Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 25.03.2021, Az.: 12 A 1627/18

Alleinstehende Frau; Gruppenverfolgung; Religiöse Ehe; Rückkehrprognose; Sindjar; Wirksamkeit; Yeziden

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
25.03.2021
Aktenzeichen
12 A 1627/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 70754
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die 1991 geborene Klägerin, die irakische Personalpapiere vorgelegt hat, ist irakische Staatsangehörige kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit.

Nach eigenen Angaben verließ die Klägerin am 7. August 2017 den Irak und reiste am 4. Oktober 2017 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 12. Oktober 2017 stellte sie beim A. (im Folgenden: Bundesamt) einen Asylantrag.

Im Rahmen ihrer Befragung zur Vorbereitung der Anhörung vor dem Bundesamt am 12. Oktober 2017 gab die Klägerin an, ihr Vater sei verstorben. Ihre Mutter lebe in einem Flüchtlingscamp in G.. Auch fünf Schwestern, zwei Brüder und die Großfamilie lebten noch im Irak. Sie sei Englischlehrerin, habe im Irak jedoch nur privat unterrichtet.

Im Rahmen ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 21. Oktober 2017 erklärte die Klägerin zunächst, verlobt zu sein. Daraufhin ergänzte sie, dass sie 2014 religiös verheiratet worden sei. Unterlagen, die dies belegten, habe sie nicht. Ihr Ehemann lebe seit zwei Jahren in Deutschland. Ihre Ehe sei im Irak nicht amtlich eingetragen worden. Ihr Ehemann sei damals in die Türkei geflüchtet und sie sei im Irak geblieben. Bis zum 4. August 2014 habe sie zusammen mit ihren Eltern und ihren drei Brüdern im Wohnhaus der Familie in H. im Distrikt Sindjar gelebt. Am 3. August 2014 seien sie zunächst in die Berge geflüchtet und später über Syrien nach G. gelangt. Dort habe sie sich bis zu ihrer Ausreise in einem Flüchtlingslager aufgehalten. Das Wohnhaus der Familie stehe derzeit leer. Es sei jedoch beschädigt worden. Sie sei mit der Familie des Onkels ihres Ehemannes ausgereist. Für die Ausreise habe sie 8.000,- US-Dollar bezahlen müssen. Bei der Finanzierung sei sie von ihrer Familie unterstützt worden. Ihre im Irak verbliebenen Verwandten lebten in einem Flüchtlingslager nördlich von I.. Einige Cousins, die mittlerweile Beamte seien, lebten außerhalb des Lagers. Sie bekämen ein monatliches Gehalt und könnten sich deshalb eine Wohnung mieten. „Richtig reich“ seien sie jedoch nicht. Sie selbst habe im Irak in „unordentlichen wirtschaftlichen Verhältnissen“ gelebt. Mal habe sie das Gehalt pünktlich erhalten, mal habe sie drei Monate lang warten müssen. Ein Jahr vor ihrer Ausreise sei sie in J. gewesen, um sich einen Personalausweis ausstellen lassen. Zu den Gründen für ihren Asylantrag führte die Klägerin im Wesentlichen aus, am 3. August 2014 sei sie mit ihrer Familie vor dem sog. Islamischen Staat (IS) in die Berge geflohen. Mehrere ihrer Freundinnen seien verschleppt, vergewaltigt und als Sexsklavinnen verkauft, die Männer ohne Grund getötet worden. Als ihr Vater 2015 gestorben sei, hätten sie ihn in K. beerdigt. In diesem Zusammenhang hätten sie festgestellt, dass in ihrem Dorf alles zerstört gewesen sei. Auch in der letzten Zeit hätten mehrere Leute ihre Häuser und Dörfer besuchen wollen. Nach ihrer Kenntnis seien über 40 Personen ohne Grund von Fremden getötet worden. Persönlich sei ihr jedoch nichts passiert. In Dohuk sei ihr Leben auch nicht viel besser gewesen. Sie hätten in Zelten gelebt. Deshalb habe sie schließlich das Land verlassen. Im Flüchtlingslager habe sie für eine Hilfsorganisation gearbeitet. Ein regelmäßiges Gehalt habe sie jedoch nicht erhalten. Unter schwerwiegenden Erkrankungen leide sie nicht.

Mit Bescheid vom 14. November 2017 lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Anerkennung als Asylberechtigte (Nr. 2) und auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (Nr. 3) ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4) und forderte die Klägerin unter Androhung ihrer Abschiebung in den Irak zur Ausreise auf (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot befristete es auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Nr. 6). Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Klägerin habe zwar glaubhaft vorgetragen, dass sie als Yezidin im August 2014 zusammen mit ihrer Familie vor dem IS in die Region Kurdistan-Irak geflohen sei. Sie habe jedoch in Dohuk internen Schutz gefunden und dort ohne Furcht vor Verfolgung drei Jahre bis zu ihrer Ausreise aus dem Irak leben können. Ein Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Flucht sei somit nicht gegeben. Bei einer Rückkehr in den Irak drohten ihr weder in ihrer Heimatregion noch in der Region Kurdistan-Irak Verfolgung. Der IS sei aus dem Norden der Provinz Ninive weitestgehend zurückgedrängt worden. Dass der Klägerin in ihrer Heimatregion keine Verfolgung drohe, werde auch dadurch belegt, dass sie 2015 und 2017 dorthin zurückgekehrt sei. In Kurdistan-Irak, wo sie bereits als Flüchtling registriert sei und erneut leben könne, seien Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Der Klägerin drohe im Irak auch kein ernsthafter Schaden. Zwar seien die Lebensbedingungen in einem Flüchtlingscamp nicht einfach; dass diese den Grad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung erreichten, sei jedoch nicht bekannt. In der Region Kurdistan-Irak gebe es derzeit auch keinen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt. Auch aus dem Norden der Provinz Ninive sei der IS inzwischen zurückgedrängt worden. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führten auch nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die Klägerin sei studierte Englischlehrerin, habe auch im Flüchtlingscamp gearbeitet und sich dort ausweislich der von ihr vorgelegten Zertifikate und Zeugnisse stetig weitergebildet. Es sei daher davon auszugehen, dass sie auch bei einer Rückkehr nach Kurdistan-Irak als Lehrerin arbeiten könne. Zu berücksichtigen sei auch, dass sie für ihre Ausreise 7.000,- € aufgebracht habe. Ferner sei davon auszugehen, dass sie auch in Zukunft Hilfe von Seiten ihrer Familie erhalten werde.

