Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.02.2022, Az.: 4 LA 74/20

Nationaldienst; Nationaldienst, militärischer Teil; Übergriffe, sexuelle

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.02.2022
Aktenzeichen
4 LA 74/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2022, 59513
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 12.02.2020 - AZ: 3 A 2417/18

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Frauen im eritreischen Nationaldienst stellen keine soziale Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG dar.

2. Für Frauen, die in den militärischen Teil des eritreischen Nationaldienstes einberufen werden, besteht die beachtliche Wahrscheinlichkeit ( real risk ) eines ernsthaften Schadens durch sexuelle Übergriffe von Vorgesetzten.

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - Berichterstatterin der 3. Kammer - vom 12. Februar 2020 wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg. Denn der von ihr geltend gemachte Berufungszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG) liegt nicht vor.

Eine Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 20.8.2015 - 4 LA 107/15 - u. v. 21.7.2015 - 4 LA 224/15 -; GK-AsylG, § 78 Rn. 88 ff. m.w.N.; Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar, § 78 AsylG Rn. 15 ff. m.w.N.). Rechtsfragen sind klärungsbedürftig, wenn sie durch die Rechtsprechung nicht schon (hinreichend) geklärt sind oder wenn ihre Beantwortung sich weder unmittelbar aus dem Gesetz ergibt noch sonst von vornherein praktisch außer Zweifel steht (GK-AsylG, § 78 Rn. 112 m.w.N.). Tatsachenfragen sind klärungsbedürftig, wenn sie nicht eindeutig und frei von vernünftigen Zweifeln aus dem vorliegenden Erkenntnismaterial beantwortet werden können oder nicht bereits ausreichend geklärt sind (GK-AsylG, § 78 Rn. 137 m.w.N.).

Gemessen daran ist die Berufung nicht zuzulassen. Die von der Beklagten als klärungsbedürftig bezeichnete Frage, „ob Frauen im eritreischen Nationaldienst als bestimmte soziale Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG angesehen werden können“, verleiht der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Denn diese Frage bedarf keiner Klärung durch den Senat in einem von der Beklagten angestrebten Berufungsverfahren, sondern lässt sich bereits im Zulassungsverfahren auf der Grundlage der Erkenntnismittel, die das Verwaltungsgericht mit seiner Entscheidung berücksichtigt hat, und der weiteren von der Beklagten im Zulassungsantrag benannten Erkenntnismittel eindeutig und frei von vernünftigen Zweifeln verneinen.

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist im Einklang mit der zu dem Begriff der „sozialen Gruppe“ im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU ergangenen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urt. v. 7.11.2013 - C-199/12, C-200/12, C-201/12 -, juris Rn. 45 und v. 25.1.2018 - C-473/16 -, juris Rn. 30) geklärt, dass die in den Buchstaben a) und b) des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 1 AsylG genannten Voraussetzungen für das Vorliegen einer „sozialen Gruppe“ kumulativ erfüllt sein müssen und das selbständige Erfordernis der „deutlich abgegrenzten Identität" eine Begriffsauslegung ausschließt, nach der eine „soziale Gruppe" im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG allein dadurch begründet wird, dass eine Mehr- oder Vielzahl von Personen in vergleichbarer Weise von als Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a Abs. 1 oder 2 AsylG zu qualifizierenden Maßnahmen betroffen wird (BVerwG, Urt. v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 -, juris Rn. 29 und 31; Beschl. v. 17.9.2018 - 1 B 45.18 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 23.9.2019 - 1 B 54.19 -, juris Rn. 8). Auch eine allein an das Geschlecht anknüpfende Verfolgung im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 4 AsylG ist nur dann eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, wenn die Personengruppe, deren Mitglieder das gleiche Geschlecht haben, von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird. Insofern gilt die Regelvoraussetzung, an welche § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 1 Buchstabe b) AsylG die Qualifizierung einer Personengruppe mit gemeinsamen Merkmalen als bestimmte soziale Gruppe knüpft, auch für die unveräußerlichen Merkmale des Geschlechts und der geschlechtlichen Identität nach § 3b Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 4 AsylG (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 21.9.2020 - 19 A 1857/19.A -, juris Rn. 114).

