Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.09.2011, Az.: 11 ME 261/11

Verwaltungsaktqualität des standardmäßigen Fragebogens für die Gebäude- und Wohnungszählung sowie für die Haushaltsstichprobe des Zensusgesetzes 2011

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
12.09.2011
Aktenzeichen
11 ME 261/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 25558
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0912.11ME261.11.0A

Fundstellen

  • DÖV 2011, 942
  • NdsVBl 2011, 350-351
  • NordÖR 2011, 566

Amtlicher Leitsatz

Bei dem standardmäßigen Fragebogen für die Gebäude- und Wohnungszählung gemäß § 6 des Zensusgesetzes 2011 und für die Haushaltsstichprobe gemäß § 7 des Zensusgesetzes 2011 handelt es sich jeweils nicht um einen Verwaltungsakt. Erst wenn der Fragebogen nicht oder unvollständig beantwortet wird, ist es Aufgabe der mit der Durchführung der Befragung beauftragten Behörden, den Auskunftspflichtigen zur Auskunftserteilung durch Verwaltungsakt aufzufordern.

Gründe

1

Soweit die Beschwerde - hinsichtlich des ursprünglich unter Ziffer 1 verfolgten Antrages - mit Schriftsatz vom 5. September 2011 zurückgenommen worden ist, ist das Beschwerdeverfahren mit der Kostenfolge des § 155 Abs. 2 VwGO einzustellen.

2

Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass sich insoweit keine andere Kostenverteilung ergeben hätte, wenn der Senat die Erklärung der Antragsteller nicht als Rücknahme, sondern als Erledigung der Hauptsache verstanden hätte. In diesem Fall hätten die Antragsteller insoweit ebenfalls die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen müssen, und zwar nach § 154 Abs. 2 bzw. § 161 Abs. 2 VwGO. Denn es ist nicht nachträglich ein erledigendes Ereignis eingetreten. Vielmehr hatte der Antrag zu Ziffer 1, "die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 31. Mai 2011 gegen die Verfügungen des Antragsgegners ..." anzuordnen, schon von Anfang an keine Erfolgsaussicht. Dies gilt unabhängig von der Rechtsnatur der angegriffenen Schreiben schon deshalb, weil nach § 8a Nds. AG VwGO insoweit ein Widerspruchsverfahren unstatthaft ist und die aufschiebende Wirkung eines unstatthaften Widerspruches auch verwaltungsgerichtlich nicht angeordnet werden kann.

3

Im Übrigen, d.h. hinsichtlich der Ablehnung des erstinstanzlichen Antrages zu Ziffer 2, ist die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zulässig, aber unbegründet. Mit diesem Antrag soll dem/der "Antragsgegner(in) per einstweiliger Anordnung aufgegeben werden, bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängigen oder eines anhängigen Musterverfahrens (Az.: n.n.) keine weitere(n) Erhebungen zu Lasten der Antragsteller(in) und/oder die Datenzusammenführung nach § 12 ZensG zu vollziehen."

4

Wie das Verwaltungsgericht unter ergänzender Bezugnahme auf die Antragserwiderung vom 5. Juli 2011 ausgeführt hat, fehlt es diesem Antrag schon an der hinreichenden Bestimmtheit; denn es ist nicht zu erkennen, welches von den Antragstellern dem Antragsgegner zugerechnete zukünftige hoheitliche Handeln im Vollzug des Zensusgesetzes 2011 vom 8. Juli 2009 (BGBl. I S. 1781) und ggf. ergänzender bundes- sowie landesrechtlicher Bestimmungen (vgl. Nds. AG ZensG 2011 vom 16.10.2010, Nds. GVBl. S. 458) konkret untersagt werden soll. Dies wird auch aus der Begründung der Beschwerde nicht ersichtlich.

