkehr hätten sie Angst vor dem Islam. Zwar habe es keine konkreten Vorfälle gegeben, aber die Regierung habe Vorbehalte gegenüber Yeziden.
Mit Bescheid vom 9. November 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den Antrag auf Asylanerkennung und den Antrag auf subsidiären Schutz ab. Es stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen. Die Kläger wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde ihnen die Abschiebung in den Irak oder in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei, angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung führte das Bundesamt aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorlägen. Bei den Klägern sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Zwar seien die Kläger aufgrund einer Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure aus begründeter Furcht vor Verfolgung i. S. v. § 3 AsylG aus Ninive ausgereist, hätten aber internen Schutz in Dohuk gefunden. Den kurdischen Klägern sei es möglich gewesen, dort zu leben. Sie hätten Zuflucht bei dem Bruder der Klägerin zu 2) gefunden. Auch wenn die Lebensumstände dort beschwerlich gewesen seien, hätten zumindest die Lebensbasis sichernde Voraussetzungen vorgelegen. So sei es dem Kläger zu 1) nach eigenen Angaben bis zur Ausreise möglich gewesen, einer Arbeit als Rettungswagenfahrer, zunächst in Dohuk, später wieder in R., nachzugehen. Die Ausreise sei sodann nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung i. S. v. § 3 AsylG erfolgt, sondern aufgrund der dortigen Lebensbedingungen. Es gebe auch keine Anhaltspunkte für eine Verfolgung religiöser Minderheiten in Kurdistan-Irak. Gerade mit Blick auf ihren letzten Aufenthaltsort vor ihrer Ausreise lägen auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak seien zwar schwierig, begründeten aber im vorliegenden Fall aufgrund der individuellen Umstände bei den Klägern keinen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes. So bestünden auch angesichts des Umstandes, dass der Kläger zu 1) bis zur Ausreise der Kläger einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sei, keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Kläger könnten sich keine zumindest existenzsichernde Lebensgrundlage schaffen. Andere individuelle gefahrerhöhende Umstände seien nicht erkennbar.
Die Kläger haben am 16. November 2016 Klage erhoben und vorgetragen, als Yeziden sei ihre Verfolgung durch aktive Kämpfer oder Sympathisanten des IS in der derzeitigen Situation beachtlich wahrscheinlich. Yeziden würden als Ungläubige betrachtet und seien damit in der derzeitigen Lage einer großen Gefährdung seitens radikaler Islamisten ausgesetzt. Eine echte Fluchtalternative bestünde nicht. Die Region Kurdistan-Irak komme nicht in Betracht, da sie dort keinerlei Bindungen hätten. Zudem würden Yeziden in den kurdischen Gebieten diskriminiert und in Moscheen werde öffentlich zur Jagd auf Yeziden aufgerufen. Außerdem sei die Versorgung katastrophal gewesen und behördliche Hilfe sei ihnen nicht gewährt worden.
Die Kläger haben schriftsätzlich beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung von Ziffern 1) und 3) bis 6) ihres Bescheids vom 9. November 2016 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihnen den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen,
weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 5, Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
Die Beklagte hat ebenfalls schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Schriftsätzen vom 1. Dezember 2016 und 18. September 2017 haben die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht verzichtet.
Mit am 24. Januar 2018 ohne mündliche Verhandlung ergangenem Urteil hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes verpflichtet, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft hätten. Sie seien vorverfolgt aus ihrem Heimatland, der Republik Irak, ausgereist, ihre Furcht vor Verfolgung sei weiterhin begründet und ihnen stünde kein interner Schutz vor der drohenden Verfolgung zur Verfügung. Yeziden seien im August 2014 in der Provinz Ninive einer Gruppenverfolgung durch den IS ausgesetzt gewesen, der nach Auffassung des United Nations Human Rights Councils (UNHRC) einen Völkermord an den Yeziden in Anknüpfung an deren Religionszugehörigkeit begangen habe. Von dieser Gruppenverfolgung seien die Kläger unmittelbar betroffen gewesen, da sie Anfang August 2014 in der Provinz Ninive gelebt hätten und yezidischen Glaubens seien. Die damit einhergehende Vermutung einer künftigen Verfolgungsgefahr sei nicht durch stichhaltige Gründe widerlegt. Zwar stehe die Region Sindjar nicht mehr unter der Kontrolle des IS, dies reiche aber angesichts der massiven Rechtsgutsverletzungen, die Yeziden durch Angehörige des IS drohten, nicht aus. Die Verhältnisse in der Provinz Ninive hätten sich dafür noch nicht ausreichend stabilisiert. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der IS bereits in den Jahren 2008 und 2011 vermeintlich geschlagen gewesen sei, sich dann aber in den Untergrund verlagert habe und allmählich wieder erstarkt sei. Dem IS sei es auch gelungen, erhebliche finanzielle Mittel für den Kampf im Untergrund zu sichern. Eine inländische Fluchtalternative, insbesondere in Kurdistan-Irak bestünde für die Kläger nicht, da sie aufgrund strenger Einreise- und Niederlassungsbedingungen, die eine Bürgschaft, eine Meldung bei den örtlichen Behörden sowie eine erfolgreiche Sicherheitsüberprüfung vorsähen, nur eingeschränkten Zugang zu anderen Gebieten hätten. Die Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt seien zudem unterschiedlich und willkürlich. Daneben bestünde die Gefahr einer Ausbeutung und Misshandlung, da einige Bürgen Geld oder sexuelle Dienstleistungen für ihre Bürgschaften verlangten. Binnenvertriebene würden auch zunehmend daran gehindert, städtische Gebiete aufzusuchen, und in Lager verbracht, in denen ihre Freizügigkeit unangemessen beschränkt würde. Darüber hinaus könne von den Klägern angesichts der derzeitigen humanitären Lage und der überfüllten Flüchtlingslager in der Region Kurdistan-Irak vernünftigerweise nicht erwartet werden, sich dort niederzulassen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass das Vertrauen der Yeziden in die regionale Ordnungsmacht dadurch stark beeinträchtigt sei, dass kurdische Peschmerga-Einheiten im August 2014 yezidische Siedlungen im Distrikt Sindjar kampflos den heranrückenden IS-Truppen überlassen hätten. Es sei auch angesichts der wirtschaftlichen Lage ausgeschlossen, dass der Kläger zu 1) im Falle seiner Rückkehr in den Irak zeitnah einer das Existenzminimum seiner gesamten Familie sichernden Erwerbstätigkeit nachgehen könne. Darüber hinaus könne nicht angenommen werden, dass die in Dohuk lebenden Verwandten des Klägers zu 1) die sechsköpfige Familie der Kläger dauerhaft aufnehmen und unterstützen würden. Dies gelte ebenso für die in Flüchtlingslagern lebenden und selbst besonders vulnerablen Geschwister der Klägerin zu 2) sowie die nach R. zurückgekehrten Eltern des Klägers zu 1).
Am 26. Februar 2018 hat die Beklagte die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beantragt.
Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat den Klägern auf deren Antrag mit Beschluss vom 23. Juli 2018 (- 11 LA 81/18 -) Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren bewilligt.
Auf den Zulassungsantrag der Beklagten hat der Senat die Berufung gegen das angefochtene Urteil, mit dem das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet hat, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, mit Beschluss vom 4. Februar 2019 (- 9 LA 4/19 -) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, um die Frage zu klären, ob Angehörige der yezidischen Glaubensgemeinschaft im Irak in der Provinz Ninive aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit einer Gruppenverfolgung ausgesetzt sind.
Auf den am 5. Februar 2019 zugestellten Beschluss hat die Beklagte am 6. Februar 2019 die Berufung begründet und hierzu auf die Begründung ihres Bescheides, ihres Zulassungsantrages und auf den Zulassungsbeschluss des Senats Bezug genommen. In der Zulassungsantragsschrift vom 26. Februar 2018 hat die Beklagte - auch unter Bezugnahme auf verschiedene erstinstanzliche Entscheidungen - vorgetragen, dass derzeit nicht mehr von einer Gruppenverfolgung von Yeziden aus Ninive durch den IS ausgegangen werden könne. Es bestünden stichhaltige Gründe, die dagegen sprächen, dass die Kläger im Falle ihrer Rückkehr erneut einer Gruppenverfolgung durch den IS ausgesetzt wären. Zwar sei die Region, aus der die Kläger stammten, im Jahr 2014 durch den IS erobert worden, habe jedoch im Sommer 2017 wieder befreit werden können und stünde nun unter der Kontrolle der irakischen Regierungstruppen, so dass die Lage in der gesamten Provinz Ninive jetzt stabil sei. Das Heimatdorf der Kläger R. liege in dem Distrikt Sindjar in der Provinz Ninive, wo die Lage stabil und mit dem Wiederaufbau begonnen worden sei, an dem sich auch die Bundesrepublik Deutschland finanziell beteilige. Es fehle daher derzeit an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 24. Januar 2018 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie tragen zur Begründung vor, dass die Verfolgung der Yeziden durch den IS bereits im Jahr 2014 eine asylerhebliche Gefahr begründet habe, die bis heute anhalte. Die Sicherheitsbedenken der Yeziden seien zum damaligen Zeitpunkt berechtigt gewesen. Der IS habe die Stadt Sindjar erobert und es habe sogar ein Vorrücken in die Region Dohuk gedroht. Die für eine Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte habe zum damaligen Zeitpunkt bestanden. Zudem habe der IS Yeziden im Rahmen eines eingeleiteten Verfolgungsprogramms, das auf die Vernichtung der yezidischen Religionsgemeinschaft gerichtet gewesen sei, systematisch verfolgt. Weder der irakische Staat noch die kurdischen Sicherheitskräfte seien zum damaligen Zeitpunkt willens oder in der Lage gewesen, Angehörige religiöser Minderheiten zu schützen. Insgesamt seien 86 Angehörige der Großfamilie des Klägers zu 1) verschleppt oder ermordet worden. In einem Artikel von n-tv werde über seine Cousine S. berichtet, die in Deutschland ihren IS-Peiniger getroffen habe und daraufhin in den Irak zurückgekehrt sei. Zuletzt sei bekannt geworden, dass ein elfjähriges Mädchen seiner Familie von dem IS als menschliche Bombe gegen kurdische Kämpfer eingesetzt worden sei. Der IS habe das Kind mit einem Sprengstoffgürtel zu den kurdischen Kämpfern geschickt und ihm versprochen, es werde dort seine Eltern treffen. Als es die kurdischen Kämpfer erreicht habe, hätten die Terroristen den Sprengstoffgürtel gezündet. Die sich aus der Vorverfolgung ergebende Verfolgungsvermutung sei nicht durch stichhaltige Gründe widerlegt. Die Sicherheitslage im südlichen Grenzbereich zu Kurdistan-Irak sei aufgrund der Nähe zu vom IS kontrollierten oder umkämpften Gebieten für Yeziden nach wie vor mehr als angespannt und keineswegs als hinreichend gefestigt zu bezeichnen. Hinzu komme, dass sich diverse Gruppen, die miteinander konkurrierten, ihre Heimatregion aufgeteilt hätten. Ihnen sei aber zumindest der subsidiäre Schutzstatus zuzusprechen. Für die Bewertung ihrer hypothetischen Rückkehrsituation sei auf ihren Heimatort im Sindjar abzustellen. In weiten Teilen des ehemals vom IS besetzten Gebietes, namentlich dort, wo ein großer Teil der Infrastruktur und der Wohnbebauung zielgerichtet oder in Folge der Kampfhandlungen zerstört worden sei, könnten Rückkehrer angesichts der schlechten humanitären Lage ihre elementaren Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft, nicht befriedigen. Auch das eigene Elternhaus sei zerstört. Der IS habe zudem die Häuser geplündert. Da der IS Unterlagen zu den Eigentumsverhältnissen zerstört habe, falle Rückkehrern teilweise der Nachweis schwer, dass sie Eigentümer ihres ehemaligen Wohnhauses seien. Viele Häuser im Sindjar seien auch noch vermint oder mit Sprengfallen versehen. Den wenigen Rückkehrern, die hauptsächlich in informellen Camps, zerstörten Häusern oder ländlichen Gebieten lebten, mangele es an Wohnraum, Nahrungsmitteln, Trinkwasser, Elektrizität, Treibstoff und Kleidung. Einige Personen seien aufgrund der schlechten Gesundheitsversorgung verstorben. Es sei nicht ersichtlich, dass der Wiederaufbau in einem Umfang begonnen habe, dass die Bewohner ihre elementarsten Bedürfnisse befriedigen könnten. Eine von der Regierung beabsichtigte Einmalzahlung an Yeziden, die in IS-Gefangenschaft gewesen seien, genüge nicht, um sich ein Existenzminimum aufzubauen. Aufgrund der geringen Anzahl an Rückkehrern fehle es auch an der personalen Infrastruktur für einen umfassenden Wiederaufbau der Region. Auch Hilfsorganisation seien nicht in der Lage, Rückkehrern im Sindjar ausreichend Unterstützung zu bieten, zumal der Zugang durch Blockaden der Konfliktparteien erschwert sei. Diese schlechten Lebensbedingungen in der Region Sindjar gingen überwiegend auf zielgerichtete Handlungen des IS als Verfolgungsakteur zurück, der den dort lebenden Irakern und somit einer individualisierbaren Gruppe von Personen bewusst und zielgerichtet Schaden habe zufügen wollen. Ihnen stünde auch kein interner Schutz im Irak zur Verfügung. In Bezug auf die Region Kurdistan-Irak sei nicht zu erwarten, dass sie dort langfristig aufgenommen würden und sich dort niederlassen könnten. Sie dürften als Kurden zwar auch ohne Bürgschaft eine Aufenthaltserlaubnis bei ihrer Rückkehr erhalten, dies bedeute aber nicht zugleich, dass sie sich wie Einwohner aus Kurdistan-Irak dort bewegen und niederlassen sowie sich ein Existenzminimum erwirtschaften könnten. Auf eine Flüchtlingsunterkunft könnten sie nicht verwiesen werden, da dort das zu einem menschenwürdigen Leben erforderliche wirtschaftliche Existenzminimum nicht gegeben sei. Die Unterbringung sowie Gesundheits-, Nahrungsmittel- und Wasserversorgung sei notdürftig und unzureichend. Es bestünde keine Chance eine langfristige Arbeit zu erhalten. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sich die wirtschaftliche und humanitäre Lage in Kurdistan-Irak verschlechtert habe und die Region nach der Aufnahme von mehr als 900.000 Binnenflüchtlingen an die Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit gelangt sei. Zudem würden Binnenflüchtlinge oft an dem Verlassen der Camps gehindert. Aufgrund dieser Situation seien bereits viele Personen aus den Camps ausgezogen und in ihre Heimatregion in der Hoffnung zurückgekehrt, dort bessere Lebensbedingungen vorzufinden. Auch in anderen Regionen des Irak bestünde für sie keine inländische Fluchtalternative. Dies gelte schon aufgrund der strengen, von Gegend zu Gegend unterschiedlichen und oftmals willkürlichen Zugangsvoraussetzungen. Im Übrigen hätten sie zumindest einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK aufgrund der schwierigen humanitären Verhältnisse im Irak. Zwar funktioniere das irakische Lebensmittelverteilungssystem mit dem Namen Public Distribution System (PDS) trotz Verzögerungen bei der Ausgabe einiger Lebensmittelkörbe gerade in den Städten Dohuk und Zakho relativ gut, und es befinde sich in der Stadt Dohuk ein staatliches Zentralkrankenhaus. Zudem kehrten immer mehr Binnenvertriebene aus Kurdistan-Irak in ihre Heimatregion zurück, was die Lage in den kurdischen Gebieten mittelfristig verbessern dürfte. Bei ihnen lägen angesichts der dargelegten familiären Situation indes außergewöhnliche Umstände vor, die in der Gesamtschau die Feststellung eines Abschiebungsverbotes erforderten.
Bei seiner persönlichen Anhörung in der mündlichen Verhandlung des Senats führte der Kläger zu 1) zu seinen aktuellen familiären Verhältnissen ergänzend aus, dass derzeit vier seiner Brüder in der Bundesrepublik Deutschland und ein Bruder sowie drei Schwestern und seine Mutter noch im Irak lebten. Seine Mutter wohne mit einer Schwester im Flüchtlingscamp T.. Sein Vater sei an Diabetes erkrankt und am 1. Januar 2018 verstorben, einer seiner nicht aus dem Irak ausgereisten Brüder sei am 17. Juli 2017 im Krieg gefallen. Drei Onkel von ihm, die noch im Irak lebten, hielten sich in Flüchtlingslagern auf. In seinen Heimatort R. sei niemand aus seiner Familie zurückgekehrt. Von seinen in Deutschland lebenden Brüdern gingen zwei einer Erwerbstätigkeit nach. Er selbst habe noch keine Arbeit gefunden. Des Weiteren gab er an, dass einer seiner Brüder, der sich zwischenzeitlich auch in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte, in U. als Anwalt gearbeitet habe, als sie vor dem IS dorthin geflohen seien. Seine Eltern und die Kinder seien zunächst in der von diesem angemieteten Zwei-Zimmer-Wohnung untergekommen. Die Flüchtlingslager seien zu dieser Zeit erst im Aufbau gewesen. Seine Familie sei dann in einer Schule in T. untergebracht worden. Das Flüchtlingscamp hinter dieser Schule sei erst nach ihrer Ausreise eröffnet worden. In Kurdistan-Irak habe er keine Arbeit gefunden, sondern lediglich drei Monate lang unentgeltlich im Sindjar-Gebirge Verletzte mit einem Krankenwagen auf den Berg gebracht. Aus Kurdistan-Irak seien sie ausgereist, weil sie dort nicht respektiert worden seien. Der irakische Staat habe ihnen nicht geholfen, sondern humanitäre Hilfsorganisationen. Aber auch diese Hilfe habe nachgelassen. Ihre Ausreise hätten sie finanziert, indem sie das bei der Hochzeit gekaufte Gold verkauft hätten. Die Klägerin zu 2) führte ergänzend aus, dass zwei ihrer Schwestern sowie ein Bruder im Flüchtlingscamp V. bei Zakho lebten und sich ihre andere Schwester in dem Flüchtlingslager W. sowie ein Onkel in dem Camp X. aufhalte. Über den Verbleib ihrer Mutter könne sie nichts sagen, da sie zu ihr keinen Kontakt mehr gehabt habe, nachdem diese wieder geheiratet habe. Ihre Familienangehörigen im Irak nähmen Gelegenheitsarbeiten wahr. In Deutschland hielten sich zwei Cousins sowie die Frau ihres verstorbenen Onkels auf. Die Klägerin zu 2) trug weiter vor, nach ihrer Flucht zunächst bei dem Bruder des Klägers zu 1) und anschließend in einer Schule untergekommen zu sein. Vor ihrer Ausreise hätten sie dann noch fünf bis sechs Monate im Flüchtlingscamp T. gelebt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der Senat, anders als das Verwaltungsgericht, zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Kläger im für die Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) auf Grundlage der in diesem Zeitpunkt vorliegenden aktuellen Erkenntnismittel (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25.4.2018 - 2 BvR 2435/17 - juris Rn. 34; BVerwG, Urteil vom 13.6.2013 - 10 C 13.12 - juris Rn. 9) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft noch auf subsidiären Schutz haben und auch kein Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG besteht.
I. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i. S. d. Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG; vgl. auch Art. 10 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337/9), im Folgenden: Richtlinie 2011/95/EU sowie EuGH, Urteil vom 25.1.2018 - C-473/16 - juris Rn. 31).
Als Verfolgung i. S. d. § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a Abs. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 EMRK keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist (Nr. 2). Die nach Nr. 2 zu berücksichtigenden Maßnahmen können Menschenrechtsverletzungen sein, aber auch sonstige Diskriminierungen. Die einzelnen Eingriffshandlungen müssen für sich allein nicht die Qualität einer Menschenrechtsverletzung aufweisen, in ihrer Gesamtheit aber eine Betroffenheit des Einzelnen bewirken, die der Eingriffsintensität einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung nach Nr. 1 entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris Rn. 34). Nach § 3a Abs. 2 AsylG können als Verfolgung i. S. d. § 3a Abs. 1 AsylG unter anderem gelten: die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt (Nr. 1), gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden (Nr. 2) und unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung (Nr. 3).
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, i. S. d. § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. den in § 3b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3a Abs. 1 und 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG).
Nach § 3e Abs. 1 AsylG wird dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt (sog. innerstaatliche Fluchtalternative). Zu berücksichtigen sind insoweit die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Art. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag (§ 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG). Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen (§ 3e Abs. 2 Satz 2 AsylG).
Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013, a. a. O., Rn. 19). Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des zugrunde liegenden Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2011/95/EU enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der bei der Prüfung von Verletzungen des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Dieser Maßstab setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Hierbei sind gemäß Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU neben sämtlichen mit dem Herkunftsland verbundenen relevanten Tatsachen unter anderem das maßgebliche Vorbringen des Antragstellers und dessen individuelle Lage zu berücksichtigen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.2.2013, a. a. O., Rn. 32; dazu näher VGH BW, Urteil vom 16.10.2017 - A 11 S 512/17 - juris Rn. 31 ff.).
Eine Verfolgung ist danach beachtlich wahrscheinlich, wenn einem besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Ausländers nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint. Dies kann auch dann der Fall sein, wenn nur ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 % für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" (real risk) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine geringe mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, macht es auch aus der Sicht eines besonnen und vernünftig denkenden Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen erheblichen Unterschied, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber die Todesstrafe riskiert (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7.2.2008 - 10 C 33.07 - juris Rn. 37).
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob der Betroffene bereits vor seiner Ausreise verfolgt worden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - juris Rn. 22). Bei einer Vorverfolgung gilt kein herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Vorverfolgten kommt jedoch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zugute (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15.8.2017 - 1 B 123.17 u. a. - juris Rn. 8; vom 11.7.2017 - 1 B 116.17 u. a. - juris Rn. 8). Danach ist die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde bzw. von einer solchen Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung bedroht wird. Die Vorschrift ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend zum früheren herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab BVerfG, Beschluss vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 - juris Rn. 52; dem folgend BVerwG, Urteil vom 31.3.1981 - 9 C 237.80 - juris Rn. 13).
Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.2.1997 - 9 C 9.96 - juris Rn. 17) beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (vgl. BVerwG, Urteil vom 18.2.1997, a. a. O., Rn. 14). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.1982 - 9 C 308.81 - juris Rn. 9). Die Vorschrift privilegiert daher den Vorverfolgten bzw. Geschädigten: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten mithin nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind.
Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, a. a. O., Rn. 23 zu Art. 4 Abs. 4 der Vorgängerrichtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes [ABl. L 304/12], im Folgenden: Richtlinie 2004/83/EG). Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU kann durch stichhaltige Gründe selbst dann widerlegt sein, wenn im Herkunftsland keine hinreichende Sicherheit vor Verfolgung im Sinne des vom Bundesverwaltungsgericht früher verwendeten herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, a.a.O., Rn. 23). Zur Entkräftung der Beweiserleichterung ist daher nicht erforderlich, dass die Wiederholung einer Verfolgungsmaßnahme mit der nach diesem Maßstab geforderten hinreichenden Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen ist. Maßgeblich ist vielmehr, ob stichhaltige Gründe gegen eine erneute Verfolgung sprechen, die in einem inneren Zusammenhang mit der vor der Ausreise erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung stünde (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.11.2011 - 10 B 32.11 - juris Rn. 7).
Bei der gebotenen Prognose, ob die Furcht des Ausländers vor Verfolgung im Rechtssinne begründet ist, ihm also mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, ist es Aufgabe des Gerichts, die Prognosetatsachen zu ermitteln, diese im Rahmen einer Gesamtschau zu bewerten und sich auf dieser Grundlage gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eine Überzeugung zu bilden. Diese Überzeugungsbildung ist aufgrund der Tatsache, dass unabhängige und gesicherte Informationen vielfach fehlen und die verschiedenen Akteure, auf deren Informationen die Gerichte angewiesen sind, sehr unterschiedliche Interessen verfolgen, erheblich erschwert (vgl. NdsOVG, Urteil vom 27.6.2017 - 2 LB 91/17 - juris Rn. 37 ff.; VGH BW, Urteil vom 2.5.2017 - A 11 S 562/17 - juris Rn. 33 ff.). Deshalb bedarf es in besonderem Maße einer umfassenden Auswertung aller Erkenntnisquellen auch zur allgemeinen Lage im Irak. Besonderes Gewicht ist den Berichten des United Nations High Commissioner for Refugees (UNHRC) beizumessen, der gemäß Art. 35 Nr. 1 des Abkommens über die Rechtsstellung von Flüchtlingen vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559, 560) und Art. 2 Nr. 1 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31. Januar 1967 (BGBl. 1969 II S. 1293) die Durchführung der Genfer Flüchtlingskonvention überwacht (Art. 8 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2011/95/EU und Art. 10 Abs. 3 Satz 2 b) der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180/60); vgl. EuGH, Urteil vom 30.5.2013 - C-528/11 [Zuheyr Frayeh Halaf] - juris Rn. 44). Gewisse Prognoseunsicherheiten sind dabei als unvermeidlich hinzunehmen und stehen der Überzeugungsbildung nicht grundsätzlich entgegen, wenn eine weitere Sachaufklärung keinen Erfolg verspricht. Auf die Feststellung objektivierbarer Prognosetatsachen kann trotz alledem aber nicht verzichtet werden. Die Annahme einer beachtlichen Verfolgungswahrscheinlichkeit kann nicht auf bloße Hypothesen und ungesicherte Annahmen gestützt werden.
