Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.09.2011, Az.: 5 ME 234/11
Anforderungen an die formelle und materielle Rechtmäßigkeit einer zur Änderung der in einem Stellenbesetzungsverfahren gefertigten Anlassbeurteilung führenden Überbeurteilung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.09.2011
- Aktenzeichen
- 5 ME 234/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 25689
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0908.5ME234.11.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 33 Abs. 2 GG
- § 9 BeamtStG
Fundstellen
- DVBl 2011, 1375
- DÖD 2011, 289-293
- DÖV 2012, 77
- ZBR 2012, 271-274
Amtlicher Leitsatz
Zu den Anforderungen an die formelle und materielle Rechtmäßigkeit einer Überbeurteilung, mit der eine in einem Stellenbesetzungsverfahren gefertigte Anlassbeurteilung geändert worden ist.
Gründe
Der Antragsteller und die beiden Beigeladenen bewarben sich neben weiteren Beamten um zwei im Dezember 2008 für den Geschäftsbereich des Antragsgegners ausgeschriebene Planstellen als Justizoberamtsrätin oder Justizoberamtsrat mit Amtszulage (Rechtspflegerin oder Rechtspfleger mit Funktionen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 StOGrVO zu § 26 Abs. 3 BBesG).
Aufgrund seiner Bewerbung wurde der Antragsteller am 19. Mai 2009 von dem Direktor des Amtsgerichts D. mit der Stufe 1 beurteilt. Die Leistungsmerkmale wurden mit Ausnahme des Sozialverhaltens und der Verwendungsbreite/Einsatzbereitschaft (jeweils Stufe 2) ebenfalls mit der Stufe 1 bewertet. Der Präsident des Landgerichts D. führte im Rahmen seiner Überbeurteilung vom 3. Juni 2009 aus, dass er gegen die Richtigkeit der Beurteilung keine Bedenken habe.
Die Beigeladene zu 1 wurde anlässlich ihrer Bewerbung am 19. Februar 2009 von der Direktorin des Amtsgerichts E. mit der Stufe 1 beurteilt. Die Leistungsmerkmale wurden durchweg ebenfalls mit der Stufe 1 bewertet. Der Präsident des Landgerichts D. senkte mit seiner Überbeurteilung vom 3. Juni 2009 die Bewertung des Leistungsmerkmals der Fachkompetenz auf die Stufe 2 ab.
Der Beigeladene zu 2 wurde aufgrund seiner Bewerbung am 20. April 2009 von dem Direktor des Amtsgerichts F. mit der Stufe 2 beurteilt. Die Leistungsmerkmale wurden mit Ausnahme des Merkmals der Kooperation (Stufe 1) ebenfalls mit der Stufe 2 bewertet. Der Präsident des Landgerichts G. trat mit seiner Überbeurteilung vom 28. April 2009 der Beurteilung bei.
Im Rahmen des Auswahlverfahrens nahm der Präsident des Antragsgegners weitere Überbeurteilungen nur der dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und der Beigeladenen zu 1 vor. Die Beurteilung der Beigeladenen zu 1 vom 19. Februar 2009 in der Fassung der Überbeurteilung des Präsidenten des Landgerichts D. vom 3. Juni 2009 änderte der Präsident des Antragsgegners am 27. August 2009 dahingehend, dass er die Gesamtnote auf die Stufe 2 absenkte und die Leistungsmerkmale durchweg ebenfalls mit der Stufe 2 bewertete. Drei Monate später, und zwar am 30. November 2009, änderte der Präsident des Antragsgegners auch die Beurteilung des Antragstellers vom 19. Mai 2009. Er senkte die Gesamtnote auf die Stufe 2 und die Leistungsmerkmale mit Ausnahme der Fachkompetenz jeweils um eine Stufe ab. Hieraus ergab sich für die Fachkompetenz die Stufe 1, das Sozialverhalten und die Verwendungsbreite jeweils die Stufe 3 und für die übrigen Leistungsmerkmale jeweils die Stufe 2.
Die Überbeurteilungen vom 27. August 2009 und 30. November 2009 wurden der Beigeladenen zu 1 bzw. dem Antragsteller zugestellt. Beurteilungsgespräche hatte der Präsident des Antragsgegners vor der Fertigstellung der Überbeurteilungen nicht durchgeführt.
