Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.09.2019, Az.: 8 ME 66/19

Abschiebungsandrohung; Altersgrenze; Aufenthaltserlaubnis; Aufenthaltserlaubnis, Familiennachzug; Deutscher, ehemaliger; Entziehung; Gesetzesvorbehalt; Staatenlosigkeit; Staatsangehörigkeit; Staatsangehörigkeit, deutsche; Vaterschaft; Vaterschaft, Nichtbestehen; Vaterschaftsanfechtung; Verlust; Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit; Zitiergebot

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.09.2019
Aktenzeichen
8 ME 66/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 70023
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 11.07.2019 - AZ: 19 B 7766/18

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Staatenlos i.S.d. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG wird der Betroffene auch dann, wenn eine faktische Staatenlosigkeit vorliegt, weil der Staat der rechtlichen Staatsangehörigkeit den sich grundsätzlich aus der Staatsangehörigkeit ergebenden Schutzverpflichtungen nicht nachkommt, sei es, weil er dazu nicht in der Lage, oder weil er dazu nicht willens ist.
2. Besteht besonderer Anlass zur Prüfung, ob keine faktische Staatenlosigkeit eintritt, weil sich bereits aus dem Staatsangehörigkeitsrecht des fremden Staates diesbezügliche Zweifel ergeben, und lässt sich im Eilverfahren nicht klären, ob zumindest einer der in Betracht kommenden Staaten den Betroffenen auch faktisch als Staatsangehörigen behandelt, so ist der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache offen und es kommt für die Begründetheit eines Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 VwGO auf eine reine Abwägung der widerstreitenden Interessen an.
3. Die Regelung der § 1599 BGB, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 3 Satz 1 Var. 3, § 17 Abs. 2 StAG, die zur Folge hat, dass die durch Abstammung erworbene deutsche Staatsangehörigkeit bei Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft rückwirkend entfällt, genügt dem Gesetzesvorbehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG.
4. Einer ausdrücklichen einfachgesetzlichen Regelung, wonach die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft für die Staatsangehörigkeit unbeachtlich ist, wenn das Kind anderenfalls staatenlos wird, bedarf es nicht.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 19. Kammer - vom 11. Juli 2019 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen die Ablehnung der Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid vom 23. Mai 2018 wird angeordnet.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10.000 EUR festgesetzt.

Den Antragstellern zu 1. und 2. wird für das Beschwerdeverfahren ab dem 16. August 2019 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt B. beigeordnet, soweit mit der Beschwerde die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Anträge auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid vom 23. Mai 2018 begehrt wird; dies entspricht einem Streitwert von 2.500 Euro je Antragsteller. Im Übrigen wird der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abgelehnt.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren einstweiligen Rechtsschutz gegen die Ablehnung der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen.

Die Antragstellerin zu 1. und die 2010 geborene Antragstellerin zu 3. sind montenegrinische Staatsangehörige. Sie reisten im September 2011 in das Bundesgebiet ein. Im November 2011 schloss die Antragstellerin zu 1. die Ehe mit einem deutschen Staatsangehörigen. Seit März 2012 lebten die Eheleute getrennt. Die Antragstellerinnen zu 1. und 3. wurden wegen Fortzugs nach „unbekannt“ abgemeldet. Im Juli 2013 wurde in Montenegro die Antragstellerin zu 4. geboren. Im montenegrinischen Register ist als ihr Vater der Antragsteller zu 2. verzeichnet, der bosnisch-herzegowinischer Staatsangehöriger ist. Die Antragstellerin zu 4. besaß einen zuletzt bis zum 13. Oktober 2018 gültigen montenegrinischen Pass.

Im Oktober 2014 reisten die Antragsteller in das Bundesgebiet ein und beantragten Asyl.

Die Antragstellerin zu 1. gebar im […] 2016 den Sohn J.. In der Geburtsurkunde wurde zunächst der deutsche Ehemann der Antragstellerin zu 1. als Vater angegeben.

Am 13. Mai 2016 sprach die Antragstellerin bei der Ausländerbehörde des Antragsgegners vor. Ein Bediensteter erklärte im Laufe des Gesprächs, der Sohn J. habe die deutsche Staatsangehörigkeit und benötige keinen Aufenthaltstitel.

Durch Bescheide vom 15. Juni 2016 stellte das Bundesamt die Asylverfahren der Antragsteller ein, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, und drohte die Abschiebung nach Bosnien oder Montenegro an.

Im August 2016 erkannte der Antragsteller zu 2. die Vaterschaft für die Antragstellerin zu 3. an.

Die Antragsteller erhielten am 21. September 2016 Aufenthaltserlaubnisse, die bis zum 20. September 2017 gültig waren. Als Rechtsgrundlage wurden für die Antragstellerin zu 1. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG und für die übrigen Antragsteller § 25 Abs. 5 AufenthG angegeben.

Durch Beschluss vom 24. Mai 2017, rechtskräftig seit dem 30. Juni 2017, stellte das Amtsgericht A-Stadt fest, dass der deutsche Ehemann der Antragstellerin zu 1. nicht der Vater der Antragstellerin zu 4. und des Sohnes J. ist. Im Juli 2017 wurde der Antragsteller zu 2. als Vater des Sohnes J. in das Geburtenregister eingetragen.

Am 27. Juli 2017 beantragten die Antragsteller die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse und erhielten Fiktionsbescheinigungen. Die Ehe zwischen der Antragstellerin zu 1. und dem deutschen Staatsangehörigen wurde zum 25. August 2017 geschieden.

Durch Bescheid vom 23. Mai 2018 lehnte der Landrat des Antragsgegners die Anträge der Antragsteller auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab, setzte eine Ausreisefrist von 30 Tagen, drohte die Abschiebung nach Bosnien oder Montenegro an und ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot an, das auf 12 Monate befristet wurde. Zudem hieß es, es werde festgestellt, dass für die Antragsteller die gesetzliche Verpflichtung bestehe, das Bundesgebiet zu verlassen. Der Sohn J. habe durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erworben. Daraufhin sei der Antragstellerin zu 1. eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung der Personensorge für ein deutsches Kind erteilt worden. Die übrigen Antragsteller hätten mit Rücksicht auf den familiären Schutz Aufenthaltserlaubnisse erhalten. Aufgrund der Feststellung, dass der deutsche Ehemann der Antragstellerin zu 1. nicht der Vater der Antragstellerin zu 4. und des Sohnes J. sei, besäßen diese nicht mehr die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Voraussetzungen für die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse lägen nicht mehr vor. Die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen habe mitgeteilt, dass der Sohn J. nachregistriert werde und die Familie dann nach Montenegro oder Bosnien abgeschoben werden könne.