Die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz kommt nicht schon dann in Betracht, wenn eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit nicht zur Überzeugung des Gerichts feststeht, sondern in der Gesamtsicht der vorliegenden Erkenntnisse lediglich ausreichende Anhaltpunkte für eine Prognose sowohl in die eine wie die andere Richtung vorliegen, also eine Situation besteht, die einem non-liquet vergleichbar ist (so aber OVG MV, Urteil vom 21.3.2018 - 2 L 238/13 - juris Rn. 41). Die beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung ist tatbestandliche Voraussetzung für eine Entscheidung zugunsten des Ausländers. Kann nicht festgestellt werden, dass einem Ausländer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, scheidet eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.8.2017, a. a. O., Rn. 8; OVG SH, Urteil vom 10.10.2018 - 2 LB 67/18 - juris Rn. 25; OVG NRW, Urteil vom 3.9.2018 - 14 A 837/18.A - juris Rn. 63 ff.; zu alledem auch Urteil des Senats vom 30.7.2019 - 9 LB 133/19 - juris Rn. 37 - 47).
Nach diesen Maßgaben besteht für die Kläger im entscheidungserheblichen Zeitpunkt (§ 77 Abs. 1 AsylG) bei einer - hypothetischen - Rückkehr in den Irak keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung aus den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründen.
Sie haben eine an individuelle, in ihrer Person liegende Umstände anknüpfende Verfolgungsgefahr (so genannte anlassgeprägte Einzelverfolgung) nicht substantiiert vorgetragen, sondern angegeben, aus Angst vor dem IS vor dessen Einmarsch in ihr Heimatdorf nach Dohuk geflohen und etwa ein Jahr später aufgrund der dortigen Lebensbedingungen aus dem Irak ausgereist zu sein.
Die Kläger können sich auch nicht mit Erfolg auf eine Gruppenverfolgung von Yeziden im Sindjar berufen. Der Senat geht davon aus, dass allein die Zugehörigkeit zu der Glaubensgemeinschaft der Yeziden eine Verfolgung in Anknüpfung an ein Merkmal i. S. v. § 3b Abs. 1 Nr. 1 AsylG bei der Rückkehr in den irakischen Distrikt Sindjar derzeit nicht als beachtlich wahrscheinlich erscheinen lässt (vgl. Urteil des Senats vom 30.7.2019, a. a. O., Rn. 52 ff.).
Den Klägern droht auch keine individuelle Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Yeziden aus dem Sindjar. Ist eine Verfolgung aller Gruppenangehöriger nicht beachtlich wahrscheinlich, kann sich dies aber aus dem Vorliegen besonderer Gefährdungsmerkmale ergeben (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 - juris Rn. 24 und Urteil vom 30.10.1984 - 9 C 24.84 - juris Rn. 12; Urteil des Senats vom 30.7.2019, a. a. O., Rn. 129 ff.).
In der Vergangenheit waren yezidische Intellektuelle mit öffentlich sichtbarem Erfolg bzw. Einfluss oder yezidische Würdenträger, wenn sie regelmäßig yezidische Einrichtungen besuchen, Yeziden im Alkoholgeschäft oder im Gaststätten- und Hotelgewerbe sowie in der Vergnügungsindustrie, in Schönheits- oder Frisiersalons oder Yeziden, die - etwa als Polizisten oder Taxifahrer - in häufigen Kontakt zur moslemischen Bevölkerung traten oder aufgrund typischer Kleidungsstücke oder anderer Merkmale als Yeziden auffielen, besonders gefährdet (vgl. Europäisches Zentrum für Kurdische Studien (EZKS), Gutachten vom 26.10.2005, S. 8 - 9). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 12. Januar 2019 (S. 17) sowie des United States Department of State (USDOS) (Country Report On Human Rights Practices 2017 - Iraq, 20.4.2018, S. 15 des Ausdrucks) sind vor allem Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Künstler, Dichter, Schriftsteller, Musiker, Richter und Rechtsanwälte, alle Mitglieder des Sicherheitsapparats, Mitarbeiter der Ministerien oder von Provinzregierungen, Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird (fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Yeziden und Christen), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten sowie medizinisches Personal besonders gefährdet. Ob bei diesen Personengruppen letztlich die Gefahr einer Verfolgung besteht, lässt sich nach Auffassung des erkennenden Senats nicht allgemein und grundsätzlich beantworten, sondern ist eine Frage der konkreten Umstände des Einzelfalls. Zu prüfen ist bei Übergriffen jeweils auch, ob wirklich ein Bezug zum yezidischen Glauben besteht, also nicht unabhängig davon auch bei anderen Personen eine entsprechende Gefährdung vorhanden ist. Es ist nicht ersichtlich, dass die Kläger besonders gefährdet sind. Hinsichtlich der Arbeit des Klägers zu 1) als Fahrer eines Krankenwagens ist eine Gefahrerhöhung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
II. Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes.
Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht.
Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3).
Nach § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylG muss der drohende ernsthafte Schaden ausgehen von dem Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, i. S. d. § 3d AsylG Schutz vor ernsthaftem Schaden zu bieten (Nr. 3).
Die Gewährung subsidiären Schutzes setzt voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein ernsthafter Schaden droht (vgl. Senatsurteile vom 19.9.2016 - 9 LB 100/15 - juris Rn. 52; vom 7.9.2015 - 9 LB 98/13 - juris Rn. 26; VGH BW, Urteile vom 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris Rn. 161; vom 5.12.2017 - A 11 S 1144/17 - juris Rn. 178). Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 Buchstabe f der Richtlinie 2011/95/EU (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 20 zu Art. 2 Buchstabe e der Richtlinie 2004/83/EG; siehe auch BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, a. a. O., Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchstabe b der Richtlinie 2004/83/EG). Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011, a. a. O., Rn. 20), der bei der Prüfung von Verstößen gegen Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ("real risk") abstellt (vgl. EGMR, Urteil vom 28.2.2008 - Nr. 37201/06 [Saadi v. Italy] - HUDOC Rn. 125, 140). Das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011, a. a. O., Rn. 20).
Hat ein Antragsteller bereits einen ernsthaften Schaden erlitten, oder war er von einem solchen unmittelbar bedroht, kommt ihm auch hier die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zugute. Danach ist dies ein ernsthafter Hinweis darauf, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Vorschrift begründet für den von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass er erneut von einem solchen Schaden bedroht ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011, a. a. O., Rn. 21 und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 - juris Rn. 15 zu Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG).
1. Nach diesen Maßstäben droht den Klägern keine Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG.
Die Formulierung "die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe" in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG ist richtlinienkonform auszulegen als "die Todesstrafe oder Hinrichtung". Denn im zugrunde liegenden Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU wurde die Formulierung "die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder" durch Berichtigung vom 30. Juni 2017 (ABl. L 167/58) korrigiert in "die Todesstrafe oder Hinrichtung oder".
Die Todesstrafe oder eine Hinrichtung würde den Klägern im Irak allenfalls dann mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen, wenn davon auszugehen ist, dass ihnen dies droht, weil sie als Yeziden aus dem Distrikt Sindjar verfolgt würden. Dies ist nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 30.7.2019, a. a. O., Rn. 52 ff.) aber nicht der Fall.
2. Den Klägern droht auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung i. S. v. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG.
Die Formulierung "Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung" in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG wird weder im Asylgesetz noch in der dadurch umgesetzten Richtlinie 2011/95/EU definiert.
Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind die Vorschriften des abgeleiteten Unionsrechts unter Beachtung der durch die Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleisteten Grundrechte auszulegen und anzuwenden (vgl. EuGH, Urteil vom 16.2.2017 - C-578/16 PPU - juris Rn. 59 m. w. N.). Für die Richtlinie 2011/95/EU ergibt sich dies auch aus deren 16. Erwägungsgrund. Danach befolgt die Richtlinie insbesondere die in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Grundsätze. Nach Art. 4 der Charta darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Dieses Verbot entspricht dem in Art. 3 EMRK aufgestellten Verbot. Es hat nach Art. 52 Abs. 3 der Charta die gleiche Bedeutung und Tragweite, wie sie ihm in der Europäischen Menschenrechtskonvention verliehen wird (vgl. EuGH, Urteil vom 16.2.2017, a. a. O., Rn. 67). Dementsprechend orientiert sich die Auslegung von Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (vgl. EuGH, Urteil vom 16.2.2017, a. a. O., Rn. 68 m. w. N.). Dies gilt entsprechend für § 4 AsylG, durch den Art. 15 der Richtlinie 2011/95/EU umgesetzt wurde (vgl. Senatsbeschluss vom 11.6.2019 - 9 LA 262/19 -; Senatsurteile vom 19.9.2016, a. a. O., Rn. 52; vom 7.9.2015, a. a. O., Rn. 24, jeweils zu § 4 AsylVfG sowie BVerwG, Urteile vom 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 22; vom 27.4.2010, a. a. O., Rn. 15 und 25, jeweils zu § 60 Abs. 2 AufenthG a. F.).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entnimmt Art. 3 EMRK die Verpflichtung, den Betroffenen nicht in ein bestimmtes Land abzuschieben, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass er im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. EGMR, Urteil vom 4.11.2014 - 29217/12 [Tarakhel v. Switzerland] - HUDOC Rn. 93 m. w. N.). Art. 3 EMRK findet auch Anwendung, wenn die Gefahr von nichtstaatlichen Personen(-gruppen) ausgeht, sofern nachgewiesen ist, dass die Gefahr tatsächlich besteht und die staatlichen Behörden des Zielstaats nicht in der Lage sind, der Bedrohung durch Gewährung angemessenen Schutzes vorzubeugen (vgl. EGMR, Urteile vom 23.8.2016 - 59166/12 [J.K. and others v. Sweden] - HUDOC Rn. 80 und vom 5.9.2013 - 886/11 [K. A. B. v. Sweden] - HUDOC Rn. 69; siehe auch Urteil des Senats vom 29.1.2019 - 9 LB 93/18 - juris Rn. 42). Dem entspricht die Regelung des § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c Nr. 3 AsylG (s. o.).
Ob eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK vorliegt, hängt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von den Gesamtumständen des jeweiligen Einzelfalls wie etwa der Art und dem Kontext der Fehlbehandlung, der Dauer, den körperlichen und geistigen Auswirkungen, sowie - in einigen Fällen - vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers ab (vgl. EGMR, Urteil vom 4.11.2014, a. a. O., Rn. 94; Senatsurteile vom 19.9.2016, a. a. O., Rn. 52; vom 7.9.2015, a. a. O., Rn. 25). Eine unmenschliche Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK hat der Gerichtshof angenommen, wenn sie unter anderem geplant war, ohne Unterbrechung über mehrere Stunden erfolgte und körperliche Verletzungen oder ein erhebliches körperliches oder seelisches Leiden bewirkte (vgl. EGMR, Urteil vom 9.7.2015 - 32325/13 [Mafalani v. Croatia] - HUDOC Rn. 69 m. w. N.). Von einer erniedrigenden Behandlung i. S. d. Art. 3 EMRK ist der Gerichtshof ausgegangen, wenn sie beim Opfer Gefühle der Angst, seelischer Qualen und der Unterlegenheit hervorruft, wenn sie das Opfer in dessen oder in den Augen anderer entwürdigt und demütigt, und zwar unabhängig davon, ob dies beabsichtigt ist, ferner, wenn die Behandlung den körperlichen oder moralischen Widerstand des Opfers bricht oder dieses dazu veranlasst, gegen seinen Willen oder Gewissen zu handeln sowie dann, wenn die Behandlung einen Mangel an Respekt offenbart oder die menschliche Würde herabmindert (vgl. die Zusammenfassung in EMGR, Urteil vom 3.9.2015 - 10161/13 [M. und M. v. Croatia] - HUDOC Rn. 132). Angesichts der fundamentalen Bedeutung von Art. 3 EMRK hat sich der Gerichtshof zudem eine gewisse Flexibilität für solche Fälle vorbehalten, in denen die Ursache der Gefahr auf Umständen beruht, die nicht in der direkten oder indirekten Verantwortung der staatlichen Behörde liegen oder die für sich genommen nicht die Standards von Art. 3 EMRK verletzen (vgl. EGMR, Urteil vom 27.5.2008 - 26565/05 [N. v. United Kingdom] - HUDOC Rn. 32 m. w. N.).
a) Die von den Klägern geschilderte Flucht vor dem IS aus ihrem Heimatdorf R. im Distrikt Sindjar vermag eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung im Falle ihrer Rückkehr in den Irak nicht zu rechtfertigen, da nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 30.7.2019, a. a. O., Rn. 68 ff.) nicht (mehr) von einer Gruppenverfolgung von Yeziden im Distrikt Sindjar auszugehen ist.
b) Auch die dortige schlechte humanitäre Lage rechtfertigt nicht die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, da diese nicht auf einen Akteur i. S. v. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i. V. m. § 3c AsylG zurückzuführen ist.
Trotz der identischen Formulierung in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG und Art. 3 EMRK führt das Vorliegen der tatsächlichen Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK nicht zwingend zu einer Zuerkennung subsidiären Schutzes. Denn es reicht nicht aus, dass die Voraussetzungen eines Tatbestandes nach § 4 Abs. 1 AsylG erfüllt sind. Vielmehr sind gemäß § 4 Abs. 3 AsylG auch die Anforderungen der §§ 3c bis 3e AsylG zu beachten, die für den subsidiären Schutz entsprechend gelten. Erforderlich ist daher, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadens von einem der in § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht, also vom Staat, von Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die vorgenannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise der tatsächlichen Gefahr eines ernsthaften Schadens zu bieten.
Daher können schlechte humanitäre Bedingungen, die nicht auf direkte oder indirekte Handlungen oder Unterlassungen staatlicher oder nichtstaatlicher Akteure zurückzuführen sind, nicht zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG führen (vgl. Beschluss des Senats vom 31.5.2018 - 9 LA 61/18 - juris Rn. 6 - 13; so auch VGH BW, Urteile vom 17.1.2018, a. a. O., Rn. 168 ff.; vom 5.12.2017, a. a. O., Rn. 183 ff.). Sie können nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK (nur) ein nationales Abschiebungsverbot nach sich ziehen. Denn die Gewährung subsidiären Schutzes setzt - wie ausgeführt - voraus, dass die Gefahr eines ernsthaften Schadens von einem der in § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylG genannten Akteure ausgeht (vgl. auch Art. 6 der Richtlinie 2011/95/EU). Nach dem 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/95/EU fallen "diejenigen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, die in den Hoheitsgebieten der Mitgliedstaaten verbleiben dürfen, nicht weil sie internationalen Schutz benötigen, sondern aus familiären oder humanitären Ermessensgründen", ausdrücklich nicht unter diese Richtlinie. Dementsprechend hat der Gerichtshof der Europäischen Union bereits entschieden, dass Art. 15 Buchstabe b der Vorgängerrichtlinie 2004/83/EG dahin auszulegen war, dass der darin definierte ernsthafte Schaden eine Situation nicht erfasst, in der eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, die ein an einer schweren Krankheit leidender Antragsteller bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland erfahren könnte, auf das Fehlen einer angemessenen Behandlung in diesem Land zurückzuführen ist, ohne dass ihm die Versorgung absichtlich verweigert würde (vgl. EuGH, Urteil vom 24.4.2018 - C-353/16 - juris Rn. 58 und Urteil vom 18.12.2014 - C-542/13 - juris Rn. 41).
Dem folgend besteht kein Anspruch der Kläger auf Zuerkennung subsidiären Schutzes, da die humanitären Bedingungen im Distrikt Sindjar derzeit nicht auf einen Akteur i. S. v. § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylG zurückzuführen sind (so auch VG Oldenburg, Urteil vom 28.5.2019 - 15 A 409/19 -; VG Oldenburg, Urteil vom 21.5.2019 - 15 A 748/19 - juris Rn. 44; VG Karlsruhe, Urteil vom 4.7.2018 - A 10 K 17769/17 - juris Rn. 33; VG Berlin, Urteil vom 22.11.2017 - 25 K 3.17 A - juris Rn. 42; a. A., aber ohne nähere Begründung wohl VG Aachen, Urteil vom 11.6.2018 - 4 K 530/18.A - juris Rn. 107 - 111).
So ist den Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen, dass der irakische Staat oder die autonome Region Kurdistan-Irak als staatliche Akteure (vgl. § 3c Nr. 1 AsylG) ein Interesse an einer Verschärfung oder Aufrechterhaltung der schlechten humanitären Lage zeigen und diese auf ihre Handlungen oder Unterlassungen zurückzuführen ist. Die kritische Versorgungslage (insbesondere hinsichtlich Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung) im Sindjar wird vielmehr durch die allgemein schwierige wirtschaftliche Situation im Irak sowie maßgeblich durch die angespannte Sicherheitslage negativ beeinflusst und bestimmt. Insofern ist auch nicht festzustellen, dass einem der genannten staatlichen Akteure in der Region ein wesentlicher Beitrag direkt oder indirekt anzulasten wäre und eine Verhaltensänderung zu einer unmittelbaren Verbesserung der Lage führen könnte. Insbesondere wird weder die notwendige medizinische oder humanitäre Versorgung absichtlich vorenthalten noch werden all diese Umstände gezielt herbeigeführt. Vielmehr gibt es staatliche Aufbauprogramme für die ehemals vom IS besetzten Gebiete (vgl. dazu im Einzelnen z. B. Congressional Research Service (CRS), Iraq: Issues in the 116th Congress, 26.3.2019, S. 17 - 18) sowie Unterstützung durch vor Ort tätige Hilfsorganisationen (vgl. z. B. Médecins Sans Frontières (MSF), Sinjar, Irak: Wiedereröffnung des Allgemeinspitals in Sinuni, 14.11.2018; The New Humanitarian (TNH), Iraq's Yazidis return to a healthcare crisis, 16.3.2018, S. 7 - 8 des Ausdrucks). Dass deren Tätigkeit wesentlich beeinträchtigt würde, ist nicht ersichtlich. Auch die Yezidische Hilfsorganisation YAZDA, deren Tätigkeit Anfang Januar 2017 in Dohuk von der kurdischen Geheimpolizei untersagt wurde, scheint inzwischen wieder aktiv werden zu dürfen (vgl. BFA, Jesiden in Dahouk und Bagdad - Lebensräume der Jesiden, 26.7.2018, S. 18 f.). Wenn auch teilweise von einer Diskriminierung von Hilfsorganisationen, die Yeziden humanitäre Hilfe leisten, und über eine vorübergehende Warenblockade in Bezug auf den Distrikt Sindjar durch die Behörden Kurdistan-Iraks in der Vergangenheit berichtet worden ist (vgl. BFA, Jesiden in Dahouk und Bagdad - Lebensräume der Jesiden, 26.7.2018, S. 14, 18), bietet dies im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nach Einschätzung des Senats noch keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, die humanitäre Lage sei auf die Behörden Kurdistan-Iraks als Verfolgungsakteur zurückzuführen.
Es ergeben sich auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte, dass die humanitäre Situation auf Handlungen oder Unterlassungen der in der Region ansässigen Milizen als quasistaatliche Akteure (vgl. § 3c Nr. 2 AsylG) zurückzuführen ist.
Handlungen, die der IS als nichtstaatlicher Akteur (vgl. § 3c Nr. 3 AsylG) während seiner Gebietsherrschaft in der Region vollzogen hat, wie die Zerstörung und Plünderung von Wohnhäusern (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Jesiden in der Provinz Ninawa, 11.2.2019, S. 9 f.) sowie die Zerstörungen in der Landwirtschaft (vgl. Amnesty International, Dead Land, Islamic State's Deliberate destruction of Iraq's farmland, 13.12.2018) sind nicht (mehr) geeignet, einen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes zu rechtfertigen. Entscheidender Zeitpunkt für die Frage, ob ein ernsthafter Schaden durch einen Akteur i. S. v. § 4 Abs. 3 i. V. m. § 3c AsylG droht, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG derjenige der letzten mündlichen Verhandlung. Dabei ist hier zu beachten, dass der militärische Sieg über den IS Ende 2017 eine Zäsur darstellt. Eine (hier möglicherweise bestehende) Fortwirkung vorangegangener Handlungen oder Unterlassungen des IS kann zwar mitursächlich für die aktuelle humanitäre Lage sein. Allein dies genügt aber nicht, um davon auszugehen, dass der drohende Schaden noch immer vom IS als Akteur i. S. v. § 3c AsylG ausgeht. Vielmehr müssten die früheren Handlungen oder Unterlassungen des IS noch einen wesentlichen Beitrag für die derzeitige humanitäre Lage darstellen. Nach Auffassung des Senats lässt sich dies nicht feststellen. Die humanitäre Lage im Sindjar wird seit dem militärischen Sieg über den IS nicht mehr durch diesen, sondern entscheidend durch die allgemeine schwierige wirtschaftliche Situation, die seither durchgeführten staatlichen Aufbauprojekte sowie die Unterstützung durch Hilfsorganisationen geprägt (hierzu die voranstehenden Ausführungen).
Es liegen auch keine aktuellen Handlungen oder Unterlassungen des IS vor, die als wesentlicher Beitrag zur aktuellen humanitären Lage zu bewerten sind. Nachdem der IS die territoriale Herrschaftsgewalt im Sindjar verloren und sich zu einer aus dem Untergrund operierenden Terrorgruppe, die sich auf Selbstmordanschläge und Guerilla-Taktik konzentriert (vgl. European Asylum Support Office (EASO), Country of Origin Information Report, Iraq, Security situation, März 2019, S. 34; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12.2.2018, S. 15), entwickelt hat, ist er derzeit nach den vorliegenden Erkenntnissen schon nicht mehr in der Lage, die humanitären Verhältnisse in der Region Sindjar wesentlich zu beeinflussen. Insbesondere ergeben sich nach der Einschätzung des Senats keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass die humanitäre Situation darauf zurückzuführen ist, dass der IS in der Herkunftsregion der Kläger Felder in Brand setzt. Zwar hat das Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED) für den Monat Juni 2019 drei sicherheitsrelevante Vorfälle statistisch erfasst, in denen es um brennende Felder im Sindjar geht. Es bleibt aber bereits unklar, wer dafür verantwortlich ist. Den Angaben zu den Vorfällen, in denen es zu den Verursachern der Brände jeweils heißt, es handele sich um eine nicht identifizierte bewaffnete Gruppierung, lässt sich dies nicht entnehmen. Zudem ist nicht erkennbar, dass die Feldbrände im Sindjar ein Ausmaß angenommen hätten, das es rechtfertigt, davon zu sprechen, dass die humanitäre Lage im Sindjar auf das Inbrandsetzen von Feldern zurückzuführen ist. Zudem ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte, dass der IS derzeit primär das Ziel verfolgt, die humanitäre Lage im Distrikt Sindjar durch seine Aktivitäten zu verschlechtern.
c) Den Klägern droht im Fall einer Rückkehr in den Irak auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder eine erniedrigende Behandlung i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG aufgrund der allgemeinen Situation der Gewalt im Irak.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte kann zwar eine allgemeine Situation der Gewalt im Abschiebezielstaat für sich genommen in Fällen ganz extremer allgemeiner Gewalt ("in the most extreme cases of general violence") eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nach sich ziehen, wenn eine tatsächliche Gefahr einer Fehlhandlung ("ill-treatment") infolge des bloßen Umstands der Anwesenheit im Zielstaat besteht ("where there is a risk of ill-treatment simply by virtue of an individual being exposed to such violence on return") (vgl. EGMR, Urteile vom 13.12.2016 - 41738/10 [Paposhvili v. Belgium] - HUDOC Rn. 86; vom 23.8.2016, a. a. O., Rn. 53; vom 9.4.2013 - 70073/10 und 44539/11 [H. und B. v. United Kingdom] - HUDOC Rn. 91 f.; vom 29.1.2013 - 60367/10 [S. H. H. v. United Kingdom] - HUDOC Rn. 73 und 79; vom 28.6.2011 - 8319/07 und 11449/07 [Sufi und Elmi v. United Kingdom] - HUDOC Rn. 218 und 241; vom 20.1.2009 - 32621/06 [F.H. v. Sweden] - HUDOC Rn. 90).
Der Begriff "Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers" in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG ist aber dahingehend auszulegen, dass er nur solche Situationen erfasst, in denen der den subsidiären Schutz Beantragende spezifisch der Gefahr ausgesetzt ist, einen Schaden ganz bestimmter Art zu erleiden. Demgegenüber umfasst der in § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG definierte Schaden infolge willkürlicher Gewalt, da er in "einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit" des Antragstellers besteht, eine Schadensgefahr allgemeinerer Art (vgl. EuGH, Urteil vom 17.2.2009 - C-465/07 - juris Rn. 32 f. zu Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG). Eine für § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG erforderliche spezifische Gefahr ist für die Kläger nicht erkennbar.
