Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.07.2022, Az.: 5 ME 55/22
Leistungsentwicklung; Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen; Vorbeurteilung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.07.2022
- Aktenzeichen
- 5 ME 55/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2022, 59731
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 06.05.2022 - AZ: 2 B 426/22
Fundstellen
- DÖV 2022, 872-873
- NVwZ-RR 2023, 46-50
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Mit dem Kriterium der "Schnelligkeit des Aufstiegs" bzw. der "kürzeren Verweildauer im vorangegangenen Statusamt" ist ein Auswahlkriterium herangezogen worden, das sich nicht zur Feststellung einer bestimmten Leistungsentwicklung eignet. Bei diesem Kriterium handelt es sich um einen nicht-leistungsbezogenen Gesichtspunkt, nämlich die "Umkehr" des nicht-leistungsbezogenen Kriteriums der "Stehzeit im Amt".
Das Amt der Besoldungsgruppe R 3 stellt gegenüber dem Amt der Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage ein um eine Stufe höheres Amt dar.
zur fehlenden Vergleichbarkeit von Vorbeurteilungen (Anlassbeurteilungen) bei einer
Differenz zwischen den Endzeitpunkten von rund 20 Monaten.
Maßgeblich für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung einer Auswahlentscheidung sind diejenigen Erwägungen, die bis zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung dokumentiert sind.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 2. Kammer - vom 6. Mai 2022 geändert.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die in der ... ausgeschriebene Stelle „Leitende Oberstaatsanwältin oder Leitenden Oberstaatsanwalt (w/m/d) - BesGr. R 4 -“ bei der Staatsanwaltschaft F. mit dem Beigeladenen zu besetzen und diesen zum Leitenden Oberstaatsanwalt zu befördern, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden worden und eine Wartefrist von zwei Wochen nach Bekanntgabe einer für ihn negativen Auswahlentscheidung an ihn abgelaufen ist.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 53.566,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Auswahlentscheidung des Antragsgegners, die Stelle „Leitende Oberstaatsanwältin oder Leitenden Oberstaatsanwalt (w/m/d) - BesGr. R 4 -“ bei der Staatsanwaltschaft F. mit dem Beigeladenen zu besetzen.
Der im Jahr 1963 geborene Antragsteller wurde im ... 1993 in das Richterverhältnis auf Probe berufen (vgl. Bl. 15, 21/Beiakte 003) und zur Erprobung im richterlichen und staatsanwaltlichen Dienst dem Oberlandesgerichtsbezirk G. zugeordnet. Am ... 1996 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Staatsanwalt ernannt (Bl. 51, 54/Beiakte 003), und ihm wurde das Amt eines Staatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt übertragen. Nach seiner Abordnung an die Generalstaatsanwaltschaft G. zum Zwecke der Erprobung (... 2000 bis zum ... 2000; Bl. 57, 59/Beiakte 003) kehrte er an die Staatsanwaltschaft B-Stadt zurück. Am ... 2003 wurde er zum Oberstaatsanwalt (Besoldungsgruppe R 2) befördert, und ihm wurde zunächst das Amt eines Oberstaatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft F. übertragen (Bl. 72 f., 69/Beiakte 003); am 4. September 2003 wurde er zur Generalstaatsanwaltschaft G. versetzt (Bl. 77, 79/Beiakte 003). Im Zeitraum vom ... 2006 bis zum ... 2006 war er zur Dienstleistung an das Niedersächsische H. abgeordnet (Bl. 84/Beiakte 003); danach kehrte er an die Generalstaatsanwaltschaft G. zurück. Mit Wirkung vom 22. August 2008 wurde der Antragsteller an die Staatsanwaltschaft B-Stadt versetzt (Bl. 108, 110/Beiakte 003). Nach erfolgreicher Bewerbung wurde ihm mit Wirkung vom ... 2011 der höherwertige Dienstposten eines Leitenden Oberstaatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft I. (Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage) übertragen (Bl. 121, 123, 126/Beiakte 003); mit Wirkung vom ... 2012 wurde er zum Leitenden Oberstaatsanwalt (Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage) befördert (Bl. 132 f./Beiakte 003). Seit dem 1. August 2017 ist der Antragsteller als Abteilungsleiter der seinerzeit bei der Generalstaatsanwaltschaft G. neu eingerichteten, landesweit tätigen „Zentralstelle J.“ eingesetzt. Am ... 2018 wurde er zum Leitenden Oberstaatsanwalt (Besoldungsgruppe R 3) befördert (Bl. 174 f./Beiakte 003).
Der im Jahr 1970 geborene Beigeladene wurde im ... 1998 in das Richterverhältnis auf Probe berufen (vgl. Bl. 11, 21/Beiakte 002) und zur Erprobung im richterlichen und staatsanwaltlichen Dienst dem Oberlandesgerichtsbezirk G. zugeteilt. Am ... 2001 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Staatsanwalt ernannt, und ihm wurde das Amt eines Staatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt übertragen (Bl. 39, 42, 45/Beiakte 002). Nach seiner Abordnung an die Generalstaatsanwaltschaft G. zum Zwecke der Erprobung (1. Dezember 2006 bis zum 31. März 2007; Bl. 56/Beiakte 002) und weiteren Abordnungen dorthin (1. April 2007 bis 30. Juni 2007 [Bl. 60/Beiakte 002] und 1. Juli 2007 bis 30. September 2007 [Bl. 70/Beiakte 002]) wurde er am ... 2007 zum Oberstaatsanwalt (Besoldungsgruppe R 2) befördert, und ihm wurde das Amt eines Oberstaatsanwalts bei der Generalstaatsanwaltschaft G. übertragen (Bl. 76, 77, 73/Beiakte 002). Am 26. August 2011 wurde der Beigeladene an die Staatsanwaltschaft B-Stadt versetzt (Bl. 90, 92/Beiakte 002). Nach erfolgreicher Bewerbung wurde ihm mit Wirkung vom ... 2015 der höherwertige Dienstposten eines Oberstaatsanwalts (Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage) als Hauptabteilungsleiter bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt übertragen (Bl. 107, 109, 111/Beiakte 002); am ... 2016 wurde er zum Oberstaatsanwalt der Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage befördert (Bl. 116 f./Beiakte 002). Seit dem 18. März 2019 ist der Beigeladene als ständiger Vertreter des Leitenden Oberstaatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt (Besoldungsgruppe R 3) tätig (Bl. 138 f., 141/Beiakte 002). Am ... 2019 wurde er zum Oberstaatsanwalt (Besoldungsgruppe R 3) befördert (Bl. 160, 161/Beiakte 003).
In der ... schrieb der Antragsgegner die Stelle „Leitende Oberstaatsanwältin oder Leitenden Oberstaatsanwalt (w/m/d) - BesGr. R 4 - “ bei der Staatsanwaltschaft F. aus. Weitere textliche Darstellungen zu etwaigen Anforderungen in Bezug auf die ausgeschriebene Stelle enthielt der Ausschreibungstext nicht. Auf diese Stelle bewarben sich u. a. der Antragsteller und der Beigeladene.
In der aus Anlass seiner Bewerbung gefertigten aktuellen dienstlichen (Anlass-)Beurteilung vom 11. Mai 2021 (Beurteilungszeitraum: 6. März 2020 bis 11. Mai 2021) erhielt der Antragsteller für das ausgeübte Amt eines Leitenden Oberstaatsanwalts (Besoldungsgruppe R 3) das Gesamturteil „vorzüglich geeignet“ (= höchste von insgesamt 7 Notenstufen). Dabei erzielte er auch im Hinblick auf alle der beurteilten 11 Einzelleistungsmerkmale mit „übertrifft die Anforderungen herausragend“ die höchstmögliche Bewertung (= höchste der insgesamt 7 Notenstufen). In der in Bezug auf das angestrebte Amt eines Leitenden Oberstaatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft F. (Besoldungsgruppe R 4) angestellten Eignungsprognose wurde der Antragsteller ebenfalls mit „vorzüglich geeignet“ beurteilt.
