Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 30.01.2020, Az.: 2 B 5413/19
Polizeibeamter; Vergleichbarmachen von dienstlichen Beurteilungen beim Wechsel des Bundeslandes; Wirksamkeit dienstlicher Beurteilungen
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 30.01.2020
- Aktenzeichen
- 2 B 5413/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2020, 71471
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- Art 33 Abs 2 GG
Tenor:
Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Beigeladenen zum 1. Dezember 2019 in die Besoldungsgruppe A 10Anlage 1 NBesG zu befördern, bis über das Beförderungsbegehren des Antragstellers rechtskräftig entschieden wurde.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 23.489,76 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege der einstweiligen Anordnung gegen eine Auswahlentscheidung.
Der Antragsteller steht als Kriminalkommissar (Besoldungsgruppe A 9Anlage 1 NBesG) im niedersächsischen Polizeidienst, nachdem er mit Wirkung vom 1. August 2018 als Polizeibeamter des Landes Nordrhein-Westfalen zum Antragsgegner versetzt worden ist. Er ist als Sachbearbeiter Ermittlungen in der Abteilung 3 des Antragsgegners tätig.
Der Antragsteller erhielt in Nordrhein-Westfalen für den Zeitraum vom 4. Oktober 2013 bis 4. Juli 2016 eine Beurteilung vor Ablauf der Probezeit mit dem Ergebnis, dass sich der Antragsteller in der bisherigen Probezeit in vollem Umfang bewährt habe. Im Eingangsamt der Laufbahn schloss die Beurteilung für den Beurteilungszeitraum vom 5. Oktober 2016 bis zum 4. Juli 2017 nach Maßgabe der Richtlinien über die dienstliche Beurteilung der Beamtinnen und Beamten im Bereich der Polizei, Rd. Erl. des Ministeriums für Inneres und Kommunales vom 29. Februar 2016 - 403 - 26.00.05 (MBl. NRW S. 226) - BRLPol NRW - mit dem Gesamturteil, dass die Leistung und Befähigung des Klägers voll den Anforderungen entspreche. Aus Anlass der Versetzung erstellte das Polizeipräsidium D. für den Zeitraum vom 5. Juli 2017 bis zum 31. Juli 2018 einen Beurteilungsbeitrag, bei dem der Antragsteller ohne Vergabe einer Endnote bei den Leistungs- und Befähigungsmerkmalen 4 x 4 Punkte und 3 × 3 Punkte erhielt. Nach den BRLPol NRW werden bei Polizeibeamten ohne Führungsverantwortung 7 Leistungs- und Befähigungsmerkmale bewertet. Hierbei gilt folgende Bewertungsskala:
Entspricht nicht den Anforderungen
1 Punkt
Entspricht im Allgemeinen den Anforderungen
2 Punkte
Entspricht voll den Anforderungen
3 Punkte
Übertrifft die Anforderungen
4 Punkte
Übertrifft die Anforderungen in besonderem Maße
5 Punkte.
Eine Binnendifferenzierung bei der Vergabe des Gesamturteils „entspricht voll den Anforderungen“ wie in Niedersachsen sehen die Beurteilungsrichtlinien nicht vor.