3. Es ist auch nicht beachtlich wahrscheinlich, dass den Klägern bei einer Rückkehr in den Irak eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG droht.
Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG können auch erfüllt sein, wenn sich der innerstaatliche bewaffnete Konflikt auf einen Teil des Staatsgebiets beschränkt und dem Ausländer die gesetzlich definierte Gefahr in diesem Landesteil droht. In diesem Fall ist Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der tatsächliche Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr. Das ist in der Regel seine Herkunftsregion, in die er typischerweise zurückkehren wird. Ein Abweichen von der Herkunftsregion kann nicht damit begründet werden, dass der Ausländer infolge eines bewaffneten Konflikts den personalen Bezug zu seiner Herkunftsregion verloren hat, etwa weil Familienangehörige getötet worden sind oder diese Gebiete ebenfalls verlassen haben. Auch soweit die nachlassende subjektive Bindung zur Herkunftsregion durch Umstände begründet worden ist, die mittelbare Folgen des bewaffneten Konflikts sind (z. B. Beeinträchtigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, nachhaltige Verschlechterung der Versorgungslage), und es mangels Existenzgrundlage und Zukunftsperspektive eine nachvollziehbare Haltung ist, nicht in die Herkunftsregion zurückkehren zu wollen, behält diese für die schutzrechtliche Betrachtung grundsätzlich ihre Relevanz. Allerdings ist jedenfalls dann nicht (mehr) auf die Herkunftsregion abzustellen, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unabhängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben. Durch eine solche freiwillige Ablösung verliert die Herkunftsregion ihre Bedeutung als Ordnungs- und Zurechnungsmerkmal und scheidet damit als Anknüpfungspunkt für die Gefahrenprognose aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.1.2013, a. a. O., Rn. 13 f. zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F.).
Danach ist hier Bezugspunkt für die Gefahrenprognose der Distrikt Sindjar in der Provinz Ninive. Denn die Kläger sind dort geboren, haben sich dort aufgehalten und sind erst mit dem Vorrücken des IS Anfang August 2014 in die Region Kurdistan-Irak geflohen.
Es kann offen bleiben, ob im Distrikt Sindjar in der Provinz Ninive derzeit ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht. Jedenfalls besteht für die Kläger dort im Rahmen eines etwaigen solchen Konflikts keine ernsthafte individuelle Bedrohung ihres Lebens oder ihrer Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt. Dies gilt selbst dann, wenn man die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU für anwendbar hielte, da stichhaltige Gründe dagegen sprächen, dass die Kläger erneut von einem solchen Schaden bedroht sind.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass und unter welchen Voraussetzungen eine ernsthafte individuelle Bedrohung i. S. d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG anzunehmen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 24; Beschluss vom 27.6.2013 - 10 B 11.13 - juris Rn. 7; Urteile vom 17.11.2011, a. a. O., Rn. 17 ff.; vom 27.4.2010, a. a. O., Rn. 32 ff.; vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 34 ff.).
Danach genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.2.2014, a. a. O., Rn. 24). Allerdings kann sich eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008, a. a. O., Rn. 34 zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F.). Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011, a. a. O., Rn. 18 m. w. N.).
Fehlen individuelle gefahrerhöhende Umstände, so kann eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011, a. a. O., Rn. 18 m. w. N.). Erforderlich ist insoweit ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011, a. a. O., Rn. 18 m. w. N.). Für die individuelle Betroffenheit von der Gefahr bedarf es Feststellungen zur Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet, die jedenfalls auch eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, zu umfassen hat, sowie einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.11.2011, a. a. O., Rn. 23; vom 13.2.2014, a. a. O., Rn. 24). Allerdings sieht das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls ein Risiko von 1:800 (0,125 %), in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.11.2011, a. a. O., Rn. 23 zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a. F.).
Diese Maßstäbe legt auch der Senat zugrunde (vgl. Senatsbeschluss vom 4.1.2018 - 9 LA 160/17 - juris Rn. 17; Senatsurteile vom 19.9.2016, a. a. O., Rn. 69 ff.; vom 7.9.2015, a. a. O., Rn. 44 ff.; so auch VGH BW, Urteil vom 17.1.2018, a. a. O., Rn. 189 ff.; BayVGH, Beschluss vom 11.12.2017 - 13a ZB 17.31374 - juris Rn. 7; OVG RP, Beschluss vom 1.9.2017 - 8 A 11005/17 - juris Rn. 9; OVG LSA, Urteil vom 23.7.2014 - 3 L 53/12 - juris Rn. 26; SächsOVG, Urteil vom 26.2.2013 - A 4 A 702/08 - juris Rn. 60).
a) Für die Kläger sind bei einer Rückkehr in den Distrikt Sindjar in der Provinz Ninive besondere gefahrerhöhende Umstände nicht ersichtlich.
Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergibt sich nicht, dass Yeziden derzeit bei einer Rückkehr in den Sindjar nach der Verdrängung des IS einer gegenüber anderen Bewohnern der Region erhöhten Gefahr ausgesetzt wären. Bei den derzeitigen Aktivitäten des IS stehen nicht die Yeziden im Mittelpunkt, vielmehr werden nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen angegriffen (vgl. USDOS, 2017 Report on International Religious Freedom - Iraq, 29.5.2018, S. 1 des Ausdrucks). Auch in Bezug auf die weiteren Handlungsakteure in der Region, insbesondere der schiitischen Milizen, ist dies nicht ersichtlich. Gezielte Übergriffe schiitischer Milizen gegenüber Yeziden im Sindjar in nennenswertem und im Verhältnis zu anderen Bewohnern des Distrikts überproportionalem Umfang sind den vorliegenden Erkenntnismitteln nicht zu entnehmen (vgl. dazu im Einzelnen BFA, Übergriffe schiitischer Milizen im Sindschar, 23.7.2018, m. w. N.). Vielmehr gewannen die schiitischen Milizen nach ihrem Vordringen in den Sindjar durch die Zusammenarbeit mit lokalen yezidischen Stammesführern an Akzeptanz. Sie tolerierten die örtlichen yezidischen Milizen und gingen im Sicherheitsbereich weitreichende Kooperationen ein, indem sie die yezidischen in die schiitischen Milizen integrierten bzw. Yeziden rekrutierten (vgl. International Crisis Group (ICG), Winning the Post-ISIS Battle for Iraq in Sinjar, 20.2.2018, S. 10 - 11).
Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Tätigkeit des Klägers zu 1) als Krankenwagenfahrer - nach seinen Angaben in seiner behördlichen Anhörung zunächst in Dohuk, dann in seinem Heimatort R. - eine besondere Gefahrerhöhung begründet.
Dass Rückkehrer aus dem westlichen Ausland im Sindjar im Vergleich zu sonstigen Bewohnern verstärkt Übergriffen ausgesetzt sind, kann den vorliegenden Erkenntnismitteln ebenfalls nicht entnommen werden.
b) In dem Distrikt Sindjar besteht auch keine außergewöhnliche Situation, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.
aa) Hinsichtlich der vorzunehmenden Gegenüberstellung der Bewohnerzahl mit der Anzahl der Referenzfälle verkennt der Senat nicht, dass die Angaben zur Bevölkerungszahl auf Schätzungen beruhen und die statistischen Erfassungen der bekannt gewordenen Opferzahlen kein abschließendes Bild der Lage zeichnen. Es ergeben sich indes keine durchgreifenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Zahlen nicht ansatzweise aussagekräftig sind und daher von einer Einbeziehung der statistischen Erfassungen gänzlich abzusehen wäre (so auch VG Oldenburg, Urteil vom 21.5.2019, a. a. O., Rn. 48; VG Köln, 10.4.2019 - 4 K 12036/17.A - juris Rn. 89 - 91, 99; VG M-Stadt, Urteil vom 29.10.2018 - 8 A 3336/18 - juris Rn. 50; a. A. VG Oldenburg, Urteil vom 23.8.2018 - 15 A 1984/17 - juris Rn. 53 - 61; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 7.3.2018 - 15a K 7127/16.A - juris Rn. 64 - 78 zu Bagdad).
Dass die statistischen Zahlen des Iraq Body Count-Projektes, der United Nations Assistance Mission for Iraq (UNAMI) sowie des ACLED nicht das tatsächliche Ausmaß der Gewalt im Irak darstellen können, sondern lediglich aus einer Zusammenfassung erfasster einzelner Vorfälle bestehen, ist zunächst kein spezifisches Problem der Datenerhebung ziviler Opfer im Irak, sondern einer (nicht unüblichen) Statistik über bekannt gewordene Vorfälle, wie z. B. auch der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamtes, immanent und nimmt der Statistik nicht zugleich jegliche Aussagekraft. Angesichts der Präsenz einer Vielzahl von Hilfsorganisationen im Sindjar sowie dem Interesse der Öffentlichkeit an der Region, das an der umfassenden Berichterstattung deutlich wird, liegt die Annahme fern, die Statistiken erfassten nur einen geringen Bruchteil der Vorfälle und seien daher für eine Relationsbetrachtung von vornherein nicht geeignet. Erhebungsproblemen kann mit einer auf Grundlage vorhandener Erkenntnisse - wie z. B. über die statistische Ermittlungsmethode sowie Art und Umfang der Probleme bei der Datenerhebung - zu ermittelnden Dunkelziffer an Referenzfällen begegnet werden (in der PKS ist die Rede von Hell- und Dunkelfeld). So geht der Senat beispielsweise bei den Zahlen von UNAMI von einer höheren Dunkelziffer aus, da nur verifizierte Berichte in die Statistik aufgenommen werden. Selbst wenn es, wie in der Vergangenheit teilweise berichtet wurde, auch aktuell zu Behinderungen bei der Erfassung der Fallzahlen kommen sollte (so noch BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, 23.11.2017, S. 86 f.; im aktuellen Bericht des BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 20 - 23 dazu hingegen keine Ausführungen mehr), ist nicht erkennbar, dass sie ein Ausmaß angenommen hätten, dem mit der Annahme einer Dunkelziffer nicht mehr seriös begegnet werden könnte. Soweit die US-amerikanisch geführten Streitkräfte in einem Einzelfall keine genügenden Anhaltspunkte für zivile Opfer infolge eines Luftangriffs zu erkennen vermocht haben (vgl. Human Rights Watch, Us-led Coalition Iraq's Lame Boast on Civilian Death Inquiries, 19.12.2017), ist eine wesentliche Auswirkung auf die vorgenannten statistischen Erfassungen nicht ersichtlich. Es bleibt zudem bereits unklar, ob diese Zweifel berechtigt sind, und es ist - zumindest in Bezug auf das Iraq Body Count-Projekt oder ACLED - nicht ersichtlich, dass dies der Aufnahme der zivilen Opfer in die Statistiken entgegenstand. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine - fehlerhafte Aufnahme - sogar zu einer nicht gerechtfertigten höheren statistisch erfassten Opferzahl geführt hätte.
Zwischenzeitlich liegt auch eine Aufgliederung der Zahlen des Iraq Body Count-Projektes auf die einzelnen Provinzen des Irak sowie die einzelnen Distrikte der Provinz Ninive vor (vgl. EASO, Country of Origin Information, Iraq, Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017 - 2018, Februar 2019, S. 26), die es - neben anderen Quellen - ermöglicht, die regionalen Unterschiede bei der Sicherheitslage zu berücksichtigen.
Die aktuelle Bevölkerungszahl im Distrikt Sindjar lässt sich mit Hilfe des unten dargelegten Berechnungsmodells zumindest annäherungsweise ermitteln.
Auch das Bundesverwaltungsgericht (Urteil vom 21.4.2009, a. a. O., Rn. 19) hat zur Relationsbetrachtung bei einer Gruppenverfolgung i. S. v. §§ 3 ff. AsylG klargestellt, dass es nicht erforderlich ist, die zahlenmäßigen Grundlagen der gebotenen Relationsbetrachtung zur Verfolgungsdichte mit quasi naturwissenschaftlicher Genauigkeit festzustellen. Vielmehr reicht es aus, die ungefähre Größenordnung der Verfolgungsschläge zu ermitteln und sie in Beziehung zur Gesamtgruppe der von Verfolgung Betroffenen zu setzen. Bei unübersichtlicher Tatsachenlage und nur bruchstückhaften Informationen aus einem Krisengebiet darf auch aus einer Vielzahl vorliegender Einzelinformationen eine zusammenfassende Bewertung des ungefähren Umfangs der flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgungsschläge und der Größe der verfolgten Gruppe vorgenommen werden. Auch für die Annahme einer erheblichen Dunkelziffer nicht bekannter Übergriffe müssen die gerichtlichen Feststellungen zur Größenordnung der Gesamtheit der Anschläge in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise begründet werden. Diese Maßstäbe zur Feststellung einer Gruppenverfolgung gelten auch dann, wenn den Betroffenen schwere Gefahren, insbesondere Gefahren für Leib und Leben drohen. Das Ausmaß der drohenden Gefahr ist in die Bewertung einzubeziehen, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist. Diese Bewertung setzt als Grundlage jedoch Feststellungen zu den Merkmalen der Gruppenverfolgung voraus, die alle Möglichkeiten der Tatsachenermittlung ausschöpfen (vgl. hierzu bereits Urteil des Senats vom 30.7.2019, a. a. O., Rn. 55).
bb) Bei der vorzunehmenden Beurteilung des Gefahrengrades ist zunächst die aktuelle Zahl der Einwohner im Distrikt Sindjar zu ermitteln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es in den letzten Jahren angesichts der mit der Eroberung des Sindjar durch den IS einhergehenden Fluchtbewegungen zu erheblichen Veränderungen der Bevölkerungszahl gekommen sein dürfte. Angaben zu der aktuellen Bevölkerungszahl im Sindjar sind nicht bekannt. Nach den aktuellsten Schätzungen von EASO (Country of Origin Information, Iraq, Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017 - 2018, Februar 2019, S. 26) - das sich auf einen, unter anderem auf Auswertung von Kartenmaterialien beruhenden Datensatz von WorldPop (https://data.humdata.org/dataset/worldpop-by-cod-irq) mit Sitz an der Universität von Southhampton (vgl. EASO, Country of Origin Information, Iraq, Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017 - 2018, Februar 2019, S. 11) bezieht - wird von einer Bevölkerungszahl für den Distrikt Sindjar von 84.074 Personen ausgegangen. Der Datensatz datiert jedoch von Januar 2015 und kann damit bereits nicht die Anzahl der Rückkehrer nach der Verdrängung des IS aus dem Sindjar umfassen. Daher ist die Bevölkerungszahl anhand derjenigen vor der Eroberung des Sindjar durch den IS abzüglich der Anzahl der infolge des Einmarsches des IS aus dem Distrikt flüchtenden Personen sowie der von dort stammenden (insbesondere Todes- und Entführungs-)Opfer zuzüglich der zwischenzeitlich dorthin zurückgekehrten Personen zu ermitteln.
Der Senat ist in seinem Urteil vom 30. Juli 2019 (a. a. O., Rn. 83 ff.) auf Grundlage dieser Ermittlungsmethode davon ausgegangen, dass derzeit etwa 138.500 Yeziden im Sindjar leben, was bei Annahme eines - mangels entgegenstehender Anhaltspunkte - weiter bestehenden Bevölkerungsanteils von 83 % (vgl. EZKS, Gutachten vom 16.9.2013, S. 12) eine Gesamtbevölkerungszahl von (zugunsten der Kläger abgerundet) 166.800 Personen ergibt.
Nach den Zahlen des Iraq Body Count-Projektes, einer Datenbank, die von der in London ansässigen Firma Conflict Casualities Monitor betrieben wird (abrufbar unter https://www.iraqbodycount.org/), das seit 2003 die Gesamtanzahl der zivilen Todesfälle aufgrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen im Irak dokumentiert, wobei seit Februar 2017 nur vorläufige Zahlen verfügbar sind, entfielen auf die Provinz Ninive im Kalenderjahr 2018 insgesamt 1.596, davon auf den Distrikt Sindjar 95 Todesopfer (vgl. EASO, Country of Origin Information, Iraq, Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017 - 2018, Februar 2019, S. 26). Damit läge das Risiko infolge der bewaffneten Auseinandersetzungen als Zivilist getötet zu werden bei etwa 1:1755 (0,05693 %) und bei Annahme eines Faktors von zwei für statistisch nicht erfasste, aber in die Bewertung einzubeziehende verletzte Zivilisten sowie einer vorhandenen Dunkelziffer an Opfern bei etwa 1:877 (0,11386 %). Ein höherer Faktor erscheint angesichts des Umstandes, dass die statistischen Erfassungen auf öffentlich zugänglichen Quellen, wie Pressemitteilungen, Informationen von Nichtregierungsorganisationen oder Primärquellen beruhen und das Ziel einer erschöpfenden Darstellung aller Konfliktfälle mit Todesopfern verfolgen (vgl. zur Methode im Einzelnen EASO, Country of Origin Information, Iraq, Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017 - 2018, Februar 2019, S. 7 - 11), nicht sachgerecht.
In der statistischen Erfassung United Nations Casuality Figures for Iraq der UNAMI, deren Zahlen nach eigenen Angaben als absolutes Minimum zu betrachten sind, da nur verifizierte Berichte in die Statistik aufgenommen werden, liegen die Fallzahlen deutlich niedriger und werden für das Jahr 2018 mit 935 zivilen Todesopfern und 1.654 verletzten Zivilisten infolge der bewaffneten Auseinandersetzungen sowie Terroranschlägen und sonstiger Gewalt im gesamten Irak angegeben. Eine weitere Aufgliederung auf die einzelnen Provinzen erfolgt in den Berichten lediglich für die drei im jeweiligen Monat am stärksten betroffenen. Dabei sind die Provinzen Bagdad und Anbar am häufigsten vertreten. Den Berichten lässt sich für die Provinz Ninive für das Jahr 2018 entnehmen, dass für Januar 13 Todesopfer und 7 Verletzte, für Juli 13 Todesopfer und 5 Verletzte, für August 29 Todesopfer und 10 Verletzte, für Oktober 29 Tote und 36 Verletzte, für November 8 Tote und 19 Verletzte und für Dezember 7 Tote und 19 Verletzte erfasst wurden. Da die Provinz Ninive in den übrigen Monaten nicht aufgeführt ist, kann bei Betrachtung der Fallzahlen der genannten Provinzen für Ninive für Februar von höchstens 12 Toten und 11 Verletzten, für März von höchstens 11 Toten und 22 Verletzten, für April von höchstens 10 Toten und 21 Verletzten, für Mai von höchstens 20 Toten und 16 Verletzten, für Juni von höchstens 19 Toten und 18 Verletzten und für September von höchstens 9 Toten und 38 Verletzten ausgegangen werden. Folglich lag die erfasste Zahl der zivilen Todesopfer in der Provinz Ninive für das Jahr 2018 bei maximal 180 und die der verletzten Zivilisten bei höchstens 222. Dabei dürfte der überwiegende Anteil mit Blick auf den Bericht von EASO (Country of Origin Information, Iraq, Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017 - 2018, Februar 2019, S. 41) auf den Distrikt Mossul gefallen sein. So betrug der Anteil des Distrikts Sindjar an den Todesopfern in der Provinz Ninive nach der dortigen Erfassung lediglich 5,95238 %. Übernimmt man diesen Prozentsatz hier für die Verteilung auf die Distrikte, gelangt man zu etwa 24 Referenzfällen im Sindjar und einer Wahrscheinlichkeit von etwa 1:6.950 (0,01438 %), bei einem aufgrund der nach Angaben von UNAMI vorsichtigen Schätzungen angenommenen Faktor von drei für die Dunkelziffer von etwa 1:2.316 (0,04316 %).
Das Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD) geht auf Grundlage der Daten von ACLED, die angeben, konservative Schätzungen zu verwenden, in seinen Kurzübersichten zu den ersten drei Quartalen 2018 vom 20. Dezember 2018 davon aus, dass in diesem Zeitraum 737 Personen in der Provinz Ninive bei Konfliktvorfällen gestorben sind, was bei Annahme von durchschnittlich 245 Todesfällen pro Quartal eine Gesamtzahl für das Jahr 2018 von 980 ergibt. Geht man auch hier von einem Anteil des Distrikts Sindjar von 5,95238 % aus und nimmt zugunsten der Kläger an, dass es sich bei sämtlichen Opfern um Zivilisten handelt, gelangt man bei dann etwa 58 Referenzfällen zu einer Wahrscheinlichkeit von etwa 1:2.875 (0,03477 %) sowie bei Annahme eines Faktors von drei für nicht erfasste verletzte Zivilisten sowie eine darüber hinausgehende Dunkelziffer an Referenzfällen zu einer Wahrscheinlichkeit von etwa 1:958 (0,10431 %).
Danach lag das Risiko, als Zivilperson im Distrikt Sindjar infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines etwaigen dortigen innerstaatlichen Konflikts getötet oder verletzt zu werden, für das Jahr 2018 bei den unterschiedlichen Erhebungen jeweils unterhalb des vom Bundesverwaltungsgerichts für weit von der Erheblichkeitsschwelle entfernt erachteten Risikos von 1:800 bzw. 0,125 %.
Es ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte, dass sich die Sicherheitslage im Jahr 2019 verschlechtert hat. Vielmehr ist allen vorgenannten Statistiken eine weitere Abnahme der Fallzahlen zu entnehmen (vgl. dazu auch Urteil des Senats vom 30.7.2019, a. a. O., Rn. 95 ff.). Für das Jahr 2019 sind auf der Homepage von ACLED (www.acleddata.com/data/; abgerufen am 18.9.2019) mehrere sicherheitsrelevante Fälle für den Distrikt Sindjar erfasst worden. Dabei handelt es sich jedoch weit überwiegend um Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen bewaffneten Gruppierungen in der Region, bei denen keine Angaben zu zivilen Opfern gemacht worden sind. Daneben gibt es einen Bericht vom 15. April 2019, nach dem ein Mukthar nach seiner Entführung durch den IS unter dem Vorwurf der Spionage für die Volksmobilisierungseinheiten getötet worden ist. Nach einem Bericht vom 8. Juni 2019 sind mehrere Feuerwehrleute durch eine unkonventionelle Sprengvorrichtung verletzt worden, als sie ein von einer unbekannten bewaffneten Gruppierung gelegtes Feuer löschen wollten. Einem Bericht vom 24. Juni 2019 zufolge hat der IS drei Personen gekidnappt. Einen Anstieg der Referenzfälle lässt sich diesen Daten ebenfalls nicht entnehmen. Vielmehr scheint sich der Trend einer abnehmenden Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle mit zivilen Opfern im Sindjar auch im Jahr 2019 fortzusetzen.
Auch eine wertende Gesamtbetrachtung, insbesondere unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage im Sindjar, vermag keine andere rechtliche Bewertung zu rechtfertigen. Zu der medizinischen Versorgungslage in der Herkunftsregion der Kläger, der Zerstörung der ländlichen Gebiete infolge der dortigen kriegerischen Auseinandersetzungen, den Aufbauprojekten in der Region sowie den Rückkehrbewegungen in den Distrikt Sindjar wird auf die Ausführungen des Senats bei der Relationsbetrachtung im Rahmen der Frage der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in seinem Urteil vom 30. Juli 2019 (a. a. O., Rn. 110 ff.) Bezug genommen.
III. Die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG (i. V. m. Art. 3 EMRK) liegen nicht vor.
1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685 - EMRK -) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. In diesem Zusammenhang kommt vor allem eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Frage. Danach darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Kriterien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 3 EMRK zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.8.2018 - 1 B 25.18 - Asylmagazin 2018, 376 = juris Rn. 8).
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entnimmt Art. 3 EMRK die Verpflichtung, den Betroffenen nicht in ein bestimmtes Land abzuschieben, wenn es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gibt, dass er im Fall seiner Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. EGMR, Urteile vom 13.12.2016 - 41738/10 [Paposhvili v. Belgium] - HUDOC Rn. 173; vom 23.8.2016, a. a. O., Rn. 79; vom 14.4.2015 - 65692/12 [Tatar v. Schweiz] - HUDOC Rn. 39; vom 4.11.2014, a. a. O., Rn. 93; vom 23.10.2014 - 17239/13 [Mamazhonov v. Russia] - HUDOC Rn. 128). Insoweit sind die vorhersehbaren Folgen einer Rückkehr unter Berücksichtigung sowohl der allgemeinen Lage im Abschiebungszielstaat als auch der persönlichen Umstände des Ausländers zu prüfen (vgl. EGMR, Urteile vom 23.8.2016, a. a. O., Rn. 83; vom 5.9.2013 - 61204/09 [I. v. Sweden] - HUDOC Rn. 56; vom 6.6.2013 - 2283/12 [Mohammed v. Austria] - HUDOC Rn. 95; vom 29.1.2013, a. a. O., Rn. 72; vom 28.6.2011, a. a. O., Rn. 216; hierzu bereits Senatsbeschluss vom 25.5.2018 - 9 LA 64/18 - juris Rn. 6).