Die Antragsteller erhielten in der Folgezeit Duldungen.

Sie haben am 14. Juni 2018 Klage erhoben und später einstweiligen Rechtsschutz beantragt.

Gegenüber dem Sohn J. hat der Landrat des Antragsgegners am 19. Juni 2018 einen Bescheid erlassen und eine Ausreisefrist von 30 Tagen gesetzt, die Abschiebung nach Bosnien oder Montenegro angedroht und ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet, das auf 12 Monate befristet worden ist. Zudem heißt es, es werde festgestellt, dass für den Sohn J. die gesetzliche Verpflichtung bestehe, das Bundesgebiet zu verlassen. Dieser besitze nicht mehr die deutsche Staatsangehörigkeit. Er sei zur Ausreise verpflichtet, weil er nicht im Besitz eines erforderlichen Aufenthaltstitels sei. Dieser könne auch nicht erteilt werden. Gegen diesen Bescheid hat der Sohn J. gesondert Klage erhoben.

Am 20. Dezember 2018 hat eine Bedienstete des Antragsgegners vermerkt, die Landesaufnahmebehörde habe mitgeteilt, dass die Antragstellerin zu 4. und der Sohn J. mit einem EU-Laissez-Passer reisen könnten. Es werde geklärt, welcher Staat (Montenegro oder Bosnien und Herzegowina) die Familie aufnehme. Grundsätzlich sei das Ganze kein Problem, es müsse sich nur eines der beiden Länder bereit erklären, die Familie aufzunehmen.

Die Antragsteller haben vorgetragen, ob die Antragstellerin zu 4. die deutsche Staatsangehörigkeit verloren habe, sei bisher nicht definitiv festgestellt. Das Verfahren nach § 30 StAG müsse eingehalten werden. Selbst wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht besitze, habe sie ein Aufenthaltsrecht aus § 38 AufenthG. § 38 Abs. 1 AufenthG gelte für sämtliche Verlustgründe. Die übrigen Antragsteller leiteten ihr Aufenthaltsrecht von dem Aufenthalt der Antragstellerin zu 4. ab.

Das Verwaltungsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 11. Juli 2019 abgelehnt. Der Antrag sei unstatthaft, soweit er sich gegen die Ausreiseaufforderung richte, da diese kein Verwaltungsakt sei. Hinsichtlich der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse sei der Antrag zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin zu 4. habe keinen Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis. Sie sei Ausländerin. Es könne offen bleiben, ob sie die deutsche Staatsangehörigkeit erworben habe, obwohl in der montenegrinischen Geburtsurkunde der Antragsteller zu 2. als Vater eingetragen worden sei. Durch die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung sei die Staatsangehörigkeit rückwirkend entfallen. Ein förmliches Entziehungsverfahren sei nicht erforderlich. Art. 16 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Eine unzulässige Entziehung liege zumindest dann nicht vor, wenn das betroffene Kind sich in einem Alter befinde, in dem Kinder üblicherweise ein eigenes Vertrauen auf den Bestand ihrer Staatsangehörigkeit noch nicht entwickelt hätten. Ein solches Vertrauen habe bei der zum Zeitpunkt der Vaterschaftsanfechtung erst vierjährigen Antragstellerin zu 4. nicht entstehen können. Ein Anspruch auf Aufenthaltserlaubnis ergebe sich nicht aus § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. Die Antragstellerin zu 4. sei keine ehemalige Deutsche im Sinne der Vorschrift, weil sie ex post als Ausländerin zu behandeln sei. Es bestehe auch kein Anspruch aus § 38 Abs. 5 AufenthG. Sie sei nicht mindestens ein Jahr lang als Deutsche behandelt worden. Sie sei seit der Einreise als montenegrinische Staatsangehörige geführt worden, besitze kein deutsches Ausweispapier und habe eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Interne Vermerke, in denen eine deutsche Staatsangehörigkeit in Erwägung gezogen worden sei, seien unerheblich. Die gesetzlichen Vertreter hätten sie als montenegrinische Staatsangehörige bezeichnet. Die Voraussetzungen der § 28 Abs. 1 Nr. 2, § 32 Abs. 1 AufenthG seien nicht erfüllt. Die Antragstellerin zu 1. habe keinen Anspruch aus § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG. Weder die Antragstellerin zu 4. noch der Sohn J. seien deutsche Staatsangehörige; hinsichtlich des letzteren werde auf den Beschluss in dem von ihm geführten Eilverfahren verwiesen. Die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 AufenthG lägen nicht vor. Auf § 25 Abs. 5 AufenthG könne sich die Antragstellerin zu 1. nicht berufen, weil sie keine „faktische Inländerin“ sei. Auch den übrigen Antragstellern sei keine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen. Die Abschiebungsandrohung sei rechtmäßig, die Ausreisefrist nicht zu beanstanden.

In dem von dem Sohn J. geführten Eilverfahren hat das Verwaltungsgericht den Antrag durch Beschluss vom 11. Juli 2019 abgelehnt. Der Antrag sei unstatthaft, soweit er sich gegen die Ausreiseaufforderung richte, da diese kein Verwaltungsakt sei. Hinsichtlich der Abschiebungsandrohung sei der Antrag zulässig, aber unbegründet. Der Sohn J. sei Ausländer. Er habe die deutsche Staatsangehörigkeit zunächst erworben. Durch die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung sei die Staatsangehörigkeit rückwirkend entfallen. Ein förmliches Entziehungsverfahren sei nicht erforderlich. Art. 16 Abs. 1 GG sei nicht verletzt. Eine unzulässige Entziehung liege zumindest dann nicht vor, wenn das betroffene Kind sich in einem Alter befinde, in dem Kinder üblicherweise ein eigenes Vertrauen auf den Bestand ihrer Staatsangehörigkeit noch nicht entwickelt hätten. Ein solches Vertrauen habe bei dem dreijährigen Sohn J. nicht entstehen können. § 35 Abs. 5 StAG stehe dem Verlust der Staatsangehörigkeit nicht entgegen, weil die Vorschrift den Erlass eines Verwaltungsakts nach dem StAG voraussetze und auf den Erwerb von Gesetzes wegen nicht anwendbar sei. Der Wegfall gesetzlicher Voraussetzungen führe zum automatischen Verlust der Staatsangehörigkeit. Der Sohn J. sei ausreisepflichtig, da er keinen Aufenthaltstitel besitze. Ob er einen Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels hätte, bedürfe keiner Entscheidung. Eine Fiktionswirkung bestünde nicht, selbst wenn man in der Klageerhebung eine konkludente Antragstellung sehen wollte. Es bestehe keine Aufenthaltsgestattung. Ein Asylantrag sei nicht gestellt. Die Antragstellung werde nicht gemäß § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylG fingiert. Es sei keine Anzeige erfolgt. Auf einen etwaigen Verstoß gegen eine Anzeigepflicht komme es nicht an. § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG stehe der Abschiebung nicht entgegen, weil eine Trennung der Familie nicht zu befürchten sei.

