Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.05.2020, Az.: 5 ME 76/20

Probezeit; Vorbeurteilung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.05.2020
Aktenzeichen
5 ME 76/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72028
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 03.03.2020 - AZ: 6 B 3607/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Sind die Bewerber nach der umfassenden inhaltlichen Auswertung ihrer aktuellen Beurteilungen ("ausschärfende Betrachtung") als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann die Behörde grundsätzlich auf die Vorbeurteilungen der Bewerber abstellen oder ein strukturiertes Auswahlgespräch führen. Sehen die Beförderungsrichtlinien nach der Auswertung der aktuellen Beurteilungen die Auswertung der Vorbeurteilungen der Bewerber vor, so hat eine Auswertung der Vorbeurteilungen auch dann zu erfolgen, wenn für einige der Bewerber noch keine Regel(Vor-)beurteilungen vorliegen, weil sie sich zum Stichtag noch in der Probezeit befunden haben.

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 6. Kammer - vom 3. März 2020 geändert.

Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die Beigeladenen zu 1. und 3. in das Amt einer Polizeioberkommissarin/eines Polizeioberkommissars (Besoldungsgruppe A 10) zu befördern, solange nicht über die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2019 bestandskräftig entschieden worden ist.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 3. sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 24.241,44 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Zentralen Kriminalinspektion G. -Stadt standen für die Beförderungsrunde zum 1. Dezember 2019 insgesamt 3 Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 10 zur Verfügung.

Der 1979 geborene Antragsteller steht im Statusamt eines Kriminalkommissars (Besoldungsgruppe A 9) im niedersächsischen Polizeidienst. Er bestand seine Laufbahnprüfung am 17. September 2008. In seiner aktuellen Regelbeurteilung zum Stichtag 1. September 2017 (Beurteilungszeitraum 2014 bis 2017) erreichte er das Gesamturteil „C - entspricht voll den Anforderungen“ (= dritthöchste von insgesamt 5 Wertungsstufen) mit der Binnendifferenzierung „mittlerer Bereich“ (= mittlere von insgesamt 3 Differenzierungsvarianten). Bei den 8 Einzelleistungsmerkmalen erhielt er sechsmal die Wertungsstufe „C“ und zweimal die Wertungsstufe „B - übertrifft erheblich die Anforderungen“ (= zweithöchste Wertungsstufe). In seiner Vorbeurteilung, der Regelbeurteilung zum Stichtag 1. September 2014 (Beurteilungszeitraum 2011 bis 2014), hatte der Antragsteller ebenfalls das Gesamturteil „C - mittlerer Bereich“ erreicht. Bei den 8 Einzelleistungsmerkmalen hatte er siebenmal die Wertungsstufe „C“ und einmal die Wertungsstufe „B“ erhalten.

Die Beigeladenen zu 1. bis 3. stehen ebenfalls im Statusamt eines Kriminalkommissars bzw. Polizeikommissars (Besoldungsgruppe A 9) im niedersächsischen Polizeidienst. Der Beigeladene zu 1. bestand die Laufbahnprüfung am 27. März 2006 und der Beigeladene zu 2. am 21. März 2007. Die Beigeladene zu 3. nahm vom 12. Mai 2008 bis zum 11. Juli 2008 an einer 2-monatigen Einführungszeit in der Polizeidirektion G. -Stadt. teil und stieg mit der Ernennung zur Kriminalkommissarin am 14. Juli 2008 in den gehobenen Dienst auf. Die Beigeladenen zu 1. bis 3. wurden in der aktuellen Regelbeurteilung zum Stichtag 1. September 2017 (Beurteilungszeitraum 2014 bis 2017) mit dem Gesamturteil „C - mittlerer Bereich“ beurteilt, wobei sie - wie der Antragsteller - sechsmal die Wertungsstufe „C“ und zweimal die Wertungsstufe „B“ erhielten. In ihren Vorbeurteilungen zum Stichtag 1. September 2014 (Beurteilungszeitraum 2011 bis 2014) hatten die Beigeladenen jeweils das Gesamturteil „C - mittlerer Bereich“ erreicht. Bei den 8 Einzelleistungsmerkmalen hatte der Beigeladene zu 2. - wie der Antragsteller - siebenmal die Wertungsstufe „C“ und einmal die Wertungsstufe „B“ erhalten, die Beigeladenen zu 1. und 3. hatten dagegen durchgängig die Wertungsstufe „C“ erreicht.