In einem in dem Auswahlvorgang des Antragsgegners befindlichen handschriftlichen Vermerk vom 6. Dezember 2010 führte ein Mitarbeiter des Antragsgegners aus, die beiden Beigeladenen hätten in ihren Beurteilungen und auch bei den Einzelmerkmalen jeweils die Gesamtnote 2 erhalten. Der Antragsteller habe bei dem Leistungsmerkmal der Fachkompetenz zwar die Stufe 1 erhalten, bei zwei anderen Merkmalen aber die Stufe 3. Danach sei den beiden Beigeladenen der Vorrang zu gewähren.
Der Antragsteller legte gegen die ihm mit Schreiben vom 13. Dezember 2010 mitgeteilte Auswahlentscheidung Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2010 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Dagegen hat der Antragsteller am 24. Januar 2011 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist. Am 17. März 2011 hat der Antragsgegner seinen Widerspruchsbescheid vom 27. Dezember 2010 aufgehoben, weil er zwischenzeitlich festgestellt hatte, dass es keines Vorverfahrens bedürfe. Die Auswahlentscheidung hielt der Antragsgegner jedoch aufrecht.
Den am 30. Dezember 2010 gestellten Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Juni 2011 abgelehnt, weil der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht habe, dass sein Anspruch auf eine verfahrens- und ermessensfehlerfreie Auswahlentscheidung verletzt sei. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig und begründet.
Die von dem Antragsteller mit seiner Beschwerde vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, erfordern eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Der Antragsteller hat unter Berücksichtigung seines Beschwerdevorbringens nicht nur einen Anordnungsgrund, sondern - entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts - auch einen Anordnungsanspruch in Gestalt der Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht.
Die von dem Antragsteller angegriffene Auswahlentscheidung des Antragsgegners erweist sich bei der auch im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen umfassenden tatsächlichen und rechtlichen Überprüfung - die Verwaltungsgerichte dürfen sich bei der rechtlichen Überprüfung der Bewerberauswahl im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht auf eine wie auch immer geartete summarische Prüfung beschränken (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - 2 C 16.09 -, [...]; Nds. OVG, Beschluss vom 8.6.2011 - 5 ME 91/11 -, [...]) - als rechtsfehlerhaft. Denn die Auswahlentscheidung trägt dem in Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG verankerten Leistungsprinzip nicht hinreichend Rechnung.
Eine Auswahlentscheidung ist allein auf der Grundlage der Bewertung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung der Bewerber zu treffen (Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG) und unterliegt nur einer eingeschränkten richterlichen Kontrolle dahingehend, ob die Verwaltung den anzuwendenden Rechtsbegriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien verstoßen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.1.2003 - 2 A 1.02 -, [...]; Nds. OVG, Beschluss vom 23.6.2011 - 5 ME 181/11 -). Erweist sich anhand dieses Maßstabs die Auswahlentscheidung als fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass der Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung des Antragsgegners ausgewählt werden wird (siehe dazu BVerfG, Beschluss vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, [...]; Nds. OVG, Beschluss vom 24.2.2010 - 5 ME 16/10 -, [...]), hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg.
Die Beachtung des gesetzlichen Rahmens gebietet es, bei Anwendung des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 9 BeamtStG die den Bewerbern erteilten dienstlichen Beurteilungen in erster Linie zu berücksichtigen. Hierbei kommt der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig besondere Bedeutung zu, weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich von Leistung, Befähigung und Eignung auf den aktuellen Stand abzustellen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - 2 C 16.02 -, [...]; Nds. OVG, Beschluss vom 23.6.2011 - 5 ME 181/11 -). Aus dieser Rechtsprechung und den eingangs zitierten Grundsätzen ergibt sich auch, dass eine Auswahlentscheidung im Hinblick auf die ihr zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung nur dann als rechtswidrig angesehen werden kann, wenn sich die zugrunde liegende dienstliche Beurteilung bereits in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als rechtswidrig erweist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 23.6.2011 - 5 ME 181/11 -; Beschluss vom 15.9.2010 - 5 ME 181/10 -, [...]). So verhält es sich entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall. Denn die dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 19. Mai 2009 ist in der Gestalt, die sie durch die Überbeurteilung des Präsidenten des Antragsgegners vom 30. November 2009 gefunden hat, rechtsfehlerhaft.