Wegen des absoluten Charakters des garantierten Rechts ist Art. 3 EMRK nicht nur auf eine von staatlichen Behörden ausgehende Gefahr anwendbar, sondern auch dann, wenn die Gefahr von Personen oder Gruppen herrührt, die keine staatlichen Organe sind. Allerdings muss gezeigt werden, dass die Gefahr real ist und die Behörden des Empfangsstaates nicht in der Lage sind, der Bedrohung durch die Gewährung angemessenen Schutzes vorzubeugen (vgl. EGMR, Urteile vom 23.8.2016, a. a. O., Rn. 80; vom 5.7.2016 - 29094/09 [A. M. v. The Netherlands] - HUDOC Rn. 79). Insofern können Gefahren, die unabhängig von der Verantwortlichkeit eines der in § 3 c AsylG genannten Akteure bestehen und daher als Anknüpfungsmerkmal für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG in der Regel ausgeschlossen sind, ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nach sich ziehen (siehe hierzu im Einzelnen und mit weiteren Nachweisen Senatsbeschluss vom 31.5.2018, a. a. O., Rn. 10 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geht der sachliche Schutzbereich des nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK über denjenigen des unionsrechtlichen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 AufenthG i. V. m. § 4 Abs. 1 AsylG nicht hinaus, soweit Art. 3 EMRK in Rede steht (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.6.2013, a. a. O., Rn. 25; s. a. Senatsurteil vom 28.7.2014 - 9 LB 2/13 - juris Rn. 14).
Wie bereits ausgeführt, kann eine allgemeine Situation der Gewalt im Abschiebungszielstaat für sich genommen nur in Fällen ganz extremer allgemeiner Gewalt ("in the most extreme cases of general violence") eine Verletzung von Art. 3 EMRK durch eine Abschiebung nach sich ziehen, wenn die Gefahr einer Fehlbehandlung ("ill-treatment") infolge des bloßen Umstands der Anwesenheit einer Person im Zielstaat besteht ("where there is a risk of ill-treatment simply by virtue of an individual being exposed to such violence on return") (vgl. EGMR, Urteile vom 13.12.2016, a. a. O., Rn. 86; vom 23.8.2016, a. a. O., Rn. 53; vom 9.4.2013, a. a. O., Rn. 91 f.; vom 29.1.2013, a. a. O., Rn. 73 und 79; vom 28.6.2011, a. a. O., Rn. 218 und 241). Dabei verwendet der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte für das Beweismaß zu Art. 3 EMRK den Begriff "real risk". Dieser entspricht dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, a. a. O., Rn. 22; Senatsurteil vom 20.7.2015 - 9 LB 320/14 - juris).
Der für die Beurteilung der Gefahr einer Fehlbehandlung erforderliche Gefahrengrad bemisst sich bei bewaffneten Unruhen im Abschiebungszielstaat u. a. nach den Gefahren, die sich aus den (verbreiteten) Kampfmethoden der Konfliktparteien für die Zivilbevölkerung ergeben, der Intensität und Ausdehnung des Konflikts sowie schließlich der auf Grund der Kampfhandlungen getöteten, verletzten und vertriebenen Zivilpersonen (vgl. EGMR, Urteil vom 28.6.2011, a. a. O., Rn. 241; s. a. EGMR, Urteil vom 29.1.2013, a. a. O., Rn. 91; s. a. Nds. OVG, Urteil vom 26.1.2012 - 11 LB 97/11 - juris Rn. 55). Dabei zieht der Senat (so schon im Urteil vom 29.1.2019 - 9 LB 93/18 - juris Rn. 44) im Rahmen der Prüfung nationalen Abschiebungsschutzes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK wegen einer allgemeinen Situation der Gewalt nicht die vom Bundesverwaltungsgericht (Urteile vom 13.2.2014, a. a. O., Rn. 24, vom 17.11.2011, a. a. O., Rn. 22 und vom 27.4.2010, a. a. O., Rn. 33) entwickelten Kriterien für die Bestimmung der für den subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG hinreichenden Gefahrendichte heran (anders BayVGH, Urteil vom 8.11.2018 - 13a B 17.31960 - Rn. 38; VGH BW, Urteile vom 9.11.2017 - A 11 S 789/17 - juris Rn. 259 und vom 17.1.2018, a. a. O., Rn. 495). Denn da sich Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2011/95/EU (vormals 2004/83/EG, Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung) inhaltlich von Art. 3 EMRK unterscheidet, während Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU (vormals 2004/83/EG) im Wesentlichen Art. 3 EMRK entspricht (vgl. EuGH, Urteil vom 17.2.2009, a. a. O., LS 2 und Rn. 28), obliegt die Prüfung eines nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 5 AufenthG anders als die Prüfung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG dem Maßstab des Art. 3 EMRK unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, auf die auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Kriterien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. d. § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK zurückzugreifen ist (s. o.).
Auch schlechte humanitäre Verhältnisse im Abschiebungszielstaat können in ganz besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK begründen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.8.2018, a. a. O., Rn. 9; Urteil vom 31.1.2013, a. a. O., Rn. 23 und 25).
Zwar haben die sozio-ökonomischen und humanitären Bedingungen im Abschiebungszielstaat weder notwendig noch einen ausschlaggebenden Einfluss auf die Frage, ob eine Person tatsächlich Gefahr läuft, im Aufnahmeland einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein (vgl. EGMR, Urteile vom 29.1.2013, a. a. O., Rn. 74; vom 28.6.2011, a. a. O., Rn. 278; vom 20.1.2009, a. a. O., Rn. 92; vom 11.1.2007 - 1948/04 [Salah Sheekh v. The Netherlands] - HUDOC Rn. 141). Denn Art. 3 EMRK dient hauptsächlich dem Schutz bürgerlicher und politischer Rechte (vgl. EGMR, Urteil vom 27.5.2008, a. a. O., Rn. 44).
Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebungszielstaat, die ganz oder in erster Linie auf Armut oder auf fehlende staatliche Mittel zurückzuführen sind, um mit auf natürlichen Umständen beruhenden Gegebenheiten umzugehen, können aber in Anwendung des in einem solchen Fall maßgeblichen (vgl. EGMR, Urteil vom 28.6.2011, a. a. O., Rn. 282), im Verfahren N. v. The United Kingdom entwickelten strengen Maßstabs in ganz besonderen Ausnahmefällen, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Abschiebung sprechen, zu einem Verstoß gegen Art. 3 EMRK führen (vgl. EGMR, Urteile vom 29.1.2013, a. a. O., Rn. 75; vom 28.6.2011, a. a. O., Rn. 278; siehe auch EGMR, Urteil vom 13.12.2016, a. a. O., Rn. 183 zu solchen ganz besonderen Ausnahmefällen).
Sind die schlechten humanitären Verhältnisse im Abschiebungszielstaat hingegen primär auf direkte oder indirekte Handlungen oder Unterlassungen dortiger Konfliktparteien zurückzuführen, hält der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte seinen im Verfahren M. S. S. v. Belgium and Greece (Urteil vom 21.1.2011 - 30696/06 - HUDOC) entwickelten und im Verfahren Sufi and Elmi v. The United Kingdom (Urteil vom 28.6.2011, a. a. O., Rn. 282 f.) auch im Hinblick auf die humanitären Bedingungen in Flüchtlingslagern in Süd- und Zentralsomalia angewandten weniger strengen Maßstab für besser geeignet, um einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK festzustellen (vgl. EGMR, Urteil vom 29.1.2013, a. a. O., Rn. 77). Danach muss die Fähigkeit des Betroffenen berücksichtigt werden, seine elementaren Bedürfnisse wie Nahrung, Hygiene und Unterkunft zu befriedigen, weiter seine Anfälligkeit für Fehlbehandlungen sowie seine Aussicht auf eine Verbesserung der Lage in angemessener Zeit (vgl. EGMR, Urteil vom 29.1.2013, a. a. O., Rn. 89 ff.).
Bezogen auf Abschiebungen in die Islamische Republik Afghanistan hat der Gerichtshof bislang den erstgenannten strengen Prüfungsmaßstab aus dem Verfahren N. v. The United Kingdom zugrunde gelegt (vgl. EGMR, Urteil vom 29.1.2013, a. a. O., Rn. 89 ff.; siehe auch EGMR, Urteil vom 13.10.2011 - 10611/09 [Husseini v. Sweden] - HUDOC Rn. 91 ff.; hierzu bereits Urteil des Senats vom 29.1.2019, a.a.O., Rn. 50; im Einzelnen auch VGH BW, Urteil vom 11.4.2018 - A 11 S 924/17 - juris Rn. 135). Er hat die Situation in Afghanistan im Verfahren S. H. H. v. The United Kingdom (Urteil vom 29.1.2013, a. a. O., Rn. 91) insoweit ausdrücklich zu derjenigen in Somalia abgegrenzt und ausgeführt, dass Afghanistan - im Gegensatz zu Somalia, wo es seit 1991 keine funktionierende Zentralregierung gebe - über eine funktionierende Zentralregierung und eine funktionierende Infrastruktur verfüge. Zudem stünde das Staatsgebiet, auch Kabul, wohin der Kläger zurückgeführt werden solle, unter staatlicher Kontrolle, während der Großteil der Gebiete in Süd- und Zentralsomalia unter der Kontrolle islamischer Aufständischer gestanden hätte. Es gäbe in Afghanistan auch nach wie vor eine bedeutende Präsenz internationaler Hilfsorganisationen, während in Somalia internationalen Hilfsorganisation die Genehmigung für den Einsatz in mehreren Gebieten verweigert worden sei. Schließlich könnten die Schwierigkeiten bei der Versorgung von Menschen mit Behinderungen in Afghanistan nicht auf Handlungen oder Unterlassungen der afghanischen Behörden zurückgeführt werden, sondern auf den Mangel an Ressourcen. So gäbe es Hinweise, dass die Regierung kleine Schritte zur Verbesserung der Versorgung von Menschen mit Behinderung unternähme.
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben für die Abgrenzung der Prüfungsmaßstäbe geht der Senat davon aus, dass eine Abschiebung in den Irak wegen der dortigen schlechten humanitären Verhältnisse nur in ganz besonderen Ausnahmefällen, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Abschiebung sprechen, gegen Art. 3 EMRK verstößt (strenger Maßstab), weil die Situation im Irak im Hinblick auf die genannten Umstände mit derjenigen in Afghanistan vergleichbar ist und sich von derjenigen in Süd- und Zentralsomalia im Zeitpunkt der dazu ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte deutlich unterscheidet.
Der Irak hat eine funktionierende Infrastruktur und eine funktionierende Zentralregierung in Bagdad (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12.1.2019, S. 6 f.), die - zumindest seit der Verdrängung des IS - ihr Staatsgebiet weitgehend unter Kontrolle hat. Zwar sind die in weiten Teilen des Landes stationierten schiitischen Milizen Einflüssen aus dem Iran ausgesetzt, aber mittlerweile in die Regierung eingebunden und unterstehen formal dem Premierminister als Oberbefehlshaber (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12.1.2019, S. 6 f.). Die Region Kurdistan-Irak mit den ihr zugehörigen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya ist zwar Teil der Bundesrepublik Irak, wird aber von der neu gewählten funktionierenden kurdischen Regionalregierung verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (vgl. Reuters, Nechirvan Barzani elected president of Kurdistan Region of Iraq, 28.5.2019; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 9; DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 38).
Im Irak gibt es zudem umfassende Aufbauprogramme (vgl. CRS, Iraq: Issues in the 116th Congress, 26.3.2019, S. 17 - 18; Anfragebeantwortung der Bundesregierung zur Lage jesidischer Schutzsuchender vom 5.2.2019, BT-Drucks. 19/7538, S. 10 - 12; U. K. Home Office, Country Policy and Information Note, Iraq: Security and humanitarian situation, 26.11.2018, S. 31 - 36) und vor Ort tätige Hilfsorganisationen. So existierten im gesamten Irak zuletzt etwa 368 registrierte Nichtregierungsorganisationen im Bereich Menschenrechte (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12.1.2019, S. 8). Damit kann die humanitäre Lage aktuell auch nicht auf das Handeln oder Unterlassen eines staatlichen oder nichtstaatlichen Akteurs zurückgeführt werden. Dies gilt sowohl für das Gebiet Kurdistan-Irak, aber auch, wie bereits in Bezug auf den Distrikt Sindjar dargelegt, für das übrige Staatsgebiet des Irak.
Für das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes aus § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Zielstaat ist keine Extremgefahr wie im Rahmen der verfassungskonformen Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erforderlich (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 13). Die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren müssen vielmehr ein gewisses "Mindestmaß an Schwere" erreichen. Diese Voraussetzung kann erfüllt sein, wenn der Ausländer nach Würdigung aller Umstände des Einzelfalls im Zielstaat der Abschiebung seinen existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann. Die Unmöglichkeit der Sicherung des Lebensunterhalts kann auf der Verhinderung eines Zugangs zum Arbeitsmarkt oder auf dem Fehlen staatlicher Unterstützungsleistungen beruhen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23.8.2018, a. a. O., Rn. 11). Sowohl die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 28.6.2011, a. a. O., Rn. 278, 282 f.) als auch die des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 31.1.2013, a. a. O., Rn. 23) machen deutlich, dass bei "nichtstaatlichen" Gefahren für Leib und Leben ein sehr hohes Schädigungsniveau erforderlich ist, da nur dann ein außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem etwa die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK "zwingend" sind. So hat das Bundesverwaltungsgericht in der Vergangenheit, als es die allgemeine Lage in Afghanistan als nicht ausreichend ernst für die Feststellung einer Verletzung des Art. 3 EMRK eingestuft hat, die Notwendigkeit einer besonderen Ausnahmesituation betont (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.1.2013, a. a. O., LS 3; BayVGH, Urteil vom 8.11.2018 - 13a B 17.31918 - juris Rn. 20).
In Anwendung des vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für das Beweismaß zu Art. 3 EMRK verwendeten Begriffs der tatsächlichen Gefahr ("real risk") (vgl. EGMR, Urteil vom 28.2.2008, a. a. O., Rn. 125, 140), der dem Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, a. a. O., Rn. 22), muss eine ausreichend reale, nicht nur auf bloßen Spekulationen, denen eine hinreichende Tatsachengrundlage fehlt, gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung muss danach aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein (vgl. VGH BW, Urteil vom 11.4.2018, a. a. O., Rn. 141). Dies bedeutet auch, dass ein gewisser Grad an Mutmaßung dem präventiven Schutzzweck des Art. 3 EMRK immanent sein muss und es hier daher nicht um den eindeutigen, über allen Zweifeln erhabenen Beweis gehen kann, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre (vgl. EGMR, Urteil vom 9.1.2018 - 36417/16 [X. v. Sweden] - HUDOC Rn. 50).
2. Für die Beurteilung, ob außerordentliche Umstände vorliegen, die - wie hier - nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen und die dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK eine Abschiebung des Ausländers verbieten, ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.1.2013, a. a. O., Leitsatz 2 und Rn. 26 m. w. N.; Urteil des Senats vom 29.1.2019, a. a. O., Rn. 53).
Dies wird für die Kläger vorrangig die Region Kurdistan-Irak sein, nicht dagegen der Distrikt Sindjar in der Provinz Ninive, aus dem sie stammen.
In der Region Kurdistan-Irak haben sie vor ihrer Ausreise aus ihrem Heimatland vorübergehend gelebt und in dieses Gebiet sind in der Vergangenheit über den internationalen Flughafen in Erbil Rückführungen aus Deutschland in kleinerem Umfang regelmäßig erfolgt (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12.1.2019, S. 26). Dabei handelt es sich zudem um den zu ihrer Heimatregion Sindjar nächstgelegenen internationalen Flughafen im Irak, über den Rückführungen erfolgen. Nachdem der Flughafen nach dem Unabhängigkeitsreferendum in Kurdistan-Irak für internationale Flüge vorübergehend von der irakischen Zentralregierung geschlossen wurde, erfolgte im März 2018 die Wiedereröffnung (vgl. Reuters, Iraq PM Abadi orders reopening of Kurdish airports for international flights, 15.3.2018). Dabei gibt es derzeit Direktflüge von Deutschland nach Erbil mit Lufthansa, Germania und Iraqi Airways, von denen zumindest die ersten beiden problemlos für Rückführungen genutzt werden können. Darüber hinaus bestehen noch indirekte Verbindungen nach Erbil u. a. mit Austrian Airways, Turkish Airways und Qatar Airways (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12.1.2019, S. 27).
Zudem ergibt sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln, dass die Einreise von Kurden, auch für yezidische Kurden, in die Region Kurdistan-Irak und deren dortiger Aufenthalt grundsätzlich problemlos möglich ist.
Die Einreisevoraussetzungen für die Region Kurdistan-Irak sind nicht einheitlich, sondern können sich je nach ethnischer und religiöser Identität einer Person oder bekannt gewordener politischer Zugehörigkeit unterscheiden. Sie sind manchmal willkürlich, schlecht kommuniziert und können ohne Vorankündigung geändert werden. Personen mit kurdisch ethnischer Herkunft können allerdings grundsätzlich problemlos in die Region Kurdistan-Irak einreisen, während die Einreise von Arabern oder Personen mit anderer ethnischer Herkunft schwieriger sein kann (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Internal Mobility, Februar 2019, S. 35 - 36 m. w. N.). Eine Einreise über den internationalen Flughafen Erbil ist mit dem Reisepass, bei Verlust auch mit einem von einer irakischen Botschaft in Europa ausgestellten Laissez-Passer-Dokument in Verbindung mit einem Ausweisdokument möglich. Fehlt beim Reisepass der Ausreisestempel kann es zu Befragungen kommen. In der letzten Zeit ist aber niemand am Flughafen festgehalten worden (vgl. DIS, Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 36). Einer besonderen Einreiseerlaubnis bedarf es nicht (vgl. UNHCR, Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA), 12.4.2017, S. 7). Es ist - jedenfalls für nicht arabische Personen - auch keine Bürgschaft erforderlich (so schon UNHCR, Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA), 12.4.2017, S. 7).
Über das Bestehen und den Umfang weiterer Voraussetzungen für den Aufenthalt in Kurdistan-Irak geben die Erkenntnisquellen kein einheitliches Bild. Insgesamt sind die Voraussetzungen gelockert worden (so auch DIS, Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 35). Teilweise wird davon berichtet, dass nach der Einreise eine dreitägige Aufenthaltserlaubnis und zugleich die Pflicht besteht, sich binnen 48 Stunden nach der Einreise bei der örtlichen Einheit des kurdischen Geheimdienstes Asayish zu melden, wo eine einmonatige Aufenthaltserlaubnis ausgestellt wird (vgl. DIS, Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 36), deren Verlängerung dann zunächst für sechs und anschließend für zwölf Monate erfolgt. Dafür soll die Vorlage von Ausweispapieren sowie eines Passbildes und das Bestehen einer Sicherheitsüberprüfung beim Geheimdienst erforderlich gewesen sein (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Internal Mobility, Februar 2019, S. 34). In der Vergangenheit war - zumindest in bestimmten Fällen - für den Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis auch die Vorlage einer Bürgschaft erforderlich. Dieses Erfordernis ist, soweit ersichtlich, aber spätestens nach der Rückeroberung Mossuls weitgehend abgeschafft und greift allenfalls noch in Einzelfällen (vgl. U. K. Home Office, Country Policy and Information Note, Iraq: Internal relocation, civil documentation and returns, Februar 2019, S. 49 m. w. N.).
Kurden benötigen für den Aufenthalt in Kurdistan-Irak hingegen - auch wenn ihnen in der Vergangenheit in manchen örtlichen Vertretungen des kurdischen Geheimdienstes (problemlos) Aufenthaltsdokumente ausgestellt worden sein sollen (vgl. UNHCR, Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA), 12.4.2017, S. 7 f.) - grundsätzlich keine förmliche Aufenthaltserlaubnis (vgl. DIS, Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 38 f.). Daher dürften bei ihnen in der Regel auch keine Sicherheitsüberprüfungen durchgeführt werden (vgl. DIS, Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 37) und sie benötigen für den Aufenhalt in Kurdistan-Irak auch keine Bürgschaft (vgl. U. K. Home Office, Country Policy and Information Note, Iraq: Internal relocation, civil documentation and returns, Februar 2019, S. 47 m. w. N.; DIS, Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 36, 38).
Angesichts dieser erleichterten Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen für Kurden ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte, dass im vorliegenden Fall besondere Umstände vorliegen, aufgrund derer die Kläger, als Kurden und Inhaber von irakischen Ausweisdokumenten, nicht in die Region Kurdistan-Irak einreisen und sich dort aufhalten könnten, so dass davon auszugehen ist, dass die Abschiebung dort endet.
3. Unter Zugrundelegung der dargestellten vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK entwickelten Kriterien sind trotz der widrigen Lebensbedingungen in der Region Kurdistan-Irak die Voraussetzungen für eine Schutzgewährung nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK nicht allgemein für alle aus dem Irak stammende Yeziden gegeben. Die im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung verfügbaren Erkenntnisse lassen auch nicht den Schluss darauf zu, dass yezidische Familien in Kurdistan-Irak generell ohne Hinzutreten weiterer Umstände so gefährdet wären, dass ihnen bei ihrer Rückkehr stets eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK drohte. Entscheidend für die Frage, ob Art. 3 EMRK einer Abschiebung nach Kurdistan-Irak entgegensteht, sind vielmehr die individuellen Umstände im Einzelfall.
Obwohl die Sicherheitslage im Irak prekär ist, liegt zur Überzeugung des Senats derzeit in der Region Kurdistan-Irak noch keine allgemeine Situation einer solchen extremen allgemeinen Gewalt vor, die es rechtfertigt, yezidischen Familien generell Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK zu gewähren (hierzu unter a)). Die humanitären Verhältnisse in Kurdistan-Irak sind ebenfalls schwierig. Einen ganz außergewöhnlichen Fall mit der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts wegen der humanitären Bedingungen vermag der Senat nach den vorliegenden Erkenntnissen im Falle einer yezidischen Familie mit minderjährigen Kindern indes noch nicht allgemeingültig festzustellen (hierzu unter b)). Die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK sind auch bei einer Gesamtbetrachtung der Sicherheitslage und der humanitären Verhältnisse in Kurdistan-Irak für den vorgenannten Personenkreis nicht generell gegeben (hierzu unter c)).
a) Die Sicherheitslage in der Republik Irak ist für Zivilpersonen in weiten Teilen des Landes besorgniserregend, diejenige in Kurdistan-Irak im Landesvergleich hingegen deutlich besser. Der Senat kann nicht die Überzeugung gewinnen, dass in der Region Kurdistan-Irak, in der der Abschiebungszielort Erbil liegt, bereits eine Situation einer solch extremen allgemeinen Gewalt vorherrschen würde, dass eine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür bestünde, eine Zivilperson werde infolge des bloßen Umstandes der Anwesenheit einer realen Gefahr einer Fehlbehandlung ausgesetzt.
Den Erkenntnisquellen lässt sich entnehmen, dass die Sicherheitslage in Kurdistan-Irak vergleichsweise besser ist als in anderen Landesteilen des Irak (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 25 und Sicherheitslage 2011 und 2018, insbesondere in der Region Kurdistan bzw. Kirkuk, 11.10.2018, S. 10 m. w. N.; ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak, Sicherheitslage in Dohuk, Erbil und gesamten Irak, 18.4.2019, S. 1 des Ausdrucks). Dennoch bestehen verschiedentliche Gefahrenquellen für die Bevölkerung.
Der vom IS ausgehende Gefährdungsgrad ist in Kurdistan-Irak im Landesvergleich als moderat einzustufen. Seit 2014 ist Kurdistan-Irak weitgehend von der Gewalt der IS-Terroristen verschont geblieben. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass der IS von einer sich vergrößernden Unterstützungszone rund um das Halabja-Gebirge in der Nähe der iranischen Grenze, in der IS-loyale Gruppen wie die Ansar al-Islam operieren, die in der Vergangenheit eine Reihe von Dörfern in Sulaymaniyah kontrollierten, die die Peschmerga 2003 mit Unterstützung der US-Streitkräfte zurückeroberten, profitiert (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Security situation, März 2019, S. 149, 155). Es wird davon berichtet, dass von den dort übrig gebliebenen IS-Kämpfern Angriffe im Iran ausgeübt worden sind. Im vergangenen Jahr haben kurdische Sicherheitsbehörden aber auch IS-Zellen aufgedeckt und deren Mitglieder verhaftet, die Angriffe in Erbil und dem übrigen Gebiet von Kurdistan-Irak geplant haben. Die Sicherheitskräfte seien angesichts der IS-Zellen sowie anhaltender IS-Aktivitäten im benachbarten Kirkuk und Diyala wachsam. Das BFA (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 25 f.) sowie das Außenministerium Österreichs (Reisewarnung Irak, 8.8.2019) gehen davon aus, dass Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein können. Auch der Danish Immigration Service (DIS) (The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 34) spricht davon, dass sie potentielle Ziele des IS darstellen dürften. Somit besteht in Kurdistan-Irak zwar weiterhin das Risiko von IS-Angriffen, Terroranschläge sind in der Region aber relativ selten (vgl. UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019, S. 22).