Die Antragsgegnerin entschied, die Beigeladenen zu 1. bis 3., nicht aber den Antragsteller in ein Amt der Besoldungsgruppe A 10 zu befördern. In ihrem Auswahlvermerk vom 12. Dezember 2019 legte sie dar, dass zunächst die Leistungskriterien entsprechend Ziffer 3.1 ihrer Beförderungsrichtlinien in Augenschein genommen worden seien. Die Auswahl sei zunächst mit Blick auf das Gesamturteil und die Binnendifferenzierung der aktuellen dienstlichen Beurteilung (Stichtag: 1.9.2017) erfolgt. Von insgesamt 42 Polizei- bzw. Kriminalkommissaren seien die leistungsstärksten 29 Beamten mit dem Gesamturteil „C - mittlerer Bereich“ beurteilt worden. Es sei dann die ausschärfende Betrachtung aller gleichrangigen Einzelleistungsmerkmale vorgenommen worden. Anhand dessen sei festgestellt worden, dass die acht leistungsstärksten Beamten in den Einzelleistungsmerkmalen jeweils zweimal ein „B“ und sechsmal ein „C“ erhalten hätten. Als weiteres unmittelbar leistungsbezogenes Kriterium wäre grundsätzlich auf die Vollnote der Vorbeurteilung abzustellen gewesen. Die Prüfung der Vorbeurteilungen zum Stichtag 1. September 2014 habe ergeben, dass sieben Beamte mit der Wertungsstufe „C“ und der Binnendifferenzierung „mittlerer Bereich“ und ein Beamter mit dem Gesamturteil „C - unterer Bereich“ beurteilt worden seien. Zwei dieser Beamten hätten jedoch zum Stichtag 1. September 2014 keine Vorbeurteilung in Form einer Regelbeurteilung erhalten. Für sie lägen nur „Probezeitbeurteilungen“, d. h. Beurteilungen zwei Monate vor Ablauf der Probezeit bzw. zwei Monate vor Ablauf der Hälfte der Probezeit, vor. Nach der Rechtsprechung seien Regel- und Probezeitbeurteilungen nicht vergleichbar. Da ein Vergleich der Vorbeurteilungen nicht möglich sei, weil zwei Beamte der Vergleichsgruppe keine Vorbeurteilungen besäßen, sei stattdessen auf ein leistungsnahes Hilfskriterium abzuheben. Die acht Beamten seien „im Wesentlichen“ als leistungsgleich anzusehen. Auch aus der Begründung zu der jeweiligen (aktuellen) Beurteilung sei kein Leistungsunterschied erkennbar. Für die Reihenfolge in der Beförderungsauswahl sei auf das „herausgehobene und leistungsnahe Hilfskriterium“ Datum der Laufbahn-/Aufstiegsprüfung abzustellen. Nach Ziffer 3.2.1 der Beförderungsrichtlinien sei entscheidungserheblicher Stichtag hierbei der erste Tag des Folgemonats. Ein Beamter habe die Laufbahnprüfung am 1. April 2006 erfolgreich abgelegt. Das nächstfolgende Datum sei der 1. April 2007. Diese Differenz sei entscheidungserheblich. Es werde daher vorgeschlagen, die erste zugewiesene Stelle für den Beigeladenen zu 1. zu verwenden. Das nächstfolgende Datum zum Beamten mit der am 1. April 2007 erfolgreich abgelegten Laufbahnprüfung sei der 1. Juli 2008. Diese Differenz sei entscheidungserheblich. Es werde vorgeschlagen, die zweite zu besetzende Stelle für den Beigeladenen zu 2. zu verwenden. Das nächstfolgende Datum zu der zum 1. Juli 2008 ernannten Kommissarin sei der 1. Oktober 2008. Diese Differenz sei entscheidungserheblich. Es werde vorgeschlagen, die dritte zugewiesene Stelle für die Beigeladene zu 3. zu verwenden.

Die Auswahlentscheidung wurde dem Antragsteller am 16. Dezember 2019 zur Kenntnis gegeben.

Den Antrag des Antragstellers auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht Oldenburg mit Beschluss vom 3. März 2020 abgelehnt. Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt. Die Beigeladenen haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Nachdem der Antragsteller erklärt hat, er habe keine Bedenken mehr im Hinblick auf die Beförderung des Beigeladenen zu 2., ist der Beigeladene zu 2. zwischenzeitlich zum Polizeioberkommissar befördert worden.

II.

Zunächst ist klarzustellen, dass sich die Beschwerde des Antragstellers nur gegen die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin, zwei Beförderungsstellen der Besoldungsgruppe A 10 bei der Zentralen Kriminalinspektion G. -Stadt mit den Beigeladenen zu 1. und 3. zu besetzen, richtet und nicht gegen die Beförderung des Beigeladenen zu 2..

Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Die von dem Antragsteller mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Änderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Anders als das Verwaltungsgericht sieht der beschließende Senat den Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers als verletzt an.