Obwohl dienstliche Beurteilungen - wie ausgeführt wurde - eine zentrale Bedeutung im Rahmen von Entscheidungen nach Art. 33 Abs. 2 GG haben, hat sich die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung bei dienstlichen Beurteilungen darauf zu beschränken, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich bewegen kann, verkannt, ob er einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat. Wenn der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, sind die Beurteiler aufgrund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden. Das Gericht hat dann auch zu kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten sind, ob sie im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung verbleiben und ob sie auch sonst mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.6.2009 - 2 B 64.08 -, [...]; Nds. OVG, Beschluss vom 12.4.2011 - 5 LA 50/10 -).
Die Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 19. Mai 2009 weist in der Gestalt, die sie durch die Überbeurteilung des Präsidenten des Antragsgegners vom 30. November 2009 gefunden hat, einen auf die von dem Antragsteller angegriffene Auswahlentscheidung durchschlagenden Fehler auf.
Die vorgenannte Anlassbeurteilung ist formell fehlerhaft, weil der Präsident des Antragsgegners es versäumt hat, dem Antragsteller vor der Fertigstellung der Überbeurteilung vom 30. November 2009 Gelegenheit zu geben, sich in einem Gespräch zu der in Aussicht genommenen abweichenden Stellungnahme zu äußern. Darin liegt ein Verstoß gegen die "Richtlinien für die dienstliche Beurteilung von Beamtinnen und Beamten im Niedersächsischen Justizministerium, bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften sowie bei der Norddeutschen Fachhochschule für Rechtspflege" vom 25. Mai 2005 (- BeurtAV -, Nds. Rpfl. S 176; geändert am 15.4.2009, Nds. Rpfl. S. 154).
In Abschnitt VI. Nr. 2. Satz 1 BeurtAV ist für Überbeurteilungen geregelt, dass die Behördenleitung sowie die Leitung der übergeordneten Behörden nach Überprüfung der Beurteilung eine Stellungnahme beifügen oder eine eigene Beurteilung erstellen, die die Ausgangsbeurteilung ersetzt. Soweit eine abweichende Stellungnahme oder eine eigene Beurteilung erfolgt, gelten gemäß Abschnitt VI. Nr. 2. Satz 2 BeurtAV die Regelungen des Abschnitts V. Nr. 2. und 3. BeurtAV entsprechend. In Abschnitt V. Nr. 2. BeurtAV ist bestimmt worden, dass der Beamte vor der Fertigstellung der Beurteilung Gelegenheit erhält, sich in einem Gespräch zu der in Aussicht genommenen Beurteilung zu äußern. Gegen diese Bestimmung, gegen deren Rechtmäßigkeit keine Bedenken bestehen, hat der Präsident des Antragsgegners verstoßen. Dass im hier maßgeblichen Zeitpunkt der Fertigung der Überbeurteilung die Beurteilungsrichtlinien allgemein entgegen ihrem Wortlaut gehandhabt worden sind und dass das Niedersächsische Justizministerium eine solche von den Vorgaben der Beurteilungsrichtlinien abweichende ständige Verwaltungspraxis gebilligt oder doch geduldet hat (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerwG, Urteil vom 17.1.1996 - 11 C 5.95 -, [...]; Urteil vom 2.3.1995 - 2 C 17.94 -, [...]; Nds. OVG, Beschluss vom 9.2.2000 - 2 M 4517/99 -, [...]; OVG Greifswald, Beschluss vom 16.8.2010 - 2 M 127/10 -, [...]), ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, bei der Auslegung der gemäß Abschnitt VI. Nr. 2. Satz 2 BeurtAV lediglich entsprechend anwendbaren Vorschrift des Abschnitts V. Nr. 2. BeurtAV ergebe sich, dass bei Überbeurteilungen, die ausschließlich die Beurteilungsgerechtigkeit und Gleichbehandlung sicherstellen sollten, der Präsident des Antragsgegners "allein aufgrund der herausgehobenen Stellung im hierarchischen Behördengefüge und der damit verbundenen großflächigen Übersicht über Notenstruktur und Beurteilungsmaßstab" ohne Durchführung eines Beurteilungsgesprächs habe entscheiden dürfen, geht fehl. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts widerspricht dem eindeutigen Wortlaut der genannten Bestimmungen der Beurteilungsrichtlinien, die eine Auslegung in der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Weise nicht zulassen. Der Umstand, dass die Vorschrift des Abschnitts V. Nr. 2. BeurtAV gemäß Abschnitt VI. Nr. 2. Satz 2 BeurtAV lediglich für entsprechend anwendbar erklärt worden ist, vermag nichts daran zu ändern, dass der Präsident des Antragsgegners nach Maßgabe der Vorgaben des Abschnitts V. Nr. 2. BeurtAV zu verfahren hatte.
