Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.01.2012, Az.: 11 LB 97/11
Herkunftsbezogene Prüfung unionsrechtlichen Schutzes nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 S. 2 AufenthG und zielstaatsbezogene Prüfung bei nationalem Schutz nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG; Palästinensisches Autonomiegebiet als Herkunftsstaat eines aus dem Gazastreifen stammenden Palästinensers
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 26.01.2012
- Aktenzeichen
- 11 LB 97/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 10354
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:0126.11LB97.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 60 Abs. 2 AufenthG
- § 60 Abs. 3 AufenthG
- § 60 Abs. 5 AufenthG
- § 60 Abs. 7 S. 1, 2 AufenthG
Fundstellen
- DÖV 2012, 367
- InfAuslR 2012, 149-156
- ZAR 2012, 201
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Unionsrechtlicher Schutz nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG ist herkunftslandbezogen, nationaler Schutz (nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG) ist zielstaatsbezogen zu prüfen.
- 2.
Herkunftsstaat eines aus dem Gazastreifen stammenden Palästinensers ist (gegenwärtig) das palästinensische Autonomiegebiet.
- 3.
Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 oder 2 AufenthG sind für Palästinenser aus dem Gazastreifen nicht gegeben.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch um die Gewährung subsidiären Schutzes, insbesondere nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich des Gazastreifens.
Der Kläger ist 1978 in Gaza geboren und palästinensischer Volkszugehöriger islamischen Glaubens. In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hat er - in wesentlichen Teilen abweichend von seinem älteren Vorbringen vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - zu seinen persönlichen Verhältnissen folgende Angaben gemacht: Er sei in Gaza-Stadt aufgewachsen, bei der United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East - UNRWA - registriert gewesen, habe in Gaza das Gymnasium besucht und dort 1996 das Abitur bestanden. Bis dahin habe er den Gazastreifen lediglich einmal zu einem Tagesausflug nach Jerusalem verlassen, und zwar mit einem von der israelischen Militärverwaltung ausgestellten Ausweisdokument für Palästinenser. Nach seinem Abitur sei er dann 1996 im Besitz von Personalpapieren gewesen, die von der palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah ausgestellt worden seien, und habe damit durch Vermittlung eines in Gaza ansässigen Reisebüros ein Visum der ukrainischen Botschaft in Tel Aviv erhalten, mit dem er im selben Jahr über den Grenzübergang Rafah nach Ägypten aus- und von dort in die Ukraine weiter gereist sei. Abgesehen von drei kurzzeitigen Unterbrechungen zu Besuchszwecken, nämlich bei Familienangehörigen im Gazastreifen 2003, bei seinem Bruder im Bundesgebiet 2008 und in China ebenfalls im Jahr 2008, habe er sich dann bis zum Januar 2009 legal in der Ukraine aufgehalten; in den Verwaltungsvorgängen befindet sich insoweit eine am 17. Mai 2006 in der Ukraine ausgestellte und auf drei Jahre befristete Arbeitserlaubnis. In der Ukraine habe er zunächst sein Studium der Fachrichtung "Bio Medical Electronics" abgeschlossen, anschließend Gelegenheitsarbeiten verrichtet und u.a. in dem Unternehmen eines entfernten Verwandten gearbeitet, bis dieses in Konkurs gefallen sei. Im Januar 2009 sei er auf dem Luftweg aus der Ukraine über den Flughafen Dortmund - mutmaßlich mit einem Visum der Deutschen Botschaft in Kiew für einen Messebesuch - in das Bundesgebiet eingereist.
Am 26. Februar 2009 meldete sich der Kläger bei der Polizei in C. und gab zunächst an, nach Norwegen weiterreisen und keinen Asylantrag stellen zu wollen, den er dann aber am 13. März 2009 doch stellte. Zur Begründung berief er sich im Rahmen seiner Anhörungen vor dem Bundesamt am 19. März und 5. Juni 2009 darauf, den Gazastreifen als Mitarbeiter eines Krankenhauses auf Grund einer Bedrohung durch Mitglieder der Hamas und der Al-Aqsa-Brigaden erst 2008/2009 verlassen zu haben. Im Gazastreifen habe er sich nicht politisch betätigt, jedoch sei die Lage dort sehr schlecht. Ein Vorbringen zu einem Anfallsleiden wurde von ihm nicht weiter vertieft.
Mit Bescheid vom 1. September 2010 lehnte das beklagte Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 5, 7 AufenthG nicht vorliegen, setzte dem Kläger eine Ausreisefrist von einem Monat nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens und drohte ihm andernfalls die Abschiebung nach Israel oder in einen anderen aufnahmebereiten oder -verpflichteten Drittstaat an. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger als palästinensischer Volkszugehöriger aus den von Israel besetzten Gebieten (hier: Gazastreifen), als Staatenloser und Israel als Land seines gewöhnlichen Aufenthalts anzusehen und deshalb auf eine etwaige Verfolgungssituation in Israel abzustellen sei. Bei einer Rückkehr dorthin drohe ihm jedoch keine politische Verfolgung. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 5 AufenthG und insbesondere auch nach § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG seien nicht gegeben, da es im Gazastreifen zwar periodische Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas gebe, diese aber nicht das nach den vorgenannten Bestimmungen zur Gewährung von Abschiebungsschutz erforderliche Niveau aufwiesen. Die für Rückkehrer in die "von Israel besetzten Gebiete" zu erwartenden Gefahren seien lediglich solche allgemeiner Art im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG; der Kläger werde bei einer Rückkehr nicht gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt. Das allgemeine Risiko, im Gazastreifen im Rahmen der militärischen Auseinandersetzungen von israelischen Streitkräften "getroffen" zu werden, rechtfertige gegenwärtig nicht die Annahme einer Extremgefahr. Der Bescheid wurde am 8. September 2010 zugestellt.
Am 20. September 2010 hat der Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten und eingeräumt, bei seiner Asylantragstellung teilweise unzutreffende Angaben gemacht zu haben. Er habe vor seiner Einreise nach Deutschland tatsächlich in der Ukraine gelebt und dort auch ein Studium absolviert. Bei einer Rückkehr nach Gaza befürchte er allerdings unverändert die dortigen unzumutbaren Lebensumstände einschließlich einer Bedrohung durch Mitglieder der Milizen sowie durch Angriffe der israelischen Streitkräfte. Die Bezeichnung "Israel" in der Abschiebungsandrohung sei rechtswidrig. Er sei staatenloser Palästinenser und besitze nicht die israelische Staatsangehörigkeit. Der Gazastreifen sei nicht Staatsgebiet Israels. Eine Abschiebung in den Gazastreifen sei rechtlich und tatsächlich unmöglich.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihn unter Aufhebung des Bescheides vom 1. September 2010 als asylberechtigt im Sinne desArt. 16a Abs. 1 GG anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen sowie ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise
Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG festzustellen.
Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf die Begründung ihres Bescheides beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Januar 2011 abgewiesen, soweit der Kläger seine Asylanerkennung und seine Anerkennung als Flüchtling beantragt hat. Ebenso wenig seien Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG gegeben. Hingegen sei die Beklagte zur Feststellung zu verpflichten, dass hinsichtlich des Gazastreifens ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG gegeben sei. Der Kläger würde bei einer Rückkehr in den Gazastreifen als Zivilist einer erheblichen individuellen Gefahr im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen Israel und militanten Palästinensergruppen sowie der innerpalästinensischen Auseinandersetzungen insbesondere zwischen der im Gazastreifen herrschenden Hamas und gemäßigten Palästinensergruppen ausgesetzt sein. Danach bedürfe es keiner Entscheidung mehr über das Vorliegen der (nationalen) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Schließlich sei (isoliert) auch die Zielstaatsbestimmung "Israel" in der Abschiebungsandrohung aufzuheben, da dem Kläger eine Einreise dorthin, d.h. auf das international anerkannte Staatsgebiet Israels ohne die besetzten Gebiete, auf absehbare Zeit unmöglich sei.
Auf den Antrag der Beklagten hat der Senat mit Beschluss vom 23. März 2011 die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, soweit das Verwaltungsgericht der Verpflichtungsklage stattgegeben hat. Die Beklagte hat sich am 4. April 2011 zur Begründung ihrer Berufung auf die Begründung ihres Zulassungsantrages bezogen und ergänzend ausgeführt, nach der aktuellen Auskunftslage liege im Gazastreifen keine Situation vor, die durch eine so hohe Gefahrendichte gekennzeichnet sei, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Dazu müsse die Zahl der Personen, die tatsächlich von willkürlicher Gewalt betroffen seien, in das Verhältnis zur gesamten (zivilen) Bevölkerung im Gazastreifen gesetzt werden. Dies habe das Verwaltungsgericht unterlassen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 11. Januar 2011 - Einzelrichter der 7. Kammer - abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit der Verpflichtungsklage stattgegeben worden ist.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Beklagte zu verpflichten, im Falle des Klägers Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5, 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Gazastreifens festzustellen.
Auf gerichtliche Nachfrage hat er angegeben, Schutz vor den Gefahren im Gazastreifen zu begehren. Dort seien für ihn die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 sowie des Abs. 5 AufenthG gegeben. Es bestünde im Gazastreifen sowohl ein internationaler als auch ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt. Bei der gebotenen Gesamtschau sei auch die erforderliche Gefahrendichte gegeben. Eine besondere Gefahr ergebe sich für ihn aus seiner bei Rückkehr zu erwartenden Berufstätigkeit als medizinischer Ingenieur. Zudem drohe ihm bei einer Rückkehr in den Gazastreifen eine Verletzung seiner Rechte aus der EMRK; wegen der Einzelheiten seines Vorbringens wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 25. Januar 2012 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, da das Verwaltungsgericht der Verpflichtungsklage zu.U.nrecht stattgegeben hat.
Streitgegenstand im typischen asylrechtlichen Verfahren ist - soweit vorliegend im zweiten Rechtszug noch streitig - vorrangig die Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auf der Grundlage der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes auf der Grundlage der Abschiebungsverbote nach§ 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG; insoweit, d.h. hinsichtlich der zuvor umschriebenen Abschiebungsverbote, handelt es sich jeweils um einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (vgl. etwa BVerwG, Urt. v. 8.9.2011 - 10 C 14/10 - , [...], mit Anm. von Berlit, jurisPR-BVerwG 1/2012). Weiterhin ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat insoweit folgt, geklärt, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (vormals nach § 51 Abs. 1 AuslG) nicht hinsichtlich einzelner Staaten teilbar ist, anderes hingegen für die Gewährung subsidiären nationalen Abschiebungsschutzes nach vormals § 53 AuslG gilt, über den isoliert bezogen auf einen einzelnen Abschiebezielstaat entschieden werden kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.6.2010 - 10 B 8/10 -, [...], Rn. 5; Urt. v. 12.4.2005 - 1 C 4/04 -, [...], Rn. 12). Daraus folgt für die vorliegende aktuelle Rechtslage, dass über die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes (jedenfalls) auf der Grundlage der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG, die an die Stelle der vormals entsprechenden Bestimmungen des § 53 AuslG getreten sind, auch jeweils einzelstaatsbezogen entschieden werden kann (so wohl nunmehr auch BVerwG, Urt. v. 29.9.2011 - 10 C 23/10 -, [...], Rn. 10, 19), wobei dann der maßgebende Staat bzw. das betroffene Hoheitsgebiet zunächst vom Kläger des Verpflichtungsbegehrens zu bezeichnen ist.
Für die Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auf der Grundlage der § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG gilt dies hingegen nicht. Denn diese Bestimmungen sind in Übereinstimmung mit der zu Grunde liegenden Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - die Umsetzungsfrist für die Neufassung dieser Richtlinie durch die Richtlinie 2011/95/EU ist noch nicht abgelaufen - auszulegen (vgl. § 60 Abs. 11 AufenthG). Nach Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG (= Qualifikationsrichtlinie) erkennen die Mitgliedstaaten einem Drittstaatsangehörigen oder einem Staatenlosen, der die Voraussetzungen der Kapitel II und V erfüllt, den subsidiären Schutzstatus zu. Kapitel II enthält die "vor die Klammer gezogenen", gemeinsamen Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes i. S .d. Qualifikationsrichtlinie, die sowohl für die Flüchtlingsanerkennung (nach § 60 Abs. 1 AufenthG) als auch die Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auf der Grundlage der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG gelten. Einheitlicher Bezugspunkt für die Beurteilung der Schutzbedürftigkeit ist danach das Herkunftsland im Sinne des Art. 2 k Qualifikationsrichtlinie, d.h. das Land oder die Länder der Staatsangehörigkeit oder - bei Staatenlosen - des früheren gewöhnlichen Aufenthalts (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 2.8.2007 - 10 C 13/07 - [...], Rn. 9: "Der Anspruch auf subsidiären Schutz nach Art. 15 ff. der Richtlinie 2004/83/EG setzt die Gefahr eines ernsthaften Schadens im Herkunftsland, d.h. im Staat oder in den Staaten der Staatsangehörigkeit des Betroffenen [vgl. Art. 2 Buchst. e und k der Richtlinie] voraus", sowie Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 -, BVerwGE 131, 198 ff., [...], Rn. 11:" die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG bilden einen eigenständigen, vorrangig vor den sonstigen herkunftslandbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfenden Streitgegenstand bzw. einen abtrennbaren Streitgegenstandsteil"; vgl. nunmehr aber auch Urt. v. 8.9.2011 - 10 C 18/10 -, [...], Rn. 16: "Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich insoweit um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand, der eigenständig und vorrangig vor den sonstigen zielstaatsbezogenen ausländerrechtlichen Abschiebungsverboten zu prüfen ist").