Am 29. Januar 2018 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung der Klage lässt sie vortragen, wegen ihrer Zugehörigkeit zu der sozialen Gruppe der alleinstehenden Frauen ohne schutzbereite männliche Familienangehörige drohe ihr im Irak Verfolgung. Als Yezidin aus dem Distrikt Sindjar der Provinz Ninive sei sie zudem nach wie vor der Gefahr einer Gruppenverfolgung durch den IS ausgesetzt. Von einem Sieg über den IS könne nach den aktuellen Erkenntnismitteln nicht ausgegangen werden. Stichhaltige Gründe dafür, dass sie bei einer Rückkehr in den Irak nicht erneut verfolgt würde, lägen daher nicht vor, zumal das irakische Militär seine Kräfte auf die Bewältigung der Corona-Pandemie konzentriere. Vielmehr könnten zukünftige Übergriffe des IS oder anderer islamistischer Organisationen auf religiöse Minderheiten wie die Yeziden nicht mit der erforderlichen Gewissheit ausgeschlossen werden. Dass sie 2017 für wenige Stunden mit ihrer Familie zur Beerdigung ihres Vaters nach L. zurückgekehrt sei, ändere daran nichts. Da ihr Ehemann bereits als Flüchtling anerkannt worden sei, stehe ihr unabhängig davon ein Anspruch auf Zuerkennung abgeleiteten Flüchtlingsschutzes zu. Es handele sich um eine religiöse Ehe, die seit 2014 bestehe. Seit kurz nach ihrer Einreise lebe sie bei ihrem Ehemann und führe mit ihm ein eheliches Leben mit wechselseitigen Pflichten. Wegen der besonderen Wertungen des Art. 6 GG sei es geboten, die Kontinuität dieser emotionalen Verbundenheit aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus kämen bei irakischen Staatsangehörigen aufgrund der Besonderheiten des dortigen Eherechts der religiösen Ehe besondere Schutzwirkungen zu. Hilfsweise lägen subsidiäre Schutzgründe vor. Der IS setze seinen Vernichtungsfeldzug im Irak fort. Er nutze die Corona-Pandemie, um seinen Guerillakrieg massiv auszuweiten. Außerdem werde in der Sindjar-Region nach wie vor ein bewaffneter Konflikt ausgetragen. Eine auch nur ansatzweise realistische prozentuale Einschätzung des Gefährdungsrisikos auf der Grundlage der bereits nicht valide erhobenen Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien und der im Vergleich zu der früheren Bevölkerungsdichte nur geringen Zahl an zurückgekehrten Personen sei derzeit nicht möglich. Diese Unsicherheiten könnten nicht zu ihren Lasten gehen. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass im Distrikt Sindjar so gut wie keine medizinische Versorgung vorhanden sei. In ihrer Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Yeziden liege überdies ein gefahrerhöhender Umstand. Jedenfalls lägen Abschiebungsverbote vor. Es handele sich bei ihr um eine vulnerable Person. Sie leide an einer psychischen Erkrankung und sei diesbezüglich in fachärztlicher Behandlung. Ihre Verwandten lebten gegenwärtig in Flüchtlingslagern in der Region Kurdistan-Irak; die Lage dort sei - auch aufgrund der Corona-Pandemie - prekär. Sie habe lediglich ihr Studium abgeschlossen. Über eine Zulassung als Lehrerin verfüge sie nicht. Da sie in Kurdistan-Irak als Flüchtling registriert gewesen sei, könne sie dort auch keine Zulassung als Lehrerin beantragen. Aufgrund der schlechten Wirtschaftslage und den zunehmen ausbleibenden Gehaltszahlungen würden auch kaum Lehrer eingestellt. Die Reisekosten hätten größtenteils ihre Verwandten finanziert. Aufgrund ihres Geschlechts drohe sie im stark patriarchalisch geprägten Irak in die Obdachlosigkeit zu geraten und ohne existenzsichernde Grundlage leben zu müssen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung von Nr. 1 und Nr. 3 bis 6 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 14. November 2017 zu verpflichten,

ihr die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen,

hilfsweise, ihr den subsidiären Schutzstatus nach § 4 AsylG zuzuerkennen,

weiter hilfsweise, zu ihren Gunsten ein nationales Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid. Es fehle an einem Kausalzusammenhang zwischen der Verfolgung und der Flucht der Klägerin. Der Klägerin drohe auch keine erhebliche individuelle Gefahr infolge eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts. Zwar bleibe die Sicherheitslage im Irak volatil. In keiner Provinz des Irak sei jedoch ein innerstaatlicher Konflikt in einer solchen Intensität gegeben, dass allein aufgrund einer Rückkehr in diese Provinz eine erhebliche individuelle Gefährdung anzunehmen wäre. Der IS habe massive Gebietsverluste erlitten. Mittlerweile befinde sich das Territorium des Irak weitestgehend unter Kontrolle staatlicher bzw. kurdischer Gruppen. Persönliche gefahrerhöhende Umstände seien nicht ersichtlich.

Das Gericht hat Beweis erhoben über die Art der Beziehung zwischen der Klägerin und dem Zeugen M. durch Vernehmung des Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes sowie der ebenfalls beigezogenen ausländerrechtlichen Vorgänge der Landeshauptstadt F-Stadt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, über die der erkennende Einzelrichter in Abwesenheit der ordnungsgemäß geladenen Beklagten verhandeln und entscheiden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamtes vom 14. November 2017 ist - soweit ihn die Klägerin angegriffen hat - rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat nach dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (I.) oder subsidiären Schutzes (II.) noch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots (III.). Auch die erlassene Abschiebungsandrohung und das befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot sind nicht zu beanstanden (IV.).

I. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach Abs. 1 ist, grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560) - Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) -, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) - Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) - keine Abweichung zulässig ist (Nr. 1), oder die in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, sind gemäß § 3c AsylG der Staat (Nr. 1), Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Nr. 2), sowie nichtstaatliche Akteure (Nr. 3), sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Zwischen den Verfolgungsgründen und den Verfolgungshandlungen muss eine Verknüpfung bestehen (§ 3a Abs. 3 AsylG). Dabei ist unerheblich, ob der Ausländer tatsächlich die Merkmale der Rasse, oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden (§ 3b Abs. 2 AsylG).

Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer für seine Person bei verständiger, objektiver Würdigung der gesamten Umstände seines Falles solche Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht, sodass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu bleiben oder dorthin zurückzukehren. Beachtlich im vorgenannten Sinne ist die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung dann, wenn bei zusammenfassender Bewertung des Lebenssachverhaltes die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deswegen gegenüber den dagegensprechenden Tatsachen überwiegen (vgl. etwa BVerwG, Beschl. v. 07.02.2008 - 10 C 33.07 -, juris Rn. 37). Dieser Maßstab entspricht dem für die Verfolgungsprognose unionsrechtlich einheitlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab der „tatsächlichen Gefahr“ („real risk“) eines Schadenseintritts, der unabhängig davon Geltung beansprucht, ob der Ausländer ver-folgt oder unverfolgt ausgereist ist (BVerwG, Urt. v. 01.06.2011 - 10 C 25.10 -, juris Rn. 22).