In seiner Vorbeurteilung vom 6. März 2020 (Beurteilungszeitraum: „1. August 2017 bis zum 31. Juli 2019“; gemeint erkennbar: „1. August 2019 bis zum 6. März 2020“) - während dieses Beurteilungszeitraums hatte der Antragsteller das Statusamt eines Leitenden Oberstaatsanwalts der Besoldungsgruppe der Besoldungsgruppe R 3 inne - war auf die vorausgegangene Anlassbeurteilung vom 31. Juli 2019 Bezug genommen und festgestellt worden,
„die damaligen Beurteilungsgrundlagen und die Gesamtbeurteilung der dienstlichen Eignung und Leistung als
vorzüglich geeignet
treffen weiterhin zu“.
In jener (Vor-)Vorbeurteilung vom 31. Juli 2019 (Beurteilungszeitraum: 1. August 2017 bis 31. Juli 2019) - in diesem Beurteilungszeitraum war der Antragsteller bis zu seiner Beförderung mit Wirkung vom ... 2018 als Leitender Oberstaatsanwalt der Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage und nach seiner Beförderung als Leitender Oberstaatsanwalt der Besoldungsgruppe R 3 tätig - erhielt der Antragsteller für das ausgeübte Amt eines Leitenden Oberstaatsanwalts (Besoldungsgruppe R 3) das Gesamturteil „vorzüglich geeignet“. Dabei erzielte er auch in dieser Beurteilung im Hinblick auf alle der beurteilten 11 Einzelleistungsmerkmale mit „übertrifft die Anforderungen herausragend“ die höchstmögliche Bewertung. In der in Bezug auf das angestrebte Amt eines Leitenden Oberstaatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft K. (Besoldungsgruppe R 4; vgl. Nds. Rpfl. 2019, S. 145) angestellten Eignungsprognose wurde der Antragsteller ebenfalls mit „vorzüglich geeignet“ beurteilt.
In der aus Anlass seiner Bewerbung gefertigten aktuellen dienstlichen (Anlass-)Beurteilung vom 22. April 2021 (Beurteilungszeitraum: 17. Juli 2018 bis 22. April 2021) erhielt der Beigeladene für das ausgeübte Amt eines Oberstaatsanwalts (Besoldungsgruppe R 3) das Gesamturteil „vorzüglich geeignet“. Dabei erzielte er auch im Hinblick auf alle der beurteilten 11 Einzelleistungsmerkmale mit „übertrifft die Anforderungen herausragend“ die höchstmögliche Bewertung. In der in Bezug auf das angestrebte Amt eines Leitenden Oberstaatsanwalts bei der Staatsanwaltschaft F. (Besoldungsgruppe R 4) angestellten Eignungsprognose wurde der Beigeladene ebenfalls mit „vorzüglich geeignet“ beurteilt.
In seiner Vorbeurteilung vom 16. Juli 2018 (Beurteilungszeitraum: 28. März 2017 bis zum 16. Juli 2018) - hierbei handelt es sich um die Beurteilung aus Anlass der (zweiten) Bewerbung des seinerzeit im Statusamt eines Oberstaatsanwalts der Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage stehenden Beigeladenen vom 23. November 2017 (Bl. 131/Beiakte 002) um den höherwertigen Dienstposten des stellvertretenden Behördenleiters bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt (Besoldungsgruppe R 3; ...) - war auf die vorausgegangene Anlassbeurteilung vom 27. März 2017 Bezug genommen und festgestellt worden,
„die damaligen Beurteilungsgrundlagen und die Gesamtbeurteilung der dienstlichen Eignung und Leistung als
vorzüglich geeignet
treffen ebenso weiterhin zu wie meine Einschätzung der Eignung für das angestrebte Amt eines stellvertretenden Behördenleiters bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt als
vorzüglich geeignet“.
In jener (Vor-)Vorbeurteilung vom 27. März 2017 (Beurteilungszeitraum: 16. Oktober 2015 bis 27. März 2017) - diese Beurteilung wurde aus Anlass der (ersten) Bewerbung des seit dem ... 2016 im Statusamt eines Oberstaatsanwalts der Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage stehenden Beigeladenen vom ... 2016 (Bl. 120/Beiakte 002) um den höherwertigen Dienstposten des stellvertretenden Behördenleiters bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt (Besoldungsgruppe R 3) erstellt; die entsprechende Stellenausschreibung (...) war im November 2017 zurückgenommen worden (...) - hatte der Beigeladene für das ausgeübte Amt eines Oberstaatsanwalts der Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage das Gesamturteil „vorzüglich geeignet“ (= höchste von insgesamt 7 Notenstufen) erhalten. Dabei hatte er im Hinblick auf alle der beurteilten 11 Einzelleistungsmerkmale die höchstmögliche Bewertung „übertrifft die Anforderungen herausragend“ erhalten. In der in Bezug auf das angestrebte Amt eines Oberstaatsanwalts der Besoldungsgruppe R 3 angestellten Eignungsprognose war der Beigeladene ebenfalls mit „vorzüglich geeignet“ beurteilt worden.
...
Der Antragsgegner entschied sich indes dafür, die streitgegenständliche Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. In dem Auswahlvermerk des Niedersächsischen L. vom 19. August 2021/ 10. Dezember 2021 (Bl. 55 bis 59/Beiakte 001) wurde ausgeführt, die aktuellen Anlassbeurteilungen aller Bewerber seien schlüssig, aussagekräftig und vergleichbar. Dem Beigeladenen sei gegenüber dem Antragsteller der Vorrang einzuräumen. Zwar stünden beide Bewerber im Statusamt der Besoldungsgruppe R 3 und hätten hinsichtlich des ausgeübten Amtes jeweils das bestmögliche Gesamturteil („vorzüglich geeignet“) erhalten. Sie seien zudem in allen Einzelleistungsmerkmalen mit der höchsten Notenstufe („übertrifft die Anforderungen herausragend“) beurteilt worden; Entsprechendes gelte für den Vergleich der jeweiligen Eignungsprognose, die gesondert sowie nachvollziehbar und tragfähig begründet sei. Allerdings ergebe sich zugunsten des Beigeladenen „sowohl hinsichtlich der Leistungsentwicklung als auch der dienstlichen Erfahrung ein geringer, aber entscheidender Leistungsvorsprung“.
Betrachte man die Leistungsentwicklung der beiden Bewerber, komme dem Beigeladenen unter Berücksichtigung seiner ca. 5,5 Jahre späteren Ernennung zum Richter auf Probe in der niedersächsischen Justiz gegenüber dem Antragsteller ein maßgeblicher Vorsprung zu. Beide Bewerber hätten zwar dieselben Statusämter (R 2 sowie R 2 + Amtszulage) durchlaufen; allerdings habe der Beigeladene im Verhältnis zu seinem Dienstalter „alle Beförderungsämter früher [erreicht] als [der Antragsteller]“. Die besondere Leistungsfähigkeit des Beigeladenen habe sich bereits zu Beginn seiner Laufbahn gezeigt, als er ungefähr ein Jahr nach seinem Eintritt in die niedersächsische Justiz an die Generalstaatsanwaltschaft G. abgeordnet und im Verhältnis zu seinem Dienstalter herausragend gut beurteilt worden sei. Seine Ernennung zum Oberstaatsanwalt (Besoldungsgruppe R 2) sei „ca. 9 Jahre“ nach seinem Dienstantritt als Proberichter und unmittelbar im Anschluss an seine Erprobung erfolgt. Nach weiteren 8,5 Jahren - am ... 2016 - sei er in das Amt eines Oberstaatsanwalts der Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage befördert worden; am ... 2019 sei ihm der Dienstposten des ständigen Vertreters der Behördenleitung der Staatsanwaltschaft B-Stadt übertragen und 6 Monate später sei er zum Oberstaatsanwalt der Besoldungsgruppe R 3 ernannt worden.