1. Auswahlentscheidungen als Akt wertender Erkenntnis unterliegen lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 30.1.2003 - BVerwG 2 A 1.02 -, juris Rn. 11; Nds. OVG, Beschluss vom 15.11.2010 - 5 ME 244/10 -, juris Rn. 20; Beschluss vom 6.10.2011 - 5 ME 296/11 -, juris Rn. 3). Erweist sich die Auswahlentscheidung anhand dieses Maßstabs als fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass der jeweilige Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommt, erscheint eine Auswahl des jeweiligen Antragstellers also jedenfalls möglich (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, juris Rn. 11 ff.; BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 32; Nds. OVG, Beschluss vom 8.9.2011 - 5 ME 234/11 -, juris Rn. 27), hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg. Dabei darf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe nicht hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleiben (BVerwG, Urteil vom 4.11.2010, a. a. O., Rn. 32). Das bedeutet, dass sich die Verwaltungsgerichte nicht auf eine wie auch immer geartete summarische Prüfung beschränken dürfen, sondern eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl vornehmen müssen.

Der vorliegend zu beachtende rechtliche Rahmen ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 GG, wonach öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden dürfen, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen des Amtes genügen wird. Der Dienstherr darf das Amt nur dem Bewerber verleihen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Leistungsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn. 19). Dementsprechend darf die Bewerbung des Konkurrenten nur aus Gründen zurückgewiesen werden, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (BVerwG, Urteil vom 4.11.2010, a. a. O., Rn. 21; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 10).

Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind regelmäßig die aktuellen dienstlichen Beurteilungen (BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 20.6.2013, a. a. O., Rn. 21; Nds. OVG, Beschluss vom 10.10.2012 - 5 ME 235/12 -, juris Rn. 18; Beschluss vom 14.11.2013 - 5 ME 228/13 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 23.5.2014 - 5 ME 61/14 -), weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auf den aktuellen Stand abzustellen ist.

Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013, a. a. O., Rn. 21). Sofern aufgrund dieser aktuellen Beurteilungen von einer im Wesentlichen gleichen Beurteilung auszugehen ist, ist für die Auswahlentscheidung (zunächst) auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -, juris Rn. 22 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 27.5.2005 - 5 ME 57/05 -, juris Rn. 20), ehe die Heranziehung nicht leistungsbezogener Hilfskriterien in Betracht kommt. Wenn Bewerber in der aktuellen dienstlichen Beurteilung mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden sind, hat der Dienstherr (als weiteres unmittelbar leistungsbezogenes Kriterium) zunächst die aktuellen Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen (BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014 - BVerwG 2 VR 1.14 -, juris Rn. 35; Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016 - 5 ME 151/16 -, juris Rn. 19). Sind die Bewerber auch nach der umfassenden inhaltlichen Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen („ausschärfende Betrachtung“) als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann die zuständige Behörde auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte abstellen. So kann sie zum Beispiel der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren dienstlichen Beurteilungen ergibt, Vorrang einräumen (BVerwG, Beschluss vom 22.11.2012 - BVerwG 2 VR 5.12 -, juris Rn. 25, 37). Es ist aber auch nicht zu beanstanden, auf das leistungsbezogene Erkenntnismittel eines so genannten strukturierten Auswahlgesprächs zurückzugreifen (BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010 - BVerwG 1 WB 39.09 -, juris Rn. 39; Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2014 - 5 ME 177/14 -, juris Rn. 29; Beschluss vom 1.4.2016 - 5 ME 23/16 -; Beschluss vom 11.7.2016 - 5 ME 76/16 -; Beschluss vom 21.12.2016, a. a. O., Rn 23).

2. Gemessen an diesen Grundsätzen hält die zu Lasten des Antragstellers getroffene Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2019 der beschwerdegerichtlichen Überprüfung nicht stand.

Der Feststellung des Verwaltungsgerichts, es sei rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin ausweislich der aktuellen dienstlichen Beurteilungen zum Stichtag 1. September 2017 zu dem Ergebnis gelangt sei, dass der Antragsteller und die Beigeladenen zu 1. bis 3. ebenso wie weitere vier Beamte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung gleich gut für eine Beförderung geeignet seien, tritt die Beschwerde nicht entgegen. Der Antragsteller rügt allein, dass die Beigeladenen zu 1. und 3. ihm vorgezogen worden seien, obwohl sich seine dienstlichen Leistungen in der Vorbeurteilung zum Stichtag 1. September 2014 bei ausschärfender Betrachtung der Bewertung der Einzelleistungsmerkmale als besser darstellten; die Antragsgegnerin hätte - so der Antragsteller - auf das Leistungskriterium „Vorbeurteilung“ und nicht auf das Hilfskriterium „Datum der Laufbahn-/Aufstiegsprüfung“ abstellen müssen (Beschwerdebegründung - BB - vom 24.3.2020, S. 2 ff. [Bl. 74 ff./GA] und vom 22.4.2020, S. 1 f. [Bl. 87 f./GA]). Sein diesbezügliches Vorbringen führt zum Erfolg der Beschwerde.