Für das vorliegende Verfahren folgt daraus: Die jeweils eigenständigen Streitgegenstände der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung sind nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens, da das Verwaltungsgericht diese Begehren jeweils abgelehnt hat und die Berufung hiergegen (nicht beantragt und auch) nicht zugelassen worden ist. Auf den zugelassenen Antrag der Beklagten ist demnach die Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes auf der Grundlage der - nach den vorherigen Ausführungen insoweit nicht teilbaren - Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG vorrangiger Streitgegenstand im Berufungsverfahren, und zwar in vollem Umfang (also einschließlich der Abs. 2 und 3) und jeweils bezogen auf das "Herkunftsland" des Klägers. Wird diesem Verpflichtungsbegehren im Berufungsverfahren - wie hier aus den unter Ziffer 1 folgenden Gründen - nicht entsprochen, so ist weiterhin über den Hilfsantrag des Klägers auf Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes jedenfalls auf der Grundlage der Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 zu entscheiden (vgl. BVerwG, Beschl. v.26.10.2009 - 10 B 16/09 -, [...], Rn. 4, m.w.N.), und zwar hinsichtlich des "Gazastreifens", wobei diese vom Kläger angeführte "Staats- bzw. Gebietsbezeichnung" nach § 88 VwGO sachgerecht so auszulegen ist, dass damit der Staat bzw. Hoheitsträger gemeint ist, dem völkerrechtlich der "Gazastreifen" zuzurechnen ist (vgl. nachfolgend unter Ziffer 2).
Ob abweichend von der zuvor vertretenen Ansicht - sollte es sich auch insoweit um einen unteilbaren Streitgegenstand handeln - nationaler Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 (und 3) AufenthG auch hinsichtlich weiterer Staaten zu prüfen und wie bei Feststellung eines solchen zielstaatsbezogenen Hindernisses zu tenorieren wäre, kann hier im Übrigen deshalb offen bleiben, weil schon eine Einreisemöglichkeit in Drittstaaten - etwa Israel oder der Ukraine - nicht zu erkennen ist und im Übrigen weder der Kläger selbst insoweit oder hinsichtlich eines sonstigen Drittstaates eine Gefährdung geltend macht noch eine solche für den Senat zu erkennen ist.
Aus demselben Grund kann hier auch offen bleiben, ob auch noch ergänzend über die Gewährung nationalen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich solcher Staaten zu entscheiden ist, die nicht Herkunftsstaat des Klägers i.S.d. Art. 2k der Qualifikationsrichtlinie sind (wovon offenbar grundsätzlich etwa in Nr. 60.0.4.7.2 AVwV AufenthG ausgegangen wird), oder insoweit letztlich im Hinblick auf die Verweisung des § 60 Abs. 5 AufenthG auf die EMRK keine Schutzlücke verbleibt (vgl. etwa zum Schutz des Art. 3 EMRK bei drohender Todesstrafe: EGMR, Entscheidung v. 2.3.2010 - 61498/08 -, Rn. 123, m.w.N.).
Soweit demnach im Berufungsverfahren über die Gewährung subsidiären Schutzes zu entscheiden ist, besteht hieran jeweils auch das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Denn ein solches besteht im Hinblick auf die Folgen für den aufenthaltsrechtlichen Status des betroffenen Ausländers nach § 25 Abs. 3 oder 5 AufenthG grundsätzlich auch dann, wenn dem Ausländer - wie hier ggf. dem Kläger - eine Ausreise in den maßgeblichen Herkunfts- oder Zielstaat gegenwärtig und auf absehbare Zeit unmöglich ist, es sei denn, ihm steht eine zumutbare Ausreisemöglichkeit in einen Drittstaat zur Verfügung (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.8.2007 - 10 C 13/07 -, a. a. O, Rn. 13); die letztgenannte Möglichkeit besteht für den Kläger (etwa nach Israel oder in die Ukraine) gerade nicht.
Mangels Einlegung von Rechtsmitteln nicht mehr Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist hingegen die vom Verwaltungsgericht aufgehobene und jedenfalls von der o. a., mit der Verpflichtungsklage zu verfolgenden Gewährung subsidiären Schutzes abtrennbare Abschiebungsandrohung nach Israel. Aus demselben Grund - mangels Einlegung von Rechtsmitteln - ist vorliegend im Berufungsverfahren auch nicht zu klären, ob die Abschiebungsandrohung - wie vom Verwaltungsgericht stillschweigend angenommen - im Übrigen trotz Aufhebung der konkreten Zielstaatsbestimmung allgemein oder jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem ein (sonstiger) aufnahmebereiter Staat nicht zu erkennen ist, materiellrechtlich Bestand hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.9.2011 - 10 C 23/10 -, a.a.O., Rn. 19, v. 8.9.2011 - 10 C 18/10 -, a.a.O., Rn. 12, Beschl. v. 26.10.2009 - 10 B 16/09 -, [...], Rn. 2, sowie Urt. v. 25.7.2000 - 9 C 42/99 -, [...], Rn. 11 ff.). Ebenso wenig ist im Berufungsverfahren über die Rechtmäßigkeit der gesetzten Ausreisefrist zu entscheiden (vgl. zur eigenständigen Überprüfbarkeit der Ausreisefrist jedenfalls im Asylverfahren: BVerwG, Urt. v. 17.8.2010 - 10 C 18/09 -, [...], Rn. 9, m.w.N.).