Demgegenüber sei die Leistungsentwicklung des Antragstellers „zeitlich gesehen etwas langsamer“ verlaufen. So sei er erst ca. 10 Jahre und 4 Monate nach seinem Eintritt in die niedersächsische Justiz zum Oberstaatsanwalt (Besoldungsgruppe R 2) ernannt worden. Seine Beförderung zum Oberstaatsanwalt der Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage sei ca. 8 Jahre und 9 Monate später erfolgt. Seine Ernennung zum Leitenden Oberstaatsanwalt (Besoldungsgruppe R 3) sei knapp 6 Jahre später vollzogen worden.
Die Gegenüberstellung der Leistungsentwicklung zeige nicht nur die „insgesamt schnellere statusrechtliche Entwicklung“ des Beigeladenen, sondern mache gerade mit Blick auf die jüngere Vergangenheit seine Überlegenheit gegenüber dem Mitbewerber deutlich. So habe der Beigeladene im Amt der Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage lediglich gut 3 Jahre verweilt und damit signifikant kürzer als der Antragsteller (knapp 6 Jahre). Auch wenn nicht verkannt werde, dass gerade in den höheren Besoldungsgruppen Beförderungen immer auch von freiwerdenden Planstellen und dem jeweiligen Bewerberfeld abhingen, sei dies - insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Karrieren beider Bewerber gleichermaßen im Bezirk der Generalstaatsanwaltschaft G. abgespielt hätten - nicht geeignet, den zugunsten des Beigeladenen anzunehmenden Vorsprung im Bereich der Leistungsentwicklung zu verringern.
Nehme man die dienstliche Erfahrung in Bezug auf die Anforderungen des angestrebten Amtes in den Blick, sei dem Beigeladenen ebenfalls gegenüber dem Antragsteller der Vorzug zu geben. Die Leitung einer Staatsanwaltschaft erfordere neben sehr guten juristischen Kenntnissen insbesondere eine ausgeprägte Leitungskompetenz. Der Beigeladene nehme seit dem ... den - damals neu geschaffenen - Dienstposten eines Hauptabteilungsleiters bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt und seit dem ... 2019 den Dienstposten des ständigen Vertreters der dortigen Behördenleitung wahr. Bis März 2019 habe er somit als Leiter der größten Hauptabteilung der Staatsanwaltschaft B-Stadt weit über 50 Dezernenten geführt. Diese Aufgabe habe er nicht nur von Beginn an dienstübergreifend hervorragend gemeistert, sondern habe sich daneben auch ideenreich für weitere Verbesserungen im Dienstbetrieb der gesamten Staatsanwaltschaft eingebracht (z. B. Leitung des Projekts zur Neugestaltung des Eildienstes, Anstoß zur Neuregelung der Entlastung der Gegenzeichner von Assessoren). Seit seinem Wechsel auf den Dienstposten des ständigen Vertreters der Behördenleitung leite der Beigeladene die Hauptabteilung ..., in der die sensiblen und regelmäßig presseträchtigen ... ... ... ... . Daneben seien ihm als ständigem Vertreter der Behördenleitung der mit Abstand größten Staatsanwaltschaft Niedersachsens zahlreiche Aufgabenbereiche übertragen, die in anderen Staatsanwaltschaften ausschließlich von der jeweiligen Behördenleitung wahrgenommen würden; hierzu gehörten u. a. die vollständige Verantwortung für die Amtsanwaltschaft, die Personalangelegenheiten der Laufbahngruppe 2, 1. Einstiegsamt sowie der Laufbahngruppe 1, 1. und 2. Einstiegsamt, das Beurteilungswesen bezüglich aller bei der Staatsanwaltschaft tätigen Proberichter (pro Jahr über 40 Beurteilungen) sowie bestimmte Verwaltungsbereiche aus den Generalienvorgängen wie z. B. Rechtshilfe, Staatsschutz, Eildienst sowie die Geschäftsverteilung. Hierbei habe der Beigeladene von Anfang an Spitzenleistungen erbracht. Dass diesem originär verantwortlichen Bereich ein erhebliches Gewicht zukomme, spiegele sich in der - niedersachsenweit bei der Staatsanwaltschaft B-Stadt einzigartigen - statusrechtlichen Wertigkeit der stellvertretenden Behördenleitung (Besoldungsgruppe R 3) wieder.
Demgegenüber seien dem Antragsteller als dem Leiter der bei der Generalstaatsanwaltschaft G. angesiedelten Zentralstelle J. vier Dezernenten zugeordnet; außerdem sei er stellvertretender Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft G.. Führungsaufgaben, die mit der Leitung einer Staatsanwaltschaft verbunden seien, nehme er nur in Teilbereichen und auch in deutlich geringerem Umfang wahr. Zu seinen Gunsten sei zwar zu berücksichtigen, dass er sechs Jahre lang den mit der Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage bewerteten Dienstposten des Behördenleiters der Staatsanwaltschaft I. bekleidet habe und für dieses Amt mit „vorzüglich geeignet“ beurteilt worden sei. Dabei dürfe jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich bei der Staatsanwaltschaft I. um die im landesweiten Vergleich kleinste Staatsanwaltschaft handle, was sich in der Bewertung des Dienstpostens der Behördenleitung mit Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage zeige. Im Vergleich hierzu seien die aktuell und in der jüngeren Vergangenheit wahrgenommenen Führungsaufgaben bei der größten Staatsanwaltschaft Niedersachsens durch den Beigeladenen als höherwertig anzusehen. Hinzu komme, dass er Mitte des Jahres 2020 während einer mehrmonatigen Vakanz der Behördenleitung der Staatsanwaltschaft B-Stadt (Besoldungsgruppe R 5) die Behörde trotz der zusätzlichen pandemiebedingten Herausforderungen und bei gleichzeitigem krankheitsbedingten Ausfall der Leitung der größten Hauptabteilung beeindruckend souverän geführt habe.
In der Gesamtschau überträfen daher die Erfahrungen des Beigeladenen in einer für das angestrebte Amt aussagekräftigen Führungsposition in Bedeutung und Umfang die Erfahrungen des Antragstellers. Diese Wertung berücksichtige zum einen den Umstand, dass es sich bei der Staatsanwaltschaft F. um eine im Vergleich zu der Staatsanwaltschaft I. deutlich größere, im Vergleich zu der Staatsanwaltschaft B-Stadt dagegen um eine deutlich kleinere Organisationseinheit handle. Zum anderen werde auch in den Blick genommen, dass der Beigeladene die für das angestrebte Amt erforderlichen Leitungskompetenzen in seinem derzeitigen Amt täglich herausragend demonstriere. Dies beinhalte nicht zuletzt auch den souveränen Umgang mit den Herausforderungen, die die zunehmende Digitalisierung heute in einem erheblich größeren Maße als noch vor 5 Jahren an die Behördenleitung stelle. Gerade im Hinblick auf die anstehenden Veränderungen durch die Einführung „der elektronischen Akte bei den Staatsanwaltschaften“ seien vertiefte EDV-Kenntnisse erforderlich, über die der Beigeladene in besonderem Maße verfüge.