Die türkische Armee führt regelmäßig, teilweise im Abstand von wenigen Tagen, Luftangriffe auf PKK-Ziele in Kurdistan-Irak durch, wobei beide Seiten wenige Informationen über Opfer preisgeben, es sich dabei aber in Einzelfällen immer wieder um Zivilisten handelt (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 26 m. w. N.; UNHCR, International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019, S. 22; vgl. zu einzelnen Vorfällen zusammenfassende Darstellung ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Sicherheitslage; Kampfhandlungen, Anschlagskriminalität, 21.2.2019, S. 1 - 2 des Ausdrucks). Zwischenzeitlich hatte es auch eine Bodenoffensive der türkischen Armee in der Region Kurdistan-Irak gegeben (vgl. umfassend dazu EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Security situation, März 2019, S. 153 - 154).
Seitdem die Kurdische Demokratische Partei des Iran (KDPI) ihre bewaffneten Aktivitäten im Jahr 2015 in Kurdistan-Irak wieder aufgenommen hat, gab es 2016 zum ersten Mal seit zehn Jahren wieder iranische Angriffe auf KDPI-Ziele in der Region Kurdistan-Irak (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 26 m. w. N.). Dabei führen iranische Kräfte gezielte Tötungen Oppositioneller durch, bei denen aber auch zivile Opfer zu verzeichnen sind (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Security situation, März 2019, S. 154 - 155).
Daneben kam es im Jahr 2018 auch zu innenpolitischen Unruhen. Im März 2018 fanden wiederholt Demonstrationen wegen der Unzufriedenheit über die schlechte wirtschaftliche Lage, Verzögerungen bei der Gehaltszahlung sowie Gehaltskürzungen bei Staatsbediensteten und Korruption statt. Dabei ist es nach Berichten zu übermäßiger Gewalt gegen Demonstranten gekommen. Im Zuge der Vorbereitung der Parlamentswahlen im Irak vom 12. Mai 2018 kam es zu politischer Gewalt. Am 24. April 2018 wurde Fares Mohammed Sadek, der geschäftsführende Direktor der Unabhängigen Hohen Wahlkommission Kurdistan-Iraks, in Erbil erschossen. Am 12. Mai 2018 wurden das Hauptquartier der Koalition für Demokratie und Gerechtigkeit und das Hauptquartier der Goran-Bewegung in der Provinz Sulaymaniyah angegriffen und die Büros eines Fernsehsenders von Bewaffneten beschlagnahmt. Im Dezember 2018 wurden in Sulaymaniyah, Koya, Halabja, Ranya, Koysinjaq und Kifri groß angelegte Massenproteste vor öffentlichen Gebäuden und Parteibüros angemeldet, bei denen die Regierung zum Rücktritt aufgefordert worden ist. Am 18. Dezember 2018 wurden fünf Parteibüros in Sulaymaniyah in Brand gesteckt, wodurch mehrere Demonstranten verletzt wurden. Proteste wegen fehlender Gehaltszahlung und Sozialdienste wurden auch am 18. Dezember 2018 in Kala, Taqtaw, Chamchamal, Koya, Rawanduz, Said Sadiq und Qalit Dizah durchgeführt, wobei Zusammenstöße gemeldet wurden (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Security situation, März 2019, S. 153).
Eine weitere Gefährdung geht von Minen in Kurdistan-Irak aus. Zwar ist die Kontamination im landesweiten Vergleich gering. Aufgrund der noch aus den Konflikten der früheren Jahrzehnte stammenden Minen gehört Kurdistan-Irak aber immer noch zu den fünf am stärksten kontaminierten Regionen der Welt. Das verminte Gebiet umfasst 226 Quadratkilometer, davon mehr als die Hälfte in Sulaymaniyah. Im Jahr 2018 berichtete die Regierung, dass 35 Menschen Opfer von Minen in Kurdistan-Irak wurden, von denen 21 starben und 14 schwer verletzt wurden (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Security situation, März 2019, S. 158; Übersichtskarte über Landminen und sonstige Sprengkörper im Irak bei U. K. Home Office, Country Policy and Information Note, Iraq: Security and humanitarian situation, 16.11.2018, S. 28).
Bei der Bewertung der Sicherheitslage ist zu berücksichtigen, dass der Sicherheitsapparat Kurdistan-Iraks nach Einschätzung verschiedener Quellen als schlagkräftig gilt und bis zu einem gewissen Grad in der Lage ist, für ein sicheres Umfeld in der Region Kurdistan-Irak zu sorgen (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 38 f. m. w. N.).
Dass die Sicherheitslage im landesweiten Vergleich erheblich besser ist, zeigen auch die Fluchtbewegungen. So hat die Region Kurdistan-Irak infolge der kriegerischen Auseinandersetzungen einen großen Anteil der syrischen Flüchtlinge sowie der irakischen Binnenflüchtlinge aufgenommen. Im Juni 2015 lebten etwa 2 Millionen Flüchtlinge in Kurdistan-Irak (vgl. EZKS, Gutachten vom 10.9.2015, S. 10). Allein die Provinz Dohuk hat in der Vergangenheit eine Millionen Flüchtlinge aufgenommen (vgl. BFA, Jesiden in Dahouk und Bagdad - Lebensräume der Jesiden, 26.7.2018, S. 6, 12). Zudem hat es innerhalb der Region Kurdistan-Irak kaum Binnenvertreibung gegeben (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Security situation, März 2019, S. 156 - 157). Auch im Dezember 2018 waren es insgesamt noch 700.410 Binnenflüchtlinge, die im Wesentlichen aufgrund des Eroberungsfeldzuges des IS nach Kurdistan-Irak geflohen waren. Die International Organization for Migration (IOM) (Iraq, Integrated Location Assessment III, 2.1.2019, S. 51 - 52) berichtet zudem, dass sich die meisten Vertriebenen in der Region Kurdistan-Irak als "meist sicher und geschützt" fühlten und die Bedrohungen für die verschiedenen Gruppen im Vergleich zu anderen Provinzen sehr gering waren.
Die statistischen Erfassungen zu der Anzahl der zivilen Opfer in Kurdistan-Irak machen ebenfalls deutlich, dass sich die Sicherheitslage in der Region gegenüber der in den übrigen Landesteilen des Irak als deutlich besser darstellt.
Nach den statistischen Erhebungen des Iraq Body Count-Projektes (vgl. EASO, Country of Origin Information, Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017 - 2018, Februar 2019, S.12, 14) hat es im Jahr 2018 im gesamten Irak 3.319 zivile Todesopfer durch Gewalt gegeben, davon mit 99 Todesopfern (28 in der Provinz Dohuk, 26 in der Provinz Erbil und 45 in der Provinz Sulaymaniya) nur etwa 3 % in Kurdistan-Irak. Bei einer angenommenen Gesamteinwohnerzahl von 4.823.894 in den drei Provinzen in Kurdistan-Irak (898.021 in Dohuk, 1.948.014 in Erbil und 1.977.859 in Sulaymaniya; vgl. EASO, Country of Origin Information, Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017 - 2018, Februar 2019, S.14) ergibt sich eine Quote von 0,00205 % (für Dohuk 0,00311 %, für Erbil 0,00133 % und für Sulaymaniya von 0,00227 %) für das Kalenderjahr 2018. Im Vorjahr lag die Anzahl der registrierten zivilen Todesopfer in Kurdistan-Irak mit 57 noch darunter.
In der statistischen Erfassung United Nations Casuality Figures for Iraq der UNAMI liegen die Fallzahlen für das Jahr 2018, wie bereits dargelegt, für den gesamten Irak mit 935 zivilen Todesopfern und 1.654 verletzten Zivilisten infolge der bewaffneten Auseinandersetzungen sowie Terroranschlägen und sonstiger Gewalt deutlich niedriger, wobei auch hier ein deutlicher Rückgang der Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr, in dem noch 3.298 zivile Todesopfer und 4.781 verletzte Zivilisten statistisch erfasst worden sind, verzeichnet werden kann. Auch im Laufe des Jahres 2018 zeigt sich dabei eine abnehmende Tendenz. Während im Januar 2018 noch 115 Todesopfer und 250 Verletzte erfasst wurden, haben die statistisch erfassten Zahlen im Dezember 2018 mit 32 Todesopfer und 32 Verletzten einen absoluten Tiefstand seit Beginn der statistischen Erfassung im November 2012 erreicht. Eine weitere Aufgliederung auf die einzelnen Provinzen erfolgt in den Berichten lediglich für die drei im jeweiligen Monat am stärksten betroffenen, wobei die drei in der Region Kurdistan-Irak liegenden Provinzen in keinem Monat aufgeführt sind. Geht man angesichts dessen von einem ähnlichen Anteil wie bei den statistischen Erfassungen der zivilen Opfer durch das Iraq Body Count-Projekt (etwa 3 %) aus, lägen die Fallzahlen hier für die Region Kurdistan-Irak, selbst bei Annahme einer höheren Dunkelziffer, nochmals niedriger.
Die Kurzübersichten von ACCORD vom 20. Dezember 2018 enthalten für die ersten drei Quartale 2018 im Gesamtirak - ohne gesonderte Ausweisung des Anteils der Zivilisten - 4.803 erfasste Todesopfer. Nimmt man die sich daraus ergebende durchschnittliche Anzahl pro Quartal von 1.601 Todesfällen, ergibt sich für das Kalenderjahr 2018 eine Gesamtzahl von 6.404 Todesopfern. Der Anteil der Todesopfer in der Region Kurdistan-Irak beträgt bei gleicher Berechnungsmethode anhand der Zahl der ersten drei Quartale (586 Todesopfer; Erbil 368, Sulaymaniya 97 und Dohuk 120) mit dann für das gesamte Kalenderjahr 2018 ergebenden 781 Todesopfern 12,20 %. Wie hoch der Anteil der zivilen Opfer ist, lässt sich den statistischen Erfassungen indes nicht entnehmen. In der Kategorie "Gewalt gegen Zivilpersonen", in der nur vorsätzliche Gewalttaten, auch z.B. Bombenangriffe, Schießereien und Folter gegen Zivilpersonen, erfasst werden (vgl. ACLED, Codebook 2017, S. 13), liegen die Zahlen für den Gesamtirak in den ersten drei Quartalen 2018 bei 348, hochgerechnet auf das Kalenderjahr bei 464 Todesopfern. Geht man auch hier - mangels entgegenstehender Anhaltspunkte - für die Region Kurdistan-Irak von einem Anteil von 12,20 % aus, ergäben sich etwa 57 Todesfälle in dieser Kategorie und damit eine noch unter der auf Grundlage der Zahlen des Iraq Body Count-Projektes ermittelten Quote.
Die Annahme des Senats steht auch im Einklang mit der Einschätzung des UNHCR, der in seinem Bericht aus Mai 2019 (International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, S. 22) davon ausgeht, dass die Sicherheitssituation in Kurdistan-Irak relativ stabil geblieben ist.
Es ist nicht ersichtlich, dass die Gefährdungslage für Yeziden in Kurdistan-Irak gegenüber anderen Bewohnern der Region größer ist.
Zwar wird davon berichtet, dass Yeziden nach dem kampflosen Rückzug der Peschmerga aus dem Sindjar das Vertrauen in die Kurden verloren hätten und Yeziden von Kurden nach anfänglich freundlicher Aufnahme in der Region Kurdistan-Irak zunehmend angefeindet würden und es nicht selten zu gewalttätigen Auseinandersetzungen komme (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Targeting of Individuals, März 2019, S. 140 f.). Dass dies zu einer deutlichen Erhöhung des Gefährdungspotentials führt, lässt sich den Erkenntnismitteln hingegen nicht entnehmen.
Soweit darauf hingewiesen wird, dass der Verkauf von Alkohol auch im Irak einen gefahrerhöhenden Umstand darstelle und häufig von Yeziden betrieben werde (vgl. BFA, Jesiden in Dahouk und Bagdad - Lebensräume der Jesiden, 26.7.2018, S. 10), lässt sich dem - falls diese Annahme für die Region Kurdistan-Irak überhaupt Gültigkeit haben und zutreffend sein sollte - nicht entnehmen, dass die Gefährdungslage für Yeziden allgemein höher ist, da die Gefahrerhöhung unabhängig von der Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Yeziden einträte und im Einzelfall Berücksichtigung finden könnte.
Es ergeben sich auch keinerlei Anhaltspunkte, dass der IS derzeit Yeziden in Kurdistan-Irak als primäres Angriffsziel ansieht. Soweit der IS überhaupt in Kurdistan-Irak operiert (s. o.), dürften hier, wie bereits dargelegt, Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen primäre Ziele des IS darstellen (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 34) und nicht yezidische Zivilisten.
b) Die humanitären Verhältnisse in Kurdistan-Irak begründen für yezidische Familien mit minderjährigen Kindern ebenfalls nicht generell einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK.
Dabei ist der Senat zu der Auffassung gelangt, dass die Lebensbedingungen in Kurdistan-Irak allgemein schwierig sind. Sie rechtfertigen nach den vorliegenden Erkenntnissen indes nicht für jeden aus dem Ausland in den Irak zurückgehrenden Yeziden die Annahme eines ganz außergewöhnlichen Falles mit der beachtlichen Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts wegen der humanitären Bedingungen in der Region Kurdistan-Irak (vgl. VG Augsburg, Urteil vom 4.6.2019 - Au 5 K 18.32006 - juris Rn. 42; VG Oldenburg, Urteil vom 21.5.2019, a. a. O., Rn. 60 ff.; VG Göttingen, Urteil vom 19.2.2019 - 2 A 275/17 - juris Rn. 39; VG M-Stadt, Urteil vom 29.10.2018 - 8 A 3336/18 - juris Rn. 57 ff.; VG Göttingen, Urteil vom 18.7.2018 - 2 A 392/16 - juris Rn. 45 ff.; VG Karlsruhe, Urteil vom 4.7.2018 - A 10 K 17769/17 - juris Rn. 42). Vielmehr bedarf es im jeweiligen Einzelfall einer umfassenden Abwägung der die Lebensbedingungen erschwerenden sowie begünstigenden Faktoren. Dies gilt grundsätzlich auch für Familien mit kleinen Kindern, wobei hier erschwerende Umstände oftmals ein anderes Gewicht erlangen können als bei einem alleinstehenden arbeitsfähigen Mann.
Die Situation in der vormals wirtschaftlich prosperierenden Region Kurdistan-Irak hat sich in den letzten Jahren stark gewandelt und ist derzeit geprägt von der herrschenden Finanz- und Wirtschaftskrise sowie der Aufnahme einer großen Anzahl an Flüchtlingen. So trafen bis Anfang 2014 etwa 335.000 Flüchtlinge in die drei von der kurdischen Regionalregierung verwalteten Provinzen ein. Bis Ende August 2014 kamen neben etwa 216.000 Flüchtlingen aus Syrien noch 850.000 Binnenvertriebene Iraker hinzu. Ende August 2014 lag die Gesamtzahl der Flüchtlinge in Kurdistan-Irak damit schon bei etwa 1,4 Millionen, im Juni 2015 bei etwa 2 Millionen. Dabei sollen bis zu 450.000 von ihnen Yeziden sein und davon bis zu 300.000 in der Region Dohuk leben. Allein im Mai 2015 trafen 14.000 vorwiegend arabische Binnenflüchtlinge aus der Provinz Anbar in Kurdistan-Irak ein (vgl. EZKS, Gutachten vom 10.9.2015, S. 10). Diese Entwicklung hat sowohl für die Flüchtlinge als auch für die bereits zuvor in Kurdistan-Irak lebende Bevölkerung (etwa 5 Millionen, s. o.) für erheblichen Druck auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie Engpässen bei der Versorgung mit grundlegenden Dienstleistungen (Zugang zu Trinkwasser und Elektrizität sowie Bildung und Gesundheitsversorgung, Anschluss an Abwassereinrichtungen, Lebensmittelversorgung und Bildung) geführt.
aa) Unterkunft
Die Wohnsituation in der Region Kurdistan-Irak ist äußerst angespannt. Für irakische Rückkehrer bieten sich dort im Wesentlichen drei Möglichkeiten. Nach dem UNHCR (International Protection Considerations with Regard to People Fleeing the Republic of Iraq, Mai 2019, S. 49) können sie in einer Privatwohnung unterkommen, einen Platz in einer Flüchtlingsunterkunft beantragen oder sich in informellen Siedlungen (oftmals nicht fertiggestellte oder verlassene Gebäude) niederlassen. Aktuell lebt nach dem Bericht mit 61 % die Mehrheit der binnenvertriebenen Iraker in Privatwohnungen (regelmäßig entweder Mietwohnung oder bei Gastfamilie), 31 % in Flüchtlingsunterkünften und 8 % in informellen Siedlungen in sog. kritischen Unterkünften. Binnenvertriebene Yeziden leben hingegen häufiger in Flüchtlingslagern (vgl. BFA, Jesiden in Dahouk und Bagdad - Lebensräume der Jesiden, 26.7.2018, S. 9), IOM (Iraq, Understanding Ethno-Religious Groups in Iraq: Displacement and Return, Februar 2019, S. 6) spricht von einem Anteil von etwa 49 %.
(1) Private Unterkunft
Bei irakischen Staatsangehörigen kurdischer Volks- und yezidischer Glaubenszugehörigkeit kann grundsätzlich nicht angenommen werden, dass sie unmittelbar nach ihrer Rückkehr in den Irak in der Lage sind, in der Region Kurdistan-Irak in einer Privatunterkunft unterzukommen. Eine andere Einschätzung kann bei Vorliegen begünstigender Faktoren, wie vorhandene Vermögenswerte, familiäre Unterstützung von im In- oder Ausland lebenden Familienmitgliedern oder eine besonders gute Ausbildung, indes gerechtfertigt sein.
(a) Freier Wohnungsmarkt
Der Kauf oder die Anmietung einer eigenen (nicht mit anderen Personen oder Familien geteilten) Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt in der Region Kurdistan-Irak dürfte yezidischen Binnenvertriebenen unmittelbar nach ihrer Rückkehr in den Irak angesichts des derzeitigen Preisniveaus auf dem Immobilienmarkt regelmäßig finanziell nicht möglich sein. Etwas anderes kann hingegen anzunehmen sein, wenn (ausnahmsweise) stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass Zugriff auf nicht unerhebliche Vermögenswerte besteht.
Der Erwerb einer Immobilie in Kurdistan-Irak dürfte - unabhängig von der Frage der rechtlichen Möglichkeit (vgl. dazu DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 140) - grundsätzlich ausscheiden. Auch das EZKS gelangt in seinem Gutachten vom 25. Mai 2018 (S.1) zu der Einschätzung, dass Binnenvertriebene in der Regel nicht über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um Häuser zu erwerben.
Darüber hinaus ist es nach den Angaben des EZKS (Gutachten vom 25.5.2018, S. 1) grundsätzlich schwierig und eher unüblich, in Kurdistan-Irak Wohnungen zu mieten. Danach wohnen viele Menschen in (oft sehr einfachen) Häusern, die ihnen gleichwohl gehören. Nach dem von der IOM (Demographic Survey, Kurdistan Region of Iraq, Juli 2018, S. 48) veröffentlichten Ergebnisbericht einer Haushaltsstudie, in der von April 2017 bis Mai 2018 13.200 Haushalte in den drei Provinzen Erbil, Sulaymaniya und Dohuk zur Wohnsituation und Lebensgrundlagen befragt wurden, leben 75 % der Familien in Kurdistan-Irak in Eigentumsimmobilien, wobei die Quote in ländlichen Gegenden bei bis zu 90 % lag. Aber auch in Städten haben nur 18,5 % der Befragten in Mietverhältnissen gelebt.
Hinzu kommt, dass die Wirtschaftskrise sowie der Bevölkerungsdruck durch die Masse der irakischen Binnenflüchtlinge sowie der syrischen Flüchtlinge in den letzten Jahren zu einem Anstieg der Nachfrage nach Wohnraum und einem Anstieg der Wohnungspreise geführt haben (vgl. DIS, Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 26).
So sind nach dem Bericht von ACCORD (Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Lage von Rückkehrerinnen aus dem Ausland: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem; Schwierigkeiten für Rückkehrerinnen aus Europa, 21.2.2019, S. 2 des Ausdrucks) die Wohnungspreise laut des in Kurdistan-Irak ansässigen kurdischen Mediennetzwerkes Rudaw, das sich auf eine Umfrage einer Immobilienfirma mit zehn Zweigstellen in Erbil stützt, im Jahr 2018 um 20 % und die Mietpreise um 15 % gestiegen. Die Nachfrage nach Mietwohnungen ist nach dem Bericht im zweiten Halbjahr 2018 im Vergleich zum ersten Halbjahr um 45 % angestiegen. Im Mai 2018 hat die Miete für ein Haus im Italian Village, einem Neubauwohngebiet in Erbil, 500 US-Dollar (pro Monat offensichtlich) betragen, nun liegt sie bei 650 US-Dollar. Aufgrund der hohen Nachfrage waren zum Berichtszeitpunkt keine Häuser verfügbar. Laut dem Leiter der Immobilienfirma kommt derzeit eine große Anzahl von Personen aus dem Zentral- und Südirak nach Kurdistan, darunter insbesondere Personen aus Mossul und Basra. Ein weiterer Grund für die hohe Nachfrage ist die Rückkehr ausländischer Firmen, von denen viele die Region Kurdistan-Irak zu Beginn des Konflikts mit dem IS im Jahr 2014 verlassen hatten.
Nach dem Bericht der IOM (Länderinformationsblatt Irak, 2018, S. 6) hängt die Höhe der Miete vom Ort, der Raumgröße und der Ausstattung ab. Außerhalb des Stadtzentrums sind die Preise für gewöhnlich günstiger. Im Jahr 2018 lag die Miete danach in der Region Kurdistan-Irak in Städten bei 200 - 600 US-Dollar (etwa 178 bis 534 EURO) für eine Zwei-Zimmer-Wohnung. Der Kaufpreis eines Hauses oder Grundstücks hängt ebenfalls von Ort, Größe und Ausstattung ab. Während die Mietnachfrage stieg, nahm die Kaufnachfrage ab. Die durchschnittlichen Betriebskosten pro Monat liegen umgerechnet für Gas bei etwa 11 EUR, für Wasser bei etwa 7,40 - 18,50 EUR, für öffentliche Elektrizität bei etwa 22,20 - 29,60 EUR und für private oder nachbarschaftliche Generatoren bei etwa 29,60 - 44,30 EUR. Generell ist es vor allem für alleinstehende Männer schwierig, Häuser zu mieten, im Hinblick auf (Einzel-) Wohnungen sind die Abläufe unkomplizierter. Öffentliche Unterstützung bei der Wohnungssuche besteht für Rückkehrende grundsätzlich nicht. Private Immobilienfirmen können helfen. In dem Bericht ist zugleich aber auch davon die Rede, dass die Rückkehr der ersten Binnenflüchtlinge in ihre Heimatorte nach der Befreiung der zuvor unter der Kontrolle des IS stehenden Gebiete zu einer leichten Senkung der Mietpreise führt.
Nimmt man zum Vergleich jedoch das durchschnittliche Einkommen von Binnenvertriebenen in den Blick, wird deutlich, dass sich deren Großteil aus eigener Kraft auf dem freien Wohnungsmarkt wohl derzeit keine eigene (nicht mit anderen Personen oder Familien geteilte) Wohnung mieten kann. So hat nach dem Bericht der IOM (Demographic Survey, Kurdistan Region of Iraq, Juli 2018, S. 44) fast die Hälfte der Flüchtlinge in Flüchtlingscamps ein monatliches Haushaltseinkommen von unter 250.000 Irakischen Dinar (etwa 185 EUR) und etwa 1/3 zwischen 250.000 und 500.000 Irakischen Dinar (etwa 185 - 370 EUR). Bei außerhalb von Flüchtlingscamps lebenden Binnenvertriebenen ist das durchschnittliche monatliche Haushaltseinkommen etwas höher und liegt bei etwa 1/3 der Haushalte zwischen 250.000 und 500.000 Irakischen Dinar (etwa 185 - 370 EUR) und bei 1/3 zwischen 500.000 und 750.000 Irakischen Dinar (etwa 370 - 555 EUR). Für aus der Bundesrepublik Deutschland zurückkehrende Personen besteht bei freiwilliger Rückkehr zwar die Möglichkeit, einen Antrag auf Reintegrationshilfe zu stellen (vgl. dazu unten), es ist aber nicht ersichtlich, dass dies grundsätzlich die (nicht nur kurzfristige) Anmietung einer Wohnung in Kurdistan-Irak ermöglicht.
Soweit nach dem IOM-Bericht (Iraq, Integrated Location Assessment III, 2.1.2019, S. 43) 84 % der (offensichtlich außerhalb von Flüchtlingscamps lebenden) Binnenflüchtlinge in Kurdistan-Irak in gemieteten Unterkünften oder Hotels leben, bleibt unklar, ob es sich dabei stets um auf dem freien Wohnungsmarkt erhältliche Wohnung gehandelt hat oder - was näher liegen dürfte - ein nicht unwesentlicher Anteil der Wohnungen durch persönliche Kontakte zu vergünstigten Preisen angemietet werden konnte oder sich eine größere Personenanzahl eine Mietwohnung teilt (vgl. dazu auch EZKS, Gutachten vom 25.5.2018, S. 2).