Der vorstehend dargestellte Verfahrensfehler ist nicht dadurch geheilt worden, dass ein nachgeordneter Mitarbeiter des Präsidenten des Antragsgegners auf die Einwände, die der Antragsteller mit Schreiben vom 30. Dezember 2009 gegen die Überbeurteilung erhoben hat, mit dem Antragsteller am 8. Februar 2010 ein so genanntes Personalgespräch geführt hat, in dem der Mitarbeiter ausweislich eines im Auswahlvorgang befindlichen Bleistiftvermerks "Gründe erläutert" hat. Die Vorschrift des § 46 VwVfG über die Unbeachtlichkeit von Verfahrensfehlern ist nicht auf Regelungen anwendbar, die nach ihrem Sinn und Zweck einer bestimmten Befriedungs- und Konsensfunktion einem Verfahrensbeteiligten eine vom Ausgang des Verfahrens unabhängige, selbständig durchsetzbare Verfahrensposition einräumen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 28.4.2009 - 1 WB 29.08 -, [...]). Um eine solche Regelung handelt es sich auch bei Abschnitt V. Nr. 2. BeurtAV. Die Vorschrift dient ersichtlich dem Zweck, im Wege der Erörterung vor der abschließenden Festlegung des Beurteilers auf dessen Stellungnahme Einfluss zu nehmen. Diesem Zweck kann eine nachträgliche Erörterung nicht gerecht werden, da sich die Meinung des Beurteilers dann schon verfestigt hat (vgl. ebenso OVG Greifswald, Beschluss vom 16.8.2010, a.a.O.).
Die formelle Fehlerhaftigkeit der Überbeurteilung vom 30. November 2009 schlägt auf die von dem Antragsteller angegriffene Auswahlentscheidung durch, weil die Überbeurteilung zur Folge gehabt hat, dass die beiden Beigeladenen dem Antragsteller vorgezogen worden sind. Nach der dem Antragsteller am 19. Mai 2009 von dem Direktor des Amtsgerichts D. erteilten dienstlichen Beurteilung, gegen die der Präsident des Landgerichts D. im Rahmen seiner Überbeurteilung vom 3. Juni 2009 keine Bedenken erhoben hatte, wäre der Antragsteller zumindest dem Beigeladenen zu 2 vorzuziehen gewesen, da der Antragsteller im Gesamtergebnis die Stufe 1 erzielt hatte, während der Beigeladene zu 2 in der am 20. April 2009 von dem Direktor des Amtsgerichts F. erstellten und unverändert gebliebenen Beurteilung im Gesamtergebnis lediglich mit der Stufe 2 bewertet worden ist.
Die Überbeurteilung der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers, die der Präsident des Antragsgegners am 30. November 2009 gefertigt hat, ist darüber hinaus auch in der Sache nicht geeignet, die Absenkung der Gesamtnote und der Noten der meisten Einzelmerkmale zu tragen. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Präsident des Antragsgegners die dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 19. Mai 2009 nicht nach Maßgabe des Abschnitts VI. Nr. 2 Satz 1 BeurtAV durch eine eigene und vollständig neue dienstliche Beurteilung ersetzt hat. Der Präsident des Antragsgegners hat der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers vom 19. Mai 2009 mit der Überbeurteilung vom 30. November 2009 vielmehr lediglich eine abweichende Stellungnahme im Sinne des Abschnitts VI. Nr. 2 Sätze 1 und 2 BeurtAV beigefügt, mit der er die Gesamtnote und die Noten der meisten Einzelmerkmale abgesenkt hat. Die zusammenfassende Gesamtwürdigung der Beurteilung vom 19. Mai 2009 ist zwar mit einem Bleistift mit einer Frage sowie mit einem Kugelschreiber mit einem Fragezeichen versehen worden. Der zusammenfassende Text ist jedoch nicht verändert worden. Es ist zumindest aber weder in der zusammenfassenden Gesamtwürdigung der Beurteilung vom 19. Mai 2009 noch in der Überbeurteilung vom 30. November 2009 deutlich gemacht worden, welche Passagen der zusammenfassenden Gesamtwürdigung noch Bestand haben sollen bzw. inwieweit der Text durch die Überbeurteilung vom 30. November 2009 ersetzt worden sein soll. Die dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 19. Mai 2009 genügt deshalb in der Gestalt, die sie durch die Überbeurteilung des Präsidenten des Antragsgegners vom 30. November 2009 gefunden hat, nicht dem Plausibilitätsgebot.
