Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.09.2019, Az.: 10 LC 231/18

Bürgermeister; Hauptverwaltungsbeamter; Inkompatibilität; Interessenkollision; Kommunalverfassung; Oberbürgermeister; Unvereinbarkeit; Wahlgleichheit; Wahlprüfung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.09.2019
Aktenzeichen
10 LC 231/18
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2019, 69986
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 15.03.2018 - AZ: 1 A 48/17

Fundstelle

  • ZAP EN-Nr. 601/2019

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Ein Oberbürgermeister einer großen selbständigen Stadt fällt unter den Anwendungsbereich des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG.
2. Die in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 50 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NKomVG normierte Unvereinbarkeitsregelung ist mit höherrangigem Recht vereinbar.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 1. Kammer - vom 15. März 2018 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Ablehnung seiner Wahl in den Kreistag durch den Beklagten wegen seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister einer dem Landkreis angehörenden großen selbständigen Stadt.

Der Kläger ist hauptamtlicher Oberbürgermeister der Stadt A-Stadt. Er kandidierte bei der Kreistagswahl am 11. September 2016 auf Platz 1 des Wahlvorschlages der CDU im Wahlkreis A-Stadt Nord. Nach Eingang des Wahlvorschlages wies der Beklagte sowohl den Kläger als auch die Vertrauensperson des Wahlvorschlages darauf hin, dass der Kläger ein Kreistagsmandat wegen der Inkompatibilität gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) nicht gleichzeitig mit seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister ausüben könne und bat um Überprüfung, ob der Wahlvorschlag in der vorliegenden Form aufrechterhalten werde. Eine Änderung erfolgte nicht und der Kläger erzielte nach der Feststellung des amtlichen Wahlergebnisses der Kreistagswahl am 16. September 2016 ein Kreistagsmandat.

Der Kreiswahlleitung forderte den Kläger in der Folge mit Schreiben vom 19. September 2016 auf, die Annahme der Wahl zu erklären und gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 NKomVG innerhalb einer Woche nachzuweisen, dass er die zur Beendung seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister erforderlichen Erklärungen abgegeben habe, da diese Tätigkeit der Ausübung eines Kreistagsmandates gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG entgegenstehe. Der Kläger erklärte mit Schreiben vom 23. September 2016 lediglich die Annahme der Wahl zum Kreistagsabgeordneten. Daraufhin stellte der Beklagte mit Bescheid vom 13. Oktober 2016 fest, dass die Wahl des Klägers auf Grund der fehlenden Erklärungen zur Beendigung seines Beamtenverhältnisses nach § 50 Abs. 3 Satz 1 NKomVG gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 NKomVG als abgelehnt gelte und der von ihm errungene Sitz auf die nächste Ersatzperson anhand des endgültigen Ergebnisses der Kreistagswahl – den Beigeladenen – übergegangen sei. Gegen diese Entscheidung legte der Kläger mit Schreiben vom 28. Oktober 2016 Wahleinspruch mit der Begründung ein, dass er als Oberbürgermeister einer großen selbständigen Stadt nicht den Inkompatibilitätsvorschriften des § 50 NKomVG unterfalle. Da die Kommunalaufsicht über eine große selbständige Stadt nicht vom Landkreis, sondern vom Innenministerium ausgeübt werde, sei § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG verfassungskonform dahingehend zu interpretieren, dass der Oberbürgermeister einer großen selbständigen Stadt nicht von dieser Vorschrift erfasst werde. Allein die Tatsache, dass in einigen Fällen auch eine große selbständige Stadt der Fachaufsicht des Landkreises unterliege, reiche für die vorliegende Einschränkung der Wählbarkeit nicht aus.

Der Kreistag des Beklagten traf daraufhin in seiner Sitzung am 5. Dezember 2016 die Wahlprüfungsentscheidung, dass der Wahleinspruch des Klägers gegen den Feststellungsbescheid der Kreiswahlleitung vom 13. Oktober 2016 zulässig, aber unbegründet sei und daher zurückgewiesen werde. Diese Entscheidung teilte der Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 16. Dezember 2016 mit und führte zur Begründung aus, dass die vorliegend maßgeblichen kommunalrechtlichen Regelungen zur Unvereinbarkeit eindeutig und damit keiner „verfassungskonformen Interpretation“ zugänglich seien. Der Tatbestand des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG sei vorliegend unzweifelhaft erfüllt, so dass der Kläger nicht Abgeordneter im Kreistag sein könne. Damit seien sowohl die Anforderung einer Erklärung nach § 50 Abs. 3 Satz 1 NKomVG, die anschließende Ablehnung der Wahl gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 NKomVG als auch der Sitzübergang auf eine Ersatzperson gemäß § 44 Abs. 1 und 5 des Niedersächsischen Kommunalwahlgesetzes (NKWG) rechtmäßig. Die möglichen Interessenkonflikte, die der Regelung des § 50 NKomVG zu Grunde lägen, beschränkten sich entgegen der Ansicht des Klägers nicht allein auf kommunalaufsichtsrechtliche Aufgabenzuständigkeiten, da sich kommunalpolitische Entscheidungen des Kreistages auch auf vielfältige andere öffentliche Aufgabenbereiche und damit auch auf die Stadt A-Stadt als große selbständige Stadt beziehen könnten. Allein bei der Festlegung der Umlagesätze für die Kreisumlage nach § 15 des Niedersächsischen Gesetzes über den Finanzausgleich (NFAG) sei ein möglicher Interessenkonflikt ersichtlich. Mögliche Interessenkonflikte könnten sich zudem im Bereich des § 5 Abs. 3 Satz 3 NKomVG oder bezüglich der Aufgabenverteilung zwischen Landkreisen und Gemeinden auf dem Gebiet des übertragenen Wirkungskreises ergeben. Der Gesetzgeber habe zudem – anders als bei der Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 NKomVG – bewusst keine Einschränkung auf Gemeinden, die unter der Kommunalaufsicht des betreffenden Landkreises ständen, in § 50 Abs. 1 Nr. 6 NKomVG vorgenommen.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 5. Januar 2017 Klage erhoben. Zur Begründung seiner Klage hat er ausgeführt, dass die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG verfassungskonform, restriktiv so zu interpretieren sei, dass sich die Inkompatibilität auf diejenigen hauptamtlichen Bürgermeister beschränke, deren Städte der Kommunalaufsicht der Landkreise unterlägen. Als Oberbürgermeister einer großen selbständigen Stadt sei er damit nicht von der streitgegenständlichen Norm erfasst. Dies ergebe sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut, denn § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG erkläre die Unvereinbarkeit für „Bürgermeister“ und damit ausdrücklich nicht für „Oberbürgermeister“. Dies sei auch kein Redaktionsversehen, weil das Gesetz im Übrigen von „Hauptverwaltungsbeamten“ spreche. Sei eine solche Auslegung nicht möglich, sei die in Rede stehende Regelung verfassungswidrig. Die mit der Anordnung der Inkompatibilität verbundene Einschränkung des passiven Wahlrechts sei von der Ermächtigung in Art. 137 GG bzw. Art. 61 der Niedersächsischen Landesverfassung (NV) nur insoweit gedeckt, wie sie Personen betreffe, deren berufliche Stellung die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit von Entscheidungskonflikten nahelege. Dies sei bei Oberbürgermeistern großer selbständiger Städte im Hinblick auf die Kommunalaufsicht durch das Innenministerium nicht der Fall. Mögliche Interessenkonflikte könnten zudem durch die Anwendung der Befangenheitsvorschriften vermieden werden. Insofern sei angesichts des hohen Ranges der passiven Wahlrechtsgleichheit der Nachweis zu führen, dass eine weitergehende Regelung erforderlich sei, da die Befangenheitsvorschiften im Einzelfall nicht genügten. Die Tatsache, dass die meisten anderen Flächenländer der Bundesrepublik Deutschland keine Inkompatibilität zwischen dem hauptamtlichen Bürgermeisteramt und dem Kreistagsmandat vorsähen, sei ein Indiz dafür, dass zwingende Gründe der „Entscheidungs-Entflechtung“ eine solche Regelung nicht rechtfertigten. Das von der Beklagtenseite angeführte Prinzip der „Ent-Professionalisierung der Kreistage“ komme wegen der Konturenlosigkeit dieses Arguments nicht als Rechtfertigung der Einschränkung der Mandatsausübung in Betracht. Eine Inkompatibilitätsregelung bedürfe wegen der großen Bedeutung der Wahl- und Wählbarkeitsgleichheit für das Demokratieprinzip eines rechtfertigenden Grundes, der dem Sinn der Ermächtigung Rechnung trage. Diese Folgerichtigkeit habe mit dem Kohärenzgebot nicht nur eine europarechtliche Dimension, sondern auch nationalen Verfassungsrang mit der Folge, dass eine gesetzliche Regelung, die ein Ziel des Gesetzgebers nicht folgerichtig umsetze, rechtswidrig und nichtig sei. Mit der vorliegenden Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG werde das Anliegen des Gesetzgebers, eine Professionalisierung des Kreistages zu verhindern, nicht folgerichtig umgesetzt. Einerseits könnten andere “Profis“ wie beispielsweise Verwaltungsrichter, Fachanwälte oder auch Bürgermeister nicht kreisangehöriger Gemeinden ohne weiteres ein Kreistagsmandat innehaben, anderseits müsse ein Oberbürgermeister nicht unbedingt “Profi“ sein, da es keine besonderen Qualifikationsanforderungen für die Wählbarkeit zum Oberbürgermeister gebe. Zur Rechtfertigung der Inkompatibilitätsregelung genüge nicht, dass der Oberbürgermeister über Sitz- und Stimmrechte im Stadtrat verfüge. Seine Stellung rage diesbezüglich nicht gegenüber der eines sonstigen Ratsmitgliedes heraus, das nicht daran gehindert sei, ein Kreistagsmandat auszuüben.