Nach Gremienbeteiligung (vgl. Bl. 68/Beiakte 001) und Zustimmung der Landesregierung am 11. Januar 2022 (vgl. Bl. 92/Beiakte 001) teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom 17. Januar 2022 (Bl. 110 bis 115/Beiakte 001) unter Wiedergabe der ihn und den Beigeladenen betreffenden Ausführungen des Auswahlvermerks mit, dass beabsichtigt sei, die ausgeschriebene Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen.
Gegen diese Entscheidung hat der Antragsteller am 2. Februar 2022 bei dem Verwaltungsgericht Hannover um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht und zur Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Soweit das Verwaltungsgericht einen vermeintlichen Leistungsvorsprung an eine „bessere Leistungsentwicklung“ des Beigeladenen knüpfe, überzeuge dies nicht. Bei dem Gesichtspunkt der „kurzen Verweilzeit“ (bzw. Standzeit) eines Bewerbers in den zurückgelegten Ämtern handle es sich nicht um eine Tatsache, die einen leistungsbezogenen Vergleich im Rahmen der Bestenauslese zulasse. Ein vergleichsfähiges Leistungskriterium liege schon deshalb nicht vor, weil der individuelle Beförderungsaufstieg von zahlreichen äußeren Umständen - etwa der Verfügbarkeit von Beförderungsstellen und dem jeweils zu berücksichtigenden Bewerberfeld - abhänge, die der Bewerber letztlich nicht beeinflussen könne. Hinzu träten weitere Rahmenumstände, die für den individuellen Aufstieg bestimmend sein könnten, aber ebenfalls keine belastbaren Rückschlüsse auf das Leistungsvermögen zuließen, etwa die persönliche Entscheidung des Bewerbers, ob er sich auf verfügbare Stellenausschreibungen bewerbe; diese individuelle Entscheidung werde z. B. auch durch die privaten, insbesondere familiären, Lebensumstände des Bewerbers geprägt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, Urteil vom 19.3.2015 - BVerwG 2 C 12.14 -, juris) sei es zulässig, in einem gewissen Rahmen eine bestimmte (Mindest-)Verweildauer in einem Amt vorauszusetzen, um die grundlegende Eignung für eine Beförderung festzustellen; mit einer längeren Verweildauer werde also typischerweise ein Zuwachs an Erfahrung und damit an Eignung und Befähigung verknüpft. Vor diesem Hintergrund spreche ein zu kurz bemessener Zeitraum also gegen und nicht für die vorrangige Eignung eines Bewerbers. ... ... ... ... . Die Betrachtung der Dienstzeiten, die ein Bewerber in früheren Ämtern verbracht habe, wiesen somit keinen eindeutig verwertbaren Leistungsbezug auf. Im Übrigen würden in der Rechtsprechung, soweit der Gesichtspunkt der Leistungsentwicklung der Bewerber in den Blick genommen werde, allein die früheren dienstlichen Beurteilungen betrachtet. Vergleiche man indes seine älteren Beurteilungen und die des Beigeladenen, sei eine „bessere“ Leistungsentwicklung des Beigeladenen nicht ersichtlich. Ungeachtet dessen ergebe sich bei genauer Betrachtung eine signifikante Differenz beim Vergleich der „Verweilzeiten“ lediglich in den Ämtern der Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage (3 Jahre und 4 Monate für den Beigeladenen und 6 Jahre für ihn). Insoweit sei schon die Feststellung eines hinreichend zu differenzierenden Sachverhalts zweifelhaft.
Auch das Kriterium der dienstlichen Erfahrung sei durch den Antragsgegner zu Unrecht zugunsten des Beigeladenen ausgewertet worden. Ausweislich des Auswahlvermerks werde dem Beigeladenen jene „ausgeprägte Leistungskompetenz“ attestiert, die für das angestrebte Amt vorauszusetzen sei. Da insoweit ein einheitlicher Maßstab anhand des Statusamtes der Bewerber anzulegen sei, könne letztlich kein Vorsprung des Beigeladenen festgestellt werden, denn auch er - der Antragsteller - habe im Hinblick auf seine Führungsqualitäten die höchstmöglichen Leistungsanforderungen erfüllt. Beide Bewerber hätten nach Maßgabe des einheitlichen Bewertungsmaßstabes für die Leistungen in einem Amt der Besoldungsgruppe R 3 bei dem Leistungsmerkmal der Führungskompetenz das bestmögliche Ergebnis erzielt. Der Antragsgegner versuche, die aktuell durch ihn - den Antragsteller - wahrzunehmende Führungsverantwortung abzuwerten, indem er darauf verweise, er habe auf seinem aktuellen Dienstposten einen „überschaubaren“ Personalbestand zu führen. Abgesehen davon, dass auch seine aktuelle Funktion erhebliche Anforderungen an die einzubringende Führungskompetenz stelle, sei zu berücksichtigen, dass er über einen Zeitraum von rund 6 Jahren sämtliche Aufgaben eines Behördenleiters wahrgenommen habe.
Soweit der Antragsgegner in seiner Antragserwiderung darauf abgestellt haben sollte, dass es sich bei den seiner Entscheidung zugrunde gelegten Kriterien der Leistungsentwicklung und der dienstlichen Erfahrung um selbständig tragende handle, sei dies dem Auswahlvorgang nicht zu entnehmen und stellte daher eine unzulässige Ergänzung der Auswahlerwägungen im gerichtlichen Verfahren dar. Sämtliche Formulierungen in den einschlägigen Vermerken deuteten stattdessen darauf hin, dass der Antragsgegner den vermeintlichen Leistungsvorsprung des Beigeladenen nach einer kumulativen Betrachtung der bezeichneten Kriterien festgestellt habe.
Das Verwaltungsgericht hat den Eilantrag mit Beschluss vom 6. Mai 2022 mit der Begründung abgelehnt, der Antragsteller habe zwar einen Anordnungsgrund, nicht aber auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsgegner sei zutreffend von im Wesentlichen gleichen aktuellen Beurteilungen der Bewerber ausgegangen. Von einer Berücksichtigung der Vorbeurteilungen als weitere leistungsunmittelbare Erkenntnisquelle habe er in rechtlich nicht zu beanstandender Weise abgesehen, weil auch diese von im Wesentlichen gleichen Leistungen zeugten. Sodann habe er sich entschieden, die Leistungsentwicklung - beurteilt anhand der Schnelligkeit des Aufstiegs bzw. der Verweildauer im jeweiligen Beförderungsamt - und die für das angestrebte Statusamt relevante Berufserfahrung als weiteres leistungsnahes Kriterium heranzuziehen, und zwar - wie eine Auslegung des Auswahlvermerks ergebe - als zwei selbständig tragende Kriterien. Die Heranziehung dieser Kriterien und die hieraus gezogene Schlussfolgerung begegneten keinen rechtlichen Bedenken.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, welcher der Antragsgegner entgegentritt. Der Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - beschränkt ist, rechtfertigen die vom Antragsteller begehrte Änderung der vorinstanzlichen Entscheidung im tenorierten Sinne.