Vorverfolgten kommt allerdings die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU - sog. Qualifikationsrichtlinie (QRL) - zugute. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlit-ten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von sol-cher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist bei einer nicht landesweiten Gefahrenlage regelmäßig die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird. Etwas anderes gilt, wenn sich der Ausländer schon vor der Ausreise und unab-hängig von den fluchtauslösenden Umständen von dieser gelöst und in einem anderen Landesteil mit dem Ziel niedergelassen hatte, dort auf unabsehbare Zeit zu leben (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 13 f. zu § 60 Abs. 7 AufenthG).

Gemessen an diesen Kriterien hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

1. Eine ausschließlich an individuelle, in ihrer Person liegende Umstände anknüpfende Verfolgungsgefahr (sog. anlassgeprägte Einzelverfolgung) hat die Klägerin nicht dargelegt. Der von ihr geschilderte Angriff des IS auf ihr Heimatdorf war Teil einer mit dem Vormarsch des IS zum damaligen Zeitpunkt einhergehenden (unterstellten) Gruppenverfolgung von Yeziden in dem Distrikt Sindjar der Provinz Ninive. Dass es sich um eine Verfolgung handelte, die an allein in der Person der Klägerin liegende Umstände anknüpfte, lässt sich ihrem Vorbringen nicht entnehmen.

2. Eine Verfolgung der Klägerin allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu der Glaubensgemeinschaft der Yeziden ist derzeit nicht (mehr) beachtlich wahrscheinlich.

Grundsätzlich kann sich die Gefahr eigener Verfolgung nicht nur aus gegen den Ausländer selbst gerichteten, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Diese ursprünglich für die staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar (BVerwG, Urt. v. 21.04.2009 - 10 C 11.08 -, juris Rn. 13 f.).

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes ist eine Gruppenverfolgung von Yeziden in dem Distrikt Sindjar der Provinz Ninive sowohl durch den irakischen Zentralstaat als auch durch den IS und sonstige Akteure derzeit nicht beachtlich wahrscheinlich.

a) Eine Gruppenverfolgung von Angehörigen der yezidischen Glaubensgemeinschaft durch den irakischen Zentralstaat wegen deren Religionszugehörigkeit findet im Irak nicht statt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 30.07.2019 - 9 LB 133/19 -, juris Rn. 61-67, und Beschl. v. 11.03.2021 - 9 LB 129/19 -, juris Rn. 51-58).

b) Eine Gruppenverfolgung von Yeziden im Distrikt Sindjar im Sinne von § 3 AsylG durch die Terrormiliz IS ist derzeit ebenfalls nicht beachtlich wahrscheinlich.

Dies gilt selbst dann, wenn man zu Gunsten der Klägerin annimmt, dass sie angesichts der Übernahme der territorialen Herrschaft des IS im Distrikt Sindjar im Sommer 2014 und der damit einhergehenden Übergriffe aus der yezidischen Bevölkerung bereits vor seiner Ausreise aus dem Irak als Yezidin aus dem Distrikt Sindjar von einer Gruppenverfolgung bedroht gewesen ist. Die dadurch begründete Vermutung der Verfolgungswiederholung (Art. 4 Abs. 4 QRL) wäre hier widerlegt, da sich die Machtverhältnisse im Irak zwischenzeitlich entscheidend verändert haben (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 30.07.2019 - 9 LB 133/19 -, juris Rn. 70 f.). Die flächendeckenden Übergriffe auf Angehörige der yezidischen Glaubensgemeinschaft, die (zumindest) im Distrikt Sindjar durch Mitglieder des IS erfolgten, wurden erst durch die Eroberung des Gebietes durch die Terrororganisation im Sommer 2014 ermöglicht. Mittlerweile hat der IS sein Herrschaftsgebiet im Irak jedoch nahezu vollständig verloren (aktuelle Karte zu den Machtverhältnissen im Irak unter https://isis.liveuamap.com/). Er hält dort kein Territorium mehr (vgl. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Kakai, Verfolgung und Diskriminierung, staatlicher Schutz, Religionsfreiheit, Niederlassung im Nordirak, 13.12.2018, S. 2 m.w.N.). Es ergeben sich derzeit auch keine durchgreifenden Anhaltspunkte für die Annahme, dass der IS in absehbarer Zeit in der Lage wäre, erneut den Distrikt Sindjar zu erobern und infolgedessen die dort lebenden Yeziden flächendeckend zu verfolgen.

Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht führt dazu in seinem Urteil vom 30. Juli 2019 (- 9 LB 133/19 -, juris Rn. 73-79) Folgendes aus:

„Die Schätzungen über die Anzahl der sich noch im Irak und in Syrien aufhaltenden Mitglieder des IS gehen weit auseinander; sie werden teilweise mit 20.000 bis 30.000 Personen angegeben (vgl. BFA, Kakai, Verfolgung und Diskriminierung, staatlicher Schutz, Religionsfreiheit, Niederlassung im Nordirak, 13.12.2018, S. 2 und 5 m. w. N.), andere sprechen von 10.000 bis 25.000 Kämpfern (vgl. European Asylum Support Office (EASO), Iraq, Security situation, März 2019, S. 28 m. w. N.). Bezüglich der Anzahl der Kämpfer im Irak reichen die Schätzungen von einer Stärke von 1.000 Personen über 3.000 Kämpfer bis hin zu einer Anzahl zwischen 15.500 und 17.100 verbliebenen Kämpfern (vgl. EASO, Iraq, Security situation, März 2019, S. 29 m. w. N.; United Nations Security Council (UNSC), Eight Report on the threat posed by ISIL, 1.2.2019, S. 4).

Seit dem militärischen Sieg über den IS wandelt sich die Organisation wieder zunehmend zu einer aus dem Untergrund operierenden Terrorgruppe, die sich auf Selbstmordanschläge und Guerilla-Taktik konzentriert (vgl. EASO, Iraq, Security situation, März 2019, S. 34; Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 12.2.2018, S. 15). Nachdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 20.11.18, S. 18 - 19 m. w. N.): Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Anschließend versuchte der IS die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Der Fokus der Aktivitäten des IS lag in den Provinzen Diyala, Kirkuk und Salah al-Din. Gleichzeitig verstärkte er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (vgl. Joel Wing, Islamic State Rebuilding In Rural Areas Of Central Iraq, 3.7.2018, S. 5 des Ausdrucks).

Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (vgl. Joel Wing, Islamic Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, 6.10.2018, S. 1 - 2 des Ausdrucks). Die Mitglieder des IS haben sich verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist zu früheren Taktiken zurückgekehrt: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (vgl. The Atlantic, ISIS Never Went Away in Iraq, 31.8.2018, S. 4 des Ausdrucks).