Der Kläger hat sich zudem auf ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. D. E. aus dem April 2017 zur möglichen Unvereinbarkeit von Oberbürgermeisteramt und Kreistagsmitgliedschaft (Blatt 89 ff. der Gerichtsakte) bezogen, das er zum Gegenstand seines Vortrags gemacht hat. Der Gutachter kommt hierbei zu dem Ergebnis, dass § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG, soweit er auch auf hauptamtliche Oberbürgermeister großer selbständiger Städte Anwendung finde, verfassungswidrig sei. Denn „unter dem Aspekt der Kommunal- und Fachaufsicht kann die Konstellation einer Selbstkontrolle durch die Mitgliedschaft eines Oberbürgermeisters einer großen selbständigen Stadt im Kreistag des zugehörigen Kreises nicht eintreten“ (Blatt 124 der Gerichtsakte). Denkbar seien bei einem Zusammenfallen von Oberbürgermeisteramt und Kreistagsmandat nur Interessenkollisionen, die aus der allgemeinen Verbandsstruktur eines Kreises entständen. Vor diesem Hintergrund entspreche § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG nicht dem verfassungsrechtlichen Übermaßverbot, denn die Regelung sei nicht erforderlich. Allgemeinen Interessenkollisionen könne mit dem gleich geeigneten, aber weniger in die passive Wahlfreiheit eingreifenden Mittel der Mitwirkungsverbote begegnet werden. Sie sei auch unverhältnismäßig im engeren Sinne, denn der Zweck der Vermeidung allgemeiner, aus der Verbandsstruktur resultierender Interessenkollisionen stehe außer Verhältnis zu dem mit einer Inkompatibilität bewirkten Eingriff in die passive Wahlfreiheit.

Der Kläger hat beantragt,

den Feststellungsbescheid des Beklagten vom 13. Oktober 2016 in der Fassung der Wahlprüfungsentscheidung vom 16. Dezember 2016 aufzuheben und festzustellen, dass § 50 NKomVG der Übernahme eines Sitzes im Kreistag des Beklagten durch ihn nicht entgegensteht.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

auf die Gründe der Wahlprüfungsentscheidung verwiesen und darüber hinaus vorgetragen, dass die niedersächsische Landesregierung im Zuge der Reform des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes bekräftigt habe, dass die Unvereinbarkeitsregelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG zur Vermeidung möglicher Interessenkonflikte weiterhin bestehen bleiben solle. Das Fehlen einer vergleichbaren Regelung in den Kommunalverfassungsgesetzen anderer Bundesländer führe zu einer Professionalisierung des Kreistagsmandats, was zu einem erheblichen Ungleichgewicht im Verhältnis zu den Abgeordneten führe, die die Aufgabe ehrenamtlich ausführten und die Attraktivität der ehrenamtlichen Tätigkeit mindere. Aus diesem Grund sei die letzte Novelle zum Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetz ohne eine Veränderung der hier streitigen Regelung am 26. Oktober 2016 beschlossen worden. Dies bestätige, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine generelle Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft im Kreistag mit der Tätigkeit als hauptamtlicher Bürgermeister beständen. Zudem liege die von dem Kläger vorgetragene Beschränkung des passiven Wahlrechts nicht vor, denn § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG schließe die Wählbarkeit der betreffenden Person nicht aus, da sie keinen Wählbarkeitsausschließungsgrund oder ein Wählbarkeitshindernis enthalte, sondern sich daraus ausschließlich ein Amts- bzw. Mandatshindernis ergebe. Die Befangenheitsregelungen des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes würden zudem nicht ausreichen, um mögliche Interessenkonflikte in der hier in Rede stehenden Konstellation zu vermeiden. Die komplexen Verflechtungen zwischen Kreis, Gemeinde, Vertretung sowie den jeweiligen Hauptverwaltungsbeamten ließen keinen abschließenden Katalog an Mitwirkungsverboten zu. Hierbei sei auch zu berücksichtigen, dass sowohl das Grundgesetz als auch die niedersächsische Verfassung dem Gesetzgeber die Möglichkeit eröffne, auf diesem Gebiet nach pflichtgemäßem Ermessen klare Regelungen zu schaffen. Zu beachten sei weiterhin, dass dem Hauptverwaltungsbeamten einer Gebietskörperschaft als deren Organ eigene Zuständigkeiten zukämen und er sich damit in einer anderen Rolle als ein “normales Ratsmitglied“ befinde. So entscheide der Hauptverwaltungsbeamte insbesondere im Rahmen der ihm nach § 85 NKomVG obliegenden Befugnisse eigenständig, während die übrigen Mandatsträger als Teile des Organs an den Beschlüssen nur mitwirkten und für die Durchsetzung ihrer Interessen eine Mehrheit in diesem Organ benötigten. Insofern seien die betreffenden Funktionen bei der Beurteilung möglicher Interessenkollisionen nicht vergleichbar.