1. Das Verwaltungsgericht hat zunächst zutreffend darauf abgehoben (Beschlussabdruck - BA -, S. 8), dass Auswahlentscheidungen als Akt wertender Erkenntnis lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung unterliegen. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 30.1.2003 - BVerwG 2 A 1.02 -, juris Rn. 11; Nds. OVG, Beschluss vom 15.11.2010 - 5 ME 244/10 -, juris Rn. 20; Beschluss vom 6.10.2011 - 5 ME 296/11 -, juris Rn. 3). Erweist sich die Auswahlentscheidung anhand dieses Maßstabs als fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass der jeweilige Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommt, erscheint eine Auswahl des jeweiligen Antragstellers also jedenfalls möglich (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, juris Rn. 11 ff.; BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 32; Nds. OVG, Beschluss vom 8.9.2011 - 5 ME 234/11 -, juris Rn. 27), hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg. Dabei darf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe nicht hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleiben (BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 32). Das bedeutet, dass sich die Verwaltungsgerichte nicht auf eine wie auch immer geartete summarische Prüfung beschränken dürfen, sondern eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl vornehmen müssen.
Der im Streitfall zu beachtende rechtliche Rahmen ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG), wonach öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden dürfen, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen des Amtes genügen wird. Der Dienstherr darf das Amt nur demjenigen Bewerber verleihen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Leistungsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn. 19). Dementsprechend darf die Bewerbung des Konkurrenten nur aus Gründen zurückgewiesen werden, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 21; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 10; Nds. OVG, Beschluss vom 10.8.2020 - 5 ME 99/20 -, juris Rn. 17; Beschluss vom 23.6.2022 - 5 ME 43/22 -, juris Rn. 29).
Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind regelmäßig die aktuellen dienstlichen Beurteilungen (BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn. 21; Urteil vom 17.9.2020 - BVerwG 2 C 2.20 -, juris Rn. 15; Nds. OVG, Beschluss vom 10.10.2012 - 5 ME 235/12 -, juris Rn. 18; Beschluss vom 14.11.2013 - 5 ME 228/13 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 29.5.2020 - 5 ME 187/19 -, juris Rn. 13; Beschluss vom 11.5.2022 - 5 ME 161/21 -, juris Rn. 18), weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auf den aktuellen Stand abzustellen ist.
Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn. 21). Ist aufgrund dieser aktuellen Beurteilungen von einer im Wesentlichen gleichen Beurteilung auszugehen, ist für die Auswahlentscheidung (zunächst) auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -, juris Rn. 22 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 27.5.2005 - 5 ME 57/05 -, juris Rn. 20), ehe die Heranziehung nicht leistungsbezogener Hilfskriterien in Betracht kommt. Sofern Bewerber mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden sind, hat der Dienstherr (als weiteres unmittelbar leistungsbezogenes Kriterium) zunächst die Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen (BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014 - BVerwG 2 VR 1.14 -, juris Rn. 35; Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016 - 5 ME 151/16 -, juris Rn. 19; Beschluss vom 29.5.2020 - 5 ME 187/19 -, juris Rn. 13). Sind die Bewerber auch nach der umfassenden inhaltlichen Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen („ausschärfende Betrachtung“) als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann die zuständige Behörde auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte abstellen (BVerwG, Beschluss vom 22.11.2012 - BVerwG 2 VR 5.12 -, juris Rn. 25). So kann sie z. B. der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren dienstlichen Beurteilungen ergibt, Vorrang beimessen (BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 46; Beschluss vom 22.11.2012 - BVerwG 2 VR 5.12 -, juris Rn. 25, 37; Nds. OVG, Beschluss vom 28.1.2020 - 5 ME 166/19 -, juris Rn. 12). Es ist aber auch nicht zu beanstanden, auf das leistungsbezogene Erkenntnismittel eines so genannten strukturierten Auswahlgesprächs zurückzugreifen (BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010 - BVerwG 1 WB 39.09 -, juris Rn 39; Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2014 - 5 ME 177/14 -, juris Rn 29; Beschluss vom 21.12.2016 - 5 ME 151/16 -, juris Rn 23). Anderen - nicht leistungsbezogenen - Gesichtspunkten wie etwa dem Dienst- oder Lebensalter darf nur Bedeutung beigemessen werden, wenn sich aus dem Vergleich von unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten kein Vorsprung von Bewerbern ergibt, diese also als im Wesentlichen gleich beurteilt anzusehen sind (BVerwG, Urteil vom 25.8.1988 - BVerwG 2 C 51.86 -, juris Rn. 26; Urteil vom 28.10.2004 - BVerwG 2 C 23.03 -, juris Rn. 13, 15; Beschluss vom 19.7.2010 - BVerwG 2 B 114.09 -, juris Rn. 10).
Mit Blick auf diese Grundsätze hält die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die von dem Antragsgegner zugunsten des Beigeladenen getroffene Auswahlentscheidung sei rechtmäßig, der beschwerdegerichtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Der Antragsteller rügt zu Recht (so BB, S. 2 bis 4 [Bl. 106 bis 108/GA]), dass der Antragsgegner mit dem Kriterium der „Schnelligkeit des Aufstiegs“ bzw. der „kürzeren Verweildauer im vorausgegangenen Statusamt“ ein Auswahlkriterium herangezogen hat, dass sich nicht zur Feststellung einer bestimmten Leistungsentwicklung eignet.
Das Bundesverwaltungsgericht geht - wie ausgeführt - bei wesentlicher Gleichheit der einer Auswahlentscheidung zugrunde liegenden aktuellen dienstlichen Beurteilungen von Bewerbern im Hinblick auf das Gesamturteil sowie eine „ausschärfende Betrachtung“ davon aus, dass die zuständige Behörde auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte abstellen kann. So könne sie, so heißt es wörtlich (so etwa BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 46; Urteil vom 30.6.2011 - BVerwG 2 C 19.10 -, juris Rn. 16; Beschluss vom 22.11.2012 - BVerwG 2 VR 5.12 -, juris Rn. 25; Hervorhebungen durch den beschließenden Senat):
„der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren Beurteilungen ergibt“,
besondere Bedeutung beimessen bzw. den Vorrang einräumen (in diesem Sinne auch BVerwG, Urteil vom 19.12.2002 - BVerwG 2 C 31.01 -, juris Rn. 15; Urteil vom 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, juris Rn. 15). Aus dieser Passage wird deutlich, dass das Bundesverwaltungsgericht den Gesichtspunkt der Leistungsentwicklung an den Ergebnissen der Vorbeurteilungen festmacht. Dementsprechend ist in der Entscheidung des seinerzeit für den Bereich des öffentlichen Dienstrechts ebenfalls zuständigen 2. Senats des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. September 2003 von den
„die Leistungsentwicklung der Bewerber abbildenden älteren Beurteilungen“
die Rede (Nds. OVG, Beschluss 15.9.2003 - 2 ME 312/03 -, juris Rn. 10), und auch der beschließende Senat ist stets davon ausgegangen, dass mit dem Gesichtspunkt der Lei-stungsentwicklung die Ergebnisse der Vorbeurteilungen angesprochen sind. Dies ergibt sich etwa aus seiner folgenden Darstellung der weiteren Prüfungsreihenfolge für den Fall, dass die Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber eine wesentliche Gleichheit ergibt (Nds. OVG, Beschluss vom 29.5.2020 - 5 ME 187/19 -, juris Rn. 13):
„Sind die Bewerber auch nach der umfassenden inhaltlichen Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen ('ausschärfende Betrachtung') als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann die zuständige Behörde auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte - wie etwa die Vorbeurteilung - abstellen“.