Mit Bescheid vom 5. August 2019 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass seine Beurteilungen aus Nordrhein-Westfalen an das niedersächsische Beurteilungssystem angepasst worden seien. Hiernach werde die Probezeitbeurteilung mit der Wertungsstufe C - „entspricht voll den Anforderungen“ mit der Binnendifferenzierung „unterer Bereich“ und der Ausschärfung: 0 (alle acht Einzelmerkmale mit C bewertet) und die Beurteilung im Eingangsamt, bei der der Antragsteller 6 x 3 Punkte und 1 x 4 Punkte erhielt, mit der Wertungsstufe C - „entspricht voll den Anforderungen“ mit der Binnendifferenzierung „mittlerer Bereich“ und der Ausschärfung: 0 (alle acht Einzelmerkmale mit C bewertet) geführt. Die dagegen vom Antragsteller vorgebrachten Einwendungen wertete der Antragsgegner als Widerspruch und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 24. September 2019 zurück. Diesbezüglich hat der Kläger unter dem 29. Oktober 2019 Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
In einem Vermerk vom 13. September 2019 (Blatt 55 ff. Beiakte 002 Bd. 2/8) legte der Antragsgegner noch einmal die Grundlagen für die wertende Zuordnung der Vorbeurteilungen des Antragstellers dar und kam hinsichtlich des für die Erstellung der Anlassbeurteilung eingeholten Beurteilungsbeitrags zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zur Beurteilung im Eingangsamt mit dem erreichten Beurteilungsdurchschnitt von 3,57 im zu beurteilenden Zeitraum eine nicht unerhebliche Leistungssteigerung eingetreten sei. Der Antragsgegner stellte hierbei einerseits eine Vergleichbarkeit der Leistungsmerkmale aus den jeweiligen Beurteilungsrichtlinien her und ordnete die bei den Leistungsmerkmalen 1 und 6 vergebene Punktzahl 3 der Bewertungsstufe C im niedersächsischen Beurteilungssystem zu, die bei den Leistungsmerkmalen 2, 3, 5 und 7 jeweils vergebene Punktzahl 4 der Bewertungsstufe C zu, jedoch mit stärkerer Ausprägung und Tendenz zur Stufe B und vergab hier ein C +. Da bei den Leistungsmerkmalen 4 und 8 nicht durchgängig die Punktzahl 4 vergeben worden sei, sei hier die Wertungsstufe C mit leicht stärkerer Ausprägung zu vergeben.
Die zum Beurteilungsstichtag 1. September 2019 für den Zeitraum vom 5. Juli 2017 bis zum 30. August 2019 erstellte Anlassbeurteilung des Antragstellers lautete auf das Gesamturteil „C - mittlerer Bereich“ und dem Ausschärfungswert: 0 (8 x C bei den Leistungsmerkmalen). In der Begründung des Gesamturteils wird ausgeführt, dass der vom früheren Dienstherrn erstellte Beurteilungsbeitrag berücksichtigt worden sei. Nach der wertenden Zuordnung an das niedersächsische Beurteilungssystem ergebe sich trotz der leicht positiven Ausprägungen in keinem Wertungsmerkmal die Wertungsstufe „B“. Auch für den annähernd gleichlangen Beurteilungszeitraum ab Aufnahme der Tätigkeit im niedersächsischen Landesdienst entsprächen die Leistungen in allen Leistungsmerkmalen der Wertungsstufe C. Die Beurteilung wurde von der Erstbeurteilerin am 4. November 2019 unterzeichnet. Unter diesem Datum stimmte auch der Zweitbeurteiler der Beurteilung zu. Am 11. November 2019 händigte die Erstbeurteilerin dem Antragsteller eine Beurteilungskopie aus. Die Beurteilung wurde dem Antragsteller an diesem Tag ausgehändigt. Auf ein Besprechungsgespräch verzichtete der Antragsteller. Er erhob sogleich Einwendungen gegen die Beurteilung. Es folgte ein dialogisches Verfahren. Der Zweitbeurteiler stimmte den Einwendungen des Antragstellers nicht zu und bestätigte unter dem 7. Januar 2020 das vergebene Gesamturteil. Dies wurde dem Antragsteller am 10. Januar 2020 bekannt gemacht.
Nachdem der Personalrat des Antragsgegners den beabsichtigten Beförderungen am 12. November 2019 zugestimmt hatte, informierte der Antragsgegner am 13. November 2019 über die Beförderungsauswahl zum Stichtag 1. Dezember 2019. Es standen 12 Beförderungen zu Kriminal-/Polizeioberkommissaren an. Die Auswahlentscheidung erfolgte unter Berücksichtigung der aktuellen dienstlichen Beurteilung mit C - „mittlerer Bereich“ und dem Ausschärfungswert: 2.