Durch Beschluss vom 5. Januar 2017 hat das Verwaltungsgericht den Beigeladenen beigeladen, der anstelle des Klägers in den Kreistag nachgerückt ist.

Mit Urteil vom 15. März 2018 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Feststellung der Ablehnung der Wahl des Klägers durch den Beklagten rechtmäßig sei, denn der Kläger falle in den Anwendungsbereich der Rechtsgrundlage für die Entscheidung des Beklagten, deren Voraussetzungen erfüllt seien. Die streitige Norm sei nicht verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass der Kläger als Oberbürgermeister der Stadt A-Stadt nicht vom Anwendungsbereich der Regelung umfasst sei. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 50 Abs. 3 Satz 2 NKomVG sei zudem mit höherrangigem Recht vereinbar. Aus dem Gesetzeszusammenhang und der Entstehungsgeschichte der Regelung folge, dass die in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG gewählte Bezeichnung „Bürgermeister und Bürgermeisterin“ die Funktion des Amtes eines Hauptverwaltungsbeamten bzw. einer Hauptverwaltungsbeamtin meine. Eine verfassungskonforme Auslegung der genannten Vorschriften dergestalt, dass Oberbürgermeister nicht in deren Anwendungsbereich fielen, sei nicht möglich, da eine solche dem erkennbaren gesetzgeberischen Willen widerspreche. Der mit § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG verbundene Eingriff in das passive Wahlrecht sei gerechtfertigt. Die genannte Norm stehe im Einklang mit Art. 137 Abs. 1 GG und Art. 61 NV. Sie schließe nicht die Wählbarkeit der betreffenden Personen rechtlich aus, sondern sehe nur eine Unvereinbarkeitsregelung vor. Sie verfolge zudem einen legitimen Zweck, sei zur Erreichung dieses Zwecks geeignet sowie erforderlich und auch verhältnismäßig. Die in § 41 NKomVG vorgesehenen Mitwirkungsverbote seien nicht ebenso gut geeignet, um den hier denkbaren Interessenkonflikten zu begegnen. Zwischen der großen selbständigen Stadt A-Stadt, in deren Dienst der Kläger stehe, und dem Landkreis ergäben sich eine Vielzahl denkbarer Berührungspunkte und Verflechtungen. Die rechtlichen und tatsächlichen Interessen der verschiedenen Selbstverwaltungsebenen griffen auf vielfältige Weise ineinander, so dass eine eindeutige Abgrenzung, in welchen Fällen die Art der dienstlichen Einflussnahme ein Mitwirkungsverbot rechtfertige, schwerlich möglich erscheine. Auch sei die Regelung des § 41 NKomVG auf die Erfassung persönlicher Interessenkonflikte ausgerichtet, vorliegend ergäben sich die möglichen Interessenkollisionen jedoch unmittelbar aus den Dienstpflichten eines Oberbürgermeisters. Darüber hinaus seien Mitwirkungsverbote auch deswegen nicht geeignet, potentiellen Interessenkonflikten zu begegnen, weil bereits im Stadium der Vorbereitung von Beratungen und Entscheidungen des Kreistags eine potentielle Einflussnahme durch einen Hauptverwaltungsbeamten zugunsten „seiner“ Stadt denkbar sei. Die Erfassung denkbarer Interessenkonflikte auf Grund des Zusammenfallens des Amts des (Ober-)Bürgermeisters und eines Kreistagsmandats über § 41 NKomVG begegne zudem im Hinblick auf die Funktionsfähigkeit des Kreistages praktischen Bedenken, da zu befürchten wäre, dass der Kreistag nicht mehr effizient arbeiten könne, wenn bei einer Vielzahl von Beratungen und Beschlussfassungen zuvor die Frage der Mitwirkung des betroffenen Hauptverwaltungsbeamten zu beantworten sei. Ein solches Vorgehen beeinträchtige auch die funktionsgerechte Ausübung des Kreistagsmandats durch denjenigen Abgeordneten, der nur bei einem Teil der Beratungen und Beschlussfassungen teilnehmen könne. Indem der Niedersächsische Gesetzgeber eine generelle Unvereinbarkeitsregel bezüglich des Oberbürgermeisteramtes einer dem Landkreis angehörigen Gemeinde mit der Annahme eines Kreistagsmandats erlassen habe, habe er sich innerhalb seines weiten Einschätzungsspielraums bewegt. Die vorliegende Beschränkung des passiven Wahlrechts diene der wirksamen Verhinderung von Interessenkonflikten, die nicht nur abstrakt und theoretisch seien. Die Regelung sei zudem nicht willkürlich im Hinblick darauf, dass diese die Mandatsannahme durch andere “Fachleute“ wie Verwaltungsrichter oder Fachanwälte nicht ausschließe. Bei diesen Personengruppen sei die dargestellte Kollision zwischen ihren Amtspflichten und dem Mandat nicht zu befürchten.

Gegen das ihm am 10. April 2018 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts hat der Kläger am 9. Mai 2018 die vom Verwaltungsgericht gemäß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt.