Mit der Beschwerde tragen die Antragsteller vor, das Interesse an einem Verbleib in Deutschland überwiege wegen der fortgeschrittenen Integration der Antragstellerinnen zu 3. und 4. Die Staatsangehörigkeit müsse im Hauptsacheverfahren geklärt werden. § 25 Abs. 5 sei anzuwenden, weil durch die Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei und insbesondere die Antragstellerinnen zu 3. und 4. faktische Inländer seien.

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Aus den mit ihr dargelegten Gründen ergibt sich, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen und die Abschiebungsandrohung anzuordnen ist. Hinsichtlich der Unzulässigkeit des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO, soweit er die Ausreiseaufforderung betrifft, wird mit der Beschwerde hingegen nichts vorgetragen (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO).

Die Konsequenzen der Anfechtung der Vaterschaft für die Staatsangehörigkeit des Sohnes der Antragsteller zu 1. und zu 2. bedürfen der Prüfung in dem Verfahren zur Hauptsache. Das steht der sofortigen Vollziehbarkeit der Ablehnung der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen und der Abschiebungsandrohung entgegen.

Für die Begründetheit des Rechtsbehelfs nach § 80 Abs. 5 VwGO kommt es auf eine reine Abwägung der widerstreitenden Interessen an, wenn der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache bei der in dem Aussetzungsverfahren nur möglichen summarischen Prüfung offen bleibt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.4.1974 - IV C 21.74 -, DVBl. 1974, 566; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 10.8.2018 - 13 ME 49/18 -, juris Rn. 11). Derzeit ist offen, ob die Ablehnung der Erteilung von Aufenthaltserlaubnissen rechtmäßig ist. Die deswegen erforderliche Interessenabwägung geht zu Gunsten der Antragsteller aus.

1. Nach gegenwärtigem Stand ist offen, ob der Antragsgegner die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse der Antragsteller zu Recht abgelehnt hat.

a) Die Antragstellerin zu 1. hat möglicherweise Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Nr. 3 AufenthG zum Familiennachzug zu dem Sohn J.. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ist die Aufenthaltserlaubnis dem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat.

aa) Hinsichtlich eines Teils der Voraussetzungen dieser Aufenthaltserlaubnis besteht rechtliche Klarheit. Die Antragstellerin zu 1. ist die zur Personensorge berechtigte Mutter des J., der seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen sind erfüllt, insbesondere besitzt die Antragstellerin zu 1. einen Pass. Die Sicherung des Lebensunterhalts ist gemäß § 28 Abs. 1 Satz 2 AufenthG nicht erforderlich.

bb) Offen ist jedoch, ob der Sohn J. deshalb deutscher Staatsangehöriger ist, weil er, wäre die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft staatsangehörigkeitsrechtlich beachtlich, entgegen Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG staatenlos würde.

Wäre das der Fall, so bliebe die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft des geschiedenen deutschen Ehmeanns der Antragstellerin zu 1. staatsangehörigkeitsrechtlich außer Betracht. Das ergibt sich unmittelbar aus Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Die Vorschrift untersagt den Verlust der Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen, wenn dieser dadurch staatenlos wird.

Staatenlos i.S.d. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG wird der Betroffene auch dann, wenn eine faktische Staatenlosigkeit vorliegt, weil der Staat der rechtlichen Staatsangehörigkeit den sich grundsätzlich aus der Staatsangehörigkeit ergebenden Schutzverpflichtungen nicht nachkommt, sei es, weil er dazu nicht in der Lage, oder weil er dazu nicht willens ist (Becker, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 16 Rn. 45; vgl. Kämmerer, in: Bonner Kommentar, Art. 16 Rn. 84 (Dez. 2015)). Denn Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG will dem deutschen Staatsangehörigen die rechtliche Beziehung zum deutschen Staatsgebiet so lange erhalten, als er nicht in eine entsprechende Beziehung zu einem anderen Staatsgebiet getreten ist. Das ist nicht der Fall, wenn die rechtlich erworbene Staatsangehörigkeit ihrem Erwerber nicht die Verwirklichung derjenigen Rechte ermöglicht, die eine Staatsangehörigkeit gewähren kann, die in vollem Umfang in dem zu ihr gehörenden Staatsgebiet anerkannt wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.7.1959 - I C 119.57 -, Buchholz 11 Art. 16 GG Nr. 4; v. 28.9.1993 - 1 C 25.92 -, BVerwGE 94, 185, juris Rn. 20). Die ausländische Staatsangehörigkeit muss der deutschen Staatsangehörigkeit in ihren Wirkungen vergleichbar sein. Dabei bezieht sich das Erfordernis der Vergleichbarkeit nicht auf die an die Staatsangehörigkeit geknüpften Rechte und Pflichten des einzelnen, sondern auf den Status selbst und seine Effektivität, Sicherheit und Dauerhaftigkeit (BVerwG, Urt. 28.9.1993 - 1 C 25/92 -, BVerwGE 94, 185, juris Rn. 20).

An der Effektivität fehlt es auch dann, wenn die Behörden des Staates der Staatsangehörigkeit auch nach gehöriger Prüfung nicht bereit sind, den Betroffenen als eigenen Staatsangehörigen anzuerkennen. Allerdings ist regelmäßig davon auszugehen, dass der fremde Staat sein Staatsangehörigkeitsrecht auch anwendet. Besonderer Anlass zur Prüfung, ob keine faktische Staatenlosigkeit eintritt, besteht aber insbesondere dann, wenn sich bereits aus dem Staatsangehörigkeitsrecht des fremden Staates diesbezügliche Zweifel ergeben.