Bei dem Gesichtspunkt der „Schnelligkeit des Aufstiegs“ bzw. der „kürzeren Verweildauer im vorausgegangenen Statusamt“ handelt es sich indes nicht um einen „anderen leistungsbezogenen Gesichtspunkt“ im Sinne derjenigen Prüfungskriterien, die im Falle der Feststellung der wesentlichen Gleichheit der Bewerber aufgrund der Auswertung ihrer aktuellen dienstlichen Beurteilungen zum Tragen kommt, sondern um einen nicht-leistungsbezogenen Gesichtspunkt. Der Antragsteller hat zutreffend darauf hingewiesen (so BB vom 8.6.2022, S. 3 [Bl. 107/GA]), dass die Vergleichbarkeit des schnelleren Beförderungsaufstiegs keine objektivierbare Größe darstellt, weil die Umstände der jeweiligen Beförderung von zahlreichen, nicht von dem einzelnen Bewerber zu beeinflussenden Umständen abhängen (z. B. Anzahl und Verfügbarkeit entsprechender Planstellen, Anzahl und Leistungsniveau der Mitbewerber, vorübergehende Beförderungsverbote nach § 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 NBG bzw. Zulassung einer diesbezüglichen Ausnahme nach § 20 Abs. 4 NBG Zeitpunkt des Eintritts in die Laufbahn). Soweit der Antragsgegner den Gesichtspunkt der „Schnelligkeit des Aufstiegs“ bzw. der „kürzeren Verweildauer im vorausgegangenen Statusamt“ also als unmittelbar leistungsbezogenes Kriterium - nämlich als Bestandteil der Leistungsentwicklung - angesehen und seine Auswahlentscheidung hierauf gestützt hat, ist diese fehlerhaft. Es handelt sich bei diesem Kriterium letztlich um die „Umkehr“ des nicht-leistungsbezogenen Kriteriums der „Stehzeit im Amt“, welches den Ausschlag geben kann, wenn eine Auswertung aller leistungsbezogenen Kriterium keinen Leistungsvorsprung eines der Bewerber ergibt; typischerweise wird in einem solchen Fall aus der längeren - nicht der kürzeren - „Stehzeit im Amt“ der Vorrang eines Bewerbers abgeleitet.
b) Was den vom Antragsgegner herangezogenen Gesichtspunkt der dienstlichen Erfahrung betrifft, so handelt es sich bei diesem zwar um ein unmittelbar leistungsbezogenes Kriterium, das nach der dargestellten Rechtsprechung grundsätzlich geeignet ist, bei wesentlicher Gleichheit der aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber einen Leistungsvorsprung zu begründen. Soweit der Antragsgegner einen Leistungsvorsprung des Beigeladenen im Bereich der dienstlichen Erfahrung allerdings auch („nicht zuletzt“; vgl. S. 6 des Auswahlvermerks [Bl. 59/Beiakte 001]) mit vertieften EDV-Kenntnissen des Beigeladenen im Verhältnis zum Antragsteller begründet hat, hat der Antragsteller auch diese Auswahlerwägung, welche die Vorinstanz nicht beanstandet hat (BA, S. 13 f.), mit seinem Beschwerdevorbringen durchgreifend in Frage gestellt.
Dass die zunehmende Digitalisierung der Arbeit alle im Bereich der Niedersächsischen Justiz einschließlich der Niedersächsischen Staatsanwaltschaften Tätigen - und damit auch die entsprechenden Behördenleitungen - vor Herausforderungen stellt, ist allgemein bekannt. Somit ist auch gegen den Ansatz des Antragsgegners, die Behördenleitung einer Staatsanwaltschaft beinhalte den souveränen Umgang mit den Herausforderungen, welche die zunehmende Digitalisierung heute in einem erheblich größeren Maße als noch vor 5 Jahren an die Behördenleitung stelle (so Auswahlvermerk, S. 6 [Bl. 59/Beiakte 001]), rechtlich nichts zu erinnern.
Zutreffend ist auch, dass dem Beigeladenen in seiner aktuellen dienstlichen Beurteilung (S. 7; hierauf hinweisend Beschwerdeerwiderung - BE - vom 17.6.2022, S. 3 [Bl. 116/GA]) bescheinigt wird, er bringe
„[i]m Hinblick auf seine erheblichen EDV-Kenntnisse und seinen professionellen Umgang mit den in der Staatsanwaltschaft genutzten digitalen Programmen [...] auch wichtige Voraussetzungen mit, die für die Einführung der elektronischen Akte notwendig sein werden“.
Der Antragsteller hat jedoch in seiner Beschwerdebegründung unter Beifügung einer entsprechenden Bestätigung der Verwaltungsabteilung der Generalstaatsanwaltschaft G. vom 24. Juni 2022 (Bl. 121/GA) und einer Passage der „Ergänzenden Dienstvereinbarung über die Einführung einer elektronischen Verwaltungsakte mit dem Produkt VIS in der Niedersächsischen Justiz“ (Bl. 122 f./GA) schlüssig dargelegt, dass er selbst seit über einem Jahr - nämlich seit Mai des Jahres 2021 - bei der Erfüllung seiner dienstlichen Aufgaben bereits die rein elektronisch geführte Generalakte VIS verwende, die bislang bei der Staatsanwaltschaft, in der der Beigeladene tätig ist, noch nicht eingeführt worden sei; vielmehr sei die entsprechende Einführung erst ab dem 3. Quartal 2022 geplant. Dementsprechend arbeitete der Antragsteller zum Zeitpunkt der Erstellung des Auswahlvermerks (19.8.2021/ 10.12.2021) bereits mehrere Monate in Verwaltungsangelegenheiten ausschließlich elektronisch über die VIS Suite, während dies für den Beigeladenen erst noch bevorsteht. Vor diesem Hintergrund hält die im Auswahlvermerk des Antragsgegners zum Ausdruck gebrachte Einschätzung, der Beigeladene werde den Herausforderungen im Hinblick auf die Einführung der elektronischen Akte bei den Staatsanwaltschaften besser gerecht werden als der Antragsteller, mangels hinreichender Tatsachengrundlage - nämlich der fehlenden Ermittlung und Auswertung der EDV-Kenntnisse und -Erfahrungen des Antragstellers - der beschwerdegerichtlichen Überprüfung nicht stand.
c) Schon aus den dargestellten Fehlern ergibt sich, dass im Rahmen einer erneuten Auswahlentscheidung eine Entscheidung zugunsten des Antragstellers möglich ist, was für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung ausreicht.
aa) Dieses Ergebnis folgt allerdings nicht bereits daraus, dass - wie der Antragsteller meint (so BB vom 8.6.2022, S. 2 [Bl. 106/GA]) - ein Vergleich der Vorbeurteilungen der Bewerber im Rahmen des Vergleichs ihrer Leistungsentwicklung zu seinen Gunsten ausfiele.
Zutreffend ist zwar, dass sich die Vorbeurteilung des Antragstellers vom 6. März 2020 (Beurteilungszeitraum: 1. August 2019 bis 6. März 2020), welche auf die Vor-Vorbeurteilung vom 31. Juli 2019 (Beurteilungszeitraum: 1. August 2017 bis 31. Juli 2019) verweist, bereits auf das Statusamt R 3 bezieht. Demgegenüber stand der Beigeladene während des Beurteilungszeitraums seiner Vorbeurteilung vom 16. Juni 2018 (Beurteilungszeitraum: 28. März 2017 bis 16. Juni 2018), die auf die Vor-Vorbeurteilung vom 27. März 2017 (Beurteilungszeitraum: 16. Oktober 2015 bis 27. März 2017) verweist, noch im Statusamt R 2 + Amtszulage, denn er war erst mit Wirkung vom ... 2016 in das Statusamt R 2 + Amtszulage befördert worden; seine Beförderung in ein Statusamt der Besoldungsgruppe R 3 war erst mit Wirkung vom ... 2019 - und damit erst während des Zeitraums seiner aktuellen dienstlichen Beurteilung - erfolgt. Richtig ist auch, dass - sofern sich Beurteilungen miteinander konkurrierender Bewerber auf unterschiedliche Statusämter beziehen - die Beurteilung des Bewerbers im höheren Statusamt bei gleichem Gesamturteil grundsätzlich besser ist als diejenige des in einem niedrigeren Statusamt stehenden Konkurrenten (Nds. OVG, Beschluss vom 28.1.2020 - 5 ME 166/19 -, juris Rn. 33), und dass das Amt der Besoldungsgruppe R 3 gegenüber dem Amt der Besoldungsgruppe R 2 + Amtszulage ein um eine Stufe höheres Amt darstellt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 1.12.2017 - 5 ME 204/17 -, juris Rn. 24).