Im Oktober 2018 kam es zu Einsätzen der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninive, Diyala und Salah al-Din. Ziel war es, den IS daran zu hindern, sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (vgl. Congressional Research Service (CRS), Iraq: Issues in the 115th Congress, 4.10.2018, S. 5). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (vgl. CRS, Iraq: Issues in the 115th Congress, 4.10.2018, S. 5). Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben sowie Vergeltungsmaßnahmen gegen diejenigen ausgeübt, die sich weigern zu zahlen. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und in denen sich Kämpfer des IS tagsüber offen zeigen. Dies geschieht selbst bei ständigen Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind, da die Kämpfer ausweichen, wenn die Einsätze stattfinden, und zurückkehren, wenn sie wieder beendet sind. Der IS verfügt derzeit über eine nach außen hin expandierende Kontrolle in diesen Gebieten (vgl. Joel Wing, October 2018, Islamic State Expanding Operations In Iraq, 2.11.2018, S. 3 des Ausdrucks und Joel Wing, Islamic Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, 6.10.2018, S. 2 des Ausdrucks). Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (vgl. Niqash, New Terror Campaign: Extremists Intimidate, Harass, Dislocate Locals In Salahaddin, Then Take Over, 12.7.2018, S. 2 des Ausdrucks). Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt, die Bevölkerung eingeschüchtert wird und aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften kooperiert (vgl. Joel Wing, Islamic Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, 6.10.2018, S. 2 - 3 des Ausdrucks).

In den Provinzen Ninive, Salah al-Din, Anbar, Kirkuk sowie Diyala muss weiterhin mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem IS und irakischen Sicherheitskräften gerechnet werden. Dabei ist der Zentralirak derzeit der wichtigste Stützpunkt für den IS. Die Gewalt dort nahm im Sommer 2018 zu, ist aber inzwischen wieder gesunken. In den Gebieten, in denen der IS aktiv ist, gibt es weiter regelmäßige Angriffe auf Städte; Zivilisten und Beamte werden entführt und es kommt regelmäßig zu Schießereien (vgl. BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 20.11.2018, S. 26 - 27 m. w. N.).

Damit lässt sich zusammenfassend festhalten, dass von dem IS weiter eine ernstzunehmende Bedrohung ausgeht, insbesondere in Form von Anschlägen, Entführungen sowie Übergriffen auf Sicherheitskräfte. Ihm ist es nach dem vollständigen Verlust seines Territoriums gelungen, im Irak weiter über Unterstützungs- und Einflusszonen zu verfügen. Im Nordwesten des Irak hat er eine durch die südlich von Sindjar gelegene Jazeera Wüste verlaufende Nachschubroute zwischen Syrien, Anbar und Salah al-Din sowie einen Rückzugsort westlich von Mossul geschaffen (vgl. Karte des Institute for the Study of War, ISIS Re-Establishes Iraqi Sanctuary, 7.3.2019; BFA, Kakai, Verfolgung und Diskriminierung, staatlicher Schutz, Religionsfreiheit, Niederlassung im Nordirak, 13.12.2018, S. 2 und 4 m. w. N.). Die Erkenntnisse über die gegenwärtige Stärke des IS rechtfertigen indes nicht die Annahme, dass er derzeit oder in absehbarer Zukunft in der Lage sein wird, erneut ein Gebiet im Irak zu besetzen. Ein Herrschaftsterritorium hat sich der IS in den letzten eineinhalb Jahren im Herkunftsland des Klägers nicht mehr aufbauen können. Bei Auswertung der Quellen fehlt es zudem an ausreichenden Anhaltspunkten, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern könnte. Dabei hat der Senat auch in den Blick genommen, dass die aktuelle Situation nicht mit der zum Zeitpunkt der Eroberung des Distrikts Sindjar im Sommer 2014 vergleichbar ist. Damals kontrollierte der IS bereits seit dem Kalenderjahr 2013 zahlreiche Gebiete in Syrien und drang sodann im Juni 2014 von dort aus in den Irak ein, nahm, nachdem die irakische Armee ihre Stellungen dort kampflos aufgab, am 10. Juni 2014 Mossul und in der Folgezeit mit den dort erbeuteten schweren Waffen nach dem Rückzug der Peschmerga große Teile der Provinz Ninive, einschließlich den Distrikt Sindjar ein (vgl. EZKS, Gutachten zum Erhebungsersuchen Nord-Irak vom 14.1.2015, S. 2, 5). Aktuell dürfte der IS über einen vergleichbaren Rückhalt in Syrien nicht mehr verfügen. Nach aktuellen Meldungen (vgl. https://www.tagesschau.de, IS in Syrien für besiegt erklärt, 23.3.2019) ist mit Baghus seine letzte Bastion in Syrien im März 2019 gefallen. Darüber hinaus hat es nach dem Einmarsch des IS in die Provinz Ninive in der Region eine massive Aufrüstung und Ausbildung der verschiedenen Sicherheitsakteure durch internationale Unterstützung gegeben. Die USA führen Ausbildungsmaßnahmen für die irakischen Sicherheitskräfte durch und unterstützen den Aufbau der irakischen Armee (vgl. zu den einzelnen Programmen CRS, Iraq: Issues in the 115th Congress, 4.10.2018, S. 2, 15, 18). Bereits Ende August 2014 hatte die Bundesregierung die Peschmerga-Kämpfer durch Lieferung militärischer Ausrüstung unterstützt (vgl. Auswärtiges Amt, Kampf gegen den IS: Bundeswehr verstärkt Peschmerga-Ausbildung, 28.1.2015, S. 3 des Ausdrucks) und sich in der Folgezeit auch an der Ausbildung der Sicherheitskräfte der Regionalregierung von Kurdistan-Irak und der irakischen Streitkräfte beteiligt (vgl. Bundesministerium der Verteidigung, Einsatz Counter Daesh/Capacity Building Irak soll weitergehen, 2.10.2018; Spiegel Online, Kampf gegen den IS, Bundeswehr startet neue Irak-Mission, 29.8.2018; Auswärtiges Amt, Kampf gegen den IS: Bundeswehr verstärkt Peschmerga-Ausbildung, 28.1.2015, S. 1 - 3 des Ausdrucks). Damit dürfte sich auch das militärische Kräfteverhältnis erheblich zu Lasten des IS verschoben haben.