Angesichts dieser Umstände dürfte die Anmietung oder der Kauf einer eigenen (also nicht mit anderen Familien geteilten) Wohnung auf dem freien Immobilienmarkt in Kurdistan-Irak aus finanziellen Gründen für yezidische Rückkehrer in den Irak oftmals ausscheiden, es sei denn, im konkreten Fall bestehen tragfähige Anhaltspunkte für die Annahme, dass Zugriff auf ein nicht unerhebliches Vermögen besteht oder im Fall der Rückkehr bestünde. Dazu können mitunter eigenes Kapital, besonders gute Jobperspektiven oder erhebliche finanzielle Unterstützung durch im In- oder Ausland lebende Familienmitglieder zählen.
(b) Unterkunft bei Gastfamilie
Daneben nehmen irakisch-kurdische Bürger in Kurdistan-Irak Binnenvertriebene ohne oder gegen eine geringe Miete in ihre Wohnungen oder Häuser auf (vgl. EZKS, Gutachten vom 25.5.2018, S. 2). Nach dem von der IOM (Demographic Survey, Kurdistan Region of Iraq, Juli 2018, S. 48) veröffentlichten Ergebnisbericht einer Haushaltsstudie, gaben 8 % der Befragten an, in Unterkünften zu wohnen, die von Verwandten oder Freunden unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sind. Dabei sind Verwandte und Freunde tendenziell in urbanen Gebieten (9 %) eher unterstützend tätig als in ländlichen Gebieten (3 %) und generell hat es diese Art der Unterstützung eher in der Provinz Sulaymaniya gegeben. Darüber hinaus ist es üblich, dass sich mehrere Familien, aber auch alleinstehende junge Männer, eine Wohnung teilen (vgl. EZKS, Gutachten vom 25.5.2018, S. 2).
Diese Möglichkeit ist aber grundsätzlich nur beachtlich wahrscheinlich, wenn Rückkehrer über tragfähige Kontakte in die Region Kurdistan-Irak verfügen (so auch EZKS, Gutachten vom 25.5.2018, S. 1; zur Bedeutung eines unterstützenden Netzwerkes in Kurdistan-Irak auch EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 103 - 106 und DIS, Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 39). Leben Familienmitglieder in Kurdistan-Irak außerhalb von Flüchtlingsunterkünften, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie die zurückkehrenden Familienmitglieder aufnehmen, da sie sich aus kulturellen Gründen dazu in der Regel gesellschaftlich verpflichtet fühlen (so auch Upper Tribunal, Immigration and Asylum Chamber, UK, Entscheidung vom 27./28.2.2018 - UKUT 00212/2018 - Rn. 47, https://tribunalsdecisions.service.gov.uk/utiac/2018-ukut-212). Dabei sind aber auch gegen eine Aufnahme sprechende Gründe, wie fehlende räumliche Kapazitäten oder bewusster Kontaktabbruch, in die Bewertung mit einzubeziehen. Bei sonstigen Kontakten in die Region Kurdistan-Irak bedarf es einer kritischeren Prüfung deren Tragfähigkeit dahingehend, ob die zurückkehrende Person tatsächlich - ohne oder gegen geringes Entgelt - aufgenommen würde. Soweit keine Kontakte (mehr) in die Region Kurdistan-Irak bestehen, dürfte es im Regelfall nicht beachtlich wahrscheinlich sein, dass yezidische Rückkehrer bei einer Gastfamilie unterkommen können.
(2) Flüchtlingsunterkunft
Rückkehrer aus dem Ausland, die nicht in einer Privatunterkunft in Kurdistan-Irak unterkommen können, haben die Möglichkeit, die Aufnahme in einer dortigen Flüchtlingsunterkunft zu beantragen.
Der Senat geht davon aus, dass für in den Irak zurückkehrende irakische Staatsangehörige yezidischen Glaubens, die ihre Heimatregion aus Angst vor dem IS verlassen haben, in Kurdistan-Irak grundsätzlich Zugang zu einer Flüchtlingsunterkunft besteht (dazu unter (a)). Die dortigen Lebensbedingungen sind allgemein schwierig, rechtfertigen aber grundsätzlich nicht die Annahme, die Betroffenen seien dem realen Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK ausgesetzt (vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 21.5.2019, a. a. O, Rn. 64; VG M-Stadt, Urteil vom 29.10.2018, a. a. O., Rn. 64 f.; VG Oldenburg, Urteil vom 27.2.2018 - 15 A 883/17 - juris Rn. 64). Dies gilt regelmäßig auch für Familien mit Kleinkindern, soweit ein arbeitsfähiger Familienvater Teil der Familie ist, wobei es hier einer intensiven Prüfung im Einzelfall bedarf, ob die Lebensbedingungen erschwerende Umstände hinzutreten, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen. Bei besonders vulnerablen Personen, wie alleinstehenden Frauen oder Familien ohne männliches Familienoberhaupt, dürfte die Unterbringung in einem Flüchtlingscamp hingegen regelmäßig mit einer Fehlbehandlung i. S. v. Art. 3 EMRK einhergehen (dazu unter (b)).
(a) Zugang für Rückkehrer aus dem Ausland
Binnenvertriebene irakische Staatsangehörige yezidischen Glaubens haben nach ihrer Rückkehr in den Irak grundsätzlich die Möglichkeit in einem Flüchtlingscamp in Kurdistan-Irak in angemessener Zeit unterzukommen.
Aus den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen ergeben sich keine Anhaltspunkte, dass Rückkehrern aus Europa grundsätzlich der Zugang zu einer Flüchtlingsunterkunft in Kurdistan-Irak verwehrt wird.
Den Erkenntnismitteln lassen sich auch keine durchgreifenden Hinweise für die Annahme entnehmen, dass der Zugang zu Flüchtlingscamps für den vorgenannten Personenkreis in einem nennenswerten Umfang aufgrund fehlender Kapazitäten beschränkt ist.
Zwar wird in dem Bericht des DIS (Northern Iraq, Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 73 Ziffer 220) ein Bericht von Kirkuk Now vom 29. April 2018 wiedergegeben, nach dem zwar keine zwangsweisen Rückführungen von Binnenvertriebenen erfolgen, sie aber unter Hinweis darauf, dass ihnen Häuser und Dienstleistungen nicht mehr angeboten werden könnten, zur Rückkehr ermutigt werden. Zudem spricht der UNHCR (COI Note on the Situation of Yazidi IDPs in the Kurdistan Region of Iraq, Mai 2019, S. 4) davon, dass es auch im April 2019 Wartelisten mit 3.000 Personen in den Provinzen Erbil und Dohuk für, insbesondere von Yeziden bewohnte, Flüchtlingscamps gegeben habe. Die Gesamtzahl von 3.000 Personen auf Wartelisten in der gesamten Region Kurdistan-Irak ist im Verhältnis zu der Anzahl der insgesamt mit Stand Dezember 2018 aufgenommenen Personen in der Region in Höhe von über 700.000 (vgl. IOM, Iraq, Displacement Tracking Matrix, DTM Round 107, Dezember 2018, S. 2 f.), davon etwa 31 % in Flüchtlingscamps lebend (s. o.), aber als eher moderat zu bewerten. Darüber hinaus ist nicht erkennbar, dass die in den Wartelisten geführten Personen derzeit keine (andere) Unterkunft haben oder haben könnten. So spricht auch der UNHCR (COI Note on the Situation of Yazidi IDPs in the Kurdistan Region of Iraq, Mai 2019, S. 4) nicht von Wartelisten in der Provinz Sulaymaniya. Auch die in dem Bericht des DIS (Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 81 Ziffer 273) angesprochenen "langen" Wartelisten beziehen sich ausschließlich auf die Provinz Erbil.
Der Senat geht davon aus, dass sich die Situation überdies künftig durch den stetigen Rückgang an Binnenvertriebenen weiter entschärfen wird. Während die Zahl der Binnenvertriebenen im Irak bis Oktober 2017 (3,17 Millionen) über der Zahl der Rückkehrer (2,62 Millionen) lag, übertraf die Zahl der Rückkehrer ab dem Folgemonat stets die der Binnenvertriebenen. Im Dezember 2018 betrug die Anzahl der Rückkehrer bereits 4,17 Millionen Menschen, während die der Binnenvertriebenen auf 1,8 Millionen zurückgegangen ist (vgl. United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UNOCHA), Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 6 f.; EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 64 berichtet von einem deutlichen Rückgang der Anzahl der Personen, die eine Unterkunft benötigen). Im Februar 2019 lebten davon etwa 460.000 Personen in Flüchtlingslagern (vgl. UNOCHA, Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 8). Dabei wird mit einem, wenn auch - gerade in den Flüchtlingscamps - langsamen, weiteren Rückgang der Binnenflüchtlinge gerechnet (vgl. UNOCHA, Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 16). Dieser Umstand dürfte den Druck in den Flüchtlingscamps bereits reduziert und zu freien Kapazitäten geführt haben und auch weiter führen. So sind bereits einige Flüchtlingscamps in der Region Kurdistan-Irak unter anderem wegen des Rückgangs an Binnenvertriebenen geschlossen worden (vgl. DIS, Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 93).
Auch der Humanitarian Response Plan 2019 des UNOCHA vom 26. Februar 2019 für den Irak (S. 21) sieht eine Unterstützung von Neuankömmlingen sowie das Freihalten von Kapazitäten für weitere Binnenvertriebene vor.
(b) Zumutbarkeit der Lebensbedingungen
Zu der Frage der Zumutbarkeit der Lebensbedingungen in Flüchtlingscamps hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in seiner Entscheidung vom 28. Juni 2011 (a. a. O., Rn. 296) festgestellt, dass bei einem Aufenthalt in Binnenvertriebenenlagern im Afgooye-Korridor in Somalia oder in einem anderen Flüchtlingslager für somalische Flüchtlinge, wie den Flüchtlingscamps in Dadaab in Kenia, das reale Risiko bestünde, dort aufgrund der humanitären Bedingungen einer Art. 3 EMRK verletzenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
Dabei hat das Gericht den im Verfahren M.S.S. v. Belgium and Greece (Urteil vom 21.1.2011, a. a. O.) angewandten weniger strengen Maßstab für angemessen gehalten, da die humanitäre Krise primär durch direkte und indirekte Handlungen der Konfliktparteien verursacht worden sei, die ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung in einem dicht besiedelten Gebiet willkürliche Kriegsmethoden angewandt hätten, die allein zur Vertreibung und zum Zusammenbruch der sozialen, politischen und wirtschaftlichen Infrastruktur geführt hätten. Zudem habe sich die Situation erheblich dadurch verschärft, dass die Al-Shabaab Hilfsorganisationen die Ausübung humanitärer Hilfeleistungen in den von ihr kontrollierten Gebieten untersagt habe. Daher sei die Möglichkeit, seine grundlegendsten Bedürfnisse, wie Nahrung, Hygiene, und Unterkunft, zu befriedigen, die Anfälligkeit für Misshandlungen sowie die Aussicht auf Verbesserung der Situation in angemessener Zeit zu berücksichtigen (vgl. EGMR, 28.6.2011, a. a. O., Rn. 282 f.).
Bei der Bewertung der Situation in Somalia hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte maßgeblich darauf abgestellt, dass Binnenflüchtlinge im Afgooye-Korridor nur sehr begrenzten Zugang zu Essen und Trinkwasser hätten und der zu Unterkünften ein zunehmendes Problem sei. Zudem sei der Zugang zu den geschätzten 410.000 Binnenflüchtlingen für Hilfsorganisationen außergewöhnlich schwierig, so dass die Flüchtlinge gezwungen seien, nach Mogadischu zu gehen, um Nahrung und Trinkwasser zu erhalten. Zudem bestünde eine große Gefahr krimineller Übergriffe, auch sexueller Gewalt, sowie einer Zwangsrekrutierung durch die Al-Shabaab (vgl. EGMR, 28.6.2011, a. a. O., Rn. 285, 291). In den Flüchtlingslagern in Dadaab - die für 90.000 Personen ausgelegt, in denen aber 280.000 Personen registriert seien - sei zwar humanitäre Hilfe verfügbar, der Zugang zu Unterkünften, Trinkwasser und sanitären Einrichtungen angesichts der Überbelegung aber extrem eingeschränkt. Die Gefahr für Bewohner beider Camps, Opfer von Gewaltkriminalität, Ausbeutung und Misshandlung sowie Zwangsrekrutierung zu werden, sei groß. Zudem hätten sie nur sehr geringe Aussichten auf Verbesserung ihrer Lage in angemessener Zeit, da sie die Flüchtlingslager nicht verlassen dürften und damit bis zum Ende des Konflikts dort gefangen seien (vgl. EGMR, 28.6.2011, a. a. O., Rn. 286, 291).
(aa) Die Situation in Kurdistan-Irak ist mit der in Somalia im Zeitpunkt der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte nicht vergleichbar.
Zunächst ist die schlechte humanitäre Lage im Irak mit der Folge nicht auf direkte oder indirekte Handlungen oder Unterlassungen der Konfliktparteien zurückzuführen (s. o.), dass ein anderer, strengerer Prüfungsmaßstab gilt und eine Abschiebung nur dann ausscheidet, wenn die humanitären Gründe zwingend sind.
Darüber hinaus sind auch die Lebensbedingungen in den Flüchtlingsunterkünften in Kurdistan-Irak im Vergleich zu denen für somalische Flüchtlinge in den Camps in Somalia bzw. Kenia zum damaligen Zeitpunkt besser.
Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Lebensbedingungen in den Flüchtlingslagern (unterschiedlich) schwierig sind und weiter von dem jeweiligen Flüchtlingscamp abhängen dürften. Es wird immer noch von bestehenden Unterschieden bei den Unterkünften (teilweise Wohngebäude, Container oder Wohnwagen, teilweise Zelte mit oder ohne Zementsockel) und sonstigen Dienstleistungen gesprochen. Zudem sind die Bewohner oftmals extremen Wetterbedingungen ausgesetzt und es bedarf teilweise weiter einer Verbesserung der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung (vgl. UNHCR, COI Note on the Situation of Yazidi IDPs in the Kurdistan Region of Iraq, Mai 2019, S. 3).
Dass jeder Bewohner einer Flüchtlingsunterkunft dadurch dem realen Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigen Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK ausgesetzt ist, vermag der Senat indes nicht zu erkennen.
Dabei lassen die Erkenntnismittel den Schluss zu, dass sich die Bedingungen in den Flüchtlingslagern in den letzten Jahren verbessert haben. Während die Binnenvertriebenencamps zu Beginn der Krise 2014, als plötzlich eine große Anzahl an Binnenvertriebenen in die Region Kurdistan-Irak kam, noch Zeltlager auf niedrigem Niveau waren und deutliche Unterschiede zwischen den allgemeinen Bedingungen in den verschiedenen Camps bestanden, hat sich die Situation seitdem zunehmend verbessert (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 57 m. w. N.).
In den in der Regel von der UN gemeinsam mit der kurdischen Regionalregierung betriebenen Flüchtlingslagern in Kurdistan-Irak erhält jeder Bewohner eine Unterkunft (vgl. EZKS, Gutachten vom 10.9.2015, S. 2 f.). Dabei bestehen aber weiter Unterschiede. Während der überwiegende Teil in Zelten (mit oder ohne Zementsockel) lebt, kommen andere Bewohner in Wohngebäuden oder Wohnwagen unter (vgl. UNHCR, COI Note on the Situation of Yazidi IDPs in the Kurdistan Region of Iraq, Mai 2019, S. 3). So lebten im Juli 2018 nach dem Bericht der IOM (Demographic Survey, Kurdistan Region of Iraq, Juli 2018, S. 48) etwa 63 % in Zelten, 24,6 % in Sammelunterkünften und 12,6 % in Bungalows. Es wird davon berichtet, dass Zelte oftmals abgenutzt sind und erneuert werden müssen (vgl. UNOCHA, Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 34), eine menschenunwürdige Unterbringung lässt sich dem indes nicht ohne Weiteres entnehmen. In Erbil werden für besonders verletzliche Personen und Familien Wohnwagen bereitgestellt (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 57 m. w. N.).
Die Versorgung mit Strom in den Flüchtlingscamps ist, wenn auch zeitlich begrenzt, weitgehend sichergestellt (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Lage von Rückkehrern aus dem Ausland: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem; Schwierigkeiten für Rückkehrer aus Europa, 29.3.2018, S. 3 des Ausdrucks; EZKS, Gutachten vom 10.9.2015, S. 2).
Dies gilt grundsätzlich auch für die Versorgung mit Wasser (vgl. ACCORD, Autonome Region Kurdistan: Lage von Rückkehrern aus dem Ausland: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem: Schwierigkeiten für Rückkehrer aus Europa, 29.3.2018, S. 3 des Ausdrucks; EZKS, Gutachten vom 10.9.2015, S. 2). Teilweise wird aber der Bedarf für eine Verbesserung der Wasserversorgung gesehen (vgl. UNOCHA, Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 34), da 229.000 Bewohner in 33 Camps weniger als 35 Liter Wasser pro Person pro Tag erhielten (vgl. UNOCHA, Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 8). Nach einer Umfrage gaben 37 % der befragten Haushalte in Flüchtlingscamps an, dass ihr Trinkwasser nicht sicher sei, mehr als 20 %, dass sie in den 30 Tagen vor der Befragung nicht ausreichend Trinkwasser erhalten hätten (vgl. EZKS, Gutachten vom 25.5.2018, S. 2). Dies macht zwar deutlich, dass Wasser in den Flüchtlingsunterkünften zu den raren Gütern gehört, insgesamt gelangt der Senat aber zu der Überzeugung, dass eine gesundheits- oder gar lebensgefährdende Unterversorgung nicht vorliegt.
Die Bewohner in den Flüchtlingscamps erhalten zudem Nahrungsmittelrationen. Dabei handelt es sich zum Teil um die Grundnahrungsmittel, die bis heute an jeden registrierten Iraker verteilt werden, zu einem weiteren Teil um durch die UN zur Verfügung gestellte Rationen und darüber hinaus zum Teil um Hilfsleistungen kleinerer Organisationen (vgl. EZKS, Gutachten vom 10.9.2015, S. 2). Soweit von Problemen bei der Verteilung der Rationen berichtet wird (so spricht UNOCHA, Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 8 davon, dass etwa 65 % der 460.000 im Irak in Flüchtlingscamps lebenden Menschen aufgrund organisatorischer Mängel im World Food Programm im Oktober 2018 nur die halbe Essensration erhalten haben), ist nicht ersichtlich, dass es sich um ein grundlegendes Problem handelt, dass zu einer dauerhaften Gefährdung der Versorgung mit Lebensmitteln führt.
Zumindest in der Vergangenheit schien in einem Teil der Lager die sanitäre Situation problematisch zu sein. So berichtete das EZKS in seinem Gutachten vom 10. September 2015 (S. 2 f.), dass sich zum damaligen Zeitpunkt in einigen Lagern bis zu fünfzig Personen eine einzelne Toilette teilen mussten. In Erbil hingegen war der Standard in allen Flüchtlingscamps bereits im Oktober 2015 hoch. Die UN-Standards für Wasser und sanitäre Anlagen wurden eingehalten; es gab getrennte, unter der Erde befindliche Abwasserkanäle (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 57 m. w. N.).
Darüber hinaus gibt es in den Flüchtlingscamps in der Regel eine Gesundheitsstation, in der einfache Krankheiten kostenlos behandelt werden. Sofern Flüchtlinge jedoch eine besondere Behandlung (etwa Operationen) oder besondere Medikamente benötigen, müssen sie sich entweder in staatliche Krankenhäuser oder aber in Privatpraxen begeben. Während in Privateinrichtungen die gesamte Behandlung selbst zu zahlen ist, trifft dies nur auf einen Teil der Behandlungskosten in öffentlichen Krankenhäusern zu; allerdings sind bereits diese vergleichsweise geringen Summen für Flüchtlinge oft schwer aufzubringen. Für das Jahr 2015 wird allgemein von einer Verschlechterung der Gesundheitsversorgung in den Flüchtlingslagern berichtet, was auf finanzielle Engpässe der UN zurückzuführen sein soll (vgl. EZKS, Gutachten vom 10.9.2015, S. 2). Die World Health Organization (WHO) unterstützt die Gesundheitsversorgung in der Region (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 82). In einer Umfrage im April 2018 gaben 99 % aller befragten Haushalte in Binnenvertriebenenlagern an, dass sich innerhalb von zwei Kilometern ein Gesundheitszentrum befinde (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 83; vgl. zur Gesundheitsversorgung von Binnenvertriebenen im Übrigen die zusammenfassende Darstellung auf den Seiten 82 - 85).
Die Beschulung ist in den Flüchtlingscamps etwas besser als außerhalb, was an dem einfacheren Zugang der Hilfsorganisationen zu den dort lebenden Flüchtlingen liegen dürfte. Das EZKS (Gutachten vom 25.5.2018, S. 2) spricht von einer Schulbesuchsrate in den Flüchtlingseinrichtungen von 71 %.
In einigen Flüchtlingscamps gehen die gewährten Dienstleistungen über die Befriedigung der grundlegendsten Bedürfnisse der Bewohner hinaus. So werden teilweise Wasserkühler, Heizungen sowie Satellitenschüsseln zur Verfügung gestellt (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 57 m. w. N.; vgl. zur weiteren Ausstattung der Unterkünfte in Flüchtlingscamps IOM, Demographic Survey, Kurdistan Region of Iraq, Juli 2018, S. 50 - 51, 54 - 55).
Auch den Berichten über einzelne Flüchtlingslager in der Provinz Dohuk lässt sich nicht entnehmen, dass die Bewohner aufgrund der Lebensbedingungen dem realen Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wären.
So berichtet die Neue Züricher Zeitung (In Kurdistan wächst ein zartes Pflänzchen, 13.10.2016) über das damals mit mehr als 18.000 Bewohnern größte yezidische Flüchtlingslager "Khanke IDP Camp" in Kurdistan-Irak, das in der Ebene von Dohuk und etwa 20 Minuten Fahrzeit vom Zentrum entfernt gelegen ist. Danach ist das Lager mit Wasser und Strom versorgt, sanitäre Anlagen gibt es ausreichend und mittlerweile haben die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit und die Welthungerhilfe Betonfundamente für die Hütten gelegt.
In den Oberösterreichischen Nachrichten (Das Vermächtnis der Terrormiliz, 25.4.2018) wird von einem weiteren Flüchtlingslager in Kurdistan-Irak berichtet, dem nahe der Stadt Dohuk gelegenen Camp Kabarto. Dort leben 26.000 Binnenflüchtlinge in 24 Quadratmeter großen, weißen Zelten. Die meisten hier sind Yeziden, rund die Hälfte davon Kinder. Viele Vertriebene leben seit Jahren hier. Mittlerweile ist danach eine Kläranlage fertiggestellt, vorher flossen Abwasser und Exkremente durch offene Kanäle. Es gibt nach dem Bericht Elektrizität, Wasser und Schulen. Für Kinder sind Spielanlagen vorhanden.
In dem Bericht des DIS (Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 84, 98) ist ebenfalls davon die Rede, dass die Bedingungen in den Flüchtlingslagern in Erbil dem humanitären Standard entsprechen. Binnenflüchtlinge erhalten in den Flüchtlingslagern in Kurdistan-Irak danach kostenlos Essen und Unterstützung; ihnen wird Taschengeld ausgezahlt, es besteht Zugang zu Bildung und sonstigen Dienstleistungen.
Angesichts des Umstandes, dass die problematische Lage in den Flüchtlingscamps im Wesentlichen auf den rapiden Anstieg der Flüchtlingszahlen ab Sommer 2014 zurückzuführen ist (vgl. EZKS, Gutachten vom 10.9.2015, S. 10), dürfte die prognostizierte weitere Abnahme der Zahl der Binnenvertriebenen zu einer weiteren Entlastung und damit einhergehenden Verbesserung der humanitären Versorgung der verbliebenen Binnenflüchtlinge in den Flüchtlingscamps führen. So wird bereits jetzt eine Umsiedlung von Binnenvertriebenen aus Camps mit im Vergleich schlechteren Lebensbedingungen in solche mit besseren als Zielrichtung ausgegeben (vgl. UNOCHA, Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 4).
Nicht ganz eindeutig ist die Erkenntnislage zu den Bewegungsfreiheiten von Bewohnern der Flüchtlingslager. Zwar ist die Bewegungsfreiheit, auch für Binnenvertriebene, gesetzlich garantiert (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Internal mobility, Februar 2019, S. 15). In einem Bericht des DIS (Northern Iraq, Security situation and the situation for internally displaced persons (IDPs) in the disputed areas, incl. possibility to enter and access the Kurdistan Region of Iraq (KRI), November 2018, S. 93) ist hingegen davon die Rede, dass eine Mitarbeiterin von Human Rights Watch in einem Skype-meeting am 19. April 2018 davon gesprochen habe, dass die Bewohner in den meisten Flüchtlingscamps diese nicht verlassen dürften. An anderer Stelle des Berichtes (S. 87) wird hingegen ein Dokument der IOM vom 24. April 2018 wiedergegeben, nach dem Binnenvertriebene die Camps gegen Erlaubnis verlassen dürfen. Auch nach den Angaben der örtlichen Behörden in Erbil gibt es in Kurdistan-Irak keine Flüchtlingscamps, die Binnenvertriebene nicht verlassen können (DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 116). Dies deckt sich mit den Angaben der Kläger in den mündlichen Verhandlungen des Senats, in denen von einer fehlenden Bewegungsfreiheit in keinem Verfahren die Rede war (vgl. z. B. Urteil vom 30.7.2019, a. a. O., Rn. 26).