Zu deren Begründung wiederholt er seine Auffassung, dass der Wortlaut des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG ihn als Oberbürgermeister einer großen selbständigen Stadt nicht erfasse. Der Gesetzeswortlaut spreche an zwei Stellen eindeutig gegen die Einbeziehung des Außenorgans einer großen selbständigen Stadt in den Regelungsbereich der genannten Norm. Bei der Benennung der Adressaten sei das Niedersächsische Kommunalverfassungsgesetz im Übrigen präzise, so dass nicht von einem redaktionellen Versehen auszugehen sei. Bei den die streitgegenständliche Regelung – vorgeblich – rechtfertigenden Gründen sei zu differenzieren. So sei die “Entprofessionalisierung des Kreistages“ kein rechtfertigender Grund, da auch andere Personen ihre professionelle berufliche Erfahrung in die Kreistagsarbeit einfließen lassen könnten oder ihren Stab oder Apparat für die Kreistagsarbeit nutzen könnten. Auch das Argument der “Aufsichtsentflechtung“ sei nicht einschlägig, da die Stadt A-Stadt nicht der Kommunalaufsicht des Beklagten unterliege. Im Rahmen der “Interessenkollision“ stelle sich die Frage, an welcher Stelle eine Gefährdung eines sachgerechten Ergebnisses erwartet werden könne, wenn ein Oberbürgermeister einer kreisangehörigen Gemeinde mitwirke. Auch wenn ein Oberbürgermeister die Interessen seiner Gemeinde in den Vordergrund rücken würde, würde er sich immer auf der Ebene des Gemeinwohls und der Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft bewegen. Das Verwaltungsgericht lasse außer Acht, dass es in Bezug auf die Erhebung der Kreisumlage immer nur um die sachgemäße Erledigung von Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft gehe und eine Abwägungsentscheidung erforderlich sei. Die Bevorzugung der örtlichen Aufgaben gegenüber den überörtlichen Aufgaben oder umgekehrt, stelle keinen Interessenkonflikt dar, der mit einem Interessenkonflikt zwischen öffentlichen Belangen und privaten Interessen vergleichbar wäre. Im Bundesland Bayern könnten Bürgermeister kreisangehöriger Gemeinden Mitglieder des Kreistags sein und stellten tatsächlich die größte Berufsgruppe in den Kreistagen. Art. 43 der Bayerischen Landkreisordnung enthalte einen auch für Bürgermeister geltenden Ausschluss der Mitwirkung wegen persönlicher Beteiligung. Jedoch gehe die herrschende Meinung in der diesbezüglichen Kommentierung davon aus, dass keine rechtlich erhebliche Interessenkollision vorliege, wenn sich ein Kreistagsmitglied als Bürgermeister einer kreisangehörigen Gemeinde seiner Gemeinde besonders verpflichtet fühle, solange sich das Kreistagsmitglied auf der allgemeinen Ebene der Gemeinwohlorientierung bewege und nicht auf der Ebene der persönlichen Vor- und Nachteile. In Baden-Württemberg habe die Landtagsmehrheit die Schaffung einer Inkompatibilitätsregelung mit der Begründung abgelehnt, dass der Sachverstand der Bürgermeister auch für Kreisaufgaben unverzichtbar sei. Zudem sei zu beachten, dass die streitgegenständliche Inkompatibilitätsregelung nicht der Gefahr möglicher Interessenkonflikte bezüglich anderer Doppelmandatsinhaber begegne und daher keine geeignete Regelung zum Schutz des Entscheidungsprozesses von sachfremden Erwägungen darstelle.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 15. März 2018 zu ändern und den Feststellungsbescheid des Beklagten vom 13. Oktober 2016 in der Fassung der Wahlprüfungsentscheidung vom 16. Dezember 2016 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf seine bisherigen Stellungnahmen und ergänzt, dass es dem Gesetzgeber freistehe, in welchem Umfang und in welcher Weise er den aus Art. 137 Abs. 1 GG folgenden Ermächtigungsspielraum ausschöpfe. Dieser sei nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erst dann überschritten, wenn sich ein sachgerechter Grund für die gesetzliche Bestimmung nicht finden lasse, was vorliegend nicht der Fall sei. So sei auch die Verhinderung der “Überrepräsentation von öffentlichen Bediensteten“ in den Kreistagen neben der Verhinderung einer Vielzahl möglicher Interessenkonflikte oder einer “Professionalisierung des Kreistagsmandats“ entgegen zu wirken, ein sachgerechter Grund für die streitgegenständliche Inkompatibilitätsregelung. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg sei eine Inkompatibilitätsregelung erforderlich, da die von der Klägerseite angeführte Befangenheitsregelung zur Vermeidung von Interessenkollisionen nicht ausreiche. In der Abwägung zwischen den Verfassungsgrundsätzen der Gewaltenteilung, aus der die Inkompatibilitätsvorschriften resultierten, sowie den Wahlrechtsgrundsätzen verlange die Vielzahl von Möglichkeiten ins Gewicht fallender Entscheidungskonflikte im Gemeindebereich eine klare, konsequente Lösung der Unvereinbarkeiten. In Anbetracht der Schwierigkeit, die Grenze innerhalb der im Gesetz genannten Gruppen zwischen denen zu ziehen, deren Tätigkeit sie in die Gefahr von Interessen- und Entscheidungskonflikten bringen könne, und denen, deren Tätigkeit sie nicht in diese Gefahr bringen könne, müsse es dem Gesetzgeber überlassen bleiben, in seiner Regelung bis an die äußerste Grenze der Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG zu gehen.

Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, jedoch betont, dass es nach seiner Ansicht durchaus Interessenkonflikte in der vorliegenden Konstellation geben könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist als Wahlprüfungsklage gegen den Feststellungsbescheid des Beklagten vom 13. Oktober 2016 in der Gestalt der Wahlprüfungsentscheidung vom 16. Dezember 2016 zulässig. Das erforderliche Wahlprüfungsverfahren nach § 49 a Abs. 1 NKWG (vgl. Senatsbeschluss vom 07.08.1992 – 10 M 1108/92 –, juris Rn. 9) wurde durchgeführt. Die Klage wurde fristgerecht erhoben, §§ 49 a Abs. 3 Satz 4, 49 Abs. 2 NKWG. An der Klagebefugnis des Klägers als von der streitgegenständlichen Feststellung Betroffenen bestehen keine Zweifel.

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Feststellung der Ablehnung der Wahl des Klägers in den Kreistag des Beklagten gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 50 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NKomVG und des Überganges des von ihm errungenen Sitzes an eine Ersatzperson gemäß § 44 Abs. 1 NKWG sind rechtlich nicht zu beanstanden.

Nach § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG dürfen hauptamtliche Bürgermeisterinnen oder Bürgermeister einer dem Landkreis angehörigen Gemeinde oder Samtgemeinde und deren Stellvertreter nicht Abgeordnete einer Kommune im Kreistag oder in der Regionalversammlung sein. Wird eine Person gewählt, die nicht Abgeordnete sein darf, so kann sie gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 NKomVG die Wahl nur annehmen, wenn sie der Wahlleitung nachweist, dass sie die zur Beendigung des der Mandatsannahme entgegenstehenden Beamten- oder Arbeitnehmerverhältnis erforderliche Erklärung abgegeben hat. Weist sie dies vor Ablauf der Frist zur Annahme der Wahl nach § 40 Abs. 1 Satz 1 NKWG nicht nach, so gilt die Wahl gemäß § 50 Abs. 3 Satz 2 NKomVG als abgelehnt. In der Folge geht das errungene Kreistagsmandat gemäß § 44 Abs. 1 NKWG auf die nächste Ersatzperson über.

Der Kläger ist als hauptamtlicher Oberbürgermeister der Stadt A-Stadt, einer großen selbständigen Stadt nach § 14 Abs. 5 NKomVG, die dem Beklagten gemäß § 14 Abs. 1 NKomVG angehört, hauptamtlicher Bürgermeister einer dem Landkreis zugehörigen Gemeinde i.S.d. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat und auch das von dem Kläger im Rahmen seiner Klagebegründung in Bezug genommene Rechtsgutachten (vgl. Bl. 105 f. der Gerichtsakte) vertritt, steht der Anwendbarkeit der genannten Bestimmung auf den vorliegenden Fall nicht entgegen, dass der “Oberbürgermeister“ im Wortlaut der Norm nicht ausdrücklich benannt wird. Denn “Bürgermeister“ bzw. “Bürgermeisterin“ wird in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG als Oberbegriff verwendet und umfasst ebenso die “Oberbürgermeisterin“ bzw. den “Oberbürgermeister“ der großen selbständigen, aber kreisangehörigen Städte Celle, Cuxhaven, A-Stadt, Hameln, Hildesheim, Lingen (Ems) sowie der Hansestadt Lüneburg wie auch die Samtgemeindebürgermeister und Samtgemeindebürgermeisterinnen der niedersächsischen Samtgemeinden, die in der exakten Bezeichnung (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 3 NKomVG) ebenfalls nicht in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG aufgeführt, aber nach dem weiteren Wortlaut der Regelung („hauptamtliche Bürgermeister einer dem Landkreis oder der Region B-Stadt angehörenden Gemeinde oder Samtgemeinde“) klar von deren Anwendungsbereich erfasst sind.

