Verwaltungsgericht Göttingen
Beschl. v. 22.07.2024, Az.: 3 B 210/24

Bewerberkonkurrenz; Schwerbehinderung; Vertretungsprofessur; Verwaltungsprofessur; Vorstellungsgespräch; Zuständigkeit nach NHG; Bewerberkonkurrenz für eine Vertretungsprofessur

Bibliographie

Gericht
VG Göttingen
Datum
22.07.2024
Aktenzeichen
3 B 210/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 19781
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGGOETT:2024:0722.3B210.24.00

Fundstelle

  • IÖD 2024, 264

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur sachlichen Zuständigkeit der Beauftragung einer Vertretungsprofessur nach § 26 Abs. 7 NHG bei der Georg-August-Universität Göttingen.

  2. 2.

    Besteht eine Bewerberkonkurrenz für eine Vertretungsprofessur nach § 26 Abs. 7 NHG müssen die für die Auswahl eines Bewerbers maßgeblichen Kriterien dokumentiert werden.

  3. 3.

    Schwerbehinderte Bewerber haben bei der Bewerbung auf eine Vertretungsprofessur einen Anspruch darauf, zu einen Vorstellungsgespräch geladen zu werden.

Tenor:

Der Antragsgegnerin wird vorläufig - bis zum Ablauf einer Frist von 2 Wochen nach einer erneuten Entscheidung über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts - untersagt, die Vertretungsprofessur für französische und italienische Literaturwissenschaft am romanischen Seminar der philosophischen Fakultät der Antragsgegnerin (Besoldungsgruppe W 2) mit der Beigeladenen zu besetzen.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsgegnerin zu 8/10, der Antragsteller zu 2/10; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 38.126,46 Euro festgesetzt.

[Gründe]

I.

Die Beteiligten streiten um die Besetzung der Vertretungsprofessur für französische und italienische Literaturwissenschaft am romanischen Seminar der philosophischen Fakultät der Antragsgegnerin.

Dieser Lehrstuhl ist planmäßig mir Frau Prof. Dr. F. G. besetzt. Diese erhielt von der Volkswagenstiftung für ein Publikationsvorhaben mit einer Laufzeit von 18 Monaten ein Stipendium, weshalb ihre Professur ab dem Wintersemester 2024/2025 vakant ist. Gegenstand der Bewilligung sind u.a. Personalmittel in Höhe von 160.400,00 Euro, die zweckgebunden für die Vergütung einer Vertretungsprofessur bestimmt sind. Frau Prof. Dr. G. bemühte sich eigeninitiativ um die Besetzung der Vertretungsprofessur. Sie kontaktierte sowohl die Beigeladene als auch den Antragsteller. In welcher Reihenfolge dies geschah, lässt sich den Akten nicht entnehmen. Der Antragsteller war von 2019 bis 2023 Oberassistent am Lehrstuhl von Prof. Dr. H. I. am romanischen Seminar der Universität J.. Er war hier für die Wahrnehmung der Vertretung des Lehrstuhls/W 3-Professur für romanische Literaturwissenschaft, insbesondere Französisch und Italienisch, am romanischen Seminar der K. -L. s-Universität M. beurlaubt. Die Beigeladene ist seit 2019 Leiterin des Projekts "Religionskritik in der italienischen, französischen und spanischen Novellistik im Mittelalter und früher Neuzeit" am Exellenzcluster "Religion und Politik" sowie Lehrkraft für besondere Aufgaben am Institut für französische und frankophone Literaturwissenschaft des romanischen Seminars der Universität D-Stadt. Sowohl der Antragsteller wie auch die Beigeladene werden in ihren Positionen nach TVL 13 vergütet.