Wie unter 1. ausgeführt, erstreckt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle (auch) darauf, ob eine Auswahlentscheidung gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstößt. Denn wenn der Dienstherr Richtlinien erlassen hat, ist er aufgrund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzuwendenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden. Das Gericht hat dann auch zu kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten worden sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen sowie mit sonstigen gesetzlichen Vorschriften im Einklang stehen.

Die Antragsgegnerin hat in Ziffer 3. ihrer Beförderungsrichtlinien vom 27. April 2017 (nachfolgend: BefRiLiPol) Auswahlkriterien festgelegt. Zu den Leistungskriterien heißt es in Ziffer 3.1. BefRiLiPol:

„Bei der Erstellung eines Auswahlvorschlags für Beförderungen sind zuerst die unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien in der folgenden Reihenfolge

- Gesamturteil der aktuellen dienstlichen Beurteilung (Vollnote)

- Binnendifferenzierung der aktuellen dienstlichen Beurteilung

Eine Binnendifferenzierung ist durch die Beurteilungsrichtlinien in der Fachrichtung Polizei ausschließlich für die Notenstufe C vorgenommen worden. Diese ist abschließend über die Bewertungszusätze „oberer Bereich“, „mittlerer Bereich“ und „unterer Bereich“ erfolgt.

- Ausschärfende Betrachtung anhand der Einzelmerkmale der aktuellen dienstlichen Beurteilung

Innerhalb der weiteren Noten- bzw. Rangstufen sowie bei gleicher Binnendifferenzierung in der Notenstufe C ist eine ausschärfende Betrachtung anhand der Einzelmerkmale der aktuellen dienstlichen Beurteilung vorzunehmen und im Hinblick auf eine entscheidungserhebliche Differenzierung zu prüfen. Der Umfang der in den Blick zu nehmenden Einzelmerkmale erstreckt sich bei den Beurteilungen nach der BRLPol auf alle Leistungsmerkmale gemäß Ziffer 5.2.3.1 BRLPol in Verbindung mit Anlage 1, Ziffer 6.

- Vorbeurteilung (Vollnote); sofern es sich dabei um eine Anlassbeurteilung handelt, ist grundsätzlich die vorherige Regelbeurteilung heranzuziehen

- Binnendifferenzierung der Vorbeurteilung

Eine Binnendifferenzierung ist durch die Beurteilungsrichtlinien in der Fachrichtung Polizei ausschließlich für die Notenstufe C vorgenommen worden. Diese ist abschließend über die Bewertungszusätze „oberer Bereich“, „mittlerer Bereich“ und „unterer Bereich“ erfolgt.

- Ausschärfende Betrachtung anhand der Einzelmerkmale der Vorbeurteilung

Innerhalb der weiteren Noten- bzw. Rangstufen sowie bei gleicher Binnendifferenzierung in der Notenstufe C ist eine ausschärfende Betrachtung anhand der Einzelmerkmale der aktuellen dienstlichen Beurteilung vorzunehmen und im Hinblick auf eine entscheidungserhebliche Differenzierung zu prüfen. Der Umfang der in den Blick zu nehmenden Einzelmerkmale erstreckt sich bei den Beurteilungen nach der BRLPol auf alle Leistungsmerkmale gemäß Ziffer 5.2.3.1 BRLPol in Verbindung mit Anlage 1, Ziffer 6.

zu prüfen.

Zur Berücksichtigung der Leistungskriterien ist jeweils die Vergleichbarkeit der verschiedenen Beurteilungsgrundlagen (Laufbahngruppe, Statusamt, Beurteilungszeitraum) zu prüfen.“

In Ziffer 3.2. BefRiLiPol heißt es zu den Hilfskriterien:

„Nach den unmittelbar leistungsbezogenen Auswahlkriterien sind bei wesentlicher Gleichheit die Auswahlentscheidungen anhand der folgenden Hilfskriterien zu treffen:

- Datum der Laufbahn-/Aufstiegsprüfung

- Zeitraum seit Beginn der Qualifizierung

- Wahrnehmung eines höherwertigen Dienstpostens

- Stehzeit im Amt

- Ergebnis der Laufbahn-/Bachelor-/Aufstiegsprüfung

- Gesamtdienstzeit

- Lebensalter.“

Für eine Beförderungsauswahl nach der Besoldungsgruppe A 10 in der Fachrichtung Polizei hat die Antragsgegnerin in Ziffer 4. BefRiLiPol das Datum der Laufbahn-/Aufstiegsprüfung als maßgeblich zu prüfendes und entscheidungserhebliches Kriterium festgelegt.