Ausgehend von diesem rechtlichen Maßstab lässt sich ohne Weiteres feststellen, dass Frauen im eritreischen Nationaldienst keine soziale Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG darstellen. Es fehlt insoweit an der erforderlichen deutlich abgegrenzten Identität dieser Gruppe, da sie nicht vom Rest der sie umgebenden eritreischen Gesellschaft als andersartig betrachtet wird.

Eine deutlich abgegrenzte Identität von Frauen im eritreischen Nationaldienst wird insbesondere nicht dadurch begründet, dass es nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts im Rahmen des militärischen Teils des Nationaldienstes verbreitet zur Anwendung von sexualisierter Gewalt gegen Frauen kommt (Urteilsabdruck, S. 7 ff.), dabei die besondere Schutzlosigkeit der betroffenen Frauen ausgenutzt wird und eine effektive strafrechtliche Verfolgung der Täter nicht gegeben ist (Urteilsabdruck, S. 10). Dass eine Mehr- oder Vielzahl von Personen in vergleichbarer Weise von Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3a Abs. 1 oder 2 AsylG betroffen ist, begründet allein – wie aufgezeigt – keine „soziale Gruppe" im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG/Art. 10 Abs. 1 Buchst. d Richtlinie 2011/95/EU. An der hierfür zusätzlich erforderlichen deutlich abgegrenzten Identität der Gruppe der Frauen im eritreischen Nationaldienst fehlt es indes. Aus der vom Verwaltungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten Schnellrecherche der SFH Länderanalyse geht vielmehr hervor, dass die Vergewaltigungen in militärischen Trainingszentren und in Haft als Teil eines weit verbreiteten oder systematischen Angriffs ausgeübt werden, welcher direkt gegen die eritreische Zivilbevölkerung gerichtet ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH Länderanalyse vom 13. Februar 2018 zu Eritrea: Sexualisierte Gewalt gegen Frauen, S. 1). Auch außerhalb des Nationaldienstes kommen sexuelle Übergriffe von Armeeangehörigen auf Frauen und Mädchen vor (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH Länderanalyse vom 13. Februar 2018 zu Eritrea: Sexualisierte Gewalt gegen Frauen, S. 3). Das Vorkommen sexualisierter Gewalt gegen Frauen im militärischen Teil des Nationaldienstes beruht folglich nicht darauf, dass sie andersartig vom Rest der sie umgebenden eritreischen Gesellschaft betrachtet werden.

Hinzu kommt, dass auch männliche Dienstverpflichtete im eritreischen Nationaldienst Misshandlungen ausgesetzt sind. Den Erkenntnismitteln ist insofern zwar nicht zu entnehmen, dass es - anders indes für sexuelle Übergriffe auf Männer in Haft - weit verbreitet auch zu sexuellen Übergriffen auf Männer im Nationaldienst käme (vgl. Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH Länderanalyse zu Eritrea: Sexualisierte Gewalt gegen Frauen, 13. Februar 2018, S. 3). Folter und andere Formen der Misshandlung gegenüber allen Dienstverpflichteten sind aber weit verbreitet (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Eritrea: Nationaldienst, Themenpapier der SFH-Länderanalyse, 30. Juni 2017, S. 14 f. mit weiteren Quellenangaben). Die sexuellen Übergriffe gegen Frauen im militärischen Teil des Nationaldienstes stellen damit eine besondere Form der Misshandlung im Rahmen des Nationaldienstes neben anderen Formen von Misshandlungen gegenüber Dienstverpflichteten unabhängig vom Geschlecht dar. Sie erfolgen aber nicht, weil Frauen im Nationaldienst wegen ihrer Zugehörigkeit zum weiblichen Geschlecht als andersartig wahrgenommen werden.

Dementsprechend ist die von der Beklagten als grundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage, „ob Frauen im eritreischen Nationaldienst als bestimmte soziale Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG angesehen werden können“, von der hierzu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung bislang einhellig verneint worden (Hamb. OVG, Beschl. v. 2.9.2021 - 4 Bf 546/19.A -, juris Rn. 42 ff. und Urt. v. 1.12.2020 - 4 Bf 205/18.A -, juris Rn. 44 ff.; ferner VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 13.7.2021 - A 13 S 1563/20 -, juris Rn. 66 ff.; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 21.9.2020 - 19 A 1857/19.A -, juris Rn. 120 ff.). Ein weiterer Klärungsbedarf in einem von der Beklagten angestrebten Berufungsverfahren besteht insoweit nicht.