So verhält es sich im Fall des J.. Er ist im Bundesgebiet geboren; seine Mutter ist montenegrinischer und sein Vater bosnisch-herzegowinischer Staatsangehörigkeit. Das Staatsangehörigkeitsrecht beider Staaten sieht den Erwerb der jeweiligen Staatsangehörigkeit bei Geburt im Ausland durch Abstammung von einem Elternteil vor, wenn das Kind anderenfalls staatenlos wäre (Art. 5 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von Montenegro, Amtsblatt Nr. 13/08; Art. 6 des Staatsangehörigkeitsgesetzes von Bosnien-Herzegowina, Amtsblatt Nr. 4/97, 13/99, 41/02, 6/03, 14/03, 82/05, 43/09, 76/09, 87/13). Deswegen besteht die Möglichkeit, dass jeder der angegangenen Staaten auf den anderen verweist und den Standpunkt einnimmt, das eigene Staatsangehörigkeitsrecht gelte nur subsidiär für den Fall der Staatenlosigkeit, die aber nicht eingetreten sei, weil der jeweils andere Staat den Sohn J. als seinen Staatsangehörigen zu behandeln habe.

Vor diesem Hintergrund hätte der Antragsgegner zu ermitteln gehabt, ob zumindest einer der in Betracht kommenden Staaten den Sohn J. auch faktisch als Staatsangehörigen behandelt. Dies ist im Hauptsacheverfahren nachzuholen. Wegen der Komplexität und Dauer der Ermittlungen ist dafür im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kein Raum. Nur klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass die Auskunft der Landesaufnahmebehörde nur die Möglichkeit der Abschiebung betrifft und sich zur Frage der Staatsangehörigkeit nicht verhält.

Sollte sich im Hauptsacheverfahren ergeben, dass keiner der in Betracht kommenden Staaten den Sohn J. als seinen Staatsangehörigen behandelt, bestünde ein Anspruch der Antragstellerin zu 1. auf die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis.

b) Entsprechendes gilt für den Antragsteller zu 2. Auch sein Aufenthaltsrecht hängt davon ab, ob der Sohn J. deutscher Staatsangehöriger ist. Die Rechtmäßigkeit der Ablehnung einer Aufenthaltserlaubnis ihm gegenüber ist derzeit offen.

Als Anspruchsgrundlage kommen § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 oder § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG im Hinblick auf die Vaterstellung des Antragstellers zu 2. oder aber § 25 Abs. 5 AufenthG zum Schutz der familiären Lebensgemeinschaft in Betracht. § 28 Abs. 1 Satz 4 und § 25 Abs. 5 AufenthG sind Ermessensvorschriften; bei Anwendung des § 25 Abs. 5 AufenthG ist zudem grundsätzlich die Sicherung des Lebensunterhalts gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erforderlich. Das ändert aber, sollte der Sohn J. deutscher Staatsangehöriger sein, an der dann vorliegenden Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nichts. Denn die in diesem Fall erforderliche Ermessensausübung, die hinsichtlich der Lebensunterhaltssicherung das Absehensermessen gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG einschließt, ist bislang nicht erfolgt.

c) Sollte das Hauptsacheverfahren ergeben, dass der Sohn der Antragsteller zu 1. und 2. deutscher Staatsangehöriger ist, wäre der Tatbestand des § 25 Abs. 5 AufenthG aus Gründen des Schutzes der familiären Lebensgemeinschaft auch hinsichtlich der Antragstellerin zu 3. erfüllt. Hinsichtlich der Rechtswidrigkeit der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gälte in diesem Fall dasselbe wie bei dem Antragsteller zu 2.

d) Auch hinsichtlich der Antragstellerin zu 4. ist die Rechtmäßigkeit der Ablehnung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis offen.

aa) Die Antragstellerin zu 4. unterfällt allerdings dem persönlichen Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes, denn sie ist Ausländerin i.S.d. § 2 Abs. 1 AufenthG. Ausländer ist jeder, der nicht Deutscher im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ist.

(1) Die Antragstellerin zu 4. ist nicht Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG. Insbesondere hat sie die deutsche Staatsangehörigkeit nicht gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG erworben. Nach dieser Vorschrift erwirbt ein Kind durch die Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Kein Elternteil der Antragstellerin zu 4. besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Der für einen Abstammungserwerb allein in Betracht kommende geschiedene deutsche Ehemann der Mutter des Antragstellers ist nicht ihr Vater. Das ergibt sich aus dem Beschluss des AG A-Stadt vom 24. Mai 2017. Durch ihn ist rechtskräftig festgestellt worden, dass die Antragstellerin zu 4. nicht von dem deutschen Ehemann ihrer Mutter abstammt (§ 1599 Abs. 1 BGB), womit seine nach § 1592 Nr. 1 BGB bestehende Vaterschaft im Rechtssinne mit Wirkung für und gegen alle (§ 184 Abs. 2 FamFG) entfallen ist.

Diese Wirkung des gerichtlichen Beschlusses ist für die Frage des Staatsangehörigkeitserwerbs beachtlich. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 Var. 3 StAG gilt § 17 Abs. 2 StAG entsprechend bei Entscheidungen nach anderen Gesetzen, die den rückwirkenden Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit zur Folge hätten, insbesondere bei der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft nach § 1599 BGB. § 17 Abs. 2 StAG besagt, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nicht die kraft Gesetzes erworbene deutsche Staatsangehörigkeit Dritter berührt, sofern diese das fünfte Lebensjahr vollendet haben. Die entsprechende Anwendung hat zur Folge, dass die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft staatsangehörigkeitsrechtlich ohne Auswirkungen bleibt, wenn das Kind, das die deutsche Staatsangehörigkeit allein von der ursprünglichen Vaterschaft eines deutschen Staatsangehörigen ableitet, bei Eintritt der Rechtskraft der das Nichtbestehen der Vaterschaft feststellenden Entscheidung das fünfte Lebensjahr vollendet hat. Das war bei der am 8. Juli 2013 geborenen Antragstellerin zu 4. nicht der Fall.

(2) Dieses Ergebnis steht mit Art. 16 Abs. 1 GG im Einklang.

Gemäß Art. 16 Abs. 1 GG darf die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.