Der zuständige Überbeurteiler darf zwar von der Beurteilung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten abweichen, wenn er dies im Interesse der Durchsetzung einheitlicher Beurteilungsmaßstäbe für seinen gesamten Geschäftsbereich als geboten erachtet oder wenn er aufgrund eigener Wahrnehmungen und Eindrücke oder indirekter Erkenntnisquellen im Einzelfall selbst zu einer anderen Einschätzung des Beamten in der Lage ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2008 - 2 A 7.07 -, [...]; Schnellenbach, Die dienstliche Beurteilung der Beamten und der Richter, Rn. 270 m.w.N.). Dabei hat er seine Entscheidung jedoch plausibel zu machen. Der abschließende Beurteiler ist zur Plausibilisierung seiner Werturteile in einer Weise verpflichtet, die über eine formelhafte Behauptung hinausgeht und die Gründe und Argumente des Dienstherrn für den Beamten einsichtig und für außen stehende Dritte nachvollziehbar macht (vgl. OVG Münster, Urteil vom 31.5.2007 - 1 A 2601/05 -, [...]). Sofern der Überbeurteiler - wie hier - im Interesse der Durchsetzung einheitlicher Beurteilungsmaßstäbe von der Beurteilung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten abweicht, erfordert es der Anspruch sowohl aus Art. 33 Abs. 2 GG als auch - bezogen auf das gerichtliche Verfahren - aus Art. 19 Abs. 4 GG, dass die breiteren, auf den gesamten Geschäftsbereich bezogenen Vergleichsdaten nachvollziehbar in die Bewertung einbezogen werden. Die nach den Beurteilungsrichtlinien bestehende Möglichkeit, die Beurteilung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten durch eine Überbeurteilung vollständig oder teilweise zu ersetzen, um sie - wie hier - einem strengeren Maßstab anzupassen, macht es besonders erforderlich, an die Überbeurteilung dieselben Maßstäbe anzulegen wie an die Beurteilung, die der unmittelbare Dienstvorgesetzte zu fertigen hat. Will der Überbeurteiler die Beurteilung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten nicht vollständig ersetzen, sondern lediglich verändern, muss er diese Veränderung im Einzelnen nachvollziehbar begründen. Er muss dafür Sorge tragen, dass die Überbeurteilung und die Reste der ursprünglichen Beurteilung zusammenpassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2008, a.a.O.). Diesen Maßgaben entspricht die streitige Überbeurteilung vom 30. November 2009 nicht.
Der Präsident des Antragsgegners hat im ersten Absatz der Überbeurteilung in zutreffender Weise darauf hingewiesen, dass es ihm obliege, einen einheitlichen Beurteilungsmaßstab anzulegen und insoweit einen Quervergleich vorzunehmen. Sodann hat er ausgeführt:
"Herr A. hat seine Leistungen weitgehend im oberen Bewertungsbereich erbracht. Nach dem Maßstabsverständnis der Beurteilerkonferenz für die Beurteilung der Beamtinnen und Beamten im statusrechtlichen Amt der Besoldungsgruppe A 13 BBesO führt diese Tatsache zunächst "nur" zur Zuordnung zur Notenstufe 3. Um darüber hinaus eine Einstufung der Leistungen in den Einzelmerkmalen in Notenstufe 2 oder 1 zu bejahen, bedarf es besonderer qualitativer und quantitativ erkennbarer Heraushebungsnachweise. Soweit im Einzelfall besondere Leistungen festgestellt wurden, sind diese bei den Einzelmerkmalen auch entsprechend herausgehoben bewertet worden."