5

Soweit sich dieser Antrag u.a. gegen die Haushaltsbefragung auf Stichprobenbasis nach § 7 ZensG richten sollte, fehlte dem Antragsgegner im Übrigen bereits die erforderliche Passivlegitimation. Denn diese Befragung wird in Niedersachsen nach §§ 1 Abs. 4, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Nds. AG ZensG von örtlichen kommunalen Erhebungsstellen im übertragenen Wirkungskreis wahrgenommen, so dass ein entsprechendes Anfechtungs- oder Unterlassungsbegehren gegen die jeweils zuständige Kommune zu richten wäre, § 78 Abs. 1 VwGO, § 8 Abs. 2 Nds. AG VwGO. Ergänzend ist insoweit auf die ausdrückliche gesetzliche Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 Nds. AG ZensG 2011 zu verweisen. Danach haben die örtlichen Erhebungsstellen die Auskunftspflichtigen "erforderlichenfalls" durch Verwaltungsakt zur Auskunftserteilung aufzufordern. Daraus folgt, dass es sich aus Sicht des niedersächsischen Gesetzgebers (vgl. ergänzend LT-Drs. 16/2583, S. 21) nicht schon bei der standardmäßigen Übersendung von Fragebögen zur Haushaltsbefragung um einen Verwaltungsakt handelt, sondern ein solcher einzelfallbezogen erst dann erforderlich ist, wenn daraufhin keine bzw. eine unvollständige Antwort erfolgt. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Antragsteller daher insoweit auf vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine etwaige spätere förmliche Heranziehung (zur Haushaltsbefragung) durch Verwaltungsakt verwiesen (vgl. ergänzend zu dortigen landesrechtlichen Verfahren neben dem bereits vom Antragsgegner angeführten Beschluss des VG Frankfurt v. 22.6.2011 - 5 L 1559/11F - auch den Beschluss des VG Berlin v. 22.8.2011 - 6 L 1/11 - sowie aus der Rechtsprechung zur Volkszählung 1987 etwa Beschl. des OVG Bremen v. 21.10.1987 - 1 B 86/87 -, NVwZ 1988, 2058).

6

Gleiches gilt hinsichtlich der vom Antragsgegner in Niedersachsen durchzuführenden Gebäude- und Wohnungszählung nach § 6 ZensG. Zwar fehlt insoweit eine § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 Nds. AG ZensG 2011 entsprechende ausdrückliche Regelung, da sie offenbar für nicht erforderlich gehalten worden ist. Jedenfalls ist aber kein Grund dafür ersichtlich, warum der Antragsgegner - wie vom ihm vorgetragen - bei der Erhebung nach § 6 ZensG nicht entsprechend vorgehen, also erst nach einem erfolglosen Bemühen um eine "freiwillige" vollständige Auskunft die Auskunftspflicht der Betroffenen förmlich durch Verwaltungsakt und entsprechende Vollstreckungsmaßnahmen durchsetzen darf. Dass der Antragsgegner beabsichtige, die nach § 6 ZensG von den Antragstellern zu erhebenden Daten zukünftig anderweitig zu erlangen, und sie deshalb nicht auf einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen ihre förmliche Heranziehung verwiesen werden dürften, ist von ihnen nicht konkret vorgetragen worden und auch sonst nicht zu erkennen.

7

Soweit sich die Antragsteller schließlich gegen eine "Datenzusammenführung nach § 12 ZensG" wenden, ist im Hinblick auf die Vielzahl der unterschiedlichen Regelungen und Zuständigkeiten in § 12 ZensG nicht ansatzweise zu erkennen, wogegen sich ihr Begehren konkret richtet. Im Übrigen können bislang von ihnen noch gar nicht nach §§ 6, 7 ZensG erhobene Daten auch nicht zusammengeführt werden. Welche anderen personenbezogenen Daten in Vollzug des Zensusgesetzes bereits erhoben worden sein und künftig vom Antragsgegner nach § 12 ZensG - nach Ansicht der Antragsteller zu Unrecht - zusammengeführt werden sollen, erschließt sich aus ihrem Vorbringen ebenfalls nicht.