Am 20. November 2019 hat der Antragsteller zur Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er führt an: Die erstellte Anlassbeurteilung sei rechtswidrig, weil sie zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung noch nicht bekanntgegeben worden sei. Zudem beruhe sie auf einer falschen Tatsachengrundlage, weil die Anpassung des Beurteilungsbeitrags aus der Tätigkeit in Nordrhein-Westfalen an das niedersächsische Beurteilungssystem rechtswidrig sei. Bei 4 Leistungsmerkmalen habe ihm die Wertungsstufe B zugesprochen werden müssen. Die in Nordrhein-Westfalen vorgesehene Bewertung „übertrifft die Anforderungen“ entspreche der in Niedersachsen vorgesehenen Wertungsstufe B.
Der Antragsteller beantragt,
dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO vorläufig zu untersagen, den Beigeladenen zum 1. Dezember 2019 in die Besoldungsgruppe A 10 der Anlage 1 NBesG zu befördern, bis über das Beförderungsbegehren des Antragstellers rechtskräftig entschieden wurde.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er erwidert: Ein Anordnungsgrund liege nicht vor. Es werde eine Reserve-Planstelle der Besoldungsgruppe A 10 für den Beförderungsdurchgang bereitgehalten. Deshalb sei der Grundsatz der Ämterstabilität nicht tangiert. Ein Anordnungsanspruch bestehe ebenfalls nicht. Die Beurteilung sei dem Antragsteller am 11. November 2019 ausgehändigt worden. Auf eine weiterführende Besprechung im Rahmen der Bekanntgabe sei verzichtet worden. Sodann sei das dialogische Verfahren durchgeführt worden. Die wertende Zuordnung des Beurteilungsbeitrags aus Nordrhein-Westfalen sei nicht zu beanstanden. Selbst wenn die Anlassbeurteilung das Gesamturteil C - mittlerer Bereich mit dem Ausschärfungswert 2 ergebe, habe sich der Antragsteller nach den vorgelegten Rankinglisten nicht auf einen Beförderungslistenplatz qualifiziert.
Der Beigeladene hat sich nicht zur Sache geäußert und auch keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
II.
Der Antrag hat Erfolg. Er ist zulässig und begründet.
Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 und § 294 ZPO, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund sowie einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht.
Ein Anordnungsgrund, d.h. die Dringlichkeit der Angelegenheit ist glaubhaft gemacht. Bei Beförderungsstreitverfahren folgt dies regelmäßig daraus, dass die Ernennung des bzw. der Konkurrenten grundsätzlich unumkehrbar ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 3. Januar 2017 - 5 ME 157/16 -, juris). Der Einwand des Antragsgegners, der Grundsatz der Ämterstabilität sei vorliegend nicht tangiert, weil eine „Reserve-Planstelle“ der Besoldungsgruppe A 10 für den in Rede stehenden Beförderungsdurchgang freigehalten werde, lässt den Anordnungsgrund nicht entfallen. Es unterliegt grundsätzlich nicht der Dispositionsbefugnis des Dienstherrn, für einen um Rechtsschutz nachsuchenden Bewerber eine andere als die zu besetzende Planstelle quasi als „Reserve“ freizuhalten und später mit dem im Auswahlverfahren zunächst unterlegenen Bewerber zu besetzen, wenn sich im Gerichtsverfahren die Fehlerhaftigkeit der Auswahlentscheidung herausstellen sollte. Denn auch die anderweitige, freigehaltene Planstelle darf erst nach einem auf sie bezogenen Vergabeverfahren besetzt werden (BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14/02 -, Rn. 21 juris; ihm folgend u.a. Hess. VGH, Beschluss vom 23. April 2012 - 1 B 2284/11 -, Rn. 4 juris).
Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers ist vorliegend verletzt. Nach Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz sind öffentliche Ämter nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes zu besetzen. Ein Beförderungsbewerber hat dementsprechend ein Bewerbungsverfahrensanspruch, d.h. einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr über seine Bewerbung ermessens- und beurteilungsfehlerfrei entscheidet (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 22. November 2012 - 2 VR 5/12 -, Rn. 23 juris). Hierbei unterliegen Auswahlentscheidungen als Akt wertender Erkenntnis lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet hat, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangiges Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 15. November 2010 - 5 ME 244/10 -, Rn. 20 juris). Ein abgelehnter Bewerber, dessen subjektives Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt worden ist, kann eine Neubescheidung seiner Bewerbung dann beanspruchen, wenn seine Erfolgsaussichten bei der erneuten Auswahl offen sind, d.h. seine Auswahl also möglich erscheint (vgl. BVerwG, Urteil vom 21. August 2003 - 2 C 14/02 -, juris).
Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen und hierbei regelmäßig der aktuellen dienstlichen Beurteilung besondere Bedeutung beizumessen (vgl. insoweit nur BVerwG, Beschluss vom 20. Juni 2013 - 2 BvR 1/13 -, Rn. 2 juris).
Nach diesen Grundsätzen erweist sich die Entscheidung zur Auswahl des Beigeladenen als rechtsfehlerhaft. Dies folgt nicht schon aus dem Einwand des Antragstellers, dass zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung noch keine Entscheidung über seine gegen die Beurteilung gerichteten Einwendungen vorgelegen habe. Grundlage einer Auswahlentscheidung können dienstliche Beurteilungen immer dann sein, wenn sie dem Beamten zuvor eröffnet worden sind. Auch wenn dienstliche Beurteilungen keine Verwaltungsakte im Sinne von § 35 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG sind, erlangen sie jedenfalls mit ihrer Bekanntgabe gegenüber dem Beamten Wirksamkeit (vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 24. Mai 2011 - 1 WB 59.10 -, Rn. 40 juris; Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 9. Aufl. 2017, § 11 Rn. 30). Von diesem Zeitpunkt an sind sie existent und können verwertet werden, auch wenn die Einlegung von Rechtsbehelfen gegen sie möglich sind und über diese noch nicht entschieden ist. Dem Antragsteller war die Anlassbeurteilung am 11. November 2019 eröffnet und als Beurteilungskopie ausgehändigt worden. Sie sollte an diesem Tag auch besprochen werden. Nach den übereinstimmenden Angaben in der dienstlichen Beurteilung (vgl. die Stellungnahme der Erstbeurteilerin und die Angaben des Antragstellers zur Begründung der Einwendungen) verzichtete der Antragsteller auf die Erörterung/Besprechung im Rahmen der Bekanntgabe und erhob Einwendungen. Der Umstand, dass nunmehr (entsprechend den Vorgaben der Beurteilungsrichtlinien für die Polizei des Landes Niedersachsen (BRLPol) vom 11. Juli 2008 (Nds. MBl. 2008, 782)) das dialogische Verfahren durchgeführt, das Gesamturteil durch den Zweitbeurteiler am 7. Januar 2020 bestätigt und dieses Ergebnis dem Antragsteller am 10. Januar 2020 bekannt gegeben wurde, ändert nichts daran, dass mit dem Eröffnen der Anlassbeurteilung am 11. November 2019 diese Beurteilung wirksam geworden ist und somit im Auswahlverfahren verwertet werden konnte. Auch durch die Formulierung in Ziffer 11.1.4 BRLPol, wonach der/die Zweitbeurteiler/in am Ende des dialogischen Verfahrens die Beurteilung bestätigt, ergänzt oder ändert, wird deutlich, dass ein dialogisches Verfahren immer an eine wirksam gewordene Beurteilung anknüpft. Erst nach der Bekanntgabe der Anlassbeurteilung am 11. November 2019 erfolgte dann am 13. November 2019 die Veröffentlichung der Beförderungsauswahl.