1. Ist die demnach vorrangige Prüfung des unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich des "Herkunftsstaates" vorzunehmen, so besteht vorliegend angesichts des umstrittenen, grundsätzlich maßgeblichen völkerrechtlichen Status des betroffenen Gebiets die Schwierigkeit seiner exakten Bezeichnung als Palästina, palästinensisches Autonomiegebiet, Gazastreifen (und Westjordanland) oder auch - jedenfalls in der Vergangenheit - israelisch-besetzt (vgl. die umfassende Sammlung von Dokumenten der Vereinten Nationen zur Palästina-Frage, im Internet abrufbar unter "Unispal"). Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, ist nach Ansicht des Senats schon im Hinblick auf die mit der Qualifikationsrichtlinie auch beabsichtigte Vereinheitlichung des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes entsprechend der deutschen und der Praxis weiterer europäischer Staaten von der insoweit einheitlich anerkannten Existenz eines aus dem Gazastreifen und dem Westjordanland bestehenden palästinensischen Gebietes, dessen genaue Abgrenzung hier dahinstehen kann, als autonome politische Einheit mit der Palästinensischen Autonomiebehörde als Vertretung auszugehen, das bislang jedoch darüber hinaus als unabhängiger Staat (vgl. zu den erforderlichen Voraussetzungen: Dane/Stenner, Ein Staat Palästina in den Vereinten Nationen, KAS-Auslandsinformationen, 8/2011, S. 53 ff., sowie zu den tatsächlichen Voraussetzungen insbesondere der Ausübung effektiver Staatsgewalt den engl. Bericht des Office of the U. N. Special Coordinator for the middle east peace Process (UNSCO) v. 14.9.2011, Rn. 37 ff. zum Gazastreifen, sowie den engl. Bericht des Komitees des Sicherheitsrates der VN v. 11.11.2011 - S/2011/705) noch keine einheitliche Anerkennung gefunden hat (vgl. zur uneinheitlichen Praxis der EU-Staaten zur Anerkennung von Palästina neben der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 29. September 2011 zur Lage in Palästina - P7-TA(2011)0429 - die Berichte in der Welt v. 21.9.2011 sowie der Zeit-Online v. 18.9.2011, wonach neben Deutschland [vgl. BT-Drs. 17/7056 v. 21.9.2011, Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses] etwa die Niederlande und Tschechien gegen eine Anerkennung sind, diese aber u.a. von Frankreich, Spanien und Polen befürwortet wird).
a) Hinsichtlich dieses palästinensischen Autonomiegebiets besteht zu dem nach § 77 AsylVfG maßgeblichen aktuellen Zeitpunkt weder flächendeckend noch im Gazastreifen - sollte man entgegen der zuvor vertretenen Ansicht allein auf ihn abstellen - für den Kläger die konkrete Gefahr, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden, § 60 Abs. 2 AufenthG.
b) Ebenso wenig wird der Kläger in dem o. a. Teil- oder im gesamten Autonomiegebiet wegen (der Begehung) einer mit der Todesstrafe bedrohten Straftat gesucht, § 60 Abs. 3 AufenthG.
c) Schließlich sind auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht gegeben.
§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG setzt - wie die dadurch umgesetzte Vorschrift des Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie - einen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt voraus (zum Folgenden: BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43/07 -, a.a.O., Rn. 19, 22 ff.). Erst wenn Konflikte eine solche Qualität erreicht haben, wird danach ein Schutzbedürfnis für die betroffenen Zivilpersonen anerkannt. Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist unter Berücksichtigung der Bedeutung dieses Begriffs im humanitären Völkerrecht auszulegen. Dabei sind insbesondere die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht vom 12. August 1949 heranzuziehen. Die Interpretation der in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie gewählten Begriffe in Übereinstimmung mit dem humanitären Völkerrecht entspricht dem Kontext der Qualifikationsrichtlinie, wie er in den Erwägungsgründen 11 und 25 zum Ausdruck kommt, die auf die Bindung der Mitgliedstaaten an ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen hinweisen. Auch in der Begründung zum Entwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes wird ausgeführt, dass der Begriff des "bewaffneten Konflikts" als völkerrechtlicher Begriff zu verstehen ist.
aa) Danach liegt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts jedenfalls dann vor, wenn der Konflikt die Kriterien des Art. 1 Nr. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (= ZP II) erfüllt. Er liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt sind, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss hierfür aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der völkerrechtliche Begriff des "bewaffneten Konflikts" wurde gewählt, um klarzustellen, dass nur Auseinandersetzungen von einer bestimmten Größenordnung an in den Regelungsbereich der Vorschrift fallen. Ob die Konfliktparteien einen so hohen Organisationsgrad erreichen müssen, wie er für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 und für den Einsatz des Internationalen Roten Kreuzes erforderlich ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts findet ihre Grenze jedenfalls dort, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für in Drittstaaten Zuflucht Suchende nach Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie widerspricht.
Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt besteht in den palästinensischen Autonomiegebieten jedenfalls gegenwärtig und auf absehbare Zukunft nicht. Die insoweit vorrangig in Betracht kommenden Auseinandersetzungen zwischen der den Gazastreifen dominierenden Hamas sowie der Fatah sind jedenfalls im Gazastreifen nach Abschluss des Versöhnungsabkommens (vgl. dazu etwa, FR v. 14.5.2011, SZ v. 29.4.2011, ICG v. 20.7.2011 sowie "Die Zeit (online)" v. 25.11.2011) weitgehend eingestellt; einzelne Auseinandersetzungen insoweit und/oder etwa mit anderen militanten Splittergruppen finden allenfalls ganz vereinzelt statt, erreichen die erforderliche Größenordnung aber nicht annähernd. Nachdem es seit der de-facto Machtübernahme der Hamas im Gazastreifen von 2007 bis Mitte 2009 durch innerpalästinensische Konflikte zu 360 Toten insbesondere gegenüber Anhängern der Fatah, aber nachfolgend auch bei Übergriffen gegen Menschenrechtsaktivisten und islamische Extremisten gekommen war, ging nämlich danach mit der zunehmenden Etablierung der Hamas eine Beruhigung der internen Sicherheitslage einher (UK Home Office, Lagebericht v. 2.12.2010, Ziffer 8.10.). Für das Jahr 2011 bis November einschließlich weist demnach etwa die Übersicht der Hilfsorganisation der Vereinten Nationen für die besetzten palästinensischen Gebiete (OCHAoPT) nur noch 27 (Todes-)Fälle auf Grund allgemeiner innerpalästinensischer Gewalt einschließlich von Familienstreitigkeiten und sog. "Ehrenmorden" im Gazastreifen aus. Angesichts der fortdauernden Annäherung zwischen Hamas und Fatah ist insoweit jedenfalls auch keine Verschlechterung der Lage absehbar.
bb) Ob die latent fortbestehenden, in ihrem Ausmaß schwankenden Auseinandersetzungen zwischen Israel und der Hamas als faktische Machthaber im Gazastreifen insbesondere auf Grund des periodischen Raketenbeschusses des israelischen Gebiets aus dem Gazastreifen und den daraufhin erfolgenden militärischen Reaktionen Israels die Anforderungen eines internationalen Konflikts im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG (bzw. des Art. 15 c Qualifikationsrichtlinie/Art. 1 Nrn. 3 und 4 ZP I) erfüllen, kann offen bleiben.