Bewohnern eines Flüchtlingscamps dürfte es zwar derzeit regelmäßig schwer fallen, sich zeitnah in die Lage zu versetzen, ein Leben außerhalb der Flüchtlingsunterkünfte in Kurdistan-Irak führen zu können. So geht das EZKS in seinem Gutachten vom 10. September 2015 (S. 8 f.) noch davon aus, dass die Chance einer Familie, die heute in Kurdistan-Irak in einem Flüchtlingslager lebt, dieses Lager zu verlassen und eine reguläre Wohnung anzumieten, auch dann realistisch betrachtet gegen null tendiere, wenn es den Familienmitgliedern gelinge, einen oder mehrere Aushilfsjobs wahrzunehmen. Letztlich hätten somit nur Personen, die über genügend Kapital verfügten, beispielsweise eine Firma zu gründen oder ein Restaurant zu eröffnen, oder aber Personen mit höherer Ausbildung (etwa im Bereich Medizin) die Chance, sich in den kurdischen Gebieten eine sichere Existenz aufzubauen. Dass es Flüchtlingen regelmäßig dauerhaft verwehrt ist, ein Leben außerhalb von Flüchtlingseinrichtungen in Kurdistan-Irak zu führen, und keine Aussicht auf eine Verbesserung der Lebenssituation besteht, vermag der Senat den Erkenntnismitteln indes nicht zu entnehmen. Auch in den mündlichen Verhandlungen des Senats berichteten Kläger wiederholt, dass es ihnen oder Verwandten bzw. Bekannten als Bewohner von Flüchtlingscamps gelang, dauerhaft einer Tätigkeit außerhalb der Camps nachzugehen, und sich nicht nur Gelegenheitsjobs angeboten hätten (vgl. z. B. Urteil vom 30.7.2019, a.a.O., Rn. 26).
(bb) Die Lebensbedingungen in Flüchtlingsunterkünften können aber bei besonderer Vulnerabilität das reale Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK begründen. So sind alleinstehende Frauen ohne familiären Anschluss oder Familien ohne männliches Familienoberhaupt in einem Flüchtlingscamp regelmäßig dem realen Risiko einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt.
Die ohnehin schwierigen Bedingungen in den Flüchtlingscamps treffen Mitglieder in von Frauen geführten Haushalten, in denen geschätzt 13 % aller Binnenflüchtlinge und Rückkehrer leben (vgl. UNOCHA, Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 9), sowie alleinstehende Frauen besonders hart.
Bei ihnen handelt es sich um einen besonders vulnerablen Teil der irakischen Bevölkerung (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 106 f.; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 78 m. w. N.). Alleinstehende Frauen und Witwen haben oft Schwierigkeiten, ihre Kinder registrieren zu lassen, was dazu führt, dass den Kindern staatliche Leistungen, wie Bildung, Lebensmittelbeihilfen und Zugang zum Gesundheitswesen verweigert werden. Ohne Zustimmung eines männlichen Verwandten können Frauen keine Ausweisdokumente erhalten. Die Gesetzgebung hindert Frauen daran, ohne die Zustimmung eines männlichen Vormunds oder gesetzlichen Vertreters einen Reisepass zu beantragen. Frauen können ohne Zustimmung eines männlichen Verwandten daher auch keinen Personalausweis bekommen, der etwa für ihren Zugang zu Nahrungsmittelhilfe, Gesundheitsversorgung, Beschäftigung, Bildung und Wohnen benötigt wird (vgl. USDOS, Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, 20.4.2018, S. 24 f. des Ausdrucks). Im Übrigen wird generell erwartet, dass eine Frau immer mit einem Mann reist, der als ihr Vormund agiert (vgl. EASO, COI Meeting Report, Iraq, Practical Cooperation Meeting, 26.4.2017, S. 21).
Zudem sind viele Frauen und Mädchen durch Flucht und Verfolgung ohnehin bereits besonders gefährdet. So gibt es vermehrt Berichte, dass minderjährige Frauen in Flüchtlingslagern zur Heirat gezwungen werden (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12.1.2019, S. 15). Ohne männliche Angehörige erhöht sich das Risiko für diese Familien, Opfer von Kinderheirat und sexueller Ausbeutung zu werden, weiter (vgl. Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12.1.2019, S. 14). Sie sind einem hohen Risiko geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt (vgl. UNOCHA, Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 9). Auch alleinstehende Frauen sind in Binnenvertriebenenlagern anfällig für sexuelle Übergriffe. So wird von Belästigungen durch junge Männer, insbesondere auf dem Weg zur Toilette, zur Wasserbezugsstelle und in der Dunkelheit, berichtet. Den Leitungen der Flüchtlingscamps wie auch anderen Partnern dürfte diese Problematik zwar bekannt sein und es werden teilweise Wohnwagen als Unterkunft für besonders vulnerable Personen bereitgestellt (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 61 m. w. N.). Es ist aber nicht erkennbar, dass diese Maßnahmen genügen, um der erheblichen Gefahr angemessen zu begegnen.
Ob andere Personen, wie Homosexuelle, Menschen mit Behinderungen, mutmaßliche IS-Kämpfer, ehemalige Mitglieder der Baath-Partei (vgl. UNOCHA, Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 9; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 83 - 90 m. w. N.), als besonders vulnerabel einzustufen und in den Flüchtlingseinrichtungen dem realen Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK ausgesetzt sind, bedarf einer Abwägung aller konkreten Umstände des Einzelfalls.
(3) Sog. kritische Unterkünfte in informellen Siedlungen
Die Lebensbedingungen in den als "kritisch" bezeichneten Unterkünften dürften zwar regelmäßig das reale Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK begründen (dazu unter (a)). Es ist jedoch in der Regel davon auszugehen, dass yezidische Rückkehrer aus Europa nicht auf diese Unterkünfte angewiesen sind, sondern die Möglichkeit haben, wenn nicht in einer Privatunterkunft, zumindest in einem Flüchtlingscamp in Kurdistan-Irak unterzukommen (dazu unter (b)).
(a) Nach einem Gutachten des EZKS vom 25. Mai 2018 (S. 1 f.) lebt eine "nennenswerte Anzahl" von Flüchtlingen in Häusern, die entweder noch nicht fertig gestellt oder verlassen sind, ohne ausreichende Infrastruktur und ohne ausreichende Sicherheit, dort mittelfristig bleiben zu können. Die IOM (Iraq, Understanding Ethno-Religious Groups in Iraq: Displacement and Return, Februar 2019, S. 6) geht davon aus, dass etwa 20 % der Yeziden in nicht fertiggestellten oder verlassenen Unterkünften leben. Dabei scheint die Provinz Dohuk besonders betroffen zu sein. In drei Distrikten der Provinz gibt es 115 informelle Siedlungen mit etwa 25.000 Binnenflüchtlingen, die dort seit über vier Jahren leben. Das ist die größte Anzahl an Binnenvertriebenen in informellen Siedlungen in einer irakischen Provinz (vgl. UNOCHA, Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 34). Die Lebensbedingungen dort sind regelmäßig äußerst prekär. Oftmals sind die Bewohner mit keinem oder nur begrenztem Zugang zu guter Wasserqualität, Elektrizität, Heizung und sanitären Einrichtungen konfrontiert und - bei fehlenden Dächern, Löchern in den Wänden und beschädigten Fensterscheiben - den extremen Wetterbedingungen in der Region in besonderem Maße ausgesetzt (vgl. UNHCR, COI Note on the Situation of Yazidi IDPs in the Kurdistan Region of Iraq, Mai 2019, S. 4).
(b) Der Senat geht jedoch davon aus, dass Rückkehrer grundsätzlich nicht auf eine derartige Unterkunft angewiesen sind, sondern die Möglichkeit haben, zumindest in einem Flüchtlingscamp unterzukommen.
Der DIS bezog sich bereits in seinem Bericht aus April 2016 (The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, S. 55, 140 m. w. N.) auf Angaben, nach denen Binnenvertriebene in informellen Siedlungen die Möglichkeit haben, in ein Flüchtlingscamp zu gehen. Diese Option dürfte derzeit angesichts der seitdem eingetretenen signifikanten Abnahme der Anzahl der Binnenvertriebenen weiter bestehen. Soweit in der Vergangenheit von Wartelisten die Rede war (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 56) und aktuell auch noch ist (vgl. UNHCR, COI Note on the Situation of Yazidi IDPs in the Kurdistan Region of Iraq, Mai 2019, S. 4), ist ebenfalls die Entwicklung der Zahl der Binnenvertriebenen in der Region zu berücksichtigen, wodurch sich die Lage zunehmend entspannen dürfte. Überdies sind bereits damals zumindest diejenigen aufgenommen worden, die andernfalls obdachlos geworden wären (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 56). Für die Möglichkeit, in einer Flüchtlingsunterkunft unterzukommen, spricht auch der Umstand, dass der Anteil der Binnenvertriebenen in den als kritisch bezeichneten Unterkünften nach dem Bericht der IOM (Iraq, Integrated Location Assessment III, 2.1.2019, S. 42 f.) im Irak bereits von 22 % im Mai 2017 auf 13 % im Jahr 2018 gesunken ist (in Kurdistan-Irak sogar auf 11 %). Ergänzend wird auf die obigen Ausführungen zu den Zugangsmöglichkeiten zu Flüchtlingsunterkünften Bezug genommen.
bb) Arbeitsmarkt
Die Bewertung der Wahrscheinlichkeit, als Rückkehrer aus Europa einer seine Existenz (zumindest teilweise) sichernden Erwerbstätigkeit in Kurdistan-Irak nachzugehen, bedarf einer umfassenden Abwägung wahrscheinlichkeitserhöhender und -mindernder Umstände im konkreten Einzelfall.
(1) Allgemeine Lage auf dem Arbeitsmarkt in Kurdistan-Irak
Die Lage auf dem Arbeitsmarkt in Kurdistan-Irak ist äußerst angespannt. Dies ist neben der herrschenden Finanz- und Wirtschaftskrise, die auf der Streichung von Geldern der Zentralregierung, dem teuren Krieg gegen den IS sowie dem Verlust von Einnahmen aus der Ölförderung in Kirkuk beruht (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Lage von Rückkehrerinnen aus dem Ausland: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem; Schwierigkeiten für Rückkehrerinnen aus Europa, 21.2.2019, S. 4 f. unter Bezugnahme auf einen Bericht des kurdischen Nachrichtensenders Rudaw vom 16.5.2018), insbesondere auf den rapiden Anstieg der Flüchtlingszahlen in Kurdistan-Irak zurückzuführen, die sich - bei einer Bevölkerungszahl von 5 Millionen Einwohnern - innerhalb kurzer Zeit auf 2 Millionen (im Juni 2015) erhöht hat (vgl. EZKS, Gutachten vom 10.9.2015, S. 10).
Die Tatsache, dass zahlreiche Flüchtlinge und Binnenvertriebene ohne bzw. mit geringen Qualifikationen auf den Arbeitsmarkt drängten, bedeutete auch einen schlechteren Zugang bereits dort lebender geringqualifizierter irakisch-kurdischer Bürger zu vielen Jobs. Angaben der Weltbank zufolge hat sich die allgemeine Armutsrate bereits zwischen 2012 und 2014 - als die Mehrheit der syrischen Flüchtlinge ins Land kam - von 3,5 % auf 8,1 % mehr als verdoppelt (vgl. EZKS, Gutachten vom 25.5.2018, S. 4).
Laut gemeinsamer Studie von der IOM, dem kurdischen Statistikamt (Kurdistan Region Statistics Office, KRSO) und dem UNO-Bevölkerungsfonds (United Nations Population Fund, UNPFA) aus Juli 2018 (vgl. IOM, Demographic Survey, Kurdistan Region of Iraq, Juli 2018, S. 39) hat die Arbeitslosenrate in Kurdistan-Irak 10,2 % (Provinz Dohuk 13,8 %, Provinz Sulaymaniya 9,4 % und Provinz Erbil 9,2 %) betragen. Gleichzeitig ist die Arbeitslosigkeit unter Personen mit höherem Abschluss größer gewesen als bei Personen ohne Abschluss (bei Personen ohne Abschluss 6,1 %, bei Personen mit Volksschul- oder Mittelschulabschluss 8,6 % und bei Personen mit Sekundarabschluss oder Hochschulabschluss 15 %). Die Arbeitslosigkeit betrifft insbesondere die jüngere Bevölkerung. So sind mehr als 20 % der Bevölkerung zwischen 18 und 34 Jahren arbeitslos. Knapp über 40 % der Bevölkerung zwischen 15 und 64 Jahren sind im öffentlichen Sektor angestellt. Bei den Binnenflüchtlingen liegt die Arbeitslosenquote nach der vorgenannten Studie bei Bewohnern von Flüchtlingscamps bei 18,4 %, im Übrigen bei 12,3 %.
Der öffentliche Sektor ist grundsätzlich sehr gefragt. Rund die Hälfte der Jobs sind in diesem Bereich des Arbeitsmarktes zu finden (vgl. IOM, Demographic Survey, Kurdistan Region of Iraq, Juli 2018, S. 4). Aufgrund von Budgetkürzungen wurden dort in der Vergangenheit aber viele Stellen gestrichen (vgl. IOM, Länderinformationsblatt Irak, 2018, S. 5). Im privaten Sektor sind durchaus Arbeitsmöglichkeiten vorhanden. Allerdings sind diese, insbesondere im Vergleich zum Zeitraum vor der IS-Krise, immer noch rar (vgl. IOM, Länderinformationsblatt Irak, 2018, S. 5; DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 52).
Mit der stetigen Abnahme der Binnenflüchtlinge in Kurdistan-Irak - im Dezember 2018 waren es insgesamt 700.410 Personen (Dohuk 337.596, Erbil 211.920, Sulaymaniya 150.894; vgl. IOM, Iraq, Displacement Tracking Matrix, DTM Round 107, Dezember 2018, S. 2 - 3) - dürfte der Druck auf den Arbeitsmarkt indes inzwischen etwas abgenommen haben und sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt angesichts des prognostizierten anhaltenden Trends auch künftig weiter entschärfen.
(2) Erwerbschancen von Binnenvertriebenen bzw. Rückkehrern aus Europa
Binnenvertriebene haben grundsätzlich das Recht, in Kurdistan-Irak einer Arbeit nachzugehen, wenn sie dort registriert sind (vgl. EZKS, Gutachten vom 25.5.2018, S. 4). Arbeitsagenturen werden durch das Ministerium für Arbeit und Soziales in den meisten Städten zu Verfügung gestellt. Diese können beim Generalsekretariat der Arbeits- und Sozialversicherung eingesehen werden. Stellenangebote können auf verschiedenen Websites (z. B. http://erbilmanpower.com) gefunden werden. Rückkehrer können sich an die nächstgelegene Anlaufstelle des Ministeriums für Arbeit und Soziales wenden, um sich zu registrieren und über mögliche Hilfe zu erkundigen. Dies gilt sowohl für Arbeitsmöglichkeiten als auch für Weiterbildungsmaßnahmen (vgl. IOM, Länderinformationsblatt Irak, 2018, S. 5).
Das EZKS geht in seinem Gutachten vom 10. September 2015 (S. 8) davon aus, dass der staatliche Sektor des Arbeitsmarktes, in dem die Hälfte der Erwerbstätigen beschäftigt sind, für Flüchtlinge und Binnenvertriebene weitgehend verschlossen ist (so auch UNHCR, COI Note on the Situation of Yazidi IDPs in the Kurdistan Region of Iraq, Mai 2019, S. 5).
Soweit es Binnenflüchtlingen in der Privatwirtschaft gelingt, einen Job zu erhalten, handelt es sich oftmals um einen solchen im gering qualifizierten Bereich wie im Baugewerbe oder Gelegenheitsarbeit in der Landwirtschaft oder in Restaurants. Das dürfte auch daran liegen, dass Binnenvertriebene eher bereit sind, für geringere Löhne zu arbeiten, als sonstige Bewohner der Region Kurdistan-Irak. Binnenvertriebene mit einer besseren Ausbildung haben eine Chance, bei Nichtregierungsorganisationen Arbeit zu finden (vgl. U. K. Home Office, Country Policy and Information Note, Iraq: Internal relocation, civil documentation and returns, Februar 2019, S. 51; DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 52 m. w. N.). Für Personen ohne besondere Ausbildung oder Qualifikationen gelangt auch das EZKS (Gutachten vom 10. September 2015, S. 8 f.) zu der Einschätzung, dass sich Möglichkeiten allenfalls in den Bereichen Gastronomie, Tourismus und Baugewerbe bieten. Zum Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens stufte es, auch angesichts der damals besonders hohen Anzahl von Flüchtlingen im Land, die Chance, in diesen Bereichen Arbeit zu finden, für Neuankömmlinge bei nahezu null ein.
Ein wesentlicher Faktor bei der Arbeitsplatzsuche ist das Vorhandensein bzw. Fehlen von Kontakten. Den Erkenntnismitteln lässt sich entnehmen, dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt bei Vorhandensein guter Kontakte erheblich steigen. In der Region Kurdistan-Irak ist die sog. Wasta-Kultur, die Zuhilfenahme familiärer Beziehungen, um zu einem Job zu gelangen, stark ausgeprägt und führt sogar dazu, dass teilweise besser Ausgebildete keine Arbeit finden (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Lage von Rückkehrerinnen aus dem Ausland: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem; Schwierigkeiten für Rückkehrerinnen aus Europa, 21.2.2019, S. 4 f. des Ausdrucks; EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 104 f.). Auch das EZKS geht in seinem Gutachten vom 25. Mai 2018 (S. 5) davon aus, dass "tragfähige Beziehungen" auf dem Arbeitsmarkt von ausschlaggebender Bedeutung sind (vgl. auch DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 53 m. w. N). Die Vetternwirtschaft ist in Kurdistan-Irak sehr stark ausgeprägt (vgl. UNHCR, COI Note on the Situation of Yazidi IDPs in the Kurdistan Region of Iraq, Mai 2019, S. 5).
Binnenvertriebene innerhalb und außerhalb von Flüchtlingscamps sehen sich mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Bei Binnenvertriebenen in Flüchtlingscamps ist zu berücksichtigen, dass die Hürden, einer Erwerbstätigkeit in den Städten Kurdistan-Iraks nachzugehen, erhöht sein können. So kommt das EZKS (Gutachten vom 10.9.2015, S. 8 f.) zu der Einschätzung, dass viele der Flüchtlingslager am Rand größerer Städte angesiedelt seien und es dort lebenden Flüchtlingen angesichts eines nur in Ansätzen existierenden öffentlichen Nahverkehrs nahezu unmöglich sei, von dort einer geregelten Arbeit in den Städten nachzugehen. Diese Betrachtung lässt aber außer Betracht, dass es für Bewohner von Flüchtlingscamps - wie sich auch in anderen Verfahren gezeigt hat - durchaus Mitfahrgelegenheiten gibt und viele auf ein öffentliches Nahverkehrsnetz nicht angewiesen sein dürften (vgl. z. B. Urteil des Senats vom 30.7.2019, a. a. O., Rn. 26). Demgegenüber haben die außerhalb von Flüchtlingscamps lebenden Binnenflüchtlinge in der Regel höhere Lebenshaltungskosten mit der Folge, dass Bewohner von Flüchtlingscamps im Vergleich geringere Löhne akzeptieren können (vgl. UNHCR, COI Note on the Situation of Yazidi IDPs in the Kurdistan Region of Iraq, Mai 2019, S. 4). Außerhalb von Flüchtlingsunterkünften lebende Flüchtlinge, gerade diejenigen, die bei einer Gastfamilie unterkommen, genießen aber wiederum den Vorteil sozialer Kontakte außerhalb von Flüchtlingscamps, die einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt mit sich bringen können.
Der bloße Umstand der yezidischen Religionszugehörigkeit allein hat nach der Einschätzung des Senats - wenn auch die Arbeitslosenquote yezidischer Binnenvertriebener teilweise mit nahezu 50 % angegeben wird (vgl. IOM, Iraq, Understanding Ethno-Religious Groups in Iraq: Displacement and Return, Februar 2019, S. 6) und damit faktisch deutlich über dem Durchschnitt läge - keinen bedeutenden Einfluss auf die Chancen am Arbeitsmarkt. Auch das EZKS geht in seinem Gutachten vom 25. Mai 2018 (S. 5) davon aus, dass spezifische Einschränkungen aufgrund der yezidischen Religionszugehörigkeit keine entscheidende Rolle spielen. Zwar gibt es danach bestimmte religiöse muslimische Milieus, die Vorurteile gegenüber Yeziden haben und diese deshalb nicht einstellen. Allerdings gilt dies (nach Einschätzung des EZKS) - in kurdisch-nationalistischen Kreisen - in ähnlicher, wenn nicht stärker ausgeprägter Weise auch für mittellose arabische Binnenflüchtlinge. Allenfalls bei der Ausübung bestimmter Berufe sind Einschränkungen denkbar, so bei solchen, die mit Nahrungsmitteln zu tun haben, wie etwa Metzger, Bäcker oder Koch; sie sind oftmals Muslimen vorbehalten, da Yeziden als nicht "halal" und damit als "unrein" gelten (vgl. BFA, Jesiden in Dahouk und Bagdad - Lebensräume der Jesiden, 26.7.2018, S. 10, 18 m. w. N.). Zudem ist davon berichtet worden, dass Yeziden, die sich nicht als Kurden oder Moslems ausgaben, keine Führungspositionen in der kurdischen Regionalregierung bekleiden konnten (vgl. BFA, Jesiden in Dahouk und Bagdad - Lebensräume der Jesiden, 26.7.2018, S. 10).
(Binnen-)Flüchtlinge, die die kurdische Sprache beherrschen, sind gegenüber anderen auf dem Arbeitsmarkt in Kurdistan-Irak grundsätzlich im Vorteil.
cc) Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen
Der Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen ist in Kurdistan-Irak - mit Ausnahme für diejenigen, die in sog. kritischen Unterkünften wohnen - grundsätzlich gewährleistet.
(1) Eine Lebensmittelknappheit herrscht in der Region Kurdistan-Irak nicht, wenn es auch unterschiedliche Stellungnahmen zur Erreichbarkeit einer ernährungsphysiologisch ausgewogenen Ernährung für Binnenflüchtlinge gibt. So haben zumindest in erreichbaren Gegenden des Irak, wie in Kurdistan-Irak, die meisten Haushalte angemessenen Zugang zu Lebensmitteln (vgl. REACH, Iraq, Multi-Cluster Needs Assessment, Dezember 2017, S. 68). Das Public Distribution System (PDS) gewährt allen irakischen Bürgern einen Anspruch auf Zugang zu Lebensmittelpaketen mit Grundnahrungsmitteln, die z. B. Mehl, Zucker, Reis, Speiseöl, Bohnen, Linsen, Tee und Milch enthalten (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 58). Allein in der Provinz Dohuk gab es 1.400 Lebensmittelausgabestellen. Das World Food Programme (WFP) unterstützt das PDS in der Region Kurdistan-Irak seit 1996 (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: wirtschaftliche Lage in der autonomen Region Kurdistan-Irak für RückkehrerInnen, 10.5.2017, S. 5 des Ausdrucks). Im Jahr 2012 haben 95 % der irakischen Bevölkerung Grundnahrungsmittel über das PDS erhalten (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 95 m. w. N.). Wenn es auch in der jüngeren Vergangenheit in vielen Fällen zu einer Verteilung von nur halben Rationen gekommen ist und es Unregelmäßigkeiten bei den Lieferungen gibt, von denen die in Flüchtlingscamps lebenden Binnenflüchtlinge am Wenigsten betroffen sind (vgl. REACH, Iraq, Multi-Cluster Needs Assessment, Dezember 2017, S. 74), lassen sich den Erkenntnismitteln keine ernsthaften Zweifel an einem weitgehend bestehenden Zugang zu Grundnahrungsmitteln entnehmen. Auch nach dem Bericht von ACCORD (Anfragebeantwortung zum Irak: wirtschaftliche Lage in der autonomen Region Kurdistan-Irak für RückkehrerInnen, 10.5.2017, S. 5 des Ausdrucks m. w. N.) funktioniert das PDS-System trotz Verzögerungen bei der Ausgabe einiger Lebensmittelkörbe in Dohuk und Zakho, der Hauptzufluchtsregion der binnenvertriebenen Yeziden, relativ gut.
(2) Wasser und Elektrizität waren in Kurdistan-Irak bereits vor 2014 rare Güter - mit der Ankunft zahlreicher (Binnen-)Flüchtlinge sind sie für alle knapper geworden (vgl. EZKS, Gutachten vom 25.5.2018, S. 4 f.).