Diese Sichtweise führt auch nicht zu etwaig verkürzten Rechtsschutzmöglichkeiten. Die dienstliche Beurteilung kann mangels Verwaltungsaktqualität zum einen nicht in Bestandskraft erwachsen. Zum anderen sind in Konkurrentenverfahren - so auch hier - Einwendungen gegen dienstliche Beurteilungen im Rahmen der dem Gericht obliegenden eingeschränkten Kontrollbefugnis zu berücksichtigen.
Die Anlassbeurteilung des Antragstellers kann jedoch deshalb nicht Grundlage der getroffenen Auswahlentscheidung sein, weil die Angleichung des Beurteilungsbeitrags aus Nordrhein-Westfalen an das Bewertungssystem in Niedersachsen rechtfehlerhaft ist. Ist eine Behörde mit nicht unmittelbar vergleichbaren Beurteilungen konfrontiert, verlangt der Grundsatz der Bestenauslese des Art. 33 Abs. 2 GG Verhältnisse herzustellen, die einen rechtlich einwandfreien Vergleich der Bewerber ermöglichen. Denn nur auf einer solchen Grundlage, die allein die Auswahlbehörde schaffen kann, lässt sich das grundrechtsgleiche Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl erfüllen. Dabei ist die Behörde gehalten, die Aussagen von Leistungsnachweisen mit unterschiedlichen Inhalten miteinander „kompatibel“ zu machen. Beruhen diese auf unterschiedlichen Richtlinien und Beurteilungssystemen, hat der für die Auswahl zuständige Dienstherr für die unterschiedlichen Leistungsnachweise einen objektiven Vergleichsmaßstab zu bilden, auf dessen Grundlage er die Leistungseinschätzungen der Bewerber miteinander zu vergleichen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. April 2007 - 1 WB 31.06 -, Rn. 65 juris, Rn. 65; Nds. OVG, Beschluss vom 3. Dezember 2018 - 5 ME 141/18 -, Rn. 19 juris m.w.N.; Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 25. November 2019 - 12 B 59/19 -, Rn. 21 juris). Diese „Vergleichbarmachung“ ist - wie die dienstliche Beurteilung selbst - nur beschränkt gerichtlich nachprüfbar.
Bei der Bildung der zum Stichtag 1. September 2019 erstellten Anlassbeurteilung war der für den Zeitraum vom 5. Juli 2017 bis 31. Juli 2018 vom früheren Dienstherrn erstellte Beurteilungsbeitrag zutreffend berücksichtigt worden. Dieser Beitrag war aber auf der Grundlage anderer Beurteilungsrichtlinien - BRLPol NRW - erstellt worden. Auch wenn es vorliegend nicht um die Anpassung einer dienstlichen Beurteilung an das System der BRLPol in Niedersachsen, sondern um einen Beurteilungsbeitrag geht, hat der Antragsgegner - insoweit richtig - die Notwendigkeit einer wertenden Zuordnung erkannt. Allerdings ist die konkrete Anpassung rechtsfehlerhaft.