Der Schutzbereich des Grundrechts erfasst auch die rückwirkend entfallene, zwischenzeitlich durch eine ursprünglich rechtlich bestehende Vaterschaft vermittelte deutsche Staatsangehörigkeit. Die gerichtliche Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft, an die der Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit des Kindes geknüpft ist, beseitigt eine zuvor bestehende deutsche Staatsangehörigkeit des Kindes und nicht etwa nur den Schein einer solchen. Bis zur Rechtskraft einer auf Anfechtung hin ergehenden Entscheidung, in der das Nichtbestehen der Vaterschaft festgestellt wird, besteht im Rechtssinne die Vaterschaft des durch § 1592 BGB bezeichneten Mannes. Es handelt sich um eine rechtlich vollwertige Vaterschaft, keine bloße Scheinvaterschaft. Deshalb ist auch die von ihr abgeleitete deutsche Staatsangehörigkeit keine bloße Scheinstaatsangehörigkeit. Am verfassungsrechtlichen Schutz der zwischenzeitlich bestehenden deutschen Staatsangehörigkeit ändert auch der Umstand nichts, dass der Verlust der Staatsangehörigkeit durch Vaterschaftsanfechtung einfachrechtlich als anfängliche Unwirksamkeit der Vaterschaft und Staatsangehörigkeit konstruiert wird und damit rückwirkend entfällt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 -, BVerfGE 135, 48, juris Rn. 27). Aus der verfassungsrechtlich maßgeblichen Perspektive sind gesetzliche Vorschriften oder sonstige Rechtsakte, aufgrund deren eine einmal erworbene deutsche Staatsangehörigkeit wegfallen soll, auch dann am Maßstab des Art. 16 Abs. 1 GG zu prüfen, wenn der Wegfall rückwirkend zum Erwerbszeitpunkt vorgesehen ist und die Staatsangehörigkeit danach von einem ex-post -Standpunkt aus als nie erworben erscheint (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006 - 2 BvR 696/04 -, NJW 2007, 425, juris Rn. 15).

Dieser rückwirkende Wegfall bewirkt im Fall der Antragstellerin zu 4. einen Verlust, aber keine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit i.S.d. Art. 16 Abs. 1 GG.

Eine Entziehung der deutschen Staatsangehörigkeit im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG ist jede Verlustzufügung, die die Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit zum Staatsvolk beeinträchtigt. Der Wegfall der Staatsangehörigkeit, der als Rechtsfolge eintritt, wenn ein Gericht auf Anfechtung hin das Nichtbestehen der Vaterschaft feststellt, von der ein Kind den Geburtserwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ableitet, stellt eine solche Beeinträchtigung jedenfalls dann nicht dar, wenn das betroffene Kind sich in einem Alter befindet, in dem Kinder üblicherweise ein eigenes Vertrauen auf den Bestand ihrer Staatsangehörigkeit noch nicht entwickelt haben (BVerfG, Beschl. v. 17.7.2019 - 2 BvR 1327/18 -, juris Rn. 23 ff.; vgl. BVerfG, Beschl. v. 24.10.2006 - 2 BvR 696/04 -, NJW 2007, 425, juris Rn. 14 ff., 18 ff.; v. 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 -, BVerfGE 135, 48, juris Rn. 37).

Die Antragstellerin zu 4. war bei Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des AG A-Stadt vom 24. Mai 2017 knapp vier Jahre alt. In diesem Alter mag sich zwar - etwa anlässlich von Sportereignissen - ein rudimentäres Bewusstsein einstellen, Deutscher zu sein. Einen Begriff von dem mit der Staatsangehörigkeit verbundenen gegenseitigen Loyalitätsverhältnis als Basis eines Vertrauens auf den Fortbestand der Staatsangehörigkeit und erst recht ein solches Vertrauen selbst ist in diesem frühen Alter aber nicht zu erwarten.

Der somit vorliegende Verlust der Staatsangehörigkeit ist verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Er beruht auf § 1599 BGB, § 4 Abs. 1 Satz 1, § 17 Abs. 3 Satz 1 Var. 3, § 17 Abs. 2 StAG.

Die Vorschriften genügen dem Gesetzesvorbehalt des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG. Das Grundrecht gebietet, den Verlust der Staatsangehörigkeit so bestimmt zu regeln, dass die für den Einzelnen und für die Gesellschaft gleichermaßen bedeutsame Funktion der Staatsangehörigkeit als verlässliche Grundlage gleichberechtigter Zugehörigkeit zum Staatsvolk nicht beeinträchtigt wird. Hierbei sind die strengen Anforderungen zu beachten, die der Gesetzesvorbehalt an die Regelung der Staatsangehörigkeit stellt. Zur Verlässlichkeit des Staatsangehörigkeitsstatus gehört auch die Vorhersehbarkeit eines Verlusts und damit ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit im Bereich der staatsangehörigkeitsrechtlichen Verlustregelungen (BVerfG, Beschl. v. 17.7.2019 - 2 BvR 1327/18 -, juris Rn. 33).

Der Umstand, dass die Staatsangehörigkeit infolge der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft wegfällt, ist ausdrücklich gesetzlich geregelt. Er kommt in § 17 Abs. 3 Satz 1 Var. 3, § 17 Abs. 2 StAG dadurch zum Ausdruck, dass der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit bis zu einem Höchstalter von fünf Jahren vorgesehen ist. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung ist für Zweifel, ob die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft, die Voraussetzung des Staatsangehörigkeitserwerbs ist, zur Folge hat, dass das Kind nicht deutscher Staatsangehöriger ist, kein Raum. Der Gesetzesvorbehalt fordert nicht, dass das Staatsangehörigkeitsgesetz Tatbestand und Rechtsfolge des rückwirkenden Entfallens in einer eigenen Vorschrift mit konstitutiver Wirkung anordnet. Um die Rechtsfolge herbeizuführen, genügt es, dass § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG für den Abstammungserwerb die Elterneigenschaft dessen, von dem die Staatsangehörigkeit abgeleitet wird, voraussetzt, und dass im Falle der Vaterschaftsanfechtung nach § 1599 BGB diese Elterneigenschaft rückwirkend nicht besteht. Die einfachrechtliche Wirkung der beiden genannten Vorschriften entsprach allgemeiner, hergebrachter Rechtsüberzeugung (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2018 - 1 C 1.17 -, NJW 2018, 3044, juris Rn. 19). Das allein war zwar aus der verfassungsrechtlich maßgeblichen Perspektive nicht ausreichend (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.7.2019 - 2 BvR 1327/18 -, juris Rn. 34). Im Zusammenspiel mit der Aussage des 2009 eingeführten § 17 Abs. 3 Satz 1 Var. 3, § 17 Abs. 2 StAG ist der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit nunmehr aber ohne die Möglichkeit eines Zweifels vorhersehbar. Wegen des Zusammenhangs zwischen dem hergebrachten Verständnis von § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG und § 1599 BGB mit § 17 Abs. 2 und 3 StAG unterscheidet sich die Bestimmtheit der genannten Vorschriften im Fall der Vaterschaftsanfechtung durch den ursprünglichen rechtlichen Vater von der Situation bei der Behördenanfechtung, die § 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB vorsah und für die das Bundesverfassungsgericht die Einhaltung der Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt verneint hat (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 -, BVerfGE 135, 48, juris Rn. 83; für möglicherweise übertragbar hält dessen Ausführungen aber OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 11.5.2016 - 4 O 12/16 -, juris Rn. 14; wie hier im Ergebnis OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 29.10.2015 - 5 M 21.15 -, juris Rn. 4 ff.).