Nachdem sich die Wahrnehmung der Vertretungsprofessur durch die Beigeladene aus privaten Gründen zunächst nicht hatte realisieren lassen, brachte Frau Prof. Dr. G. innerhalb der der hierfür zuständigen Gremien der Antragsgegnerin, die Vertretungsprofessur für den Antragsteller auf den Weg. Es folgte reger E-Mail-Verkehr zwischen Frau Prof. Dr. G. bzw. einer ihrer Mitarbeiterinnen und der Referentin des Fakultätsrats der philosophischen Fakultät der Antragsgegnerin, Frau N. O., sowie auch der Gleichstellungsbeauftragten der Fakultät Frau P. Q.. Ausweislich ihrer Mailadresse ist Frau O. der zentralen Verwaltung der Antragsgegnerin zugeordnet. In diesem Mail-Verkehr äußerte Frau Prof. Dr. G. unter anderem, dass der Antragsteller den Anforderungen in Forschung Lehre entspreche. Ferner könne er den Studiengang Weltliteratur in der Lehre bedienen. Hiergegen intervenierte die Gleichstellungsbeauftragte der philosophischen Fakultät der Antragsgegnerin und bat um Suche nach einer geeigneten weiblichen Person. Sie berief sich auf das Hinweispapier zur Verwaltung/Vertretung von Professuren der Vizepräsidentin der Antragsgegnerin für Berufungen und Chancengleichheit aus Juli 2023. Darin ist u.a. geregelt, dass die Vertretung/Verwaltung von Professuren ein wichtiges Instrument zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und der Gleichstellung sei. Die Auswahl der Personen, die mit der Verwaltung oder Vertretung einer Professur beauftragt werden, solle diesem Maßstab folgen. An anderer Stelle heißt es, entsprechend diesen Zielen sollten geeignete Nachwuchswissenschaftlerinnen bevorzugt mit der Verwaltung/Vertretung von Professuren beauftragt werden. Daraufhin teilte Frau Prof. Dr. G. Frau O. mit, die Beigeladene sei die Einzige, die in etwa ihrem, Frau Prof. Dr. G. s, Profil entspreche. Ihre private Situation stelle sich aber als sehr schwierig dar, wohingegen der Antragsteller verfügbar sei. In dieser E-Mail vom 04.03.2024 wies Frau Prof. Dr. G. zudem daraufhin, der von ihr kontaktierte Antragsteller habe eine körperliche Behinderung, die man vielleicht auch ins Feld schieben könne. Ob das reiche, stellte sie als Frage in den Raum. In ihrer Antwort-Mail führte Frau O. aus, das Präsidium der Antragsgegnerin und nicht Frau Prof. Dr. G. sei für die Stellenbesetzung zuständig. Dieses habe die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und die Gleichstellung als wichtige Aufgabe definiert. Deshalb bitte sie Frau Prof. Dr. G., die Stellenbesetzung durch den Antragsteller gut zu begründen. Die Schwerbehinderung sei ganz sicher ein gutes Argument. Die Beteiligten gehen unstreitig davon aus, dass der Antragsteller mit einem Grad der Behinderung von 60 schwerbehindert ist.

Aus einer E-Mail von Prof. Dr. G. an die Gleichstellungsbeauftragte der philosophischen Fakultät vom 13.03.2024 ergibt sich sodann, dass die Beigeladene eine Lösung ihres privaten Problems gefunden habe und im Winter nach C-Stadt kommen könne. Daraufhin beantragte Frau Prof. Dr. G., die Vertretung ihrer Professur durch die Beigeladene vornehmen zu lassen. Diesem Antrag stimmte die Gleichstellungsbeauftragte unter dem 21. März 2024 zu. Die für Berufungen zuständige Vizepräsidentin der Antragsgegnerin, Frau Prof. Dr. R., stimmte dem Antrag per E-Mail vom 21. März 2024 - vorbehaltlich der personalrechtlichen Prüfung - zu. Daraufhin stellte das Seminar für romanische Philologie, gezeichnet durch die Direktorin, die Geschäftsführerin Frau Jacqueline O. sowie die Gleichstellungsbeauftragte unter dem 24.04.2024 gegenüber der Personaladministration der Antragsgegnerin einen Antrag auf Durchführung einer personalrechtlichen Maßnahme, nämlich die Einstellung der Beigeladenen nach Besoldungsgruppe W2 NBesO ab dem 01.10.2024, befristet bis zum 31.03.2026. Ein Auswahlvermerk findet sich in den Verwaltungsvorgängen der Antragsgegnerin nicht.