Jedenfalls fehlt es an der zusätzlich erforderlichen Gefahrendichte.
(1) Dies gilt zunächst im Hinblick auf eine erstmals in der mündlichen Verhandlung geltend gemachte berufsbedingte individuelle Gefahr für den Kläger.
Zwar kann sich eine von einem - hier unterstellten internationalen - bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr individuell in der Person eines Ausländers verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erfüllen, also für ihn eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellen. Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 -, [...], Rn. 18, m.w.N., sowie v. 27.4.2010 - 10 C 4/09 - [...], Rn. 33). In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr aber voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht.
Hieran mangelt es vorliegend. Es lässt sich schon nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit feststellen, ob der Kläger, der den Gazastreifen 1996 unverfolgt verlassen hat und seitdem abgesehen von einem kurzfristigen Besuchsaufenthalt dorthin nicht mehr zurückgekehrt ist, bei einer dauerhaften Rückkehr in den Gazastreifen einer Berufstätigkeit und ggf. welcher nachgehen würde. So hat er in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht selbst geltend gemacht, dass er im Gazastreifen nicht in seinem Beruf als "Medizintechniker" arbeiten könne. Warum dies nunmehr anders sein sollte, ist nicht zu erkennen und wird von ihm auch nicht konkret dargelegt. Unabhängig hiervon lässt sich aber auch eine besondere Gefahr für Medizintechniker bzw. in medizinischen Berufen tätige Personen nicht feststellen. Denn aus den in das Verfahren eingeführten und den ergänzend vom Kläger zitierten Erkenntnismitteln lässt sich nicht entnehmen, dass in medizinischen Berufen tätige Personen oder allgemein medizinische Einrichtungen, in denen sie tätig sind, entgegen des ihnen nach dem humanitären Völkerrecht zustehenden Schutzes im Gazastreifen besonders häufig Gegenstand von Angriffen wären. So werden in dem vom Kläger selbst zitierten "Fast Facts"-Bericht der OCHAoPT vom Oktober 2011 zur humanitären Situation im Gazastreifen etwa die zugangsbeschränkten Grenzregionen des Gazastreifens als Hochrisikogebiet eingestuft, in dem es zu mehr als 60% der Todesfälle gekommen ist (ebenso Human Rights Watch-Jahresbericht 2011), weder dort oder anderweitig aber eine Tätigkeit im medizinischen Bereich als besonders riskant herausgestellt.
(2) Fehlen daher individuelle gefahrerhöhende Umstände in der Person des Klägers, so kann ausnahmsweise für ihn gleichwohl eine außergewöhnliche Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Dazu ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.4.2010 - a.a.O., Rn. 33, sowie Urt. v. 14.7.2009 - 10 C 9/08 -, [...], Leitsatz 1b). Zur Feststellung einer solchen Ausnahmesituation ist wiederum ebenso wie für die Folgen eines innerstaatlichen bewaffneten Konfliktes eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits (vgl. ergänzend BVerwG, Beschl. v. 2.1.2012 - 10 B 43/11 -, [...], Rn. 4) und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Zahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung erforderlich, die auch die medizinische Versorgungslage einschließt. Insoweit können auch die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (BVerwG, Urt. v. 27.4.2010 - a.a.O., Rn. 33, m.w.N.).
Soweit an diesen Vorgaben allgemein Kritik geübt wird (vgl. UNHCR, Endlich in Sicherheit?, 2011, S. 13 ff.), bezieht sich diese jedenfalls nicht auf die hier maßgeblichen Verhältnisse in den palästinensischen Autonomiegebieten. Die dortige Lage ist insbesondere auch durch die in das vorliegenden Verfahren eingeführten, laufend aktualisierten Angaben der dort tätigen Unterorganisationen der Vereinten Nationen, insbesondere der genannten OCHAoPT, sowie des "Palestinian Center for Human Rights" außerordentlich gut dokumentiert, umfasst etwa eine einzelfallbezogene Analyse von Todes- und Verletzungsfällen, so dass weder ein nennenswertes Dunkelzifferrisiko noch die Problematik besteht, nicht verlässlich zwischen der Gewaltanwendung gegenüber Kombattanten und Zivilisten unterscheiden zu können oder sog. Kollateralschäden einschließlich erheblicher psychischer Verletzungen in Folge des - unterstellten - bewaffneten Konflikts zu übersehen.
Da danach - wie folgend im Einzelnen dargelegt wird - die erforderliche Gefahrendichte im Gazastreifen als maßgebliche (vgl. zuletzt BVerwG, Urt. v. 17.11.2011, a.a.O., Rn. 16, m.w.N.) Heimatregion des Klägers (und auch im übrigen Autonomiegebiet) nicht annähernd erreicht wird, greift auch die Kritik, dass eine generell exakte Bestimmung dieser Schwelle nicht möglich sei (vgl. nunmehr aber BVerwG, Urt. v. 17.11.2011, a.a.O., Rn. 23 f.: ein Verhältnis von 1: 800 reicht nicht annähernd aus, sowie lediglich ergänzend das weitere, noch nicht in [...] veröffentlichte Urt. v. 17.11.2011 - 10 C 11/10 -, Rn. 20 f., zu einem Verhältnis von 1: 1.000), vorliegend nicht durch. Außerdem führte eine auf die erforderliche Quantifizierung der maßgeblichen Übergriffe verzichtende Betrachtungsweise insoweit nicht zu mehr, sondern zu weniger Rechtssicherheit.