Zwar geben die Gesetzesmaterialien zu dem Entwurf des zur Zusammenführung der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO), der Niedersächsischen Landkreisordnung (NLO) sowie des Gesetzes über die Region B-Stadt geschaffenen Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes vom 17. Dezember 2010 (LT-Drucks. 16/2510) nichts zum Verständnis der Bezeichnung “hauptamtlicher Bürgermeister“ in § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG her. Es wurde der Wortlaut der Vorgängerregelung des § 30 a Abs. 1 Nr. 2 NLO ohne die Verwendung der neuen “Sammelbezeichnung“ des “Hauptverwaltungsbeamten“ bzw. der “Hauptverwaltungsbeamtin“ unverändert übernommen, was für ein Redaktionsversehen sprechen könnte (so das vom Kläger vorgelegte Gutachten, Seite 106 der Gerichtsakte). Doch unabhängig davon hat hier die Notwendigkeit einer anderen sprachlichen Fassung ohnehin nicht bestanden, weil nach dem allgemeinen Sprachverständnis sowohl “Oberbürgermeister“ als auch “Samtgemeindebürgermeister“ “Bürgermeister“ sind, ebenso wie die Berufsrichter der unterschiedlichen Gerichtsbarkeiten, Instanzen und Funktionen trotz verschiedener Einzelbezeichnungen (vgl. § 19 a DRiG) “Richter“ sind und somit beispielsweise sämtlich unter den Anwendungsbereich des § 4 DRiG fallen. Wie bereits oben ausgeführt, ist hier “Bürgermeister“ der Oberbegriff, der die verschiedenen Ausformungen nach dem NKomVG umfasst. Vor allem entspricht ein derartiges Verständnis auch dem (sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden) Sinn und Zweck der in Rede stehenden Unvereinbarkeitsregelung. Es würde dem vom Gesetzgeber angestrebten Zweck der organisatorischen Gewaltenteilung und der Vermeidung von Interessenkonflikten (vgl. LT-Drucks. 17/5423, S. 23) diametral entgegenlaufen, wenn ausgerechnet Oberbürgermeister der großen selbständigen Städte, die besonders umfangreiche und vielfältige Interessen zu vertreten haben, nicht von der Inkompatibilitätsregelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG erfasst wären (vgl. Meyer in Blum u.a., Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, Stand Juni 2019, § 50 NKomVG Rn. 25, Mehde in BeckOK, Kommunalrecht Niedersachsen, Stand: 01.05.2019, § 50 NKomVG, Rn. 12).

Die Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 NKomVG i.V.m. § 50 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NKomVG ist mit höherrangigem Recht vereinbar, insbesondere verletzt sie den Grundsatz der Gleichheit der Wahl nicht.

Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG muss das Volk in den Gemeinden eine Vertretung haben, die aus allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und geheimen Wahlen hervorgegangen ist. Im Einklang mit dieser Vorschrift schreibt dies auch die Niedersächsische Verfassung in Art. 57 Abs. 2 NV vor. Diesem Gebot trägt auch die Regelung des § 4 Abs. 1 NKWG Rechnung, wonach die Wahl der kommunalen Vertretungskörperschaften allgemein, unmittelbar, frei, gleich und geheim zu erfolgen hat. Der Grundsatz der Gleichheit der Wahl besagt dabei, dass jede Person ihr aktives und passives Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausüben können soll (ständige Rechtsprechung des BVerfG: u. a. Beschluss vom 09.03.1976 – 2 BvR 89/74 –, BVerfGE 41, 399 ff., juris Rn. 35; und Beschluss vom 06.10.1981 – 2 BvR 384/81 – BVerfGE 58, 177 ff., juris Rn. 32). Vom Grundsatz der Gleichheit der Wahl wird demnach auch die Ausgestaltung des passiven Wahlrechts maßgeblich bestimmt. Dem Gesetzgeber verbleibt diesbezüglich nur ein eng bemessener Spielraum. Grundsätzlich hat jeder Gemeindebürger, der die Grundvoraussetzungen der Wählbarkeit erfüllt, das Recht, sich in die kommunalen Vertretungskörperschaften wählen zu lassen (BVerfG, Beschluss vom 04.04.1978 – 2 BvR 1108/77 –, BVerfGE 48, 64 ff., juris Rn. 56).

Indem § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG eine Unvereinbarkeit von Amt und Kreistagsmandat bestimmt, beschränkt er die Wählbarkeit der betroffenen hauptamtlichen Bürgermeister und Bürgermeisterinnen großer Städte, Gemeinden und Samtgemeinden in den Kreistag des zugehörigen Landkreises. Eine einschränkende Regelung des passiven Wahlrechts von dieser Bedeutung und Tragweite ist nur zulässig, soweit das Grundgesetz sie ausdrücklich vorsieht oder soweit aus der Verfassungsordnung im Übrigen eine ausreichende Ermächtigung entnommen werden kann.

Vorliegend kommt als Ermächtigung zur Beschränkung des passiven Wahlrechts, wie sie die genannte Regelung vorsieht, allein Art. 137 Abs. 1 GG in Betracht (vgl. BVerfG, Beschluss 06.10.1981 – 2 BvR 384/81 – BVerfGE 58, 177 ff., juris Rn. 34), der die Möglichkeit eröffnet, die Wählbarkeit von Beamten, Angestellten des öffentlichen Dienstes, Berufssoldaten, freiwilligen Soldaten und Richtern im Bund, in den Ländern und den Gemeinden gesetzlich zu beschränken. Der landesrechtlichen Regelung des Art. 61 NV, wonach die Wählbarkeit von Angehörigen des öffentlichen Dienstes in Vertretungskörperschaften gesetzlich beschränkt werden kann, kommt wegen der unmittelbaren Geltung von Art. 137 Abs. 1 GG für die Länder nur deklaratorische Bedeutung zu (vgl. Meyer in Blum u.a., Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, Stand Juni 2019, § 50 NKomVG Rn.3). Denn Art. 137 Abs. 1 GG gilt auch für die Beschränkung der Wählbarkeit zu den kommunalen Gebietskörperschaften, da die Vorschrift allgemein der Sicherung der organisatorischen Gewaltenteilung gegen Gefahren, die durch das Zusammentreffen von Amt und Mandat in einer Vertretungskörperschaft entstehen können, dient. Ein solches Schutzbedürfnis besteht ebenso im Bereich der Gemeinden, da gerade dort die Gefahr gewisser Verflechtungen auf lokaler Ebene nicht von der Hand zu weisen ist (BVerfG, Beschluss vom 04.04.1978 – 2 BvR 1108/77 –, BVerfGE 48, 64 ff., juris Rn. 59).

