Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.09.2019, Az.: 2 ME 633/19

personelle Zusammensetzung; Prüfling; Prüfungsausschuss; Prüfungsverfahren; Rügepflicht; Vorbereitungsdienst Lehramt; Wiederholungsprüfung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.09.2019
Aktenzeichen
2 ME 633/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 70031
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 02.08.2019 - AZ: 6 B 3200/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Da nach § 22 Abs. 2 Satz 2 APVO-Lehr der erste erfolglose Prüfungsversuch und die Wiederholungsprüfung unselbständige Teile eines einheitlichen Prüfungsverfahrens sind, bleiben die nach § 12 APVO-Lehr bestehenden Zuständigkeiten unverändert.

2. Dieser Grundsatz gilt nicht nur für die personelle Zusamensetzung des Prüfungsausschusses, sodass ein Austausch von bestellten Prüferinnen und Prüfern untersagt ist (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 6.3.2019 - 2 ME 224/19 -, NdsVBl. 2019, 230, juris), sondern auch für die Anzahl der Mitglieder des Prüfungsausschusses, sodass die personelle Erweiterung des Prüfungsausschusses in der Wiederholungsprüfung um ein weiteres Mitglied ausgeschlossen ist.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 6. Kammer - vom 2. August 2019 wird zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 7.500 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die von dem Antragsgegner in seiner Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht eine Änderung des dem Antrag der Antragstellerin stattgebenden Beschlusses des Verwaltungsgerichts.

Das Verwaltungsgericht hat zu Recht ausgeführt, dass der um eine weitere Person erweiterte und mithin aus fünf Mitgliedern bestehende Prüfungsausschuss, der die Wiederholungsprüfung am 14. Februar 2019 abgenommen hat, fehlerhaft zusammengesetzt gewesen war, sodass der Prüfungsanspruch der Antragstellerin nicht erschöpft ist. Das Beschwerdevorbringen des Antragsgegners erschüttert nicht die Grundannahme des Verwaltungsgerichts, dass der zu Beginn des Prüfungsverfahrens gebildete Prüfungsausschuss - abgesehen von Vertretungserfordernissen - in dieser Besetzung sowohl in personeller Hinsicht als auch insbesondere in der Anzahl der bestellten Prüfer für die Dauer des gesamten Prüfungsverfahrens unverändert bestehen bleibt.

Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Ausbildung und Prüfung von Lehrkräften im Vorbereitungsdienst (APVO-Lehr) vom 13. Juli 2010 (Nds. GVBl. S. 288), zuletzt geändert durch Verordnung vom 2. März 2017 (Nds. GVBl. S. 57), bildet die Prüfungsbehörde für jeden Prüfling einen Prüfungsausschuss, vor dem die Prüfung abgelegt wird, und bestimmt, welches Mitglied des Prüfungsausschusses den Vorsitz führt. Dem Prüfungsausschuss gehören gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 APVO-Lehr grundsätzlich vier Mitglieder an. In Ergänzung dieses Grundsatzes können als weiteres (fünftes) Mitglied des Prüfungsausschusses zum einen gemäß § 12 Abs. 5 Satz 1 APVO-Lehr in regelmäßigen Abständen eine Vertreterin oder ein Vertreter der Schulbehörde oder der Prüfungsbehörde zur Wahrung der Qualität der Prüfungen und der Gleichwertigkeit der Anforderungen und der Bewertungskriterien in den Prüfungen und zum anderen nach § 12 Abs. 6 Satz 1 APVO-Lehr die Leiterin oder der Leiter des Studienseminars zur besseren Abstimmung der Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen an Prüfungen teilnehmen, wobei diese gemäß Satz 2 dieser Bestimmungen dann jeweils den Vorsitz des Prüfungsausschusses übernehmen. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass der zu Beginn des Prüfungsverfahrens gebildete Prüfungsausschuss nach dem Wortlaut und der Systematik der genannten Verordnung für die Dauer des gesamten Prüfungsverfahrens unverändert bleibt, sofern nicht ein Mitglied verhindert ist und deshalb gemäß § 12 Abs. 3 APVO-Lehr der Vertretungsfall eintritt (Senatsbeschl. v. 6.3.2019 - 2 ME 224/19 -, juris Rn. 4). Wesentlicher Grund hierfür ist, dass nach § 22 Abs. 2 Satz 2 APVO-Lehr der erste erfolglose Prüfungsversuch und die Wiederholungsprüfung unselbständige Teile eines einheitlichen Prüfungsverfahrens darstellen. Die Vorschrift ordnet ausdrücklich an, dass das Prüfungsverfahren im Wiederholungsfall eingeleitet bleibt. Deshalb bleiben die nach § 12 APVO-Lehr bestehenden Zuständigkeiten unverändert. Dieser Grundsatz gilt daher nicht nur für die personelle Zusammensetzung eines (vierköpfigen) Prüfungsausschusses, sodass ein Austausch von bestellten Prüferinnen und Prüfern untersagt ist, sondern entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch für die Anzahl der Mitglieder des Prüfungsausschusses, sodass die personelle Erweiterung des Prüfungsausschusses in der Wiederholungsprüfung um ein weiteres Mitglied ausgeschlossen ist.