Unter dem 03. Mai 2024 meldete sich der Antragsteller durch seine Prozessbevollmächtigte bei der Antragsgegnerin, adressiert an das Präsidium. Er habe davon erfahren, dass die Vertretungsprofessur von der Beigeladenen wahrgenommen werden solle. Er sehe hierin einen Verstoß gegen den Leistungsgrundsatz aus Artikel 33 Abs. 2 GG, eine Diskriminierung wegen des Geschlechts und wegen seiner anerkannten Schwerbehinderung. Mit Schreiben vom 28.05.2024 hielt die Antragsgegnerin an ihrer Absicht fest, die Vertretungsprofessur der Beigeladenen zu übertragen. Dies bestätigte sie durch Schreiben vom 12.06.2024. Beide Schreiben enthalten eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht.

Mit Schreiben vom 20. Juni 2024 legte der Antragsteller gegen die Auswahlentscheidung Widerspruch ein. Diesen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2024 als unzulässig zurück. Ein Widerspruchsverfahren finde in Niedersachsen gegen Auswahlentscheidungen nicht statt. Eine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt auch dieser Widerspruchsbescheid nicht. Zu einem Vorstellungsgespräch lud die Antragsgegnerin den Antragsteller nicht.

Am 26.06.2024 hat der Antragsteller um die Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes nachgesucht.

Zur Begründung seines Antrags trägt er im Wesentlichen vor, die Auswahlentscheidung für die streitbefangene Vertretungsprofessur sei maßgeblich nach dem Kriterium des Geschlechts getroffen worden. Eine am Anforderungsprofil orientierte Bestenauslese habe nicht stattgefunden, sei jedenfalls nicht dokumentiert worden. Dass die Beigeladene für die Vertretungsprofessur "passgenauer" sei, werde nur behauptet, nicht aber dokumentiert begründet. Die Auswahlentscheidung verstoße daher gegen Artikel 33 Abs. 2 GG, von dem auch § 26 Abs. 7 NHG nicht suspendieren könne. Das Geschlecht eines Bewerbers dürfe nur als letztes Hilfskriterium herangezogen werden; als solches sei es hier unzulässig. Zudem habe die Antragsgegnerin § 165 Satz 3 SGB IX verletzt. Sie hätte ihn, den Antragsteller als anerkannt Schwerbehinderten, zu einem Vorstellungsgespräch einladen müssen.

Der Antragsteller beantragt,

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO zu untersagen, die Vertretungsprofessur für französische und italienische Literaturwissenschaft am Romanischen Seminar der Philosophischen Fakultät (Besoldungsgruppe W2) mit der Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des Antragstellers bestandskräftig entschieden ist.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, die Besetzung von Vertretungsprofessuren sei nur einer reinen Willkürkontrolle unterworfen. Die Beigeladene sei für die Wahrnehmung der Vertretungsprofessur besser geeignet. Aus der eidesstattlichen Versicherung der Frau Prof. Dr. G. vom 08.07.2024 ergibt sich, dass sie die Beigeladene in Bezug auf die Professur für "passgenauer" hält. Es habe in Anwendung des § 26 Abs. 7 NHG weder eine Ausschreibung noch ein Berufungsverfahren erfolgen müssen. Auch habe es keine Meldepflicht an die Agentur für Arbeit nach § 165 SGB IX gegeben. Folglich sei auch kein Verstoß gegen die Verpflichtung, Schwerbehinderte zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, gegeben. Darüber hinaus habe der Antragsteller seine Schwerbehinderung im Verfahren auch nicht geltend gemacht. Sie habe auch dem Geschlecht bei der Stellenbesetzung nicht rechtswidrig Vorrang eingeräumt. § 26 Abs. 2 S. 8 NHG enthalte einen Gleichstellungsauftrag, der auch bei der Besetzung einer Vertretungsprofessur Beachtung verlange. Insoweit enthalte das interne Hinweispapier zur Verwaltung/Vertretung von Professuren aus dem Juli 2023 konkretisierende Regelungen. Ein Vorstellungsgespräch sei hierin nicht vorgesehen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag und äußert sich nicht zur Sache.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin Bezug genommen. Diese Unterlagen sind Gegenstand der Entscheidung gewesen.