Erforderlich ist nach Art. 137 Abs. 1 GG eine gesetzliche Regelung. Dieser Anforderung wird § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG zweifelsfrei gerecht. Der niedersächsische Landesgesetzgeber war für den Erlass dieser Regelung auch zuständig, da sie materiell ausschließlich einen Gegenstand betrifft, der zum niedersächsischen Kommunalrecht und damit zu einer Materie des Landesrechts zählt. Die von § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG betroffenen Hauptverwaltungsbeamten, die gemäß § 80 Abs. 6 Satz 2 NKomVG Beamte auf Zeit sind, sind von der Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG auch erfasst.

Eine auf Art. 137 gestützte gesetzliche Regelung darf zudem nur eine Beschränkung der Wählbarkeit in Gestalt einer Unvereinbarkeitsregelung (Inkompatibilität), nicht aber den rechtlichen Ausschluss der Wählbarkeit (Ineligibilität) anordnen (BVerfG, Beschluss vom 17.01.1961 – 2 BvR 547/60 –, BVerfGE 12, 73 ff., juris Rn. 23; und Beschluss vom 05.06.1998 – 2 BvL 2/97 –, BVerfGE 98, 145 ff., juris Rn. 39). Wesentliches Merkmal einer Unvereinbarkeitsregelung ist, dass sich der von ihr Betroffene als Wahlbewerber aufstellen lassen, gewählt werden und die Wahl annehmen kann, die Annahme der Wahl jedoch von der Beendigung des Dienstverhältnisses abhängig gemacht wird (BVerfG, Beschluss 06.10.1981 – 2 BvR 384/81 – BVerfGE 58, 177 ff., juris Rn. 38). In diesem Rahmen bewegt sich die hier streitgegenständliche Regelung: Der von ihr erfasste Bürgermeister bzw. die Bürgermeisterin wird nicht rechtlich von der Wählbarkeit ausgeschlossen, er bzw. sie kann sich um die Wahl als Kreistagsmitglied bewerben und gewählt werden. Nach § 50 Abs. 3 Satz 1 NKomVG setzt die Annahme der Wahl jedoch voraus, dass er bzw. sie die zur Beendigung des Dienstverhältnisses erforderliche Erklärung abgegeben hat. § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. § 50 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NKomVG statuiert demnach lediglich eine Inkompatibilität, denn sie belässt dem Betroffenen die Wahl zwischen Amt und Mandat.

Allerdings wirkt diese Regelung im Hinblick darauf, dass sich der Betroffene in der Regel wegen der Folgen der gesetzlichen Unvereinbarkeitsregelung auf seine beruflichen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen außerstande sehen wird, sich für das (ehrenamtliche) Mandat zu entscheiden, letztlich wie ein faktischer Ausschluss seiner Wählbarkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gilt der Grundsatz, dass Art 137 Abs 1 GG nur eine Wählbarkeitsbeschränkung, nicht aber eine Ausschließung erlaubt, jedoch nicht unbegrenzt. Angesichts der besonderen Verhältnisse im kommunalen Bereich ist dort der faktische Ausschluss von der Wählbarkeit zu einem kommunalen Ehrenamt als eine mit dem Grundsatz der Wahlgleichheit vereinbare Folge anzuerkennen, wenn ansonsten der Gefahr von Interessenkollisionen nicht wirksam zu begegnen ist. (vgl. BVerfG, Beschluss vom 04.04.1978 – 2 BvR 1108/77 –, BVerfGE 48, 64 ff., juris 3. Leitsatz und Rn. 70 m.w.N.). Der Landesgesetzgeber ist auf dieser Ebene auch nicht verpflichtet, das mit einer Annahme des Mandats verbundene Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienstverhältnis durch aufwendige Auffangregelungen zu erleichtern (BVerfG, Beschluss 06.10.1981 – 2 BvR 384/81 – BVerfGE 58, 177 ff., juris Rn. 39; und Beschluss vom 04.04.1978 – 2 BvR 1108/77 –, BVerfGE 48, 64 ff., juris Rn. 70).

Eine Eingrenzung der Wählbarkeit mit so weitreichenden Folgen kann im Hinblick auf die Bedeutung der Wahlrechtsgleichheit allerdings nicht allein mit der verfassungsrechtlichen Ermächtigung aus Art. 137 Abs. 1 GG begründet werden. Wenn als Folge der gesetzlich festgelegten Unvereinbarkeit von Dienststellung und Mandat ein faktischer Ausschluss von der Wählbarkeit in Frage steht, ist dieser – wie oben ausgeführt – nur dann gerechtfertigt, wenn ansonsten der Gefahr von Interessenkollisionen nicht wirksam begegnet werden kann. Dies beinhaltet, dass sie nur diejenigen gewählten Bewerber betreffen darf, deren berufliche Stellung die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit von Interessen- und Entscheidungskonflikten nahelegt (BVerfG, Beschluss vom 05.06.1998 – 2 BvL 2/97 –, BVerfGE 98, 145 ff., juris Rn. 56). Dem Gesetzgeber steht auf Grund der in der Natur der Sache liegenden Abgrenzungsschwierigkeiten ein Einschätzungsraum bei der Bestimmung der von der Inkompatibilität betroffenen beruflichen Stellungen zu, insbesondere kann er die Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG durch generalisierende Tatbestände ausschöpfen, die an die Wahrscheinlichkeit einer Konfliktlage anknüpfen (BVerfG, Beschluss vom 05.06.1998 – 2 BvL 2/97 –, BVerfGE 98, 145 ff., juris Rn. 56; Meyer in Blum u.a., Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, Stand Juni 2019, § 50 NKomVG Rn. 2).

Diesen Vorgaben wird die streitgegenständliche Regelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 3 Sätze 1 und 2 NKomVG gerecht, sie hält sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ermächtigung und ist durch sachliche Gründe, die dem Sinn der Ermächtigung Rechnung tragen, gerechtfertigt.

Art. 137 Abs. 1 GG dient der Sicherung der in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG verankerten organisatorischen Gewaltenteilung durch die Ermöglichung von gesetzlichen Wählbarkeitsbeschränkungen zulasten eines bestimmten Personenkreises. So soll Art. 137 Abs. 1 GG verhindern, dass durch „Personalunion“ die Kontrolleure der Verwaltung sich selbst kontrollieren, insofern sie zugleich Aufgaben und Verantwortung innerhalb der Verwaltung wahrnehmen, und damit die Gefahr von Entscheidungskonflikten und daraus resultierenden Verfilzungen abwehren (BVerfG, Beschluss vom 21.01.1975 – 2 BvR 193/74 –, BVerfGE 38, 326 ff., juris Rn. 46). Vorrangiger Gesetzeszweck ist damit die Vermeidung von Interessenkollisionen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27.10.1964 – 2 BvR 319/61 –, BVerfGE 18, 172 ff., juris Rn. 34 f.; P. Unruh in v. Mangold/Klein/Starck, GG, 7. Auflage 2018, Art. 137 Rn. 6 m.w.N.).

Die streitgegenständliche Regelung dient der Umsetzung dieses Gesetzeszwecks. Die Inkompatibilitätsregelung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 NKomVG soll u.a. Interessenkonflikte vermeiden, die sich ergeben können, wenn eine einzelne Person unterschiedliche Funktionen innerhalb der horizontal und/oder vertikal gegliederten Verwaltungsorganisation wahrnimmt (vgl. LT-Drucks. 17/5423, S. 23 zur weiterhin bestehenden Notwendigkeit der streitgegenständlichen Regelung und der damit verfolgten Ziele; Koch in Ipsen, NKomVG, § 50 Rn. 5).