Die in Ziffer 3.1. BefRiLiPol geregelte Verfahrensweise begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Sind die Bewerber auch nach der umfassenden inhaltlichen Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen („ausschärfende Betrachtung“) als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann die zuständige Behörde auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte abstellen. Wie unter 1. ausgeführt, kann sie zum Beispiel der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren dienstlichen Beurteilungen ergibt, Vorrang einräumen (BVerwG, Beschluss vom 22.11.2012, a. a. O., Rn. 25, 37). Wird - wie in Ziffer 3.1. BefRiLiPol geregelt - die Vorbeurteilung als weiteres Auswahlkriterium herangezogen, ist nach einem Vergleich der Vollnoten der Vorbeurteilungen bei deren Gleichheit die Berücksichtigung der Binnendifferenzierungen erforderlich. Ergibt sich auch danach kein Leistungsunterschied kann - nicht muss - eine ausschärfende Betrachtung der Einzelleistungsmerkmale der Vorbeurteilungen erfolgen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016, a. a. O., Rn. 24; Beschluss vom 16.4.2018 - 5 ME 28/18 -, juris Rn. 35). Entsprechend dieser Maßgaben sind nach Ziffer 3.1. BefRiLiPol im Rahmen eines Auswahlvorschlags für Beförderungen zuerst die unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien zu prüfen. Sind die Beamten nach der Prüfung ihrer aktuellen dienstlichen Beurteilung als im Wesentlichen gleich beurteilt anzusehen, sind im nächsten Schritt die jeweiligen Vorbeurteilungen zu vergleichen, und zwar nach Spiegelstrich 4 zuerst die Vollnote der Vorbeurteilungen, sodann nach Spiegelstrich 5 die Binnendifferenzierung der Vorbeurteilungen und schließlich ist nach Spiegelstrich 6 eine ausschärfende Betrachtung der Einzelleistungsmerkmale der Vorbeurteilungen vorzunehmen.

Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2019 verstößt gegen die Regelungen in Ziffer 3.1. und 3.2. BefRiLiPol. Nach Ziffer 3.1. BefRiLiPol sind im Rahmen eines Auswahlvorschlags für Beförderungen zuerst die unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien zu prüfen. Gemäß Ziffer 3.2. BefRiLiPol sind erst nach den unmittelbar leistungsbezogenen Auswahlkriterien bei wesentlicher Gleichheit der Beurteilungen Hilfskriterien wie das Datum der Laufbahn-/Aufstiegsprüfung heranzuziehen. Ausweislich des Auswahlvermerks der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2019 hat sie zunächst anhand der aktuellen dienstlichen Beurteilungen zum Stichtag 1. September 2017 die acht leistungsstärksten Beamten (Gesamturteil „C - mittlerer Bereich“, jeweils zweimal ein „B“ und sechsmal ein „C“ in den 8 Einzelleistungsmerkmalen) ermittelt. Sie hat dann zwar erkannt, dass als weiteres unmittelbar leistungsbezogenes Kriterium auf die Vollnote der Vorbeurteilungen zum Stichtag 1. September 2014 dieser Beamten abzustellen wäre und festgestellt, die Prüfung der Vorbeurteilungen habe ergeben, dass sieben Beamte mit der Wertungsstufe „C“ und der Binnendifferenzierung „mittlerer Bereich“ und ein Beamter mit dem Gesamturteil „C - unterer Bereich“ beurteilt worden seien. Sodann hat sie jedoch ausgeführt, ein Vergleich der Vorbeurteilungen sei nicht möglich, weil zwei Beamte der Vergleichsgruppe keine Vorbeurteilungen, sondern nur „Probezeitbeurteilungen“ zum Stichtag 1. September 2014 besäßen. Statt - wie in Ziffer 3.1. BefRiLiPol festgelegt - einen Vergleich der Vorbeurteilungen der acht leistungsstärksten Beamten vorzunehmen, hat sie für die Reihenfolge in der Beförderungsauswahl als nächstes auf das Hilfskriterium „Datum der Laufbahn-/Aufstiegsprüfung“ abgestellt und die Beigeladenen zu 1. bis 3. für die Beförderung ausgewählt.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts durfte die Antragsgegnerin bei der streitgegenständlichen Auswahlentscheidung nicht von Ziffer 3.1. BefRiLiPol abweichen und im weiteren Vergleich der acht leistungsstärksten Bewerber generell auf die Heranziehung der Vorbeurteilungen - der Regelbeurteilungen zum Stichtag 1. September 2014 - verzichten.