Beide Beurteilungssysteme sehen jeweils eine fünfstufige Beurteilungsskala vor: Nach den BRLPol Nds. (Anlage 1 Nr. 6) gibt es fünf Wertungsstufen von A (Bestbewertung) bis E; die BRLPol NRW (Nr. 6.2) sehen Noten von 1 Punkt bis zu 5 Punkten (Bestnote) vor. Die dabei verwendeten (Noten-)Beschreibungen der BRLPol NRW auf der einen Seite und der BRLPol Nds. auf der anderen Seite sind ähnlich oder teilweise sogar wortgleich. Ferner treffen beide Beurteilungssysteme vergleichbare Vorkehrungen zur Maßstabswahrung. Nach Nr. 5.1.1 Abs. 3 BRLPol Nds. wirken die Beurteilenden darauf hin, "dass sich die Gesetzmäßigkeiten der Gaußschen Normalverteilungskurve in der Gesamtschau der Beurteilungen in den jeweiligen Vergleichsgruppen wiederfinden lassen". Danach befinden sich "die meisten Beschäftigten ... im Normal- bzw. Durchschnittsbereich, d.h., dass diese den Anforderungen des Arbeitsplatzes voll entsprechen". Vergleichbares ist in den BRLPol NRW geregelt, indem Richtsätze Anhaltspunkte für die Vergabe von überdurchschnittlichen Gesamtnoten (Gesamtnote 4 Punkte 20 v.H. und Gesamtnote 5 Punkte 10 v.H.) geben. Dadurch wird ebenfalls für den Geltungsbereich der BRLPol NRW gewährleistet, dass sich die meisten Beurteilungen im Durchschnittsbereich bewegen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden, wenn der Antragsgegner die Bewertung mit der Wertungsstufe C in Niedersachsen 3 Punkten in Nordrhein-Westfalen gleichsetzt (vgl. hierzu auch OVG Münster, Beschluss vom 9. November 2015 - 6 B 1072/15 -, Rn. 14, für den Wechsel vom niedersächsischen in den nordrhein-westfälischen Polizeidienst). Folgt man diesem Ansatz, ist es dann aber auch in sich stimmig, die zweitbeste Wertungsstufe 4 „übertrifft die Anforderungen“ der zweitbesten Wertungsstufe B „übertrifft erheblich die Anforderungen“ gleichzusetzen (so auch OVG Münster, Beschluss vom 9. November 2015, a.a.O.), zumal die Notenbeschreibungen in beiden Beurteilungssystemen einander sehr ähneln.
Soweit der Antragsgegner in Bezug darauf, dass die Bewertung mit „B“ in Niedersachsen ein „erhebliches“ Übertreffen der Anforderungen verlange, gewissermaßen eine Zwischenstufung vornimmt, kann dem nicht gefolgt werden. Dieser Ansatz führt zu dem sachwidrigen Ergebnis, dass die Bestnote auf der Skala der BRLPol NRW mit 4 Punkten lediglich der zweitbesten Leistungsstufe B in Niedersachsen entsprechen würde. Damit wäre bei einer Angleichung einer Beurteilung aus Nordrhein-Westfalen niemals die Wertungsstufe A erreichbar, obwohl die textliche Umschreibung der Bestnoten in den beiden Beurteilungssystemen sich nur unwesentlich unterscheiden. Dies kann nicht richtig sein. Zudem wird durch die Vorgehensweise eine Wertungsstufe eingefügt, die Ziffer 5.1.4 BRLPol Nds. nicht vorsieht. Eine Binnendifferenzierung ist lediglich bei der Bildung des Gesamturteils im Rahmen der Vergabe der Wertungsstufe C mit den vorgesehenen Zwischenstufen „oberer, mittlerer und unterer Bereich“ (Ziffer 6.2 BRLPol Nds) vorzunehmen.