Die Vorbeurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen sind jedoch aufgrund der unterschiedlichen Länge der ihnen zugrunde liegenden Beurteilungszeiträume letztlich nicht miteinander vergleichbar.
Die höchstmögliche Vergleichbarkeit von Regelbeurteilungen wird grundsätzlich durch den gemeinsamen Stichtag und den gleichen Beurteilungszeitraum erreicht (BVerwG, Urteil vom 18.7.2001 - BVerwG 2 C 41.00 -, juris Rn. 16; Urteil vom 26.9.2012 - BVerwG 2 A 2.10 -, juris Rn. 10; Urteil vom 9.5.2019 - BVerwG 2 C 1.18 -, juris Rn. 58). Bei Anlassbeurteilungen stellt sich die Frage, ob sich die Beurteilungszeiträume decken oder in erheblicher Weise divergieren, indes in anderer Weise als bei Regelbeurteilungen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 1.2.2018 - 5 ME 231/17 -; Beschluss vom 11.4.2018 - 5 ME 21/18 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 1.6.2018 - 5 ME 47/18 -; Beschluss vom 19.6.2019 - 5 ME 87/19 -). Regelbeurteilungen sollen Aussagen über die Leistung der Beurteilten nicht nur punktuell, sondern in ihrer gesamten zeitlichen Entwicklung und unabhängig von einer konkreten Personalentscheidung erfassen (BVerwG, Urteil vom 18.7.2001 - BVerwG 2 C 41.00 -, juris Rn. 15 f.). Eine Regelbeurteilung hat sich grundsätzlich zu Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung des Beurteilten während des gesamten Beurteilungszeitraums umfassend zu äußern und mit einem Gesamturteil abzuschließen. Um das in der Regelbeurteilung zu zeichnende Bild hinsichtlich der Vergleichbarkeit der zum gleichen Zeitpunkt beurteilten Beamten zu gewährleisten, muss soweit wie möglich gleichmäßig verfahren werden. Anlassbeurteilungen kommt hingegen die Aufgabe zu, bei einem Fehlen vergleichbarer periodischer (Regel-)Beurteilungen eine am Leistungsgrundsatz orientierte Auswahlentscheidung zu ermöglichen, indem sie einen aktuellen Leistungsvergleich herstellen und Aussagen zur Eignung der einzelnen Bewerber bezogen auf das angestrebte Amt treffen (Nds. OVG, Beschluss vom 11.4.2018 - 5 ME 21/18 -, juris Rn. 10). Anlassbeurteilungen liegen im Unterschied zu Regelbeurteilungen regelmäßig keine einheitlichen Beurteilungszeiträume zugrunde. Dies begründet für sich genommen noch keine Fehlerhaftigkeit der Anlassbeurteilungen, solange auf der Grundlage der Anlassbeurteilungen ein Qualifikationsvergleich nach den Grundsätzen des Art. 33 Abs. 2 GG ohne eine ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers möglich ist (Nds. OVG, Beschluss vom 11.4.2018 - 5 ME 21/18 -, juris Rn. 10; Beschluss vom 19.6.2019 - 5 ME 87/19 -; Beschluss vom 29.5.2020 - 5 ME 187/19 -, juris Rn. 20). Die auf der Grundlage dienstlicher Anlassbeurteilungen durchzuführende „Klärung einer Wettbewerbssituation“ setzt deshalb voraus, dass sich - erstens - der jeweils maßgebliche Beurteilungszeitraum der Beurteilung selbst eindeutig entnehmen lässt, dieser Beurteilungszeitraum - zweitens - aufgrund nachvollziehbarer Kriterien willkürfrei festgelegt worden ist und der Beurteilungszeitraum - drittens - so lang bemessen sein muss, dass über den einzelnen Bewerber verlässliche, auch langfristige Aussagen getroffen werden können (Nds. OVG, Beschluss vom 11.4.2018 - 5 ME 21/18 -, juris Rn. 10). Wann die einem Leistungsvergleich zugrunde liegenden Beurteilungen nicht mehr hinreichend miteinander vergleichbar sind, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls zu entscheiden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9.8.2016 - 2 BvR 1287/16 -, juris Rn. 61; Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2019 - 5 ME 113/19 -; Beschluss vom 29.5.2020 - 5 ME 187/19 -, juris Rn. 20).
Da für die Bewerberauswahl der aktuelle Leistungsstand ausschlaggebend ist, während Erkenntnisse, die einen länger zurückliegenden Zeitraum betreffen, in der Regel von geringerem Gewicht sind, ist es für die Vergleichbarkeit dienstlicher Beurteilungen von größerer Bedeutung, dass der von ihnen abgedeckte Zeitraum zu nicht erheblich auseinanderfallenden Stichtagen endet, als dass der insgesamt erfasste Zeitraum zum gleichen Stichtag beginnt (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 30.4.2012 - 1 B 679/12 -, juris Rn. 3; OVG NRW, Beschluss vom 27.2.2012 - 6 B 181/12 -, juris Rn. 8; Nds. OVG, Beschluss vom 8.10.2019 - 5 ME 113/19 -, m. w. Nw.; Beschluss vom 29.5.2020 - 5 ME 187/19 -, juris Rn. 32). Im Streitfall liegt indes zwischen dem Ende des Vor-Beurteilungszeitraums des Antragsstellers - 6. März 2020 - und dem Ende des Vor-Beurteilungszeitraums des Beigeladenen - 16. Juli 2018 - ein Zeitraum von rund 20 Monaten, so dass diese Vorbeurteilungen nicht mehr hinreichend miteinander vergleichbar sind (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.4.2013 - 1 WDS-VR 1.13 -, juris Rn. 37 ff. [keine Vergleichbarkeit von Regel- und Anlassbeurteilung bei einer Abweichung von 8 Monaten zwischen dem Ende der Beurteilungszeiträume bei einem Regel-Beurteilungszeitraum von 24 Monaten, also einer Abweichung von etwa 1/3 des Regel-Beurteilungszeitraums]; Nds. OVG, Beschluss vom 18.2.2016 - 5 ME 2/16 -, juris Rn. 22f. [keine Vergleichbarkeit frühestens bei einer Abweichung von mehr als einem Jahr bei dreijährigem Regelbeurteilungszeitraum, daher Vergleichbarkeit bei einer Abweichung von nur 8,5 Monaten]; Beschluss vom 19.6.2019 - 5 ME 87/19 - BA, S. 11 f. [Vergleichbarkeit bei einer Abweichung der Endzeitpunkte einer Anlass- und einer Regelbeurteilung von 6 ½ Monaten bei einem Regelbeurteilungszeitraum von grundsätzlich drei Jahren]). Dies ergibt sich bereits, wenn man diese Abweichung von etwa 20 Monaten ins Verhältnis zum Regelbeurteilungszeitraum für Richter und Staatsanwälte auf Lebenszeit - grundsätzlich alle 5 Jahre bis zur Vollendung des 45. Lebensjahres (vgl. Abschnitt 5 Ziffer 1. a) aa) der [mit Ablauf des 31. März 2022 außer Kraft getretenen] AV „Dienstliche Beurteilung der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte“ des Niedersächsischen L. vom 4.2.2015), setzt, denn nach der oben dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei einer Abweichung von 1/3 des Regelbeurteilungszeitraums keine Vergleichbarkeit der Beurteilungszeiträume mehr gegeben. Jedenfalls aber scheidet eine Vergleichbarkeit im Streitfall auch deshalb aus, weil nach der zitierten Beurteilungsregelung eine Regelbeurteilung von Richtern und Staatsanwälten auf Lebenszeit ab der Vollendung des 45. Lebensjahres nicht mehr stattfindet, und dieser Zeitpunkt bei beiden Bewerbern zeitlich vor Beginn ihres Vorbeurteilungszeitraums erreicht war.