Ist nach der inhaltlichen Ausschöpfung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Beamten ein Qualifikationsgleichstand anzunehmen, sind allerdings nach der ständigen Rechtsprechung des beschließenden Senats nicht „grundsätzlich“ - wie das Verwaltungsgericht meint (BA, S. 7) - die früheren dienstlichen Beurteilungen in den Blick zu nehmen. Ergibt sich kein Leistungsunterschied nach den aktuellen dienstlichen Beurteilungen, ist auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte abzustellen. Das können die Vorbeurteilungen sein. Es ist aber auch nicht zu beanstanden, auf das leistungsbezogene Erkenntnismittel eines so genannten strukturierten Auswahlgesprächs zurückzugreifen (BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010, a. a. O., Rn. 39; Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2014, a. a. O., Rn. 29; Beschluss vom 1.4.2016 - 5 ME 23/16 -; Beschluss vom 11.7.2016 - 5 ME 76/16 -; Beschluss vom 21.12.2016, a. a. O., Rn. 23; Beschluss vom 11.5.2020 - 5 ME 183/19 -; Beschluss vom 13.5.2020 - 5 ME 61/20 -). Erlässt der Dienstherr indes Richtlinien, wonach die Vorbeurteilungen der Beamten heranzuziehen sind, wenn sich kein Leistungsunterschied nach ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen ergibt, ist er aufgrund des Gleichheitssatzes daran gebunden. Die Antragsgegnerin hat sich in Ziffer 3.1. BefRiLiPol verpflichtend auf einen solchen Vergleich der Vorbeurteilungen der Beamten festgelegt. Gegen diese Regelung hat sie mit der streitgegenständlichen Auswahlentscheidung verstoßen.

Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen darf ein Dienstherr bei seiner Auswahlentscheidung im weiteren Leistungsvergleich generell auf die Heranziehung der Vorbeurteilungen verzichten, wenn er einen Vergleich der Vorbeurteilungen in seinen Richtlinien geregelt hat. Einen solchen Sonderfall hat der beschließende Senat angenommen, wenn in einer Vergleichsgruppe, die aus einer Vielzahl von Beamten besteht, mit Blick auf die jüngere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Plausibilisierung von Gesamturteilen bei im Ankreuzverfahren erfolgten Einzelbewertungen Vorbeurteilungen wegen mangelnder Plausibilisierung des Gesamturteils fehlerhaft sind und ein Verzicht auf die Neuerstellung der Vorbeurteilungen aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität und zur Vermeidung gegebenenfalls monatelanger Neubeurteilungsverfahren mit ungewissem Ausgang sowie der grundsätzlich erhöhten Wahrscheinlichkeit einer faktischen Unmöglichkeit der erneuten Erstellung der Vorbeurteilungen geboten ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.4.2018, a. a. O., Rn. 28 ff.).

Aus dem Auswahlvermerk der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2019 ergibt sich kein Ausnahmefall, der einen Verzicht auf den nach Ziffer 3.1. BefRiLiPol erforderlichen Vergleich der Vorbeurteilungen der acht leistungsstärksten Beamten rechtfertigte. Danach liegen für zwei dieser Beamten nur „Probezeitbeurteilungen“, d. h. Beurteilungen zwei Monate vor Ablauf der Probezeit bzw. zwei Monate vor Ablauf der Hälfte der Probezeit, vor. Die Antragsgegnerin ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass diese „Probezeitbeurteilungen“ nicht zu einem Vergleich der Vorbeurteilungen herangezogen werden können. Denn in den Beurteilungsrichtlinien für die Polizei des Landes Niedersachsen vom 11. Juli 2008 (nachfolgend: BRLPol) wird zwischen „Regelbeurteilungen“ (Ziffer 3. BRLPol) und „Sonstige Beurteilungen“ (Ziffer 4. BRLPol) differenziert. Als „Sonstige Beurteilungen“ sind unter Ziffer 4.1 BRLPol „Beurteilungen vor Ablauf der Probezeit“ und unter Ziffer 4.2 BRLPol „Beurteilungen aus sonstigem Anlass“ aufgezählt, woraus sich ergibt, dass es sich begrifflich auch bei „Probezeitbeurteilungen“ um „Anlassbeurteilungen“ handelt. Der Grundsatz, dass Anlassbeurteilungen in die Regelbeurteilungen einzubeziehen sind, gilt jedoch nicht, wenn es sich bei der in Rede stehenden Anlassbeurteilung um eine Beurteilung vor Ablauf der Probezeit handelt. Denn „Probezeitbeurteilungen“ dienen einem anderen Zweck als die unter Ziffer 4.2 BRLPol aufgezählten Anlassbeurteilungen. Der Zweck einer „Probezeitbeurteilung“ besteht darin, festzustellen, ob sich der Beamte während der Probezeit bewährt hat; die Feststellung der Bewährung enthält die Prognose, der Beamte auf Probe werde nach der Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit den Laufbahnanforderungen voraussichtlich gerecht werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.1.2009 - BVerwG 2 A 10.07 -, juris Rn. 17; Nds. OVG, Beschluss vom 9.4.2015 - 5 ME 36/15 -, juris Rn. 11 ff.; Beschluss vom 27.11.2019 - 5 ME 158/19 -). Demgegenüber dienen die „Beurteilungen aus sonstigem Anlass“ gemäß Ziffer 4.2 BRLPol der Bewertung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung des Betreffenden im Vergleich zu den Beamten in seiner Vergleichsgruppe. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 22. Januar 2009 (a. a. O., Rn. 18) herausgestellt, dass zwischen der Gruppe der Probezeitbeamten und der Gruppe der Beamten auf Lebenszeit hinsichtlich der Anforderungen an Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung keine Homogenität besteht, auch, wenn diese derselben Besoldungsgruppe angehören. Dieser Auffassung hat sich der Senat angeschlossen und deshalb die Vergleichbarkeit von Probezeit- und Regelbeurteilungen abgelehnt (Nds. OVG, Beschluss vom 22.11.2016 - 5 ME 132/16 -; Beschluss vom 27.11.2019 - 5 ME 158/19 -).