Aufgrund dieser veränderten Situation liegen stichhaltige Gründe i. S. v. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU vor, die dagegen sprechen, dass der Kläger erneut von einer solchen Verfolgung bedroht würde, da die der Annahme einer Vorverfolgung und damit des Eingreifens der Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU zugrunde liegende Tatsachengrundlage – die territoriale Herrschaft des IS über den Distrikt Sindjar, die erst eine flächendeckende Verfolgung der Yeziden in der Region in der Vergangenheit ermöglicht hatte – entfallen ist.“

Auch die seit dem vollständigen Verlust seines territorialen Herrschaftsgebietes im Irak ausgeübten Aktivitäten des IS rechtfertigen nicht die Annahme einer Gruppenverfolgung von Yeziden in dem Distrikt Sindjar, da es dort an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen Verfolgungsdichte nach den oben genannten Maßstäben fehlt. Die gebotene Relationsbetrachtung zwischen der Gesamtgröße der betroffenen Bevölkerungsgruppe und der Anzahl sowie des Gewichts der Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG ergibt bei der gebotenen wertenden Gesamtbetrachtung keine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit für jeden Gruppenzugehörigen. Selbst wenn man davon ausginge, die wegen einer (unterstellten) Gruppenverfolgung der Yeziden durch den IS vor der Ausreise der Klägerin angenommene Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 QRL griffe unabhängig vom Bestehen der territorialen Herrschaft des IS in der Provinz Ninive ein, führte dies zu keinem anderen Ergebnis, da die tatsächliche Vermutung einer begründeten Verfolgungsfurcht durch stichhaltige Gründe widerlegt wäre.

Bei Zugrundelegung der Bevölkerungszahl der Yeziden im Sindjar sowie der Erkenntnisse über Verfolgungshandlungen gegen Angehörige dieser Glaubensgemeinschaft in dem Distrikt rechtfertigt eine aus einer quantitativen Ermittlung der Verfolgungswahrscheinlichkeit sowie einer wertenden Betrachtung dieser Ergebnisse bestehende Gesamtschau derzeit nicht die Annahme, jeder Yezide im Sindjar werde durch den IS mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit verfolgt (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 30.07.2019 - 9 LB 133/19 -, juris Rn. 80-118). Selbst wenn man zugunsten der Klägerin von einer niedrigen Bevölkerungszahl von 115.431 Yeziden im Sindjar und einer hohen Anzahl von 138 Referenzfällen ausginge, läge das Risiko einer Verfolgungshandlung bei lediglich 1:836 (0,120 %) und wäre damit weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt (vgl. zur Ermittlung dieser Zahlen Nds. OVG, Urt. v. 30.07.2019 - 9 LB 133/19 -, juris Rn. 81-108). Auch bei wertender Betrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung und unter Würdigung der Sicherheits- und Versorgungslage erscheint eine Verfolgung aller Yeziden im Distrikt Sindjar nicht als beachtlich wahrscheinlich (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 30.07.2019 - 9 LB 133/19 -, juris Rn. 109-113).

Die von der Klägerin gegen diese Beurteilung erhobenen Einwände greifen nicht durch. Konkrete Anhaltspunkte für aktuelle gezielte Verfolgungsmaßnahmen des IS gegen Yeziden im Distrikt Sindjar lassen sich ihrem Vorbringen ebenso wenig entnehmen wie Hinweise auf Vertreibungen oder zielgerichtete Eingriffe des IS in deren Religionsfreiheit. Zwar geht von dem IS nach wie vor eine ernstzunehmende Bedrohung in der Region - insbesondere in Form von Anschlägen, Entführungen sowie Übergriffen auf Sicherheitskräfte - aus. Bei den von ihm verübten Terroranschlägen scheinen nach den Erkenntnismitteln jedoch nicht die Yeziden im Mittelpunkt zu stehend, vielmehr werden nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen angegriffen (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 30.07.2019 - 9 LB 133/19 -, juris Rn. 104).

3. Der Klägerin droht auch keine individuelle Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Yeziden. Ist eine Verfolgung aller Gruppenangehöriger nicht beachtlich wahrscheinlich, kann sich eine solche Wahrscheinlichkeit zwar aus dem Vorliegen besonderer Gefährdungsmerkmale ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.10.1984 - 9 C 24.84 -, juris Rn. 12; vgl. zu den besonders gefährdeten Personengruppen Nds. OVG, Urt. v. 30.07.2019 - 9 LB 133/19 -, juris Rn. 130). Im Fall der Klägerin ist hierfür jedoch nichts ersichtlich.

4. Soweit sich die Klägerin auf eine Verfolgung alleinstehender Frauen im Irak beruft, hat sie auch unter diesem Gesichtspunkt keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Abgesehen davon, dass fraglich ist, ob alleinstehende Frauen im Irak als soziale Gruppe angesehen werden können (bejahend u.a. VG Hannover, Urt. v. 26.02.2018 - 6 A 6292/16 -, juris Rn. 34 ff.; verneinend u.a. VG Göttingen, Urt. v. 24.09.2020 - 2 A 1001/17 -, juris Rn. 31 ff.; offengelassen von Nds. OVG, Beschl. v. 10.01.2020 - 9 LA 85/19 -, V.n.b.), und dass weiter fraglich ist, ob und inwieweit der Klägerin überhaupt mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen aufgrund einer solchen Gruppenzugehörigkeit drohen könnten (vgl. zur insoweit notwendigen Differenzierung VG Hannover, Urt. v. 07.10.2019 - 6 A 5999/17 -, juris Rn. 25), ist die Klägerin schon nicht als alleinstehende Frau anzusehen.

Der Prognose, welche Gefahren einem Ausländer bei Rückkehr in den Herkunftsstaat drohen, ist eine - zwar notwendig hypothetische, aber doch - realitätsnahe Rückkehrsituation zugrunde zu legen (BVerwG, Urt. v. 04.07.2019 - 1 C 45.18 -, juris Rn. 16). Die Klägerin lebt in Deutschland mit dem Zeugen M. zusammen, der irakischer Staatsangehöriger ist. Die Klägerin und der Zeuge betrachten sich als Eheleute. Auf Nachfrage des Gerichts im Termin der mündlichen Verhandlung hat der Zeuge - glaubhaft - bekundet, dass er die Klägerin „im Ernstfall“, d.h. im Fall einer Abschiebung in den Irak, begleiten würde. Bei einer realitätsnahen Rückkehrprognose ist daher davon auszugehen, dass die Klägerin nicht als alleinstehende Frau, sondern gemeinsam mit dem Zeugen in den Irak zurückkehren wird. Etwaige Verfolgungsgefahren für alleinstehende Frauen im Irak werden sie daher nicht treffen. Dass dem Zeugen mit Bescheid des Bundesamtes vom 2. Februar 2017 unanfechtbar die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, steht der Annahme einer gemeinsamen Rückkehr nicht entgegen (vgl. BVerwG, Urt. v. 04.07.2019 - 1 C 45.18 -, juris Rn. 16-23). Auf die Frage der Wirksamkeit der Ehe kommt es im Hinblick auf die glaubhafte Versicherung des Zeugen nicht an.

5. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Familienflüchtlingsschutz nach § 26 Abs. 1 und 5 AsylG. Dies würde nach § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AsylG u.a. voraussetzen, dass eine Ehe zwischen der Klägerin und dem Zeugen M. schon im Irak bestanden hat. Mit „Ehe“ in diesem Sinne ist die mit Eheschließungswillen eingegangene, nach dem Recht des Verfolgerstaates anerkannte Lebensgemeinschaft gemeint. Eine - wie nach dem Vortrag der Klägerin und den Angaben des Zeugen hier - lediglich religiös geschlossene Ehe kann daher nur dann einen Anspruch auf Gewährung von Familienflüchtlingsschutz begründen, wenn nach dem Recht des Verfolgerstaates eine rechtsgültige Ehe vorliegt (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.05.2005 - 1 C 17.03 -, juris Rn. 9; Nds. OVG, Urt. v. 09.12.2002 - 2 L 3490/06 -, juris Rn. 44 f.). Darüber hinaus müssen die Ehepartner dort auch in ehelicher Lebensgemeinschaft gelebt haben. Eine bloß rechtwirksame Eheschließung genüg nicht (Günther, in: BeckOK Ausländerrecht, Stand: 01.01.2021, § 26 AsylG Rn. 9).

Nach diesen Grundsätzen ist hier nicht davon auszugehen, dass bereits im Irak eine Ehe zwischen der Klägerin und dem Zeugen bestanden hat. Zwar wird in der Rechtsprechung unter Berufung auf eine Rechtsauskunft des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht vom 20. Oktober 2011 (Az. G 36/2011) die Auffassung vertreten, dass eine Ehe im Irak rechtsgültig auch ohne Mitwirkung staatlicher Stellen geschlossen werden könne, da die in § 10 des irakischen Gesetzes über das Personalstatut vorgeschriebene Eintragung der Ehe in das Register lediglich deklaratorisch wirke, die Ehe mithin auch ohne Eintragung wirksam sei, sofern sie durch zwei Personen bezeugt werde (so VG Sigmaringen, Beschl. v. 05.12.2011 - A 1 K 677/10 -, juris Rn. 3-11; VG Oldenburg, Urt. v. 02.01.2018 - 3 A 4808/16 -, juris Rn. 20-24; anders ACCORD, Query response on Iraq: Suleimania: Is religious marriage legal; consequences of religious marriage (e.g. living together) [a-11461-1], 11.01.2021). Diese (Auslegungs-)Frage bedarf jedoch hier keiner Entscheidung. Denn die Klägerin hat bereits nicht hinreichend glaubhaft gemacht, dass im Irak eine religiöse Eheschließung mit dem Zeugen M. stattgefunden hat. Entsprechende Nachweise aus dem Irak hat sie nicht vorgelegt. Zwar hat der Zeuge M. ihre Behauptung bestätigt, wonach sie am 22. Juli 2014 mit dem Zeugen die Ehe nach yezidischer Tradition geschlossen habe. Die Richtigkeit dieser Angaben wird jedoch durch die von der Klägerin im Termin der mündlichen Verhandlung überreichte Bescheinigung der „N.“ vom 4. März 2021 in Frage gestellt. Darin wird bescheinigt, dass die Klägerin und der Zeuge entsprechend den yezidischen Geboten am 4. März 2021 in O. die Ehe geschlossen hätten. Eine nachvollziehbare Erklärung für diesen erheblichen Widerspruch haben weder die Klägerin noch der Zeuge geliefert. Soweit die Klägerin auf Vorhalt des Gerichts erklärt hat, mit dem Datum sei der Tag gemeint, an dem das Dokument ausgestellt worden sei, ist dem entgegenzuhalten, dass nach dem Wortlaut der Bescheinigung auch die Eheschließung am 4. März 2021 stattgefunden haben soll. Soweit der Zeuge angegeben hat, es sei ihnen gesagt worden, dass das (offenbar gemeint:) frühere Datum nicht eingetragen werden könnte, da sie im Irak keinen Heiratsvertrag besessen hätten, ist auch diese Einlassung nicht geeignet, den Widerspruch zwischen der behaupteten Eheschließung im Irak und dem Inhalt der Bescheinigung zu entkräften.

II. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes.

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden durch einen der in § 3c AsylG genannten Akteure droht. Als ernsthafter Schaden gilt nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AsylG die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (Nr. 1), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (Nr. 2) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (Nr. 3). Der Prüfung der Gefahr eines ernsthaften Schadens im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG ist - wie bei der Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist - der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Hat der Ausländer bereits einen ernsthaften Schaden erlitten, oder war er von einem solchen unmittelbar bedroht, kommt ihm auch hier die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL zugute (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.04.2010 - 10 C 4.09 -, juris Rn. 27). Bezugspunkt für die Gefahrenprognose ist bei einer nicht landesweiten Gefahrenlage - ebenfalls wie beim Flüchtlingsschutz - in der Regel die Herkunftsregion des Ausländers, in die er typischerweise zurückkehren wird. Schließlich wird auch subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn der Ausländer internen Schutz in Anspruch nehmen kann (§ 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3e Abs. 1 AsylG).

Dass die Klägerin im Falle ihrer Rückkehr in den Distrikt Sindjar der Provinz Ninive einen ernsthaften Schaden erleiden werden, ist nicht beachtlich wahrscheinlich.

Die Flucht der Klägerin vor dem IS begründet die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines ersthaften Schadens nicht, da nach den Ausführungen zum Flüchtlingsschutz nicht mehr von einer Gruppenverfolgung von Yeziden im Distrikt Sindjar auszugehen ist.

Die schlechte humanitäre Lage im Irak rechtfertigt ebenfalls nicht die Zuerkennung subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG, da diese nicht einem Akteur im Sinne von § 4 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 3c AsylG zuzuordnen ist (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 24.09.2019 - 9 LB 136/19 -, juris Rn. 68-71).

Auch eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Klägerin infolge willkürlicher Gewalt (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG) ist nicht gegeben.

Für die Annahme einer solchen Bedrohung genügt es nicht, dass der innerstaatliche bewaffnete Konflikt zu permanenten Gefährdungen der Bevölkerung und zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt (BVerwG, Urt. v. 13.02.2014 - 10 C 6.13 -, juris Rn. 24). Allerdings kann sich eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG erfüllen (BVerwG, Urt. v. 24.06.2008 - 10 C 43.07 -, juris Rn. 34 zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Ausländer von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Ausländer als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 18; Nds. OVG, Urt. v. 24.09.2019 - 9 LB 136/19 -, juris Rn. 80).