Die weitere von der Beklagten als klärungsbedürftig bezeichnete Frage, „ob eritreische Frauen bei Ableistung des Nationaldienstes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit regelmäßig sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind“, ist nicht entscheidungserheblich und bedürfte in einem Berufungsverfahren daher keiner Klärung. Denn die Klägerin erstrebt mit ihrer Klage allein die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG, da ihr durch Bescheid vom 12. März 2018 subsidiärer Schutz gemäß § 4 AsylG gewährt worden ist. Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohender sexualisierter Gewalt im militärischen Teil des Nationaldienstes ist - wie aufgezeigt - bereits deshalb kein Raum, weil sie als Frau im eritreischen Nationaldienst nicht einer sozialen Gruppe im Sinne des § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG angehört. In einem Berufungsverfahren käme es daher nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Klägerin – wie vom Verwaltungsgericht angenommen – bei einer Einberufung in den militärischen Teil des Nationaldienstes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit sexualisierter Gewalt ausgesetzt sein wird.

Unabhängig davon fehlt es auch deshalb an der grundsätzlichen Bedeutung der von der Beklagten bezeichneten Frage, da sie in dieser Form nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung gewesen ist. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung nicht maßgeblich darauf gestützt, dass eritreischen Frauen bei Ableistung des Nationaldienstes mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit regelmäßig sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind, sondern darauf abgestellt, dass die Klägerin im Falle ihrer Einberufung zum militärischen Teil des Nationaldienstes (Hervorhebung durch den Senat) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Opfer sexualisierter Gewalt werden würde (Urteilsabdruck, S. 7 ff.). Dass es hinsichtlich der Gefahr sexualisierter Übergriffe gegenüber Frauen nicht auf eine Differenzierung zwischen den verschiedenen Formen des Nationaldienstes ankommt, ergibt sich aus den zu Eritrea vorliegenden Erkenntnismitteln nicht und ist von der Beklagten mit ihrem Zulassungsantrag auch nicht aufgezeigt worden.

Ohne dass es in dem Berufungszulassungsverfahren entscheidungserheblich darauf ankommt, merkt der Senat ergänzend an, dass er bei einer zusammenfassenden Würdigung der vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Erkenntnismittel in Übereinstimmung mit diesem davon ausgeht, dass für Frauen, die in den militärischen Teil des Nationaldienstes einberufen werden, die beachtliche Wahrscheinlichkeit („real risk“) eines ernsthaften Schadens durch sexuelle Übergriffe von Vorgesetzten besteht (zum Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit vgl. BVerwG, Urt. v. 19.4.2018 - 1 C 29.17 -, juris Rn. 14; ferner Nds. OVG, Urt. v. 24.9.2019 - 9 LB 136/19 -, juris Rn. 53). Dies ergibt sich aus Folgendem:

Human Rights Watch, Amnesty International und das US Department of State berichten übereinstimmend, dass Frauen im Rahmen des Nationaldienstes einem massiven Risiko von sexueller Gewalt durch Befehlshaber und Kameraden ausgesetzt sind (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Eritrea: Nationaldienst, Themenpapier der SFH-Länderanalyse, 30. Juni 2017, S. 12 f.). Auch die UN-Untersuchungskommission zu Eritrea berichtet von einer großen Anzahl von Fällen sexueller Gewalt gegen Frauen in den Militärcamps, in der Armee und in Haft; nach Aussage eines ehemaligen Ausbilders sei sexuelle Gewalt in dem Militärcamp in Sawa geradezu normal (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Eritrea: Nationaldienst, Themenpapier der SFH-Länderanalyse, 30. Juni 2017, S. 13). Geschlechterspezifische Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Mädchen sind im Militär- und Nationaldienst in Eritrea weit verbreitet, viele Frauen und Mädchen werden in den Militärlagern sexuell ausgebeutet, wobei die sexualisierte Gewalt im Militärlager in Sawa besonders ausgeprägt ist (Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche der SFH Länderanalyse zu Eritrea: Sexualisierte Gewalt gegen Frauen, 13.2.2018, S. 3). Im Militärdienst kommt es gemäß Menschenrechtsberichten immer wieder zu sexuellen Übergriffen vor allem durch militärische Vorgesetzte (EASO, Bericht über Herkunftsländerinformationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 39). Viele Frauen in militärischen Ausbildungszentren und in geringerem Maße auch in der Armee werden von Militärbeamten und Ausbildern vergewaltigt (UN Human Rights Council (HRC), Detailed findings of the commission of inquiry on human rights in Eritrea, 8 June 2016, p. 74 ff. (Nr. 301 ff.)).