So kann in der Region Kurdistan-Irak ein Mangel an Trinkwasser auftreten, von dem dann aber alle Bewohner gleichermaßen betroffen sind. Es gibt keinerlei Diskriminierung bzw. Priorisierung bei der Verteilung (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 59). In der Vergangenheit konnten zudem erhebliche Fortschritte beim Zugang erreicht werden (vgl. BFA, Situation von Kindern in der autonomen Region Kurdistan-Irak, 25.3.2019, S. 1 f.; EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 55 m. w. N.).
Aufgrund der hohen Anzahl an Binnenvertriebenen und anderen Flüchtlingen ist nicht genügend Strom im Stromnetz vorhanden, um den Bedarf der Region Kurdistan-Irak zu decken. So gibt es in Erbil rund 20 Stromausfälle täglich. Dort werden binnenvertriebenen Familien sechs Ampere pro Tag bereit gestellt (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 59), wobei auch hier in der Vergangenheit erhebliche Fortschritte beim Zugang gemacht worden sind (vgl. BFA, Situation von Kindern in der autonomen Region Kurdistan-Irak, 25.3.2019, S. 1 f.).
(3) Die medizinische Versorgungslage im Irak ist schwierig (vgl. zusammenfassende Darstellung EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 74 - 80), in Kurdistan-Irak aber besser als in anderen Teilen des Irak (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 81 - 85).
Dabei handelt es sich bei der medizinischen Versorgung in Kurdistan-Irak um ein öffentliches Gut. Auch Binnenvertriebene haben Zugang zu medizinischen Dienstleistungen in öffentlichen Krankenhäusern. Der Rote Halbmond ist in der Lage, in den Binnenvertriebenenlagern in Erbil einige chirurgische Eingriffe vorzunehmen. Es gibt öffentliche Gesundheitszentren, bei denen die Patienten lediglich eine Anmeldegebühr in Höhe von 3.000 Irakischen Dinar (etwa 2,25 EUR) zahlen müssen (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 59 m. w. N.).
Der rasante Anstieg der Zahl der Binnenvertriebenen hat sich aber auch im Gesundheitssystem bemerkbar gemacht. So gab es Wartelisten für Behandlungen (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 59 m. w. N.). Das Anwachsen der Bevölkerung ohne einen entsprechenden Ausbau des Gesundheitssystems hat zu geringeren pro Kopf Leistungen geführt (vgl. EZKS, Gutachten vom 25.5.2018, S. 5).
Das Fehlen von Ausweisdokumenten kann den Zugang zur Gesundheitsversorgung einschränken. Bei in ländlichen Gebieten lebenden Binnenvertriebenen besteht zudem nicht selten ein Transportproblem in Bezug auf die regelmäßig in den Städten gelegenen Krankenhäuser, was gerade bei chronischen Erkrankungen brisant werden kann. Zudem wird von Problemen bei der medikamentösen Versorgung berichtet (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 60 m. w. N.).
Während der besonderen Bedürfnisse traumatisierter Flüchtlinge zu Beginn der Vertreibung im Jahr 2014 noch nicht angemessen begegnet werden konnte (vgl. EZKS, Gutachten vom 10.9.2015, S. 5 f.), ergibt sich aus den Erkenntnismitteln, dass insoweit nachgebessert worden ist. So ist z. B. in Dohuk ein Institut für Psychotherapie eröffnet worden (vgl. BFA, Jesiden in Dahouk und Bagdad - Lebensräume der Jesiden, 26.7.2018, S. 19 f.; zu der aktuellen Versorgungslage im Hinblick auf die psychische Gesundheitsversorgung auch EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 84 f.).
(4) Bildung ist ebenfalls ein öffentliches Gut in Kurdistan-Irak (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security an Humanitarian Situation, April 2016, S. 60) und kostenfrei (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 87). Grundsätzlich ist die Schulbesuchsrate in der Region sehr hoch. Etwa 96 % der Kinder in Kurdistan-Irak besuchen eine Grundschule, ca. 67 % die erste Sekundarstufe (vgl. BFA, Situation von Kindern in der autonomen Region Kurdistan-Irak, 25.3.2019, S. 1 - 3 m. w. N.).
Aber auch der Bildungssektor leidet unter den Herausforderungen, die rund 360.000 zusätzlich zu beschulende Kinder, davon etwa 60.000 Kinder aus Syrien und 300.000 Kinder irakischer Binnenvertriebener, bedeuten. Es fehlt an geeigneten Schulgebäuden, die Klassen sind überfüllt und das Bildungsniveau der einzelnen Kinder ist extrem unterschiedlich. Zudem sind viele Schüler durch Krieg und Vertreibung traumatisiert. Die sie unterrichtenden Lehrer wurden für diese Herausforderungen nicht ausgebildet und werden aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise bzw. des angespannten Verhältnisses zwischen Bagdad und Erbil nicht regelmäßig bezahlt (vgl. EZKS, Gutachten vom 25.5.2018, S. 5). Sie arbeiten in zwei oder drei Schichten. Besondere Schwierigkeiten bestehen, wenn die Kinder die Unterrichtssprache kurdisch nicht sprechen (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 60 f., 91; EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 91 f.).
Auch der durch die hohe Anzahl an Binnenflüchtlingen entstandene Druck dürfte dazu beigetragen haben, dass ein großer Teil der binnenvertriebenen Kinder (nach DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security an Humanitarian Situation, April 2016, S. 60 unter Bezugnahme auf Angaben des Innenministers der kurdischen Regionalregierung etwa 80 %) nicht zur Schule geht. Dabei ist der Zugang (zumindest) zu Grundschulen allgemein gewährleistet (vgl. DIS, The Kurdistan Region of Iraq (KRI), Access, Possibility of Protection, Security an Humanitarian Situation, April 2016, S. 79), viele Kinder gehen aber aus anderen Gründen, wie Desinteresse oder sprachliche Barrieren, nicht zur Schule (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 92 m. w. N.).
(5) Auch im Bereich des Zugangs zu sanitären Einrichtungen, der inzwischen für 98 % der Bevölkerung besteht, sind erhebliche Fortschritte gemacht worden (vgl. BFA, Situation von Kindern in der autonomen Region Kurdistan-Irak, 25.3.2019, S. 1 - 3). Die Häuser in der Provinz Erbil sind mit sanitären Einrichtungen ausgestattet, etwa 26 % über einen Anschluss an das öffentliche Kanalnetz mit abgedeckten Kanälen und ca. 72 % über Klärgruben (vgl. EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 59).
dd) Staatliche sowie nichtstaatliche Unterstützung
Darüber hinaus ist in die Bewertung der Rückkehrsituation eine zu erwartende staatliche oder nichtstaatliche Unterstützung mit einzubeziehen (vgl. zur Berücksichtigung in Bezug auf Afghanistan VGH BW, Urteil vom 17.1.2018 - A 11 S 241/17 - juris Rn. 411 - 436).
Iraker können bei freiwilliger Rückkehr in ihr Heimatland eine Reintegrationsunterstützung durch das Programm "European Return and Reintegration Network" (ERRIN) erhalten. Dazu gehören: Beratung nach der Ankunft, berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche, Unterstützung bei einer Existenzgründung, Grundausstattung für die Wohnung, sowie Beratung und Begleitung zu behördlichen, medizinischen und caritativen Einrichtungen. Die Höhe der Unterstützung orientiert sich an der Anzahl der Rückkehrenden im Familienverbund und an der Vulnerabilität der Rückkehrenden. Die Höhe der Sachleistungen beträgt bei Einzelpersonen bis zu 2.000 EUR, bei einem Familienverbund bis zu 3.300 EUR, wobei bei besonderer Vulnerabilität einmalig 500 EUR zusätzlich geleistet werden (https://www.returningfromgermany.de/de/programmes/erin).
Zudem können Rückkehrer, wie andere Flüchtlinge vor Ort, humanitäre Hilfe in Anspruch nehmen (dazu im Einzelnen EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Key socio-economic indicators, Februar 2019, S. 98 - 100). Derzeit sind etwa 170 Hilfsorganisationen (85 nationale und 74 internationale Nichtregierungsorganisationen sowie acht UN-Organisationen) in 420 Orten in über 107 Distrikten im Irak aktiv. Das ist die größte geographische Ausbreitung der humanitären Hilfe seit Beginn der Krise im Jahr 2014. Im Kalenderjahr 2018 sind 2,9 Millionen der 3,4 Millionen Hilfsbedürftigen von 171 Partnern versorgt worden (vgl. UNOCHA, Iraq, Humanitarian Response Plan 2019, 26.2.2019, S. 27).
Der UNHCR kooperiert sowohl mit der irakischen Regierung als auch mit der kurdischen Regionalregierung. Prioritär unterstützt er die Versorgung von Flüchtlingen mit sauberem Wasser, die Bereitstellung bzw. Reparatur von (vorübergehenden) Unterkünften (auch, aber nicht nur in Camps) und den Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung sowie zu Rechtsberatung. Daneben hilft er, wie auch andere (internationale) Hilfsorganisationen, der kurdischen Regionalregierung bei der Gewährleistung des Zugangs zu einer grundständigen Schulbildung für Binnenvertriebene. Dabei sind die Prioritäten des UNHCR nicht an der ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit ausgerichtet, sondern an den Bedürfnissen der jeweiligen Gruppen. So gibt es beispielsweise spezielle Programme für Frauen, Kinder und ältere Menschen sowie für Familien ohne männlichen Haushaltsvorstand. Sofern die Unterstützungsleistungen die Binnenvertriebenen erreichen, was zumindest in der Region Kurdistan-Irak in der Regel der Fall ist, können sie mit ihrer Hilfe überleben (vgl. EZKS, Gutachten vom 25.5.2018, S. 3).
Ob yezidische Flüchtlinge neben Unterkunft, Strom und Wasser sowie Nahrungsmittelrationen auch finanzielle Leistungen in Form einer Einmalzahlung sowie von monatlichen Zahlungen erhalten, wie dies nach dem Bericht des EZKS vom 10. September 2015 (S. 5) vorgesehen war, lässt sich den Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Zumindest in seinem aktuelleren Gutachten vom 25. Mai 2018, in dem es auch um Unterstützungsleistungen für binnenvertriebene Rückkehrer geht, ist davon keine Rede mehr. Auch sonst ergeben sich, soweit ersichtlich, keine Anhaltspunkte für derartige Zahlungen.
c) Auch eine Gesamtbetrachtung der Sicherheitslage und der humanitären Situation in Kurdistan-Irak führt nach Einschätzung des Senats unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnismittel noch nicht dazu, dass allgemein alle aus dem Irak stammenden Yeziden bzw. yezidischen Familien mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wären bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten müssen, wenn sie nach Kurdistan-Irak zurückkehrten. Zwar ist sowohl die Sicherheitslage als auch die humanitäre Lage in der Region angespannt, es lässt sich aber für den vorgenannten Personenkreis noch keine Extremsituation feststellen, die es rechtfertigt, ihnen generell Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK zu gewähren.
4. Im Falle der Kläger liegen keine besonderen, individuell erschwerenden Umstände vor, die über die genannten allgemeinen Umstände hinaus dazu führen, dass gerade bei ihnen als Familie mit vier minderjährigen Kindern und einem arbeitsfähigen Familienvater ein höheres Risiko besteht, einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen, wenn sie nach Kurdistan-Irak zurückkehren.
a) Der Senat sieht - auch angesichts der schwierigen Arbeitsmarktbedingungen in der Region Kurdistan-Irak - gute Chancen für den Kläger zu 1), auf dem dortigen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und in absehbarer Zeit ein das Existenzminimum seiner Familie sicherndes Einkommen zu erzielen. So hat der Kläger zu 1) nach seinen Angaben in seiner behördlichen Anhörung bereits kurz nach seiner Flucht in die Region Kurdistan-Irak einer Erwerbstätigkeit nachgehen können. Dabei gelang es ihm sogar, zunächst im staatlichen Sektor eine Arbeit zu finden und mit seiner Tätigkeit als Rettungswagenfahrer dem Beruf nachzugehen, in dem er bereits vor seiner Flucht aus dem Sindjar tätig war. Darüber hinaus hat er die Tätigkeit als Rettungswagenfahrer ununterbrochen bis zu seiner Ausreise ausüben können. Es handelte sich auch nicht um eine Gelegenheitsarbeit, vielmehr war er in der Lage, durch die Erwerbstätigkeit das Existenzminimum seiner Familie über einen längeren Zeitraum von über einem Jahr zu sichern und darüber hinaus offensichtlich noch einen erheblichen Betrag zu sparen, um die gemeinsame Ausreise der gesamten Familie nach Europa zu finanzieren. Diese hat nach den eigenen Angaben der Kläger zu 1) und 2) allein bis nach Griechenland 2.000 US-Dollar gekostet, wobei die tatsächlichen Kosten nach der Einschätzung des Senats noch höher gelegen haben dürften, da der genannte Betrag nach den Erkenntnissen des Senats aus anderen den Irak betreffenden Verfahren als äußerst gering erscheint (vgl. z. B. Urteil des Senats vom 24.9.2019 - 9 LB 137/19 -).
Die erstmals in der mündlichen Verhandlung erfolgte Angabe der Kläger zu 1) und 2), der Kläger zu 1) habe nach der Flucht vor dem IS im August 2014 nach Kurdistan-Irak nicht mehr gearbeitet, hält der Senat nicht für glaubhaft. Sie steht im deutlichen Widerspruch zu dem in der behördlichen Anhörung erfolgten Vortrag, in der, wie dargelegt, detailliert zu den Erwerbstätigkeiten des Klägers zu 1) nach der Flucht nach Kurdistan-Irak ausgeführt worden ist. Dass diese Angaben auf einen Übersetzungsfehler bei der behördlichen Anhörung zurückzuführen sind und man dort - wie die Kläger zu 1) und 2) nunmehr geltend machen - lediglich davon gesprochen habe, dass der Kläger zu 1) unentgeltlich im Sindjar-Gebirge Verletzte zu einem Hubschrauberlandeplatz gefahren habe, ist nicht plausibel. Diese Einlassung vermag schon den Umstand nicht zu erklären, warum in der behördlichen Anhörung von zwei Erwerbstätigkeiten, einer für die Regierung in Dohuk sowie einer in R., die Rede war. Hinzu kommt, dass der Kläger zu 1) in seiner behördlichen Anhörung angab, ab März oder April 2015 bis zu seiner Ausreise am 20. Oktober 2015 im Wechsel eine Woche in R. gelebt und gearbeitet und dann eine Woche frei gehabt zu haben. Auch dies stimmt mit seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung, nach der er einmalig und für drei Monate sowie im Sindjar-Gebirge gearbeitet habe, in mehrfacher Hinsicht nicht überein. Der Senat hält es darüber hinaus auch nicht für glaubhaft, dass die Kläger zu 1) und 2), wie sie erstmals in der mündlichen Verhandlung angaben, das der Klägerin zu 2) zur Hochzeit geschenkte Gold verkauft haben, um die Ausreise zu finanzieren. So ergibt sich noch aus dem Protokoll der behördlichen Anhörung, dass die Kläger nach eigenen Angaben in Kurdistan-Irak in den ersten zwei Monaten von Ersparnissen sowie dem Erlös aus dem Schmuckverkauf gelebt hätten, bis der Kläger zu 1) Anfang Oktober 2014 begonnen habe, zu arbeiten. Offensichtlich suchten die Kläger eine Erklärung für die Finanzierung der Ausreise, ohne die Erwerbstätigkeit des Klägers zu 1) (erneut) offen legen zu müssen. Da keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Kläger von anderen Personen bei ihrer Ausreise finanziell unterstützt worden sind, geht der Senat davon aus, dass der Kläger zu 1) in der Lage war, mit dem durch die Erwerbstätigkeit erzielten Einkommen die nicht unerheblichen Kosten der Ausreise der Kläger zu finanzieren.
Es ergeben sich auch keine Anhaltspunkte, warum der Kläger zu 1) mit seiner Berufserfahrung im Fall seiner Rückkehr in den Irak nicht erneut - insbesondere als Krankenwagenfahrer - einer Erwerbstätigkeit wird nachgehen können. Der Kläger hat eine Schulausbildung (6 Jahre Grundschule), sowie Berufserfahrung in verschiedenen Berufen (zumindest als Hochzeitsfotograph und Rettungswagenfahrer) und er beherrscht die kurdische Sprache, was ihm gegenüber nur arabisch sprechenden Arbeitssuchenden auf dem Arbeitsmarkt in Kurdistan-Irak einen Vorteil verschafft. Zudem hat er bereits vor seiner Ausreise in Kurdistan-Irak für über ein Jahr gelebt und gearbeitet, so dass er sich mit den dortigen Gegebenheiten gut auskennt.
Darüber hinaus verfügt er - mit seinen nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zumindest noch vier in Dohuk lebenden Geschwistern sowie der dort lebenden Großfamilie - über umfangreiche familiäre Kontakte in Kurdistan-Irak, die ihn bei der Arbeitssuche unterstützen können.
b) Individuell erschwerende Umstände ergeben sich für die Kläger auch nicht daraus, dass sie nach Einschätzung des Senats im Falle ihrer Rückkehr nach Kurdistan-Irak voraussichtlich zunächst in einer Flüchtlingsunterkunft wohnen müssen.
Der Senat hält es nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass es den Klägern auf dem angespannten Wohnungsmarkt in Kurdistan-Irak gelingen wird, zeitnah nach ihrer Rückkehr dauerhaft in einer Privatunterkunft unterzukommen. Es fehlen Anhaltspunkte, dass sie die finanziellen Möglichkeiten hätten, dort sofort eine Wohnung anzumieten. So ist es nicht ersichtlich, dass sie dafür über ausreichend Ersparnisse verfügen. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Kläger zu 1) nach eigenen Angaben in der Bundesrepublik Deutschland keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Es ist auch wenig wahrscheinlich, dass es dem Kläger zu 1) unmittelbar nach der Ankunft gelingen wird, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, die neben der sonstigen Grundversorgung der sechsköpfigen Familie auch die Anmietung einer Wohnung ermöglicht. Wenn die Kläger auch mit einer Unterstützung von ihren im In- und Ausland lebenden Familienangehörigen rechnen können, so fehlt es an ausreichenden Erkenntnissen für die Annahme, diese ermögliche die Anmietung einer Wohnung in Kurdistan-Irak. Dies gilt gerade vor dem Hintergrund, dass - zumindest nach den Angaben der Kläger zu 1) und 2) in der mündlichen Verhandlung - ein Großteil der im Irak lebenden Familie der Kläger, wie die sich dort noch aufhaltende Mutter sowie eine Schwester des Klägers zu 1) und die sich dort befindlichen Familienangehörigen der Klägerin zu 2), in Flüchtlingsunterkünften untergekommen ist. Aus diesem Grund bestehen auch keine ausreichenden Hinweise, die darauf schließen lassen, die Kläger könnten kostenlos oder gegen ein geringes Entgelt bei Familienangehörigen in Kurdistan-Irak unterkommen.
Der Senat konnte aber die Überzeugung gewinnen, dass die Unterkunft der Kläger in einer Flüchtlingseinrichtung nicht dauerhaft sein wird. Vielmehr ist es beachtlich wahrscheinlich, dass es ihnen in absehbarer Zeit gelingen wird, in Kurdistan-Irak in einer Privatunterkunft unterzukommen. So konnten die Kläger bereits vor ihrer Ausreise aus dem Irak, zu einer Zeit, in der sich eine deutlich größere Anzahl an Binnenflüchtlingen in Kurdistan-Irak aufhielt als heute, in einer Privatunterkunft unterkommen. Die Möglichkeit, erneut in der von dem Bruder des Klägers zu 1) gemieteten Wohnung unterzukommen, mag nach dessen erstmals in der mündlichen Verhandlung erwähnten Ausreise aus dem Irak nicht mehr bestehen. Die Kläger haben aber ein umfassendes familiäres Netzwerk von im In- und Ausland lebenden Familienangehörigen, das sich positiv auf ihre Lebenssituation in Kurdistan-Irak auswirken wird. Hinzu kommt, dass die Arbeitsperspektiven des Klägers zu 1) aufgrund der dargelegten Erwägungen des Senats als positiv zu bewerten sind.
Den Klägern ist es in Anwendung des dargestellten strengen Maßstabes des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aufgrund der vorgenannten Erwägungen zu den dortigen Bedingungen auch zumutbar, als Familie mit vier minderjährigen Kindern und einem arbeitsfähigen Familienvater für eine Übergangszeit in einem Flüchtlingscamp unterzukommen. Besondere Umstände, die dieser Annahme im vorliegenden Fall entgegenstehen sind nicht vorgetragen worden und auch sonst nicht ersichtlich. Angesichts der guten Erwerbsperspektiven des Klägers zu 1) wird der Familie im Übrigen voraussichtlich neben den Leistungen in dem Flüchtlingscamp eine Einkommensquelle zur Verfügung stehen, die zu einer Verbesserung der Lebenssituation auch in der Flüchtlingseinrichtung führen wird.
c) Die Kläger können sich zudem im Notfall hinsichtlich der Grundversorgung auf die Hilfe ihrer in Kurdistan-Irak lebenden Familienmitglieder verlassen. Nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung besteht weiter Kontakt zu einem Großteil der im Irak lebenden Familienangehörigen. Daneben können sie, soweit es die Situation erfordert, mit Unterstützung ihrer in Deutschland lebenden Familienmitglieder rechnen, zu denen sie ebenfalls Kontakt pflegen und die zum Teil hier einer Erwerbstätigkeit nachgehen.
Darüber hinaus besteht für die Kläger bei einer freiwilligen Rückreise in den Irak die Möglichkeit, einen Antrag auf Integrationshilfen zu stellen und die oben aufgeführten Fördermittel zu erhalten, die gerade in der ersten Zeit nach der Rückkehr eine erhebliche Unterstützung bei der Reintegration darstellen dürften. (Vorübergehende) Engpässe können zudem durch die vielen humanitären Hilfsorganisationen vor Ort gedeckt werden.
IV. Für die Kläger besteht auch kein Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine solche einzelfallbezogene, individuell bestimmte Gefährdungssituation liegt bei den Klägern nicht vor. Insbesondere haben sie keine gesundheitlichen Gründe vorgetragen.
Schließlich besteht für die Kläger auch kein Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in verfassungskonformer Auslegung hinsichtlich der Republik Irak.
Gefahren nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind gemäß § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG grundsätzlich nur bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Aufgrund der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG können allgemeine Gefahren grundsätzlich kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigen. Damit soll nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr der ganzen Bevölkerung bzw. Bevölkerungsgruppe im Abschiebungszielstaat gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt und die Ausländerbehörde, sondern für die ganze Gruppe der potentiell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung des Innenministeriums im Wege des § 60a AufenthG befunden wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 13.6.2013, a. a. O., Rn. 13 m. w. N. zu § 60 Abs. 7 Sätze 1 und 3 AufenthG a. F.).
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebungszielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen kann, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.8.2018, a. a. O., Rn. 13; Urteil vom 31.1.2013, a. a. O., Rn. 38). Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde" (vgl. BVerwG, Urteile vom 29.9.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20; vom 8.9.2011 - 10 C 14.10 - juris Rn. 23; vom 29.10.2010 - 10 C 10.09 - juris Rn. 15). Dies bedeutet nicht, dass im Fall der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Abschiebung, eintreten müssen. Vielmehr besteht eine extreme Gefahrenlage beispielsweise auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, Urteile vom 8.9.2011, a. a. O., Rn. 23; vom 29.9.2011, a. a. O., Rn. 20). Insoweit sind die Verhältnisse im ganzen Land in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.1.2013, a. a. O., Rn. 38; s. a. Senatsurteil vom 19.9.2016, a. a. O., Rn. 83). Dabei sieht das Bundesverwaltungsgericht diesen Maßstab als strenger an als den bei der Prüfung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK anzulegenden Maßstab (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8.8.2018, a. a. O., Rn. 13). Liegen also die Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen nicht vor, so scheidet auch eine im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG relevante, extreme Gefahrenlage aus (vgl. Urteil des Senats vom 29.1.2019, a. a. O., Rn. 188 ff.; VGH BW, Urteil vom 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 453; BayVGH, Urteil vom 8.11.2018 - 13a B 17.31960 - juris Rn. 61).
Unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnismittel und der zu § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK dargelegten individuellen Verhältnisse der Kläger geht der Senat davon aus, dass für die Kläger bei einer Rückkehr in den Irak eine extreme Gefahrensituation im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht mit hoher Wahrscheinlichkeit droht. Der Senat ist der Überzeugung, dass sich die Kläger in Kurdistan-Irak ein Leben - zumindest am Rande des Existenzminimums - werden aufbauen können und keiner extremen Gefahrenlage ausgeliefert wären. Insoweit wird auf die Ausführungen zu § 60 Abs. 5 AufenthG i. V. m. Art. 3 EMRK verwiesen.
Die Abschiebungsandrohung beruht auf § 34 AsylG, §§ 59, 60 AufenthG und begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Auch die von der Beklagten vorgenommene Befristung der Sperrwirkung der Abschiebung gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere sind insoweit keine Ermessensfehler ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO und § 83b AsylG.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.