Das Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG ist jedenfalls nicht verletzt, weil der Verlust im Falle der Vaterschaftsanfechtung durch den bisherigen rechtlichen Vater ein mittelbarer Grundrechtseingriff ist, für den diese Vorschrift nicht gilt (vgl. VG Schleswig-Holstein, Urt. v. 27.9.2016 - 9 A 169/15 -, juris Rn. 31).

Die erforderliche (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 -, BVerfGE 135, 48, juris Rn. 89) gesetzliche Festlegung der Altersgrenze in § 17 Abs. 2, 3 StAG ist angemessen. Allgemein gilt für noch nicht fünf Jahre alte Kinder dasselbe wie für die Antragstellerin zu 4. Es mag sich zwar ein rudimentäres Bewusstsein einstellen, Deutscher zu sein. Eine Vorstellung, weswegen man hierauf vertrauen könnte und erst recht ein solches Vertrauen selbst ist in diesem frühen Alter aber allgemein nicht zu erwarten.

Die Antragstellerin zu 4. wird nicht staatenlos. Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG untersagt den Verlust der Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen, wenn dieser dadurch staatenlos wird. Die Antragstellerin zu 4. ist montenegrinische Staatsangehörige und hatte bereits einen montenegrinischen Pass inne.

Einer einfachgesetzlichen Regelung, wonach die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft für die Staatsangehörigkeit unbeachtlich ist, wenn das Kind anderenfalls staatenlos wird, bedarf es nicht. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, die zivilrechtliche Vorschrift über eine Behördenanfechtung müsse dem über die Anfechtung entscheidenden Gericht aufgeben oder ermöglichen, Rücksicht darauf zu nehmen, ob das betroffene Kind infolge der Behördenanfechtung staatenlos wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.12.2013 - 1 BvL 6/10 -, BVerfGE 135, 48, juris Rn. 75). Es hat offen gelassen, ob die fehlende Vorkehrung der Verlustgrundlage für den Fall drohender Staatenlosigkeit ebenfalls zur Verfassungswidrigkeit führt. Dafür spräche, dass die zur Behördenanfechtung entwickelten Grundsätze wegen des klaren Wortlauts des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG übertragbar sein dürften (BVerfG, Beschl. v. 17.7.2019 - 2 BvR 1327/18 -, juris Rn. 36). Im Falle der Vaterschaftsanfechtung durch den ursprünglichen rechtlichen Vater kommt aber eine Prüfung der staatsangehörigkeitsrechtlichen Auswirkungen durch das Familiengericht von vornherein nicht in Betracht. Vielmehr ist die Beachtlichkeit der Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft für das Staatsangehörigkeitsrecht ausgeschlossen, wenn anderenfalls Staatenlosigkeit eintritt. Das ergibt sich unmittelbar aus Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG, der insoweit als negatives Tatbestandsmerkmal einer Feststellung des rückwirkenden Verlusts der Staatsangehörigkeit wirkt. Es wäre zwar denkbar, die Vorschrift im einfachen Recht deklaratorisch zu wiederholen. Sie ist aber nach Tatbestand und Rechtsfolge eindeutig, so dass der einfache Gesetzgeber keinen Regelungsspielraum besitzt. Daher ist es unschädlich, wenn das einfache Recht keine Wiederholung des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG enthält. Am Inhalt der die staatsangehörigkeitsrechtliche Wirkung der Vaterschaftsanfechtung festlegenden Regelungen innerhalb der Rechtsordnung ändert sich dadurch nichts. Daher bedarf es auch keines Ansatzpunktes für eine verfassungskonforme Auslegung des einfachen Rechts (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2018 - 1 C 1.17 -, NJW 2018, 3044, juris Rn. 47).

Der Verlust der Staatsangehörigkeit ist verhältnismäßig. Insbesondere belastet er die Antragstellerin zu 4. nicht übermäßig. Diese konnte altersbedingt kein Vertrauen in den Fortbestand der deutschen Staatsangehörigkeit bilden und hatte keine Beziehung zu ihrem früheren rechtlichen Vater.

Auch Unionsrecht steht dem Ergebnis der Anwendung der genannten Vorschriften nicht entgegen (vgl. EuGH, Urt. v. 12.3.2019 - C-221/17 -, NJW 2019, 1587; BVerwG, Urt. v. 19.4.2018 - 1 C 1.17 -, NJW 2018, 3044, juris Rn. 54 ff.).

(2) Ebenso wie bei der Antragstellerin zu 3. ist hinsichtlich der Antragstellerin zu 4. der Tatbestand des § 25 Abs. 5 AufenthG erfüllt, falls der Sohn der Antragsteller zu 1. und 2. Deutscher ist. Es bedürfte einer Ausübung des in diesem Fall eingeräumten Ermessens. Insoweit besteht wegen der derzeitigen Passlosigkeit der Antragstellerin zu 4. zusätzlich ein Absehensermessen nach § 5 Abs. 3 Satz 2 AufenthG im Hinblick auf die allgemeine Erteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG.

Daraus ergibt sich die Offenheit der Erfolgsaussicht der Klage gegen den ablehnenden Bescheid vom 23. Mai 2018. Auf weitere mögliche Aufenthaltserlaubnisse kommt es nicht an. Insoweit ist allerdings im Hinblick darauf, dass darüber im erstinstanzlichen Verfahren gestritten wurde, anzumerken:

Die Antragstellerin zu 4. hat keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG zu. Nach dieser Vorschrift ist einem ehemaligen Deutschen eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn er bei Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit seit mindestens einem Jahr seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hatte.