Es ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin jedoch nicht gerechtfertigt, deshalb einen Ausnahmefall anzunehmen, der einen Verzicht auf den Vergleich der für die anderen sechs leistungsstärksten Beamten vorliegenden Regel(vor-)beurteilungen zum Stichtag 1. September 2014 zulässt. Denn es ist der Normalfall, dass für sich noch nicht lange im Dienst befindliche Beamte keine vorherige Regelbeurteilung, sondern nur eine „Probezeitbeurteilung“ vorliegt. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts ist auch nicht ersichtlich, warum ein Vergleich der vorhandenen Vorbeurteilungen die zwei Beamten, die zum 1. September 2014 nur mit einer Probezeit- und nicht mit einer Regelbeurteilung beurteilt worden sind, in ihrem Bewerbungsverfahrensanspruch verletzen sollte. Auch unter Berücksichtigung des diesbezüglichen Vorbringens der Antragsgegnerin (Beschwerdeerwiderung - BE - vom 17.4.2020, S. 4 [Bl. 85/GA]) ist eine erhebliche Benachteiligung dieser Beamten nicht ersichtlich. Zum einen sind Beamte, die zum 1. September 2014 nicht mit einer Regelbeurteilung beurteilt worden sind, nicht von vornherein von einer Beförderung ausgeschlossen. Erreichen Sie in ihrer aktuellen Regelbeurteilung die im Vergleich beste Beurteilung, sind sie zu befördern. Zum anderen lassen sich aus den Vorbeurteilungen der Beförderungskandidaten - wie auch das Verwaltungsgericht angenommen hat - leistungsbezogene Aussagen, etwa zur Leistungsentwicklung herleiten. Eine solche Leistungsentwicklung haben die zwei Beamten, die zum Stichtag 1. September 2014 nur eine „Probezeitbeurteilung“ erhalten haben, jedoch im Gegensatz zu den anderen sechs leistungsstärksten Beamten, die als Vorbeurteilung die Regelbeurteilung zum Stichtag 1. September 2014 erhalten haben, aufgrund ihrer erst verhältnismäßig kurzen Stehzeit im (Eingangs-)Amt und damit in der Laufbahn sowie ihrer erst relativ kurzen Gesamtdienstzeit in der Polizei noch nicht gezeigt. Die Nichtberücksichtigung der zwei Bewerber ohne Regelbeurteilung zum Stichtag 1. September 2014 beim Vergleich der Vorbeurteilung ist systembedingt, weil sich die Antragsgegnerin in den Beförderungsrichtlinien nach der inhaltlichen Ausschärfung der aktuellen Beurteilungen auf die Heranziehung der Vorbeurteilung festgelegt hat. Wären die Beförderungsrichtlinien der Antragsgegnerin anders ausgestaltet, käme - nachdem der Vergleich der aktuellen Beurteilungen einen Leistungsgleichstand ergeben hätte - auch ein strukturiertes Auswahlgespräch mit allen acht leistungsstärksten Beamten in Betracht.