II.

Der Antrag ist nur teilweise zulässig.

Der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 VwGO ist eröffnet, weil es sich bei der streitbefangenen Vertretungsprofessur um ein Dienstverhältnis eigener Art handelt (zurückgehend auf BAG vom 25.02.2004 - 5 AZR 62/03 -; vgl. Epping/Nölle, NHG, § 26 Rn. 223 und 230; LT/DS142541 S. 75).

Dem Antrag fehlt indes das Rechtsschutzbedürfnis, soweit der Antragsteller eine vorläufige Regelung solange begehrt, wie nicht über seine Bewerbung bestandskräftig entschieden ist. Eine derartige Regelung würde über das mit der begehrten einstweiligen Anordnung verfolgte Rechtsschutzziel hinausschießen und die Rechte der Beigeladenen im Falle einer Neuentscheidung zu Gunsten des Antragstellers verfassungswidrig eingrenzen. Denn ihr würde Rechtsschutz abgeschnitten, wenn die jetzt begehrte einstweilige Regelung bis zum Eintritt der Bestandskraft einer Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten erfolgen würde. Deshalb tenoriert die Kammer die Reichweite der begehrten einstweiligen Regelung bis zum Ablauf einer Frist von 2 Wochen nach einer erneuten Entscheidung über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts.

Soweit der Antrag zulässig ist, ist er auch begründet.

Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag und bereits vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahr zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Derjenige, der vorläufigen Rechtsschutz begehrt, muss gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920, 294 ZPO glaubhaft machen, dass ein Grund für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht (Anordnungsgrund) und das ihm der geltend gemachte materiell-rechtliche Anspruch zusteht (Anordnungsanspruch). Maßgebend sind hierbei die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.

Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Die Kammer folgt nicht der Rechtsprechung des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts (vgl. Beschluss vom 18.04.2018 - 2 EO 152/18 -, Juris Rn. 6 f.). Dieses Gericht hat entschieden, dass es bei der Besetzung einer Vertretungsprofessur nicht um die Übertragung eines Statusamtes, sondern um eine Übergangsmaßnahme zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs gehe, der mit der endgültigen Stellenbesetzung entfalle. Weder sei mit ihr die Berufung auf die ausgeschriebene Professur verbunden, noch münde die Vertretungsprofessur ohne weiteres in die Berufung zum Professor. Vielmehr gehe es lediglich um die Besetzung eines Dienstpostens (Amt im konkret-funktionellen Sinne). Hier sei ein Anordnungsgrund nur dann zu bejahen, wenn die Auswahl für die Besetzung des Beförderungsdienstpostens die Auswahlentscheidung für eine nachfolgende Vergabe eines Amtes im statusrechtlichen Sinne vorverlagere. Dies sei bei der Vertretungsprofessur im Streitfall nicht so, weil die dort beteiligte Universität zugesichert hatte, die Wahrnehmung der höherwertigen Aufgabe als Vertretungsprofessor bei der Besetzung der Professorenstelle selbst auszublenden.

Diese Rechtsprechung überzeugt die Kammer aus drei Gründen nicht.