Dabei besteht die Gefahr von Interessenkollisionen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 06.10.1981 – 2 BvR 384/81 – BVerfGE 58, 177 ff., juris Rn. 41 ff. und 45 ff.) nicht allein in den Fällen, in denen der Landkreis über die kreisangehörigen Gemeinden die Kommunalaufsicht oder zumindest die Fachaufsicht führt (hierzu BVerfG, a.a.O., juris Rn. 41 ff.). Denn die Verbindungen zwischen Landkreis und kreisangehöriger Gemeinde erschöpfen sich nicht in einem bloßen Aufsichtsverhältnis, vielmehr sind Kreis und Gemeinde nach Zweckbestimmung und Funktion auf vielfältige Weise aufs engste miteinander verbunden und verflochten (BVerfG, a.a.O., juris Rn. 45). Entgegen der Auffassung des Klägers steht daher der Umstand, dass nach § 171 Abs. 1 NKomVG das Innenministerium die Kommunalaufsicht über die großen selbstständigen Städte und gemäß § 171 Abs. 5 Nr. 1 NKomVG die jeweils fachlich zuständige oberste Landesbehörde die Fachaufsicht über die großen selbstständigen Städte ausübt, der Annahme einer die vorliegende Inkompatibilitätsregelung rechtfertigenden Interessenkollision nicht entgehen. Vielmehr besteht auch bei einer Personalunion von Oberbürgermeister einer großen selbstständigen Stadt und gleichzeitiger Kreistagsmitgliedschaft die konkrete Gefahr von Interessenkollisionen, wie im Folgenden ausgeführt wird. Dieser Gefahr kann durch die vorliegende Regelung wirksam begegnet werden. Andere gleich geeignete Mittel zur Erreichung des Gesetzeszwecks sind nicht vorhanden.

Zwischen dem Amt des (Ober-)Bürgermeisters einer kreisangehörigen Stadt und der Wahrnehmung eines Mandats im Kreistag ergeben sich unbeschadet dessen, dass sich Amt und Mandat auf verschiedenen Ebenen gegenüberstehen, vielfältige Interessenkollisionen. Denn die rechtlichen und tatsächlichen Interessen der verschiedenen Selbstverwaltungen greifen ineinander und können je nach Fallgestaltung in unterschiedliche Richtungen weisen (vgl. VerfG Brandenburg, Beschluss vom 26.08.2011 – 6/11 –, juris Rn. 66). Auch wenn – wie der Kläger zutreffend ausführt – sowohl Oberbürgermeister als auch Kreistagsmitglied allein den Interessen des Gemeinwohls verpflichtet sind und sich idealerweise nicht in einem dauerhaften Interessenkonflikt befinden, können auch diese – jeweils öffentlichen – Interessen im Einzelfall durchaus kollidieren wie die Beispiele in verschiedenen Kreisen bei der Standortauswahl für Einrichtungen des Gemeinwohls (z.B. Schwimmbäder oder Mehrzweckhallen) oder auch für belastende Anlagen zeigen.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass gerade der Oberbürgermeister an der Spitze der Verwaltung einer großen selbstständigen Stadt eine herausragende Stellung mit weitreichenden Entscheidungsbefugnissen (siehe § 85 NKomVG) innehat und vor allem in der Regel auch über erhebliche Einflussmöglichkeiten und besonderes “Insiderwissen“ verfügt, was ihn deutlich von anderen Kreistagsmitgliedern unterscheidet. Entgegen der Auffassung des Klägers kann er deshalb auch keineswegs gleichgestellt werden mit anderen “Profis“, wie etwa Verwaltungsrichtern, Fachanwälten etc., und erst recht nicht mit “normalen“ Kreistagsmitgliedern. Daraus resultieren zwangsläufig mögliche Interessenkonflikte und Verflechtungen in einer Vielzahl von Bereichen, von denen folgende Bereiche beispielhaft genannt werden sollen:

Die Aufgaben von Landkreis und kreisangehörigen Gemeinden berühren sich in Niedersachsen eng (BVerfG, Beschluss 06.10.1981 – 2 BvR 384/81 – BVerfGE 58, 177 ff., juris Rn. 45 f.). Die niedersächsischen Landkreise haben die Gemeinden bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen und zugleich für einen angemessenen Ausgleich ihrer Lasten zu sorgen (§ 3 Abs. 2 Satz 2 NKomVG). Sie sind in ihrem Gebiet die Träger der öffentlichen Aufgaben, die von überörtlicher Bedeutung sind, oder deren zweckmäßige Erfüllung die Verwaltungs- oder Finanzkraft der kreisangehörigen Gemeinden übersteigt (§ 3 Abs. 2 Satz 1 NKomVG). Freiwillig übernommene Aufgaben und Einrichtungen von kreisangehörigen Gemeinden können die Landkreise mit deren Zustimmung übernehmen (§ 5 Abs. 3 Satz 1 NKomVG). Die Übernahme kann jedoch auch gegen den Willen der Gemeinde erfolgen, wenn sie notwendig ist, um einem Bedürfnis der Kreiseinwohner in einer dem öffentlichen Wohl entsprechenden Weise zu genügen (§ 5 Abs. 3 Satz 3 NKomVG). Andererseits sollen auch die Landkreise von ihnen wahrgenommene Aufgaben den kreisangehörigen Gemeinden auf Antrag überlassen, wenn diese dazu in der Lage sind und eine zweckmäßige, dem öffentlichen Wohl entsprechende Aufgabenerfüllung gewährleistet wird (§ 5 Abs. 4 Satz 1 NKomVG).

Entscheidet der Landkreis über die Gestaltung oder Intensität dieser Aufgabenwahrnehmungen, steht ihm ein Gestaltungsspielraum zu, der maßgeblich von seiner Struktur sowie seinen planerischen und politischen Entscheidungen geprägt wird (Senatsurteil vom 20.06.2017 – 10 LB 83/16 –, juris Rn. 48). Insbesondere bei der Abgrenzung, ob eine Aufgabe von überörtlicher Bedeutung ist oder ihre zweckmäßige Erfüllung durch eine Gemeinde nicht gewährleistet werden kann, können Interessengegensätze zwischen Gemeinde und Landkreis wirksam werden. Das gilt besonders auch dann, wenn der Landkreis eine freiwillig übernommene Aufgabe oder Einrichtung der Gemeinde ohne deren Zustimmung übernimmt (BVerfG, Beschluss 06.10.1981 – 2 BvR 384/81 – BVerfGE 58, 177 ff., juris Rn. 48). Es ist nicht fernliegend, dass der Hauptverwaltungsbeamte einer kreisangehörigen Gemeinde, der zugleich als Kreistagsmitglied an solchen Entscheidungsprozessen beteiligt wäre, geneigt wäre, im Interesse der “eigenen“ Kommune die Bedürfnisse des Kreises und anderer Kommunen hintanzusetzen (vgl. VerfG Brandenburg, Beschluss vom 17.09.1998 – 30/98 –, juris Rn. 26). Dies gilt in besonderem Maße für die Oberbürgermeister der großen selbständigen Städte, die gemäß § 17 Satz 1 NKomVG in ihrem Gebiet neben ihren Aufgaben als kreisangehörige Gemeinden alle Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises der Landkreise erfüllen, soweit Rechtsvorschriften dies nicht ausdrücklich ausschließen.

