Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.09.2019, Az.: 2 NB 554/18

abstraktes Stellenprinzip; Bachelor; Bachelorstudiengang; festgesetzte Kapazität; Kapazität; Lehrangebot; Sonderpädagogik; Stellenprinzip; Zulassung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.09.2019
Aktenzeichen
2 NB 554/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 69994
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 27.08.2018 - AZ: 8 C 8444/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Zulassung zum Studiengang Sonderpädagogik (Bachelor) an der Leibniz Universität Hannover - Wintersemester 2017/2018 - außerhalb der festgesetzten Kapazität

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 8. Kammer (Einzelrichter) - vom 27. August 2018 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover vom 27. August 2018, mit dem dieses die Antragsgegnerin verpflichtet hat, die Antragstellerin nach den Rechtsverhältnissen des Wintersemesters 2017/2018 vorläufig zum Studium der Sonderpädagogik (Bachelor) im 1. Fachsemester zuzulassen, bleibt ohne Erfolg.

Der Antragsgegnerin ist es zwar in einer § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO genügenden Weise gelungen, die vom Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung herangezogene - nur vermeintliche - Diskrepanz zwischen den im Stellenplan aufgeführten und den bei der Berechnung des Lehrangebots berücksichtigten Stellen zu erklären. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts erweist sich aber im Ergebnis gleichwohl als zutreffend. Die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin - konkret die Ermittlung des Lehrangebots - leidet unter mindestens einem durchgreifenden Fehler.

Bei der Ermittlung des Lehrangebots ist die Antragsgegnerin ausweislich der in erster Instanz vorgelegten Kapazitätsberechnung - dem in § 8 der Verordnung über die Kapazitätsermittlung zur Vergabe von Studienplätzen (Kapazitätsverordnung - KapVO) in der hier maßgeblichen Fassung vom 23. Juni 2003 (Nds. GVBl. S. 222), zuletzt geändert durch Verordnung vom 25. August 2015 (Nds. GVBl. S. 169), angelegten abstrakten Stellenprinzip entsprechend - zunächst von den zur Verfügung stehenden Planstellen ausgegangen. Diesen Stellen hat sie gemäß § 9 Abs. 1 KapVO die nach § 4 der Verordnung über die Lehrverpflichtung an Hochschulen (Lehrverpflichtungsverordnung - LVVO -), in der hier maßgeblichen Fassung vom 2. August 2007 (Nds. GVBl. S. 408), zuletzt geändert durch Verordnung vom 4. August 2014 (Nds. GVBl. S. 235), bestehende Lehrverpflichtung zugeordnet. In einem weiteren Schritt hat die Beklagte sodann das errechnete Lehrangebot von 345,9836 Stunden auf der Grundlage von § 7 LVVO um insgesamt 28 Stunden ermäßigt. Von diesen 28 Stunden entfallen vier Stunden auf die Studiendekanin (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 LVVO) sowie weitere 24 Stunden auf zwei Lehrkräfte für besondere Aufgaben, die an die Antragsgegnerin versetzt und auf Stellen für Akademische Räte/Oberräte geführt wurden (§ 7 Abs. 2 LVVO). Diese Reduktion um 24 Stunden kann nicht kapazitätsmindernd berücksichtigt werden.

Bei den beiden betroffenen - und zwei weiteren - Lehrkräften für besondere Aufgaben handelt es sich nach Mitteilung der Antragsgegnerin um ehemalige Förderschullehrer und Beamte im gehobenen Dienst, die gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6c LVVO über eine Regellehrverpflichtung von 24 Stunden - und nicht, wie sonst bei Akademischen Räten/Oberräten üblich, von zehn Stunden (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 LVVO) - verfügen. Der Senat lässt offen, ob angesichts der auf Dauer erfolgten Versetzung dieser Lehrkräfte nicht unter partieller Durchbrechung des abstrakten Stellenprinzips die vollen 24 Lehrveranstaltungsstunden anstelle der jeweils gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 LVVO angesetzten zehn Lehrveranstaltungsstunden bei der Bemessung des kapazitätswirksamen Lehrangebots zu berücksichtigen gewesen wären (vgl. dahingehend OVG NRW, Beschl. v. 19.4.2016 - 13 C 2/16 -, juris Rn. 15 m.w.N.). Ebenso lässt der Senat ausdrücklich offen, ob die angegebenen Gründe für die Reduzierung der Lehrverpflichtung tragfähig sind oder nicht jedenfalls in Teilen eher Aspekte betreffen, die keineswegs besondere, sondern eher „normale“ Dienstaufgaben einer Lehrkraft für besondere Aufgaben darstellen (vgl. dazu VG Hannover, Beschl. v. 22.1.2019 - 8 C 6487/18 -). Die in den Begründungen offenbar werdende Absicht, die betroffenen Lehrkräfte im gehobenen Dienst den Lehrkräften im höheren Dienst gleichzustellen und damit die in § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 LVVO angelegte gesetzgeberische Differenzierung einzuebnen, ist jedenfalls weder dienstrechtlich zulässig noch kapazitätsrechtlich beachtlich.