Fehlen individuelle gefahrerhöhende Umstände, so kann eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Erforderlich ist insoweit ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 19 m.w.N.). Für die individuelle Betroffenheit von der Gefahr bedarf es Feststellungen zur Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet, die jedenfalls auch eine annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, zu umfassen hat, sowie einer wertenden Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 23; Nds. OVG, Urt. v. 24.09.2019 - 9 LB 136/19 -, juris Rn. 81. Allerdings sieht das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls ein Risiko von 1:800 (0,125 %), in dem betreffenden Gebiet verletzt oder getötet zu werden, als so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt an, dass auch eine wertende Gesamtbetrachtung am Nichtvorliegen der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nichts zu ändern vermag (BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 22 f. zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.).

Persönliche gefahrerhöhende Umstände, die zu einer erheblichen individuellen Gefährdung führen würden, sind im Fall der Klägerin nicht ersichtlich. Derartige Umstände ergeben sich auch nicht aus ihrer yezidischen Religionszugehörigkeit. Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergibt sich nicht, dass Yeziden derzeit bei einer Rückkehr in den Distrikt Sindjar nach der Verdrängung des IS einer gegenüber anderen Bewohnern der Region erhöhten Gefahr ausgesetzt wären; insoweit wird auf die Ausführungen zum Flüchtlingsschutz verwiesen.

Ein so hoher Gefahrengrad, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre, wird im Distrikt Sindjar ebenfalls nicht erreicht. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht kommt in seinem Urteil vom 24. September 2019 (- 9 LB 136/19 -, juris Rn. 87-100) nach ausführlicher Auswertung der dort im Einzelnen genannten Erhebungen zur Bevölkerungszahl und der Anzahl ziviler Todesfälle zu dem Ergebnis, dass das Risiko, als Zivilperson im Distrikt Sindjar infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines etwaigen dortigen innerstaatlichen bewaffneten Konflikts getötet oder verletzt zu werden, für das Jahr 2018 bei den unterschiedlichen Erhebungen jeweils unterhalb des vom Bundesverwaltungsgericht noch für weit von der Erheblichkeitsschwelle entfernt erachteten Risikos von 1:800 bzw. 0,125 % lag, und auch eine wertende Gesamtbetrachtung, insbesondere unter Berücksichtigung der medizinischen Versorgungslage im Sindjar, keine andere Bewertung zu rechtfertigen vermag. Dass sich die Sicherheitslage in Anbetracht der Tatsache, dass die Bekämpfung der Corona-Pandemie Kräfte bindet und somit zu einem verminderten Verfolgungsdruck gegen den IS im Irak geführt hat, im Folgezeitraum so gravierend verschlechtert hätte, dass im Hinblick auf Anschläge des IS von einer hinreichenden Gefahrendichte auszugehen wäre, ist nicht ersichtlich (vgl. auch Nds. OVG, Beschl. v. 11.03.2021 - 9 LB 129/19 -, juris Rn. 125 zum Distrikt Tilkaif) und von der Klägerin auch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen worden.

Die in einem Vorlagebeschluss an den Gerichtshof der Europäischen Union zum Ausdruck gebrachte Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg, wonach die Zuerkennung des subsidiären Schutzes im vorliegenden Zusammenhang nicht allein von einer Mindestzahl an bereits zu beklagenden zivilen Opfern abhängig gemacht werden dürfe (VGH Bad.-Würt., Beschl. v. 29.11.2019 - A 11 S 2374/19 und A 11 S 2375/19 - juris), führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar mag diese Auffassung im Ergebnis zutreffend sein (vgl. den Schlussantrag des Generalanwalts im vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg angestrengten Vorabentscheidungsverfahren v. 11.02.2021 - C-901/19 - juris). Die dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegte Frage verkennt jedoch, dass die vom Bundesverwaltungsgericht etablierte und hier geteilte Rechtsprechung eine allein an Opferzahlen orientierte Lageeinschätzung nicht vornimmt. Vielmehr kommt es auch bisher bereits auf eine wertende, abschließende Gesamtbetrachtung der Gesamtsituation an (BVerwG, Urt. v. 20.5.2020 - 1 C 11.10 -, juris Rn. 21). Vorliegend sind indes keine Gesichtspunkte erkennbar, die in diesem Rahmen zu einem anderen Ergebnis führten (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, juris Rn. 23; Nds. OVG, Beschl. v. 11.03.2021 - 9 LB 129/19 -, juris Rn. 126).

III. Auch ein Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG oder § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG steht der Klägerin nicht zu.

1. Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich - zielstaatsbezogene (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 35) - Abschiebungshindernisse aus der EMRK ergeben. In diesem Zusammenhang kommt vor allem eine Verletzung des Art. 3 EMRK in Frage. Danach darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Hierunter fallen grundsätzlich auch Gefahrenlagen aufgrund einer allgemeinen Situation der extremen Gewalt oder aufgrund schlechter humanitärer Verhältnisse. Schlechte humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat können jedoch nur in begründeten Ausnahmefällen in Bezug auf Art. 3 EMRK ein Abschiebungsverbot begründen (vgl. BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 23). Ein solcher Ausnahmefall ist grundsätzlich nicht gegeben, wenn sich der Rückkehrer etwa durch Gelegenheitsarbeiten oder durch Unterstützungsleistungen ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.10.2012 - 10 B 16.12 -, juris Rn. 10).

Für die Beurteilung, ob außerordentliche Umstände vorliegen, die - wie hier - nicht in die unmittelbare Verantwortung des Abschiebungszielstaates fallen und die dem abschiebenden Staat nach Art. 3 EMRK eine Abschiebung des Ausländers verbieten, ist grundsätzlich auf den gesamten Abschiebungszielstaat abzustellen und zunächst zu prüfen, ob solche Umstände an dem Ort vorliegen, an dem die Abschiebung endet (BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 - 10 C 15.12 -, juris Rn. 26; Nds. OVG, Urt. v. 29.01.2019 - 9 LB 93/18 -, juris Rn. 53).

Enden dürfte die Abschiebung im Fall der Klägerin in der Region Kurdistan-Irak. In dieses Gebiet sind in der Vergangenheit über den internationalen Flughafen in Erbil Rückführungen in kleinerem Umfang regelmäßig erfolgt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 12.01.2019, S. 26). Dabei handelt es sich zudem um den zu ihrer Heimatregion Sindjar nächstgelegenen internationalen Flughafen im Irak, über den Rückführungen erfolgen. Derzeit gibt es Direktflüge von Deutschland nach Erbil mit Lufthansa und Iraqi Airways, von denen zumindest die ersten beiden problemlos für Rückführungen genutzt werden können. Darüber hinaus bestehen noch indirekt Verbindungen nach Erbil u.a. mit Austrian Airways, Turkish Airways und Qatar Airways (Lagebericht des Auswärtigen Amtes v. 02.03.2020, S. 27). Die Einreise von Kurden in die Region Kurdistan-Irak und deren dortiger Aufenthalt sind zudem grundsätzlich problemlos möglich (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 24.09.2019 - 9 LB 136/19 -, juris Rn. 122-124).