Ebenso ist die Befürchtung, dass ein (Ober-)Bürgermeister, der als Kreistagsmitglied an den Entscheidungsprozessen über die Kreisumlage beteiligt wäre, geneigt sein könnte, im Interesse der “eigenen“ Kommune die Bedürfnisse des Kreises oder anderer Kommunen zurückzustellen, gerechtfertigt. Denn die Festsetzung der Kreisumlage, die gemäß § 15 Abs. 1 NFAG von den kreisangehörigen Gemeinden erhoben wird, soweit die anderen Erträge eines Landeskreises seinen Bedarf nicht decken, hat unmittelbare Auswirkungen auf die Kommunen. Dabei kann das Interesse des Kreises an einer hinreichenden eigenen Finanzausstattung und an einem angemessenen kreisinternen Lastenausgleich dem Interesse der einzelnen Gemeinde, dass ihre Finanzen möglichst geschont werden, durchaus zuwiderlaufen. So hat die von dem Kläger als Oberbürgermeister vertretene Stadt A-Stadt in einem von dem Senat zu entscheidenden Verfahren über die von einer anderen kreisangehörigen Gemeinde zu entrichtende Kreisumlage geltend gemacht, dass ihre Einwohner pro Kopf deutlich höhere Zahlungen im Rahmen der Kreisumlage leisten würden als die übrigen kreisangehörigen Gemeinden (vgl. Senatsurteil vom 20.06.2017 – 10 LB 83/16 –, juris Rn. 17). Das genannte Verfahren zeigt exemplarisch das im Bereich der Kreisumlage liegende Konfliktpotenzial zwischen den kreisangehörigen Gemeinden untereinander und vor allem im Verhältnis zum Landkreis. Darüber hinaus können derartige Interessenwidersprüche auch im Bereich der – ebenfalls in dem genannten Verfahren streitgegenständlichen – Sonderbedarfszuweisungen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 NKomVG an einzelne Gemeinden entstehen.

Das Verwaltungsgericht hat zudem zutreffend auf mögliche Interessenwidersprüche im Bereich der häufig politisch kontroversen Regionalplanung, in welchem die Zuständigkeit der großen selbständigen Städte ausgeschlossen ist und die Aufgaben der unteren Landesplanungsbehörden, die für die Durchführung von Raumordnungsverfahren nach § 19 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Raumordnungsgesetzes (NROG) zuständig sind, nach § 18 Abs. 1 Satz 3 NROG allein von den Landkreisen als Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises wahrgenommen werden, hingewiesen. Denn bei der Aufstellung des Regionalen Raumordnungsprogramms und seiner Verwirklichung sowie der Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen von überörtlicher Bedeutung im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 NROG ergeben sich mögliche Interessenkonflikte schon daraus, dass die kreisangehörigen Gemeinden ihre örtliche Bauleitplanung an den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung auszurichten haben (§ 1 Abs. 4 BauGB, § 17 Abs. 1 NROG).

Diesen vielfältigen möglichen Interessenkonflikten kann auch nicht auf andere – die Wahlfreiheit weniger einschränkende Weise – wirksam begegnet werden.

Ein milderes – gleich wirksames – Mittel zur Vermeidung der genannten Interessenkollisionen ist nicht in der Anwendung der in § 41 NKomVG geregelten Mitwirkungsverbote zu sehen. Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 NKomVG dürfen ehrenamtlich Tätige in Angelegenheiten der Kommunen nicht beratend oder entscheidend mitwirken, wenn die Entscheidung einen unmittelbaren Vorteil oder Nachteil für sie selbst, ihre Ehe- oder Lebenspartner, Verwandte oder Verschwägerte oder von ihnen vertretene Personen bringen kann. Diese Regelung, die die Unparteilichkeit und Uneigennützigkeit der Kommunalverwaltung sicherstellen und die Kommunen vor der Schädigung durch die Verfolgung persönlicher Interessen schützen soll (vgl. Miller in Blum u.a., Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, Stand Juni 2019, § 41 NKomVG Rn. 1 m.w.N.), ist zur Vermeidung von Konflikten die aus dem Spannungsfeld verschiedener öffentlicher Interessen entspringen, nicht geeignet. Denn dem mit § 41 NKomVG verfolgten Ziel, die “Sauberkeit“ der Kommunalverwaltung sicherzustellen und jeden bösen Schein zu vermeiden, wird nur eine Auslegung der Vorschrift gerecht, die darauf abstellt, ob das Ratsmitglied auf Grund besonderer persönlicher Beziehungen zu dem Gegenstand der Beschlussfassung ein individuelles Sonderinteresse an der Entscheidung hat, das zu einer Interessenkollision führen kann und die Besorgnis einer beeinflussten Stimmabgabe rechtfertigt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 19.02.1981 – 14 C 1/80 –, NVwZ 1982, S. 44). Ein solches individuelles Sonderinteresse, das mit den persönlichen Belangen des Betroffenen zusammenhängt, wird in den hier in Rede stehenden Konfliktsituationen regelmäßig nicht oder nur sehr schwer festzustellen sein. Die unerwünschten Interessenkollisionen werden sich vielmehr mehrheitlich außerhalb des Bereichs von „unmittelbaren“ Vor- und Nachteilen für den Mandatsträger und für von ihm vertretene Personen ergeben.

Schließlich ist es dem Gesetzgeber nicht verwehrt, die Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG voll auszuschöpfen und eine generelle Unvereinbarkeitsregelung zu bestimmen, wenn - wie vorliegend - die Gefahr von Interessenkollisionen wegen der Vielfalt der denkbaren Berührungspunkte zwischen Stadt und Landkreis weder auf bestimmte Sachbereiche beschränkt noch sonst eindeutig abgrenzbar und zudem die Regelung des Mitwirkungsverbotes zur Vorbeugung von Interessenkollisionen ungeeignet ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.10.1981 – 2 BvR 384/81 –, BVerfGE 58, 177 ff., juris Rn. 51; VerfG Brandenburg, Beschluss vom 26.08.2011 – 6/11 –, juris Rn. 70).

Auf die Frage, ob hier auch eine andere Regelung, die keine generelle Unvereinbarkeit von Kreistagsmandat und Bürgermeisteramt normiert (wie etwa die vom Kläger angeführten Regelungen in Bayern und Baden-Württemberg), zulässig wäre, braucht hier nicht eingegangen zu werden, da jedenfalls die vorliegende Regelung durch die Ermächtigung des Art. 137 Abs. 1 GG gedeckt ist. Aus dem gleichen Grund besteht auch kein Anlass für die von dem Kläger angeführte verfassungskonforme Auslegung des § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 NKomVG i.V.m. § 50 Abs. 3 Sätze 1 und 2 NKomVG.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren vorliegend nicht für erstattungsfähig zu erklären, da er keinen Antrag gestellt hat und damit nicht das Risiko einer eigenen Kostenpflicht eingegangen ist.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.