Jedenfalls aber kann sich die Ermäßigung der Lehrverpflichtung im streitgegenständlichen Semester schon deshalb nicht auswirken, weil der Reduktion um jeweils zwölf Stunden lediglich eine bei der Berechnung des Lehrangebots angesetzte Lehrverpflichtung von jeweils zehn Stunden gegenübersteht. Mit anderen Worten führt die Berechnungsweise der Antragsgegnerin dazu, dass für die beiden betroffenen Lehrkräfte eine negative Lehrverpflichtung - und damit im Ergebnis ein negatives kapazitätswirksames Lehrangebot - entsteht, obwohl die beiden betroffenen Lehrkräfte tatsächlich jeweils zwölf Stunden pro Woche unterrichten. Das ist weder logisch noch kapazitätsrechtlich möglich.

Ist daher das zur Verfügung stehende Lehrangebot jedenfalls um die zu Unrecht abgezogenen 24 Stunden zu erhöhen, ergibt sich ein bereinigtes Lehrangebot von 352,9836 Stunden (345,9836 - 4,000 (Lehrermäßigung Studiendekanin) + 11,000 (Lehrauftragsstunden)). Im Studienjahr steht der Lehreinheit daher ein Lehrangebot von 705,9672 Stunden (2 x 345,9836) zur Verfügung, das durch die Summe der Curricularanteile der zugeordneten Studiengänge zu dividieren ist (705,9672 : 1,8362 = 384,4718). Multipliziert mit der Anteilsquote des Bachelorstudiengangs Sonderpädagogik ergibt das 184,2004 Studienplätze vor Schwund (384,4718 x 0,4791). Multipliziert mit der Schwundquote ergeben sich gerundet 185 Studienplätze (184,2004 x 1,0049 = 185,1030), denen eine Zulassungszahl von 173 gegenübersteht (Anlage 1 zur Verordnung über Zulassungszahlen für Studienplätze zum Wintersemester 2017/2018 und zum Sommersemester 2018 v. 19.6.2017, Nds. GVBl. S. 204). Die Antragsgegnerin hat im Wintersemester 2017/2018 nach ihren Angaben im Beschwerdeverfahren 174 Studienplätze besetzt, sodass weitere elf Studienplätze zu verteilen sind. Da nur vier Beschwerdeverfahren anhängig sind und deshalb in allen Fällen ein Studienplatz zur Verfügung steht, sind alle Beschwerden zurückzuweisen.

Ein anderes Ergebnis folgt schließlich nicht daraus, dass die Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren 2 NB 546/18 vorgetragen hat, in ihre Kapazitätsberechnung sei aufgrund eines Programmierfehlers eine Planstelle für einen Akademischen Rat/Oberrat mehr eingestellt worden, als ihr ausweislich des Stellenplans tatsächlich zur Verfügung stehe (sieben Stellen statt sechs Stellen). Dieses Vorbringen als zutreffend unterstellt, ergibt sich ein bereinigtes Lehrangebot von 342,9836 Stunden, welches nach der obigen Rechnung zu insgesamt 180 Studienplätzen nach Schwund führt. Auch in diesem Fall stehen für alle Beschwerdeführer freie Studienplätze zur Verfügung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 66 Abs. 3 Satz 3, § 68 Abs. 1 Satz 5 GKG).