Zum einen handelt es sich bei der streitbefangenen Vertretungsprofessur um eine mit W 2 NBesO besoldete Stelle. Sowohl der Antragsteller wie auch die Beigeladene kommen aus der Entgeltgruppe 13 TV-L. Für beide handelt es sich bei der Vertretungsprofessur mithin um eine - wenn auch zeitlich befristete - Beförderungsstelle. Es greift zur Überzeugung der Kammer zu kurz, wenn hier allein von einer bloßen Dienstpostenbesetzung die Rede ist, bei der nur unter eingeschränkten Voraussetzungen ein Anordnungsgrund angenommen werden könne.

Hinzukommt, dass die abweichende Rechtsprechung des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts allein die betroffene Universität sowie die dort ausgeschriebene Professur einschließlich vorhergehender Vertretungsprofessur in den Blick nimmt. Damit blendet das Gericht zu Unrecht aus, dass sich der während der Vertretungsprofessur erlangte Erfahrungsvorsprung bei Bewerbungen an anderen Universitäten doch noch auswirken kann, weil von denen entsprechende Erklärungen, bei einer etwaigen Bewerbung würde der erlangte Erfahrungsvorsprung ausgeblendet, nicht vorliegen. Wie der Umstand zeigt, dass sowohl der Antragsteller wie auch die Beigeladene derzeit an anderen Universitäten der Bundesrepublik bzw. sogar des europäischen Auslandes lehren, und sich auf die Vertretungsprofessur in C-Stadt beworben haben, besteht eine große örtliche Flexibilität des wissenschaftlichen Nachwuchses, die es verbietet, lediglich die Universität in den Blick zu nehmen, an der die Vertretungsprofessur angetreten werden soll.

Schließlich überzeugt die Rechtsprechung des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts deshalb nicht, weil die Kammer mit dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht der Auffassung ist, dass die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Ausblenden eines Bewährungsvorsprungs (vgl. die Zitate in der Entscheidung des Thüringischen Oberverwaltungsgerichts, aaO Rn. 9) nicht zu überzeugen vermag und deshalb für die Versagung eines Anordnungsgrundes nicht herangezogen werden kann. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht (Beschluss vom 02.11.2021 - 5 ME 80/21 -, Juris Rn. 40) hat dazu überzeugend ausgeführt, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, das Rechtsinstitut der fiktiven Fortschreibung einer Beurteilung ermögliche es, einen (etwaigen) Bewährungsvorsprung durch die fiktive "Ausblendung" der aus der Höherwertigkeit des Dienstpostens folgenden Tätigkeit auszuschließen, überzeuge mit Blick auf die damit verbundenen unklaren Folgewirkungen unverändert nicht. Es bestünde die Problematik, dass sich ein erlangter Bewährungs- und Erfahrungsvorsprung in einem erneut durchzuführenden Auswahlverfahren gleichwohl zu Lasten des unterlegenen Mitbewerbers auswirken könne. So werde mit der Wahrnehmung eines höherwertigen Dienstpostens bzw. der Übertragung der diesem Dienstposten zugewiesenen Aufgaben regelmäßig auch eine Verbesserung der Fachkenntnisse und Fähigkeiten wie Souveränität, Arbeitseffizienz, rhetorisches Geschick etc. sowie eine Erhöhung der Verwendungsbreite verbunden sein, welche sich im Rahmen eines neuen Auswahlverfahrens letztlich nicht vollständig "ausblenden" ließen und damit schließlich die Chancen des Bewerbers erhöhten, dem der höherwertige Dienstposten bzw. dessen Aufgaben übertragen worden seien. Die Chancengleichheit der Bewerber würde durch ein "Ausblenden" mithin nicht gewahrt.

Auf die Frage, ob einem Ausblenden, wie es dem Thüringischen Oberverwaltungsgericht vorschwebt, in Niedersachsen möglicherweise § 25 Abs. 1 Nr. 4 a NHG entgegensteht, der gesetzlich regelt, dass neben einer Habilitation auch andere, dieser ähnliche wissenschaftliche Leistungen als Einstellungsvoraussetzung anerkannt sind, kommt es entscheidungserheblich nicht - mehr - an.