Es begegnet auch keinen durchgreifenden Bedenken, dass sich die Regel(vor-)beurteilungen der Beigeladenen zu 1. bis 3. auf einen Zeitraum von 36 Monaten (1.9.2011 bis 31.8.2014) beziehen, während die des Antragstellers nur einen Zeitraum von 35 Monaten (1.10.2011 bis 31.8.2014) erfasst. Zum einen handelt es sich in der vorliegenden Konstellation beim Abweichen um einen einzigen Monat um eine zu vernachlässigende geringfügige Differenz der Beurteilungszeiträume. Zum anderen ist für die Bewerberauswahl der aktuelle Leistungsstand ausschlaggebend, während Erkenntnisse, die einen länger zurückliegenden Zeitraum betreffen, in der Regel von geringerem Gewicht sind. Für die Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen ist deshalb von größerer Bedeutung, dass der von ihnen abgedeckte Zeitraum zu nicht erheblich auseinanderfallenden Stichtagen endet, als dass der insgesamt erfasste Zeitraum am gleichen Stichtag beginnt (Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2019 - 5 ME 113/19 -; Beschluss vom 27.11.2019 - 5 ME 158/19 -).

Ist die Auswahlentscheidung - wie ausgeführt - aufgrund eines Vergleichs der Regel(vor-)beurteilungen zu treffen, kommt dem Antragsteller gegenüber den Beigeladenen zu 1. und 3. ein Leistungsvorsprung zu. Nach Spiegelstrich 4 der Ziffer 3.1. BefRiLiPol ist zuerst die Vollnote der Vorbeurteilung, sodann nach Spiegelstrich 5 die Binnendifferenzierung und schließlich nach Spiegelstrich 6 eine ausschärfende Betrachtung der Einzelleistungsmerkmale der Vorbeurteilung vorzunehmen. Sowohl der Antragsteller als auch die Beigeladenen zu 1. und 3. haben in ihrer jeweiligen Vorbeurteilung die Vollnote „C“ und die Binnendifferenzierung „mittlerer Bereich“ erreicht (ausweislich des Auswahlvermerks vom 12.12.2019 hat kein Beamter in seiner Vorbeurteilung das Gesamturteil „C - oberer Bereich“ erhalten). Bei ausschärfender Betrachtung der Einzelleistungsmerkmale der Vorbeurteilung ergibt sich ein Leistungsvorsprung des Antragstellers, da er mit siebenmal „C“ und einmal „B“ gegenüber den Beigeladenen zu 1. und 3. mit achtmal „C“ bewertet worden ist. Hieraus ergibt sich zugleich die Möglichkeit, dass er ausgewählt wird, weil die Antragsgegnerin - was zulässig ist - alle Einzelleistungsmerkmale gleich gewichtet hat.

3. Ein Anordnungsgrund ist ebenfalls gegeben. Nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats besteht für eine einstweilige Anordnung gegen die Besetzung einer Beförderungsstelle mit einem Konkurrenten regelmäßig ein Anordnungsgrund, weil die Ernennung des Konkurrenten im Falle der Feststellung, dass dieser sich auf der Beförderungsstelle bewährt hat, (grundsätzlich) unumkehrbar wäre und der Konkurrent selbst im Falle der zeitnahen Übertragung nur des umstrittenen Dienstpostens noch immer die Möglichkeit hätte, auf der streitigen Stelle einen Bewährungsvorsprung vor dem unterlegenen Bewerber zu erreichen (Nds. OVG, Beschluss vom 3.1.2017 - 5 ME 157/16 -, juris Rn. 17 m. w. N.). Hieran wird auch mit Blick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 10.5.2016 - BVerwG 2 VR 2.15 -, juris) weiter festgehalten (Nds. OVG, Beschluss vom 3.1.2017, a. a. O., Rn. 19 ff.; Beschluss vom 1.8.2018 - 5 ME 105/18 -; Beschluss vom 4.2.2019 - 5 ME 172/18 -; Beschluss vom 27.11.2019 - 5 ME 158/19 -).

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Den (der Sache nach unterlegenen) Beigeladenen zu 1. und 3. waren keine Verfahrenskosten aufzuerlegen, weil sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt haben (§ 154 Abs. 3 VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 3. im Beschwerdeverfahren sind nicht erstattungsfähig, weil sie unterlegen sind und § 162 Abs. 3 VwGO nur Anwendung findet, wenn der Beigeladene obsiegt (Rennert, in: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 154 Rn. 9).

Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 GKG, bemisst sich also nach der Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Auszugehen ist insoweit von dem im Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszugs (13.3.2020) maßgeblichen Endgrundgehalt (hierzu: Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2014 - 5 ME 157/14 -, m. w. N.) der Besoldungsgruppe A 10 in Höhe von 3.942,97 EUR. Hinzu tritt die allgemeine Stellenzulage gemäß § 38 NBesG in Verbindung mit den dortigen Anlagen 9 und 10 in Höhe von 97,27 EUR, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 NBeamtVG ruhegehaltfähig ist. Dementsprechend ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 24.241,44 EUR (3.942,97 EUR + 97,27 EUR = 4.040,24 EUR; 4.040,24 EUR x 6 = 24.241,44 EUR); eine Halbierung für das Eilverfahren findet nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.5.2013 - 5 ME 92/13 -, juris Rn. 28).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).