Nach den aktuellsten dem Senat vorliegenden und in die mündliche Verhandlung eingeführten Zahlen (OCHAoPT- Humanitarian Monitor vom Dezember 2011, S. 10 ff.) sind bedingt durch den Konflikt zwischen Israel und Palästinensern im Gazastreifen in 2010 insgesamt 72 Todesfälle, davon (einschl. der Westbank) 35 Zivilisten zu verzeichnen gewesen; für das Jahr 2011 wird von 105 Todesfällen, davon 55 Zivilisten (einschließlich der Westbank) berichtet. Die Zahl der Verletzten betrug 2010 im Gazastreifen 286 einschließlich der Kombattanten, im Jahr 2011 insgesamt 478 (überwiegend Zivilisten). Hinzu tritt eine geringe Zahl - weniger als 10 jährlich - von Palästinensern, die durch zunächst nicht explodierte Kampfmittel getötet oder verletzt worden sind. Auf die gesondert ausgewiesene Zahl der insoweit, d.h. durch nicht explodierte Kampfmittel betroffenen Kinder kommt es angesichts des Alters des Klägers nicht an. Es ist nicht zu erkennen, dass bei der gebotenen Gesamtschau die Zahl der durch den - unterstellten - bewaffneten Konflikt verletzten oder getöteten Personen deshalb zu erhöhen wäre, weil es bedingt durch eine unzureichende medizinische Versorgungslage bei Opfern zu (vermeidbaren) dauerhaften Verletzungs- oder gar tödlichen Folgen käme. Eine gravierende Verschlechterung der Lage zeichnet sich nicht ab. Insbesondere ist nicht konkret abzusehen, dass israelische Truppen in einer Großoperation erneut - wie zuletzt vom Dezember 2008 bis Januar 2009 - den Gazastreifen angreifen oder ihn gar besetzen werden; dass eine solche Verschärfung der Lage nicht gänzlich auszuschließen ist, reicht hingegen nicht aus. Setzt man diese Zahlen ins Verhältnis zu der Gesamtbevölkerung von etwa 1,5 - 1,6 Millionen im Gazastreifen und berücksichtigt man weiterhin, dass die Gefahr, Opfer von israelischen (Gegen)Angriffen zu werden, außerhalb der unmittelbaren Grenznähe und militärisch genutzter Ziele angesichts der geringen Größe des Gazastreifens zwar nicht ausgeschlossen, aber doch geringer ist, so fehlt es bei einem Verhältnis von deutlich weniger als 0,1% im Jahr auseinandersetzungsbedingt getöteten oder verletzten Zivilisten ersichtlich an der erforderlichen Dichte der willkürlichen Übergriffe für jeden dort Lebenden. Abweichende aktuelle Lagebeurteilungen durch andere deutsche (Ober-)Gerichte oder Gerichte in anderen Staaten der EU (vgl. stattdessen etwa (HS ... Palestinian Territories CG (2011) UKUT 124 (IAC), Rn. 211, sowie die Übersicht zur Rechtsprechung in ausgewählten Ländern hinsichtlich der Flüchtlingsanerkennung und der subsidiären Schutzgewährung zu Gunsten von Palästinensern: BADIL Resource Center, Closing Protection Gaps: A Handbook on the Protection of Palestinian Refugees in States Signatories to the 1951 Refugee Convention, August 2011, S. 27 ff.) sind vom Kläger nicht benannt worden und dem Senat auch im Übrigen nicht bekannt.
Selbst wenn man aber entgegen der o. a. Ansicht auch sonstige mittelbar konfliktbedingte Nachteile für die Lebensverhältnisse im Gazastreifen bzw. in dem sonstigen Autonomiegebiet für beachtlich halten würde, so fehlt es doch insoweit an einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Klägers als Teil der Gesamtbevölkerung. Denn jedenfalls durch die Unterstützung von Hilfsorganisationen sind die Grundbedürfnisse wie Ernährung und Unterkunftsversorgung sowie die medizinische Versorgung auf einem Niveau gesichert, das eine generelle Leibes- oder gar Lebensgefahr für die Bevölkerung ausschließt. Zur Begründung im Einzelnen wird insoweit auf die folgenden Ausführungen zu § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG verwiesen.
Vom Kläger sowie vom Verwaltungsgericht sinngemäß weiterhin angeführte willkürliche Übergriffe der Hamas bzw. von deren Angehörigen im Gazastreifen auf die allgemeine Bevölkerung sind im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG unerheblich, da sie nicht im Rahmen eines bewaffneten Konflikts erfolgen, sondern letztlich Folge des Wahlerfolges der Hamas im Jahr 2006 sind. Außerdem ist auch insoweit - wie dargelegt - die erforderliche allgemeine Gefahr für alle Bewohner des Gazastreifens nicht ansatzweise zu erkennen.
Gibt es somit schon im Gazastreifen als Heimatregion des Klägers innerhalb des palästinensischen Autonomiegebiets keine i.S.d.§ 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erhebliche Gefahr, so braucht nicht geklärt zu werden, ob für den Kläger eine innerstaatliche "Fluchtalernative" (im Westjordanland) bestünde.
2. Auch der Hilfsantrag auf Feststellung eines nationalen Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 5 AufenthG (a) oder 7 Satz 1 AufenthG (b) ist unbegründet.
a) Nach der älteren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. v. 7.12.2004 - 1 C 14/04 -, [...], Rn. 17 auch zum Folgenden), der der Senat folgt, ist im Anschluss an die ständige Rechtsprechung des EGMR seit der Entscheidung vom 7. Juli 1989 im Fall Soering gegen Vereinigtes Königreich (- 1/1989/161/217 - , EuGRZ 1989, 314 = NJW 1990, 2183 [BFH 13.03.1990 - IX R 104/85]) die Abschiebung eines Ausländers in einen Staat, der - wie das palästinensische Autonomiegebiet - nicht Mitglied des Europarates und Unterzeichner der EMRK ist, nach § 53 Abs. 4 AuslG sowohl dann unzulässig, wenn ihm dort eine unmenschliche oder erniedrigende Strafe oder Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK droht, als auch dann, wenn andere als in Art. 3 EMRK verbürgte, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantien in ihrem Kern bedroht sind. Das ist allerdings nur in krassen Fällen anzunehmen, wenn nämlich die drohenden Beeinträchtigungen von ihrer Schwere her dem vergleichbar sind, was wegen menschenunwürdiger Behandlung zu einem Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK führt (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.2000 - 9 C 34/99 - BVerwGE 111, 223[BVerwG 24.05.2000 - 9 C 34/99]; ferner Urt. v. 20.1.2004 - 1 C 9/03 - BVerwGE 120, 16 ff., sowie Beschluss vom 8.4.2004 - 1 B 199/03 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG Nr. 77). Diese ältere Rechtsprechung gilt auch für die Auslegung des an die Stelle des § 53 Abs. 4 AuslG getretenen § 60 Abs. 5 AufenthG fort, wobei der Begriff der Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG im Ansatz kein anderer als der im asylrechtlichen Prognosemaßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" angelegte ist, allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr für diesen Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation kennzeichnet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.4.2008 - 10 B 28/08 -, [...], Rn. 6).
Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ergeben sich insoweit keine abweichenden Maßstäbe. Danach wird der erstrebte Schutz vor allgemeinen Gefahren im Zielstaat einer Abschiebung - wie er hier vorrangig vom Kläger geltend gemacht wird - nicht gesondert nach Art. 2 und 3, sondern einheitlich unter Art. 3 EMRK geprüft (vgl. etwa EGMR, Entscheidung v. 20.12.2011 - 48839/09 -, Nr. 37, m.w.N.). Art. 3 EMRK setzt für die Schutzgewährung vor einer Abschiebung wiederum u.a. in den Fällen, in denen sich der Betroffene auf eine Situation genereller Gewalt bzw. Unsicherheit im Zielstaat beruft, eine Extremsituation voraus, in der allein schon auf Grund der bloßen Anwesenheit nach den gegenwärtigen Verhältnissen die beachtliche Wahrscheinlichkeit ("real risk") einer Misshandlungsgefahr besteht (vgl. EGMR, Entscheidung vom 28.6.2011 - 8319/07 und 11449/07 - Nrn. 212- 219). Die dazu erforderliche Gefahrendichte bemisst sich bei bewaffneten Unruhen im Zielstaat der Abschiebung wiederum u.a. nach den Gefahren, die sich aus den (verbreiteten) Kampfmethoden der Konfliktparteien für die Zivilbevölkerung ergeben, der Intensität und Ausdehnung des Konflikts sowie schließlich der auf Grund der Kampfhandlungen getöteten, verletzten und vertriebenen Zivilpersonen (vgl. EGMR, Entscheidung v. 28.6.2011, a.a.O., Nr. 241). Art. 5 EMRK schützt schließlich nur vor einer krassen Verletzung im Abschiebezielstaat, etwa bei einer gezielten jahrelangen Inhaftierung ohne Anklage oder auf Grund eines ersichtlich unfairen Prozesses (EGMR, Entscheidung v. 17.1.2012 - 8139/09 -, Nr. 233).
aa) Dass dem Kläger bei einer Rückkehr in das palästinensische Autonomiegebiet eine solche gezielte, mitArt. 5 EMRK unvereinbare Freiheitsentziehung oder durch gezielte hoheitliche Maßnahmen die Verletzung einer anderen als in Art. 3 und 5 EMRK verbürgten, von allen Vertragsstaaten als grundlegend anerkannten Menschenrechtsgarantie in ihrem Kern drohen würde, macht er selbst nicht geltend und ist auch für den Senat nicht zu erkennen.
Soweit er ergänzend pauschal eine zu befürchtende Verletzung von Art. 2 des Vierten Zusatzprotokolls zur EMRK geltend macht, ist schon fraglich, ob sich die Verweisung des § 60 Abs. 5 AufenthG überhaupt hierauf bezieht. Zumindest mangelt es an der weiteren Voraussetzung, dass insoweit eine als grundlegend anerkannte Menschenrechtsgarantie in ihrem Kern bedroht ist. Sollte die durch Artikel 2 des Vierten Zusatzprotokolls geschützte Freizügigkeit überhaupt zu diesen grundlegenden Garantien gehören, so ist sie jedenfalls nicht im Kern bedroht, wenn man sich - wie der Kläger - innerhalb des Gazastreifens grundsätzlich frei bewegen kann und eine Ein- und Ausreise zwar schwierig (vgl. OCHAoPT- Humanitarian Monitor, Easing the Blockade, März 2011, S. 20 ff ), aber insbesondere über den Grenzübergang Rafah nicht grundsätzlich ausgeschlossen ist (vgl. zu den Zahlen und Modalitäten für die Nutzung dieses Grenzübergangs durch Zivilisten etwa die Angaben in: AFP v. 1.6.2011; OCHAoPT, Protection of Civilians Weekly Report, 14-20 Dezember 2011, S. 3, sowie die Übersichten in den wöchentlichen Berichten des Palestinian Center for Human Rights). Dementsprechend ist der Kläger selbst in der Vergangenheit etwa zu Ausbildungszwecken aus- und zu Besuchszwecken eingereist.
bb) Ebenso wenig sind die aufzeigten Voraussetzungen für eine Schutzgewährung nach Art. 3 EMRK auf Grund der allgemeinen Verhältnisse im Gazastreifen gegeben. Schon aus den zuvor genannten Zahlen über die Toten und Verletzten in der Zivilbevölkerung sowie der Tatsache, dass es bedingt durch die bewaffneten Auseinandersetzungen in den letzten Jahren auch im Gazastreifen nicht zu massenhaften Vertreibungen außerhalb des unmittelbaren Grenzstreifens gekommen ist, folgt, dass es an der erforderlichen Gefahrendichte mangelt. In den Zahlen kommt zugleich zum Ausdruck, dass zwar im Einzelfall Opfer in der Zivilbevölkerung zu beklagen sind, es aber nicht generelle (völkerrechtswidrige) Praxis der israelischen Angriffe ist, flächendeckend und andauernd zivile Ziele im Gazastreifen anzugreifen. Ein solcher Schluss lässt sich schließlich auch den übrigen in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln nicht entnehmen.
b) aa) Abschiebungsschutz aus individuellen Gründen i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG besteht für den Kläger nicht.
Zwar kann eine zu befürchtende Verschlimmerung der Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers ein solches Abschiebungshindernis darstellen. Denn die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, ist in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist. Erforderlich, aber auch ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist in diesen Fällen, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, d.h. dass eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.8.2011 - 10 B 13/11 -, [...], Rn. 3, m.w.N.).
Dass der Kläger an einer solchen Krankheit leidet, ist vorliegend aber nicht zu erkennen. Zwar hat er bei der Anhörung vor dem Bundesamt auf "Nervenprobleme" und "Anfälle", an denen er seit etwa 10 Jahren leide, und auf eine deshalb erfolgende Medikamenteneinnahme verwiesen. Er hat seine gesundheitlichen Probleme aber selbst nicht als schwerwiegend eingestuft und auch nachfolgend - das damalige Attest liegt der Akte nicht bei - keine weiteren Angaben zu seinem Gesundheitszustand gemacht. Da ihn insoweit eine entsprechende Obliegenheit trifft (vgl. §§ 15 Abs. 1 Satz 1, 25 Abs. 2, 74 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG, § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 VwGO), besteht keine weitere Amtsaufklärungspflicht des Senats (vgl. auch BVerwG, Urt. v.11.9.2007 - 10 C 8/07 -, [...], Rn. 15., m.w.N.).