Ehemaliger Deutscher ist nicht, wer die deutsche Staatsangehörigkeit bei der im Zeitpunkt der Entscheidung über die Aufenthaltserlaubnis maßgeblichen Betrachtung ex post nie besessen hat. § 38 AufenthG dient nicht dem Schutz des Grundrechts aus Art. 16 Abs. 1 GG, sondern privilegiert nach der Entscheidung des einfachen Gesetzgebers bestimmte Ausländer mit einer besonderen Bindung zum deutschen Staat. Dementsprechend ist nicht die im Rahmen des Art. 16 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich maßgebliche Perspektive (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.5.2006 - 2 BvR 669/04 -, BVerfGE 116, 24, juris Rn. 54; Beschl. v. 24.10.2006 - 2 BvR 696/04 -, NJW 2007, 425, juris Rn. 13; v. 17.7.2019 - 2 BvR 1327/18 -, juris Rn. 20), sondern die Perspektive des einfachen Rechts ausschlaggebend. Die deutsche Staatsangehörigkeit muss demnach grundsätzlich ex nunc entfallen sein und nicht rückwirkend (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2011 - 1 C 16.10 -, BVerwGE 139, 346, juris Rn. 17; Dollinger, in: BeckOK Ausländerrecht, § 38 AufenthG Rn. 3 (Nov. 2018)). Die rückwirkende Rücknahme der Einbürgerung macht den Täuschenden nicht zu einem ehemaligen Deutschen i.S.d. § 38 Abs. 1 Satz 1 AufenthG (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2011 - 1 C 16.10 -, BVerwGE 139, 346, juris Rn. 15). Auch der Gesetzgeber hatte mit dem Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit durch den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit oder durch die Erklärung zu Gunsten der ausländischen Staatsangehörigkeit (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 84) Fälle des Wegfalls ex nunc vor Augen.

Die Antragstellerin zu 4. ist keine ehemalige Deutsche, weil ihre deutsche Staatsangehörigkeit mit der rechtskräftigen Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft rückwirkend entfallen ist und bei der im Rahmen des § 38 Abs. 1 Satz 1 AufenthG maßgeblichen Betrachtung ex post rechtlich nie bestanden hat (vgl. VG München, Urt. v. 12.12.2006 - M 12 K 06.3641, M 12 K 06.3726 -, juris Rn. 40; v. 16.4.2009 - M 10 K 08.5928 -, juris Rn. 31; VG Oldenburg, Beschl. v. 30.5.2008 - 11 B 1302/08 -, juris Rn. 25; Dollinger, in: BeckOK Ausländerrecht, § 38 AufenthG Rn. 4 (Nov. 2018); offengelassen von OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 20.11.2008 - 18 E 816/08 -, NVwZ 2009, 257 [OVG Nordrhein-Westfalen 19.11.2008 - 18 E 816/08], juris Rn. 8 ff.).

Ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis ergibt sich nicht aus § 38 Abs. 5 i.V.m. § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG. § 38 Abs. 5 AufenthG sieht die entsprechende Anwendung des § 38 Abs. 1 bis 4 AufenthG auf einen Ausländer vor, der aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grund bisher von deutschen Stellen als Deutscher behandelt wurde.

Es kann offen bleiben, ob die Vorschrift in Fällen, in denen wegen einer Vaterschaftsanfechtung kein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit im Wege der Abstammung stattgefunden hat, Anwendung findet (bejahend VG München, Urt. v. 12.12.2006 - M 12 K 06.3641, M 12 K 06.3726 -, juris Rn. 41; v. 16.4.2009 - M 10 K 08.5928 -, juris Rn. 36). Dagegen könnte sprechen, dass Zweck der Vorschrift die Bewältigung von Irrtumsfällen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2011 - 1 C 16.10 -, BVerwGE 139, 346, juris Rn. 18; Berlit, in: GK-AufenthG, § 38 Rn. 73 (Dez. 2014)).

Die Antragstellerin zu 4. ist nicht von deutschen Stellen als Deutsche behandelt worden. Ein Verwaltungshandeln, bei dem der Antragstellerin zu 4. nach zumindest summarischer Prüfung die Eigenschaft als deutsche Staatsangehörige zugeschrieben worden wäre, ist nicht zu erkennen und wird von der Beschwerde nicht geltend gemacht. Die Antragstellerin zu 4. war nach ihrer Einreise Beteiligte eines Asylverfahrens, das mit einer Abschiebungsandrohung endete. Zwei Monate später erhielt sie eine Aufenthaltserlaubnis.

Der Antragstellerin zu 4. ist nicht nach § 38 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AufenthG in analoger Anwendung eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.

Hinsichtlich der aufenthaltsrechtlichen Folgen der Rücknahme der Einbürgerung mit Wirkung für die Vergangenheit hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass eine analoge Anwendung von § 38 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 und 4 AufenthG zu erfolgen hat. Es bestehe eine Regelungslücke, weil sich der Betroffene - ungeachtet der Dauer und Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts vor der Einbürgerung und ungeachtet des Gewichts seines konkreten Fehlverhaltens im Einbürgerungsverfahren - nur dann weiter erlaubt im Bundesgebiet aufhalten könnte, wenn er einen Anspruch auf Neuerteilung eines Aufenthaltstitels nach den nunmehr geltenden Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes hätte. In anderen Fällen könnte die Rücknahme der Einbürgerung mit Wirkung für die Vergangenheit dagegen gleichsam automatisch und ohne Prüfung des Einzelfalles zu einer Aufenthaltsbeendigung führen. Ein derartiger aufenthaltsrechtlicher Eingriff infolge der Rücknahme einer Einbürgerung wäre mit Blick auf den nach Art. 2 Abs. 1 GG zu wahrenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fragwürdig und stünde auch in Widerspruch dazu, dass bei vergleichbaren Aufenthaltsbeendigungen eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung der jeweiligen Gesamtumstände erforderlich sei. Es könne nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber für die Fälle des rückwirkenden Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit eine aufenthaltsrechtliche Regelung habe treffen wollen, die unter Umständen zu der Beendigung eines langfristigen Aufenthalts im Bundesgebiet führen würde, ohne dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall stattfinde. Der Gesetzgeber sei sich weder über die bestehende Regelung noch über etwaige Regelungslücken im Klaren gewesen (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2011 - 1 C 16/10 -, BVerwGE 139, 346, juris Rn. 17, 19).