Auch aus dem von der Beklagten im Zulassungsantrag angeführten Country of Origin Information Report von EASO aus September 2019 geht hervor, dass – wie vom Verwaltungsgericht festgestellt – Frauen im militärischen Teil des eritreischen Nationaldienstes verbreitet sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind. Danach werden Frauen im Militär häufig, aber nicht ausschließlich, in Positionen wie Köchinnen, Reinigungskräfte, persönliche Assistentinnen von Kommandanten oder Büroangestellte eingesetzt. In solchen Positionen wie auch in militärischen Einheiten sind sie anfällig für sexuelles Fehlverhalten ihrer Vorgesetzten (EASO, Country of Origin Information Report: Eritrea National service, exit, and return, September 2019, p. 38 unter Berufung auf eine diplomatische Quelle). Es gibt keine bekannten Richtlinien, die ein solches Verhalten von Befehlshabern gegenüber Wehrpflichtigen verbieten, so dass dies praktisch eine Straffreiheit für sie bedeutet (EASO, Country of Origin Information Report: Eritrea National service, exit, and return, September 2019, p. 39). Sexuelle Ausbeutung durch Vorgesetzte findet in unterschiedlichen Kontexten und unter verschiedenen Umständen statt. Mehrere Quellen deuten darauf hin, dass einige weibliche Wehrpflichtige versuchen, harte Einsätze zu vermeiden, indem sie ihren Vorgesetzten sexuelle „Gefälligkeiten" anbieten, ihnen als Gegenleistung für Sex eine leichtere Behandlung angeboten wird oder ihnen mit einem unliebsamen Einsatz (z. B. an der Front) gedroht wird, wenn sie keine solchen Gefälligkeiten anbieten (EASO, Country of Origin Information Report: Eritrea National service, exit, and return, September 2019, p. 39). Nach EASO leugnet fast keine Quelle außer der Regierung, dass es sexuelle Gewalt gibt (EASO, Country of Origin Information Report: Eritrea National service, exit, and return, September 2019, p. 39).

Auch wenn es nach dem Country of Origin Information Report von EASO aus September 2019 unmöglich ist, zu quantifizieren, wie systematisch sexuelle Gewalt im militärischen Teil des Nationaldienstes vorkommt (EASO, Country of Origin Information Report: Eritrea National service, exit, and return, September 2019, p. 39), sprechen die nach übereinstimmenden Berichten häufig vorkommenden Misshandlungen im militärischen Teil des Nationaldienstes gegenüber den Dienstverpflichteten im Allgemeinen, die fast unbeschränkte Macht militärischer Kommandanten über ihre Untergebenen, insbesondere gegenüber Frauen, die weitgehende Straflosigkeit von sexuellen Übergriffen auf Untergebene sowie der Umstand, dass unterschiedliche Quellen von regelmäßigen sexuellen Übergriffen auf Frauen berichten, dafür, dass sexualisierte Gewalt gegenüber Frauen im militärischen Teil des Nationaldienstes weit verbreitet ist und nicht nur vereinzelt vorkommt, mithin die beachtliche Wahrscheinlichkeit („real risk“) eines ernsthaften Schadens durch sexuelle Übergriffe von Vorgesetzten besteht.

Diese Einschätzung wird auch durch aktuelle Erkenntnismittel zum eritreischen Nationaldienst bestätigt. Denn auch diese verweisen auf verschiedene Berichte über sexuelle Nötigung und Gewalt bis hin zu Vergewaltigung gegenüber weiblichen Rekruten im militärischen Teil (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand November 2021, S. 15; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Eritrea, Gesamtaktualisierung am 19. Mai 2021, S. 11; United Kingdom Home Office, Country Policy and Information Note, Eritrea: National Service and illegal exit, September 2021, p. 38). Anhaltspunkte dafür, dass die zahlreichen Berichte über das verbreitete Vorkommen sexualisierter Gewalt gegenüber Frauen im militärischen Teil des Nationaldienstes überholt sind, bestehen daher nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO und § 83b AsylG.