bb) Die Möglichkeit der Auswahl des Antragstellers bei einer erneuten Auswahlentscheidung besteht aber deshalb, weil der Antragsgegner in seinem Auswahlvermerk vom 19. August 2021/ 10. Dezember 2021 nicht hinreichend deutlich gemacht hat, ob der angenommene Vorrang des Beigeladenen auf einer alternativen oder kumulativen Betrachtung der angeführten Gesichtspunkte - „Schnelligkeit des Aufstiegs“ und dienstliche Erfahrung in Form der Leitungs- und EDV-Kompetenz - beruht.
Die einleitende Formulierung des Vergleichs zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen (Bl. 56/Beiakte 001),
„Allerdings ergibt sich zugunsten [des Beigeladenen] sowohl hinsichtlich der Leistungsentwicklung als auch der dienstlichen Erfahrung ein geringer, aber entscheidender Leistungsvorsprung“,
spricht eher für eine kumulative Betrachtungsweise, hätte es ansonsten doch sprachlich „ein geringer, aber jeweils entscheidender Leistungsvorsprung“ heißen müssen. Dies hätte zur Folge, dass der Wegfall schon einer der lediglich gemeinsam die Entscheidung tragenden Gründe - also schon die Fehlerhaftigkeit des Kriteriums „Schnelligkeit des Aufstiegs“ - dazu führte, den Ausgang der erneuten Auswahlentscheidung als offen anzusehen, weil dann der ohnehin nur festgestellte „geringe“ Leistungsvorsprung des Beigeladenen nicht mehr gegeben und offen wäre, worauf die Auswahlentscheidung nunmehr gestützt werden würde. Andererseits deuten die weiteren Ausführungen im Auswahlvermerk (S. 57),
„[n]immt man die dienstliche Erfahrung in Bezug auf die Anforderungen des angestrebten Amtes in den Blick[,] ist [der Beigeladene] ebenfalls gegenüber [dem Antragsteller] der Vorzug zu geben“,
eher auf eine alternative - also selbständig tragende - Betrachtungsweise der Gesichtspunkte „Leistungsentwicklung“ und „dienstliche Erfahrung“ hin mit der Folge, dass der Antragsgegner auch bei Wegfall des Gesichtspunktes der „Leistungsentwicklung“ gleichwohl noch von einem geringen, die Entscheidung rechtfertigenden Vorsprung des Beigeladenen aufgrund des Gesichtspunktes der „dienstlichen Erfahrung“ ausgegangen wäre. In diesem Fall wäre aber weiter zu berücksichtigen, dass der Antragsgegner den Vorsprung des Beigeladenen im Bereich der „dienstlichen Erfahrung“ wiederum an zwei Komponenten - nämlich die Leitungskompetenz und die EDV-Kompetenz - geknüpft hat, die er wiederum nicht ausdrücklich als selbständig tragend bzw. kumulativ eingreifend bezeichnet hat. Die Formulierung „nicht zuletzt“ (Bl. 59 2. Abs./Beiakte 001) deutet stark auf eine kumulative Betrachtungsweise hin, was wiederum zur Folge hätte, dass auch ein Eignungsvorsprung des Beigeladenen nicht anzunehmen und der Ausgang der erneuten Auswahlentscheidung offen wäre.
Diese Unklarheiten gehen letztlich zu Lasten des Antragsgegners. Soweit er in der Antragserwiderung vom 9. März 2022 ausgeführt (S. 3 [Bl. 70/GA]),
„[d]er Vergleich der Leistungsentwicklung sowie der dienstlichen Erfahrung in Bezug auf das angestrebte Amt weist einen entscheidenden Leistungsvorsprung des Beigeladenen [auf]“,
und damit argumentiert hat, beide Gesichtspunkte stellten selbständig tragende Auswahlerwägungen dar, handelt es sich hierbei um nachgeschobene - und damit unbeachtliche - Erwägungen. Denn maßgeblich für die verwaltungsgerichtliche Überprüfung einer Auswahlentscheidung sind diejenigen Erwägungen, die bis zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung in den Akten dokumentiert worden sind (Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 5 ME 141/18 -, juris Rn. 21), und diese sind - wie ausgeführt - im Hinblick auf eine selbständig tragende Argumentation nicht eindeutig. Außerdem lässt die Darstellung des Antragsgegners, sowohl aus dem Bereich der Leistungsentwicklung als auch aus dem Bereich der Erfahrung resultiere selbständig tragend ein Vorsprung des Beigeladenen gegenüber dem Antragsteller, unberücksichtigt, dass der Antragsgegner den Vorsprung des Beigeladenen im Bereich der Erfahrung auf zwei Komponenten gestützt hat, deren eine der rechtlichen Überprüfung nicht standhält, ohne ausdrücklich klarzustellen, einen Erfahrungsvorsprung auch ohne die Komponente EDV-Kompetenz angenommen zu haben.
Nach alledem erscheint derzeit offen, auf welchen Kriterien der Antragsgegner eine neue Auswahlentscheidung zwischen den Bewerbern stützen wird. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass bei immer geringer werdenden Unterschieden im Bereich der dienstlichen Erfahrung - wobei sich der Antragsgegner in Bezug auf den Gesichtspunkt der Leitungskompetenz des Antragstellers auch mit dessen aktueller Aufgabenbewältigung bei der Leitung der landesweit zuständigen Zentralstelle J. auseinanderzusetzen hätte (so zu Recht BB vom 8.6.2022, S. 5 [Bl. 109/GA]) - die Durchführung eines strukturierten Auswahlgesprächs in Betracht käme, dessen Ausgang offen ist. Der für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch ist mithin gegeben.
2. Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Für eine einstweilige Anordnung gegen die Besetzung einer Beförderungsstelle mit einem Konkurrenten besteht regelmäßig ein Anordnungsgrund, weil dessen Ernennung grundsätzlich unumkehrbar wäre.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen in beiden Verfahren sind nicht nach § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen der Antragsgegnerin aufzuerlegen und für erstattungsfähig zu erklären, weil der Beigeladene keine Anträge gestellt und sich damit keinem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG - in der zum Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszuges (18. Mai 2022) geltenden Fassung vom 9. August 2019 (BGBl. I S. 1202), bemisst sich also nach der Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Auszugehen ist insoweit von den im Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszugs maßgeblichen Bezügen der Besoldungsgruppe R 4 in Höhe von 8.927,75 EUR (§ 2 Abs. 2 Nr. 1, § 7 Abs. 1, Abs. 2 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes - NBesG - in Verbindung mit der zum Zeitpunkt der Einleitung des zweiten Rechtszugs geltenden Anlage 5). Dementsprechend errechnet sich ein Streitwert in Höhe von 53.566,50 EUR (8.927,75 EUR x 6); eine Halbierung für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes findet nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.5.2013 - 5 ME 92/13 -, juris Rn. 28).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).