Im Anschluss an diese Ausführungen hat der Präsident des Antragsgegners ohne weitergehende Erläuterungen dargelegt, dass der Antragsteller bei Anlegung eines bezirkseinheitlichen Beurteilungsmaßstabs mit der Gesamtnote der Stufe 2 zu bewerten sei und dass das Leistungsmerkmal der Fachkompetenz mit der Stufe 1, das Sozialverhalten und die Verwendungsbreite jeweils mit der Stufe 3 und die übrigen Leistungsmerkmale jeweils mit der Stufe 2 zu bewerten seien. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass sich der Präsident des Antragsgegners im Wesentlichen damit begnügt hat, die Beurteilung des Antragstellers vom 19. Mai 2009 sowohl in den meisten Leistungsmerkmalen als auch in der Gesamtnote allein mit der sinngemäßen Begründung pauschal um eine Note zu verschlechtern, dass dies zur Wahrung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs erforderlich sei. Eine eigene darüber hinausgehende und nachprüfbare verbale Begründung, die nachvollziehbar macht, warum die Bewertung der meisten Leistungsmerkmale um eine Stufe abgesenkt worden ist, während es bei dem Leistungsmerkmal der Fachkompetenz bei der Stufe 1 geblieben ist, ist nicht erfolgt. Die Begründung, es bedürfe "besonderer qualitativer und quantitativ erkennbarer Heraushebungsnachweise", um bei den einzelnen Leistungsmerkmalen die Stufe 2 oder die Stufe 1 vergeben zu können, ist unsubstantiiert und formelhaft. Diese Verfahrensweise hat dazu geführt, dass weder die Vergleichsmaßstäbe erkennbar sind, die Anlass für die Herabsetzung der Noten gewesen sein sollen, noch nachvollziehbar ist, wieso die zusammenfassende Beurteilung des Direktors des Amtsgerichts D., die nach dessen Votum den vergebenen Noten entspricht und die der Präsident des Antragsgegners nicht verändert hat, nun ohne Weiteres auch der deutlich schlechteren Überbeurteilung entsprechen soll. Angesichts des Umstandes, dass dem Antragsteller in der unverändert gebliebenen zusammenfassenden Beurteilung des Direktors des Amtsgerichts D. beispielsweise eine hervorragende Arbeitszuverlässigkeit und ein herausragendes Engagement attestiert worden ist, ist nicht nachvollziehbar, warum der Präsident des Antragsgegners auch bei Anlegung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs für die Leistungsmerkmale der Arbeitszuverlässigkeit und der Belastbarkeit nicht jeweils die Stufe 1 vergeben hat. Der Beurteiler hat dafür Sorge zu tragen, dass der Beamte die Beurteilung sowohl hinsichtlich der Noten als auch hinsichtlich der verbalen Begründung nachvollziehen kann. Dazu gehört auch, dass im Falle einer Herabsetzung der Ausgangsbeurteilung die Gründe dafür nicht nur angedeutet, sondern so dargestellt werden, dass sie für den beurteilten Beamten verständlich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.12.2008, a.a.O.). Das ist vorliegend nicht geschehen.
Nach alledem erweist sich die dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 19. Mai 2009 in der Gestalt, die sie durch die Überbeurteilung des Präsidenten des Antragsgegners vom 30. November 2009 gefunden hat, sowohl als formell als auch als materiell rechtsfehlerhaft. Dies hat die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung zur Folge. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers ist hierdurch verletzt, da sich nicht ausschließen lässt, dass er bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommt. Denn den Verwaltungsgerichten ist es verwehrt, hinsichtlich der Frage, ob die Auswahl des unterlegenen Bewerbers als möglich erscheint, eine Prognose über den Inhalt einer neu zu fertigenden Beurteilung anzustellen und ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Denn hierfür ist allein der Dienstherr zuständig. Mutmaßungen über den Inhalt einer neu zu fertigenden (Anlass-)Beurteilung sind vom Verwaltungsgericht nicht anzustellen und auch nicht nachzuvollziehen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 13.12.2010 - 5 ME 232/10 -, [...]; Beschluss vom 15.9.2010 - 5 ME 181/10 -, [...]).