Es liegt auch ein Anordnungsanspruch zu Gunsten des Antragstellers vor.

Beamtenrechtliche Auswahlentscheidungen unterliegen als Akt wertender Erkenntnis lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 30.01.2003 - BVerwG 2 A 1.02 -, juris Rn. 11; Nds. OVG, Beschluss vom 15.11.2010 - 5 ME 244/10 -, juris Rn. 20; Beschluss vom 06.10.2011 - 5 ME 296/11 -, juris Rn. 3). Erweist sich anhand dieses Maßstabs die Auswahlentscheidung als fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass der jeweilige Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommt, erscheint eine Auswahl des jeweiligen Antragstellers also jedenfalls möglich (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, juris Rn. 11 ff.; BVerwG, Urteil vom 04.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 32; Nds. OVG, Beschluss vom 08.09.2011 - 5 ME 234/11 -, juris Rn. 27), hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg. Dabei darf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe nicht hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleiben (BVerwG, Urteil vom 04.11.2010, a. a. O., Rn. 32). Das bedeutet, dass sich die Verwaltungsgerichte nicht auf eine wie auch immer geartete summarische Prüfung beschränken dürfen, sondern eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl vornehmen müssen (vgl. hierzu und zum Folgenden: Nds. OVG, Beschluss vom 24.10.2018 - 5 ME 82/18 -, juris Rn. 22-25)

Der zu beachtende rechtliche Rahmen ergibt sich aus Art. 33 Abs. 2 GG, wonach öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden dürfen, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen des Amtes genügen wird. Der Dienstherr darf das Amt nur demjenigen Bewerber verleihen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Leistungsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn. 19). Dementsprechend darf die Bewerbung des Konkurrenten nur aus Gründen zurückgewiesen werden, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (BVerwG, Urteil vom 4.11.2010, a. a. O., Rn. 21; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 10).

Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind regelmäßig die aktuellen dienstlichen Beurteilungen (BVerwG, Urteil vom 27.02.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 20.06.2013, a. a. O., Rn. 21; Nds. OVG, Beschluss vom 10.10.2012 - 5 ME 235/12 -, juris Rn. 18; Beschluss vom 14.11.2013 - 5 ME 228/13 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 23.05.2014 - 5 ME 61/14 -), weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auf den aktuellen Stand abzustellen ist. Der Dienstherr kann über die Eignung des Bewerberfeldes aber auch in einem "gestuften" Auswahlverfahren befinden. Bewerber, welche die allgemeinen Ernennungsbedingungen oder die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllen oder die aus sonstigen Eignungsgründen für die Ämtervergabe nicht in Betracht kommen, können in einer ersten Auswahl ausgeschlossen und müssen somit nicht mehr in den Leistungsvergleich einbezogen werden (BVerwG, Beschluss vom 06.04.2006 - BVerwG 2 VR 2.05 -, juris Rn. 7; Beschluss vom 20.06.2013, a. a. O., Rn. 23). Dies gilt grundsätzlich auch für Bewerber, die zwingende Vorgaben eines rechtmäßigen Anforderungsprofils nicht erfüllen (BVerwG, Beschluss vom 20.06.2013, a. a. O., Rn. 23; ebenso: Nds. OVG, Beschluss vom 21.04.2015 - 5 ME 64/15 -; Beschluss vom 01.03.2016 - 5 ME 10/16 -). Es ist grundsätzlich zulässig, dass der Dienstherr im Anforderungsprofil des zu besetzenden Dienstpostens zwischen Kriterien, die zwingend erfüllt sein müssen (= konstitutives/zwingendes Anforderungsprofil), und solchen Kriterien, deren Erfüllung wünschenswert ist (= beschreibendes/fakultatives/nicht-konstitutives Anforderungsprofil), differenziert, und dass er Bewerber schon dann ablehnt, wenn sie bestimmte zwingende Merkmale des Anforderungsprofils nicht erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.02.2010 - BVerwG 2 C 22.09 -, juris Rn. 15; Nds. OVG, Beschluss vom 26.10.2012 - 5 ME 220/12 -, juris Rn. 13; Beschluss vom 05.09.2014 - 5 ME 135/14 -, juris Rn. 7; Beschluss vom 01.03.2016 - 5 ME 10/16 -; Beschluss vom 01.12.2016 - 5 ME 153/16 -, juris Rn. 27).