Abgesehen davon leidet die Anlassbeurteilung vom 4. November 2019 - dies gilt selbständig tragend - an einem Plausibilitätsmangel bei der Begründung des Gesamturteils. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur Urteil vom 1. März 2018 - 2 A 10.17 -, juris) ist es Sache des Dienstherrn festzulegen, welches Gewicht er den einzelnen Merkmalen einer dienstlichen Beurteilung zumessen will. Das abschließende Gesamturteil darf sich nicht auf die Bildung des arithmetischen Mittels aus den einzelnen Leistungsmerkmalen beschränken. Vielmehr kommt im Gesamturteil die unterschiedliche Bedeutung der Einzelbewertungen durch ihre entsprechende Gewichtung zum Ausdruck. Das abschließende Gesamturteil ist danach durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen bestenauswahlbezogenen Gesichtspunkte zu bilden. Diese Gewichtung bedarf bei sogenannten Ankreuzbeurteilungen schon deshalb einer Begründung, weil nur so die Einhaltung gleicher Maßstäbe gewährleistet und das Gesamturteil nachvollzogen und einer gerichtlichen Überprüfung zugeführt werden kann. Einer - ggf. kurzen - Begründung bedarf es insbesondere dann, wenn die Beurteilungsrichtlinien für die Einzelbewertungen einerseits und für das Gesamturteil andererseits unterschiedliche Bewertungsskalen vorsehen. Denn hier muss erläutert werden, wie sich die unterschiedlichen Bewertungsskalen zueinander verhalten und wie das Gesamturteil aus den Einzelbewertungen gebildet wurde.
Ausgehend hiervon ist - selbst wenn man dem Ansatz des Antragsgegners mit Blick auf seine wertende Zuordnung des Beurteilungsbeitrags vom 5. Juli 2017 bis 31. Juli 2018 folgen wollte - das Gesamturteil nicht hinreichend plausibel. Der Antragsgegner hat 4 der 8 Leistungsmerkmale einem C +, 2 Leistungsmerkmale einem eingeschränkten C + und nur 2 Leistungsmerkmale einem C (welches nach der gewählten Systematik einem C-Mitte entsprechen dürfte) zugeordnet. Wenn - so die Begründung des Gesamturteils - die Tätigkeit beim Antragsgegner durchgehend in allen Leistungsmerkmalen der Wertungsstufe C entsprechen soll, wäre - gerade weil die Beurteilungszeiträume als gleichgewichtig angesehen wurden - in einem weiteren Begründungsschritt zu erläutern gewesen, wie sich beide Beurteilungszeiträume zueinander verhalten. Denn selbst nach der vorgenommenen wertenden Zuordnung in das niedersächsische Beurteilungssystem ergeben sich immerhin bei 6 von 8 Einzelmerkmalen deutliche Ausprägungen zur Wertungsstufe „B“. Hierzu verhält sich die Begründung im Gesamturteil aber nicht.
Die Chancen des Antragstellers bei einer erneuten Auswahlentscheidung sind als offen anzusehen. Es lässt sich nicht ausschließen, dass er bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommen könnte (vgl. zu diesem Maßstab: Nds. OVG, Beschluss vom 8. September 2011 - 5 ME 234/11 -, juris). Die Auswahlentscheidung erfolgte unter Berücksichtigung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen (zum Stichtag 1. September 2019) mit der Wertungsstufe C (mittlerer Bereich) und einer Mindestzahl von 2 x B bei der ausschärfenden Betrachtung der Leistungsmerkmale. Der Ausschärfungsgrad erhöht sich schon bei mindestens 4 Leistungsmerkmalen (bei den Leistungsmerkmalen 2, 3, 5 und 7), wenn - so die Auffassung der Kammer - die Punktzahl 4 der Bewertungsstufe B zugeordnet wird. Aber auch unter Berücksichtigung der Argumentation des Antragsgegners ist derzeit nicht festzustellen, dass bei einer rechtmäßig erstellten Beurteilung und einer erneuten Auswahlentscheidung des Antragsgegners der Antragsteller praktisch chancenlos wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO. Da der Beigeladene sich nicht zur Sache geäußert und auch keine Anträge gestellt hat, sind seine außergerichtlichen Kosten nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 52 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG auf 23.489,76 EUR (3.820,71 EUR + ruhegehaltsfähige allgemeine Stellenzulage in Höhe von 94,25 EUR = 3.914,96 EUR x 6) festgesetzt. Eine Halbierung des Streitwerts wegen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens findet nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 9. März 2015 - 5 OA 31/15 -).