Obwohl die Sicherheitslage im Irak prekär ist, liegt in der Region Kurdistan-Irak keine allgemeine Situation einer solchen extremen allgemeinen Gewalt vor, die es rechtfertigt, Rückkehrern generell Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK zu gewähren (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 24.09.2019 - 9 LB 136/19 -, juris Rn. 128-145, bestätigt durch Beschl. v. 11.03.2021 - 9 LB 129/19 -, juris Rn. 146-154). Die Klägerin hat eine solche Situation ebenfalls nicht geltend gemacht.

Auch die humanitären Verhältnisse in Kurdistan-Irak begründen nicht für jeden aus dem Ausland zurückkehrenden Yeziden einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Entscheidend sind vielmehr die Umstände des Einzelfalls (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 24.09.2019 - 9 LB 136/19 -, juris Rn. 146-247).

Diese Grundsätze beanspruchen nach wie vor Geltung (vgl. auch Nds. OVG, Beschl. v. 11.03.2021 - 9 LB 129/19 -, juris Rn. 155-183). Zwar haben die zur Bekämpfung der Corona-Pandemie von der irakischen Regierung und der kurdischen Regionalregierung verhängten Beschränkungen erhebliche Auswirkungen auf die irakische Wirtschaft, die Versorgungssituation und den Arbeitsmarkt. Insbesondere der Bereich der Gelegenheitsarbeit hat einen starken Rückgang an Erwerbsmöglichkeiten verzeichnet. Auch dürfte sich infolge der Pandemie die - durch den niedrigen Ölpreis bereits vorbelastete - Gesamtwirtschaftslage des Irak noch weiter verschlechtert haben (vgl. zum Vorstehenden WFP, Iraq Market Monitor Report April 2020; IOM, SMEs report grave decline in production and sales during COVID-19 pandemic: IOM Iraq study, 14.05.2020). Dass Rückkehrer vor diesem Hintergrund mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit grundsätzlich nicht in der Lage sein werden, im Irak ein Leben zumindest am Rande des Existenzminimums zu führen, lässt sich aus den gegenwärtig zur Verfügung stehenden Erkenntnismitteln jedoch nicht ableiten, zumal neben der etwa seitens der USA, des UNHCR und der Weltbank geleisteten erheblichen finanziellen und materiellen Unterstützung des Irak Projekte ins Leben gerufen worden sind, um Betroffenen Möglichkeiten zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zu verschaffen (vgl. US Aid, Iraq - Complex Emergency, Fact Sheet #2, 08.05.2020; World Bank, World Bank deploys US$ 33.6 million in emergency response to help Iraq face the Coronavirus outbreak, 12.05.2020; UNHCR/WFP, UNHCR and WFP extend assistance net to cover displaced and refugee families affected by pandemic, 13.05.2020; IOM, SMEs report grave decline in production and sales during COVID-19 pandemic: IOM Iraq study, 14.05.2020; US Aid, Food Assistance Fact Sheet Iraq, 14.05.2020; OCHA, Iraq Humanitarian Bulletin April 2020, 26.05.2020, S. 3; FAO, World Bank Group, WFP, Iraq COVID-19 Food Security Monitor, Issue 5, 6, 7 und 16, 12.05.2020, 19.05.2020, 02.06.2020 und 25.08.2020; WHO, THE COVID-19 PROGRESS REPORT February to July, 2020, 04.09.2020, Ground Truth Solutions, Iraq: How the most vulnerable contend with COVID-19 – and restrictions to keep them safe, 04.09.2020; IOM, IRAQ COVID-19 RESPONSE OVERVIEW #6, 10.11.-06.12.2020).

Ein außergewöhnlicher Fall, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung zwingend sind, liegt hier nicht vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass für in den Irak zurückkehrende irakische Staatsangehörige yezidischen Glaubens, die ihre Heimatregion aus Angst vor dem IS verlassen haben, in Kurdistan-Irak grundsätzlich Zugang zu einer Flüchtlingsunterkunft besteht. Die dortigen Lebensbedingungen sind allgemein schwierig, rechtfertigen aber grundsätzlich nicht die Annahme, die Betroffenen seien dem realen Risiko einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt. Bei besonders vulnerablen Personen, wie alleinstehenden Frauen oder Familien ohne männliches Familienoberhaupt ist hingegen davon auszugehen, dass die Unterbringung in einem Flüchtlingscamp regelmäßig mit einer Fehlbehandlung im Sinne von Art. 3 EMRK einhergeht (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 24.09.2019 - 9 LB 136/19 -, juris Rn. 168 ff.).

Gemessen daran liegt ein außergewöhnlicher Fall, in dem die humanitären Gründe gegen die Abschiebung „zwingend“ sind, hier vor.

Bei einer realitätsnahen Rückkehrprognose ist davon auszugehen, dass die Klägerin nicht als alleinstehende Frau, sondern gemeinsam mit dem Zeugen M. in den Irak zurückkehren wird (s.o.). Da der Zeuge jung und arbeitsfähig ist, ist davon auszugehen, dass er trotz der defizitären Unterbringungs- und Versorgungssituation sowie der angespannten Wirtschaftslage im Stande sein wird, ergänzt durch Unterstützungsleistungen den Lebensunterhalt für sich und die Klägerin zu sichern. Sofern dies notwendig sein sollte, wird auch die Klägerin zur Sicherung des Lebensunterhalts beitragen können. Zum einen ist sie studierte Englischlehrerin. Zum anderen hat sie vor ihrer Ausreise aus dem Irak im Flüchtlingslager für eine Hilfsorganisation - wenngleich bei unregelmäßigem Gehalt - gearbeitet. Soweit sie einwendet, sie verfüge über keine Zulassung als Lehrerin, steht dies der Abhaltung von Privatunterricht nicht entgegen.

2. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht gegeben. Danach soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus - hier allenfalls in Betracht kommenden - gesundheitlichen Gründen liegt nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Dabei ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist (§ 60 Abs. 7 Satz 4 AufenthG). Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 60a Abs. 2c Satz 2 AufenthG muss der Ausländer eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll nach § 60a Abs. 2c Satz 3 AufenthG insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten.

Nach diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für die Feststellung eines gesundheitsbedingten Abschiebungsverbots nicht gegeben. Soweit die Klägerin geltend macht, sie sei psychisch krank, fehlt es hierfür an einem ärztlichen Attest. Die von ihr vorgelegte Bescheinigung des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge in P. (ohne Datumsangabe), die ihr eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert, genügt insoweit nicht.

IV. Die Abschiebungsandrohung und die gesetzte Ausreisefrist entsprechen den gesetzlichen Bestimmungen. Auch das befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Die Kostenentscheidung in dem nach § 83b AsylG gerichtskostenfreien Verfahren folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m.§ 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.