Dieses Ergebnis wird nicht durch die von dem Antragsgegner angeführte historische Betrachtung infrage gestellt. Dass aus seiner Sicht aufgrund des Wechsels von der Verordnung über die Ausbildung und die Zweiten Staatsprüfungen für Lehrämter (PVO-Lehr II) vom 18. Oktober 2001 (Nds. GVBl. S. 655) zur APVO-Lehr sich die Notwendigkeit ergeben hat, auch externe Prüferinnen und Prüfer zur Teilnahme an Staatsprüfungen und insbesondere auch nur an Wiederholungsprüfungen zu berechtigen, mag für sich genommen richtig sein, ist aber mit dem Wortlaut und der oben aufgezeigten Systematik der Verordnung nicht in Einklang zu bringen. Der Hinweis des Antragsgegners auf den Erlass des Kultusministeriums vom 21. Dezember 2010 führt in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht weiter, da diesem zum einen keine Rechtsnormqualität zukommt und er sich zum anderen zu der hier allein interessierenden Frage der Veränderung der Anzahl der Mitglieder des Prüfungsausschusses im Laufe des Prüfungsverfahrens nicht verhält. Unerheblich sind auch die Überlegungen des Antragsgegners zu dem Umstand, dass die Leistungen des Prüflings im ersten Prüfungsversuch und in der Wiederholungsprüfung nicht in einer Gesamtschau zusammengefasst und bewertet werden, sondern jede Prüfung für sich in den Blick genommen wird. Die inhaltliche Frage nach dem Bewertungsmaßstab ist zu trennen von der hier allein interessierenden formellen Frage nach der richtigen Zusammensetzung des Prüfungsausschusses in der Wiederholungsprüfung.

Abschließend weist der Senat darauf hin, dass die im vorliegenden Fall gewählte Vorgehensweise mit der bisherigen Verwaltungspraxis des Antragsgegners ersichtlich nicht in Einklang zu bringen ist. Denn der Antragsgegner hat in einem früheren bei dem Senat anhängigen Beschwerdeverfahren ausgeführt, dass bei der Wiederholungsprüfung grundsätzlich dieselbe Prüfungskommission gewählt werde, die im ersten Prüfungsversuch für die Abnahme der Prüfung zuständig gewesen sei (vgl. Senatsbeschl. v. 18.7.2016 - 2 ME 88/16 -). Im seinerzeit entschiedenen Fall bestand der Prüfungsausschuss sowohl in der ersten als auch in der Wiederholungsprüfung aus fünf Mitgliedern.

Auf die von dem Antragsgegner in der Beschwerde nicht aufgeworfene Frage, ob die Antragstellerin ihrer prüfungsrechtlichen Pflicht, die fehlerhafte Zusammensetzung des Prüfungsausschusses in der Wiederholungsprüfung vor Durchführung dieser Prüfung und insbesondere vor der Bekanntgabe des endgültigen Prüfungsergebnisses zu rügen, nachgekommen ist (vgl. hierzu Senatsbeschl. v. 6.3.2019 - 2 ME 224/19 -, juris Rn. 7), kommt es mit Blick auf die Prüfungsbeschränkung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nicht an.