In Fällen, in denen die Feststellung des Nichtbestehens der Vaterschaft dazu führt, dass eine Person, die bei Betrachtung ex ante die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hatte, weder Deutscher noch ehemaliger Deutscher i.S.d. § 38 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist, besteht keine aufenthaltsrechtliche Regelungslücke. Die Altersgrenze des § 17 Abs. 3 Satz 1 Var. 3, § 17 Abs. 2 StAG schließt aus, dass der rückwirkende Wegfall des Erwerbs der Staatsangehörigkeit einen planwidrig unerfüllten aufenthaltsrechtlichen Regelungsbedarf zur Folge hat. Einer Einbürgerung geht ein langjähriger Zeitraum voraus, in dem ein gesicherter Aufenthaltsstatus bestand; die Rücknahme der Einbürgerung wirft die Frage auf, ob daran aufenthaltsrechtlich angeknüpft werden kann. So verhält es sich beim rückwirkenden Wegfall der durch Geburt erworbenen Staatsangehörigkeit nicht. Die Altersgrenze hat zur Folge, dass nur Kinder betroffen sind, die noch kein Vertrauen in den Fortbestand der Staatsangehörigkeit bilden konnten. Zugleich teilen sie als kleine Kinder das aufenthaltsrechtliche Schicksal ihrer Eltern. Haben diese nach dem Wegfall der Staatsangehörigkeit ihres Kindes kein Aufenthaltsrecht aus anderen Gründen, so hat auch das Kind das Bundesgebiet zu verlassen. In dem jungen Alter besteht weder eine vertiefte Integration gerade in die deutschen Lebensverhältnisse, noch bestehen Einschränkungen bei der durch die Eltern vermittelten Eingliederung in die Verhältnisse des Staats der Staatsangehörigkeit. Daher ist die aufenthaltsrechtliche Konsequenz der fehlenden deutschen Staatsangehörigkeit weder im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder das Verhältnismäßigkeitsprinzip fragwürdig, noch besteht ein besonderes Bedürfnis nach einer Einzelfallprüfung. Anders als im Falle der Rücknahme der Einbürgerung gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber des § 38 AufenthG über die aufenthaltsrechtlichen Konsequenzen einer Vaterschaftsanfechtung im Unklaren war; die einfachrechtliche Wirkung der § 4 Abs. 1 Satz 1 StAG, § 1599 BGB entsprach allgemeiner, hergebrachter Rechtsüberzeugung (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2018 - 1 C 1.17 -, NJW 2018, 3044, juris Rn. 19).

2. Angesichts der Offenheit der Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren ergibt die Abwägung von Vollzugs- und Aufschubinteresse, dass letzteres überwiegt. Zwar spricht die gesetzliche Wertung des § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG für eine sofortige Vollziehung; dieses Interesse wird durch den Sozialleistungsbezug der Antragsteller verstärkt. Schwerer wiegt jedoch der bei einer Aufenthaltsbeendigung eintretende Nachteil. Zum einen bedeutet eine Ausreise für die Dauer des Hauptsacheverfahrens eine Belastung. Zum anderen hätte sie zur Folge, dass die Antragsteller die familiäre Lebensgemeinschaft mit dem Sohn J. unterbrechen müssten oder aber dieser gezwungen wäre, auf seine Freizügigkeit zu verzichten, bevor geklärt ist, ob sie ihm zusteht oder nicht.

3. Die Beschwerde hat auch in Bezug auf die Abschiebungsandrohung Erfolg.

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Interesse der Antragsteller an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Abschiebungsandrohung. Die Voraussetzungen der Abschiebungsandrohung nach §§ 50, 59 AufenthG liegen zwar vor. Denn die Antragsteller sind mangels Aufenthaltstitels und Wiederauflebens der Fiktionswirkung (vgl. Samel, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl. 2018, § 81 AufenthG Rn. 43) ausreisepflichtig. Dass die Ausreisepflicht im Falle einer Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnisse nicht vollziehbar ist (§ 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG), führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsandrohung. Denn die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung setzt eine Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht nicht voraus (vgl. Senatsbeschl. v. 31.10.2007 - 8 LA 61/07 -; v. 6.11.2017 - 8 PA 107/17 -; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 25.11.2010 - 12 LB 245/08 -, juris).

Im Rahmen der weiteren Interessenabwägung ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Abschiebungsandrohung eine Annexmaßnahme zu der Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ist, die deren Schicksal teilt (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 59 AufenthG Rn. 115 (März 2012)).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Das Unterliegen der Antragsteller hinsichtlich der Ausreiseaufforderung ist als geringfügig anzusehen, da sie ihr eigentliches Ziel, vorläufig von der Aufenthaltsbeendigung verschont zu bleiben, erreichen.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG und Nr. 8.1, 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Gemäß § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO war den Antragstellern zu 1. und 2. Prozesskostenhilfe zu bewilligen, soweit nach den vorstehenden Ausführungen Erfolgsaussicht besteht.

Für die Antragstellerinnen zu 3. und 4. ist dagegen nicht nachgewiesen, dass sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen können. Gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist dem Antrag u.a. eine Erklärung der Partei über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) beizufügen. Soweit Formulare für die Erklärung eingeführt sind, muss sich die Partei nach § 117 Abs. 4 ZPO ihrer bedienen. Das durch § 1 PKHFV eingeführte Formular muss in den in § 2 Abs. 1 PKHFV bezeichneten Fällen nicht benutzt werden. Die Vorschrift betrifft minderjährige unverheiratete Kinder, die in einer Abstammungssache nach § 169 FamFG oder in einem Verfahren über den Unterhalt ihre Rechte verfolgen oder verteidigen oder die einen Unterhaltsanspruch vollstrecken wollen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass auch für ein im Verwaltungsprozess gemeinsam mit seinen Eltern klagendes Kind eine eigene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem eingeführten Formular abgegeben werden muss. Angesichts dessen, was über die persönlichen Umstände der Antragstellerinnen zu 3. und 4. ersichtlich ist, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie die Prozesskosten aus eigenen Mitteln oder aufgrund eines Anspruchs auf Prozesskostenvorschuss finanzieren können, zwar gering. Dies führt aber nicht dazu, dass sich das Gericht mit einer solchen Mutmaßung zufriedengeben kann. Die gesetzlichen Vertreter des Kindes haben vielmehr die erforderlichen Angaben zu machen und für deren Richtigkeit einzustehen (vgl. Senatsbeschl. v. 19.10.2017 - 8 PA 92/17 -).

Für die Antragstellerinnen zu 3. und 4. ist trotz gerichtlichen Hinweises in der gesetzten Frist keine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgegeben worden.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).