Dass der Kläger berufsbedingt keiner erhöhten individuellen Gefahr ausgesetzt ist, wurde bereits zuvor ausgeführt.
bb) Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen (vgl. zum folgenden BVerwG, Beschl. v. 17.6.2010, a.a.O., Rn. 4 und 7, m.w.N.). Danach kann die oberste Landesbehörde aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten ausgesetzt wird. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass mit dieser Regelung nach dem Willen des Gesetzgebers erreicht werden soll, dass dann, wenn eine bestimmte Gefahr einer großen Zahl der im Abschiebezielstaat lebenden Personen gleichermaßen droht, über deren Aufnahme oder Nichtaufnahme nicht im Einzelfall durch das Bundesamt, sondern für die ganze Gruppe der potentiell Betroffenen einheitlich durch eine politische Leitentscheidung der obersten Landesbehörde befunden werden soll. Trotz bestehender konkreter erheblicher Gefahr ist damit die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Verfahren eines einzelnen Ausländers gesperrt, wenn dieselbe Gefahr zugleich einer Vielzahl weiterer Personen im Abschiebezielstaat droht. Diese Entscheidung des Gesetzgebers haben die Verwaltungsgerichte zu respektieren; sie dürfen daher im Einzelfall einem Ausländer, der einer gefährdeten Gruppe angehört, für die kein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG besteht, nur dann ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zusprechen, wenn einfachgesetzlich kein anderes Abschiebungsverbot vorliegt, eine Abschiebung aber Verfassungsrecht verletzen würde. Nur wenn der Ausländer sich auf kein anderes Abschiebungsverbot berufen kann, er aber gleichwohl nicht abgeschoben werden darf, weil die Grundrechte die Gewährung von Abschiebungsschutz unabhängig von einer Ermessensentscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 3, § 60a AufenthG gebieten, kann also im Einzelfall einem Ausländer, der einer gefährdeten Gruppe angehört, für die ein Abschiebestopp nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG nicht besteht, ausnahmsweise Schutz vor der Durchführung der Abschiebung in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zugesprochen werden. Dies ist nur gerechtfertigt, wenn dem Ausländer im Falle seiner Abschiebung mit hoher Wahrscheinlichkeit extreme Gefahren drohen. Die hohe Wahrscheinlichkeit des Eintritts der allgemeinen Gefahr für den jeweiligen Ausländer markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar erscheint. Dieser hohe Wahrscheinlichkeitsgrad ist ohne Unterschied in der Sache in der Formulierung mit umschrieben, dass die Abschiebung dann ausgesetzt werden müsse, wenn der Ausländer ansonsten "gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde".
Eine solche extreme Gefahr bestünde für den Kläger als Teil der Gesamtbevölkerung bei einer Rückkehr in seine Heimatregion innerhalb des palästinensischen Autonomiegebiets, d.h. in den Gazastreifen, aus den folgenden Gründen nicht, so dass offen bleiben kann, ob der Aufenthalt des Klägers auf Grund fehlender Abschiebemöglichkeiten (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes v. 15. Oktober 2009 an das VG Hannover) nicht ohnehin zu dulden ist und schon dieser Gesichtspunkt einer erforderlichen Durchbrechung der Sperrwirkung des§ 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegensteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.11.2007 - 10 B 119/07 -, [...], Rn. 4, m.w.N.)
Die militärischen Auseinandersetzungen mit Israel oder innerhalb verschiedener palästinensischer Gruppen stellen nach den vorherigen Ausführungen auch gemeinsam keine allgegenwärtige Gefahr für jeden Bewohner des Gazastreifens dar. Ebenso wenig ergibt sich eine solche Gefahr aus der, bedingt durch die israelische, sehr restriktiv gehandhabte Einfuhrkontrolle in den Gazastreifen, schwierigen Versorgungslage mit Nahrungsmitteln und Energie. Dadurch ist trotz Steigerung des Inlandsprodukts um 28% in der ersten Jahreshälfte 2011 und einer von 39 auf "nur" noch 26% gesunkenen Arbeitslosenrate eine eigenständige Versorgung der Bevölkerung nicht sichergestellt und 75% (Ziffer 51) der Bevölkerung auf humanitäre Unterstützung angewiesen (bzw. 80% nach Angaben vom Amnesty im Jahresbericht 2011). Diese wird aber geleistet, etwa von der UNRWA, die 240.000 Arme, die über weniger als 1,60 USD täglich verfügen, mit 3/4 ihres täglichen Kalorienbedarfs, sowie über 400.000 weitere Personen, die über weniger als 4 USD täglich verfügen, mit Lieferungen versorgen, die 40 Prozent ihres täglichen Kalorienbedarfs decken. Zusätzlich erhalten 220.000 Kinder in den Schulen eine ergänzende Nahrungsversorgung (vgl. OCHAoPT, Humanitarian Monitor, Sept. 2011, S. 5), und auch im Übrigen wird insbesondere soziale Nothilfe geleistet, u.a. auch für Behinderte sowie zur Unterkunftssicherung. Der in dem palästinensischen Autonomiegebiet tätigen Hilfsorganisation der Vereinten Nationen (OCHAoPT) steht außerdem durch Unterstützung europäischer Staaten seit August 2007 noch ein besonderer Hilfsfonds zur Verfügung, aus dem sofort für unvorsehbare Notfälle finanzielle Unterstützung zur Sicherung des Lebens oder auch zur Sicherung von Vermögen erbracht wird. Wie sich aus dem Jahresbericht für 2010 sowie den aktuellen Monatsberichten für 2011 dieses "Humanitarian Respone Fund" ergibt, wurden daraus etwa Notunterkünfte erstellt, Hilfsleistungen für die Landwirtschaft (z.B. Impfungen), Gesundheitsleistungen sowie Infrastrukturhilfen für Schulen erbracht, aber auch die Wasserversorgung unterstützt. So profitierten im Jahr 2011 mehr als 600.000 Bewohner des Gazastreifens von einer Förderung des Wasserversorgungssystems mit knapp einer Million EUR. Den in das Verfahren eingeführten Erkenntnismitteln lässt sich demnach nicht entnehmen, dass es im Gazastreifen Hungersnöte oder gar Hungertote oder Tote infolge unzureichender Unterkunft gibt. Vielmehr wird etwa in dem englischsprachigen Überblick "Occupied palestinian territory 2012, consolidated appeal" der wiederholt bezeichneten Hilfsorganisation der Vereinten Nationen (OCHAoPT) für 2011 trotz eingeschränkter finanzieller Mittel (vgl. Humanitarian Monitor, Dezember 2011, S. 14) weitgehend eine Verbesserung der humanitären Lage festgestellt (S. 5, 18 ff.) und dort auf Daten bereits aus dem Jahr 2009 über eine damalige Unterernährungsquote von "nur" 16% der Bevölkerung bei einer seitdem auf 70, 8 Jahre für Männer und 73, 6 Jahre für Frauen gestiegenen allgemeinen Lebenserwartung verwiesen. Die schwierige medizinische Versorgungslage führt für den erwachsenen Kläger gleichfalls nicht zu einer extremen Gefahr bei einer Rückkehr; vielmehr hängt es vom Einzelfall ab, ob medizinische Hilfe in den (u.a.) privaten Krankenhäusern im Gazastreifen verfügbar ist oder dem Betroffenen zwecks notwendiger auswärtiger Versorgung durch israelische oder ägyptische Behörden die Ausreise gestattet wird.