Diese für beamtenrechtliche Konkurrentenverfahren entwickelten Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung der Kammer (vgl. Beschluss vom 18.09.2019 -3 B 152/19, juris Rn. 34 f.) in gleicher Weise für hochschulrechtliche Konkurrentenstreitigkeiten zur Besetzung von Professorenstellen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das spezifische Auswahl- und Berufungsverfahren der Professoren besonders eng mit der Garantie der Wissenschaftsfreiheit im Sinne von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verknüpft ist. Der Hochschule steht deshalb grundsätzlich eine verfassungsrechtlich geschützte Beurteilungskompetenz über die Qualifikation eines Bewerbers für eine Professorenstelle zu mit der Folge, dass die verwaltungsgerichtliche Kontrolldichte zurückgenommen ist. Die Auswahlentscheidung kann gerichtlich nur daraufhin überprüft werden, ob sie verfahrensfehlerfrei zustande gekommen und ob der Beurteilungsspielraum überschritten worden ist, etwa weil die Entscheidung ersichtlich auf der Verkennung von Tatsachen oder auf sachfremden Erwägungen beruht. Dies gilt vor allem und in erster Linie für die Feststellung und Beurteilung der wissenschaftlichen Eignung und der notwendigen Lehrbefähigung der Bewerber (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 04.03.2014 - 1 BvR 3606/13 -, juris Rn. 20; BVerwG, Urteil vom 20.10.2016 - BVerwG 2 C 30.15 -, juris Rn. 17 ff.; OVG Rh.-Pf., Beschluss vom 06.08.2018 - 2 B 10742/18 -, juris Rn. 4 f.). Die Bewertung, ob ein Bewerber besser geeignet ist als ein anderer, hat das Gericht generell nicht vorzunehmen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.08.2019 - OVG 4 S 15.19 - juris Rn. 4 m. w. N.).

Die Kammer ist mit dem VGH Baden-Württemberg (Beschluss vom 26.3.2019 - 4 S 177/19 -, juris Rn. 43) der Auffassung, dass die Berufungskommission berechtigt ist, unter mehreren, im Wesentlichen gleichwertigen Bewerbern eine Auswahl im Hinblick auf einzelne - von ihr für wesentlich erachtete - Leistungsmerkmale oder Beurteilungselemente zu treffen. In einem Verfahren wie dem vorliegenden gibt es keine miteinander vergleichbaren dienstlichen Beurteilungen der Bewerber, so dass die Beurteilung als wesentlich gleichwertig nicht anhand einer vorgegebenen Gesamtbeurteilung erfolgen kann. Damit wird schon für die Frage der Gleichwertigkeit die Entscheidung notwendig, ob und ggf. welche der von den Bewerbern typischerweise in unterschiedlichem Maß verwirklichten Kriterien des Anforderungsprofils bei der Abwägung ausschlaggebend gewichtet oder gleichwertig bzw. kompensatorisch gewertet werden sollen.

Ob der gerichtliche Prüfungsumfang bei einer Beauftragung mit einer Vertretungsprofessur nach § 26 Abs. 7 NHG noch weiter zurückzunehmen ist, erscheint zweifelhaft. Das OVG D-Stadt hat dies bejaht und dazu in seinem Beschluss vom 11.09.2006 -6 B 1739/06-, juris Rn. 29 ff. ausgeführt:

"Der in Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz verankerte Grundsatz der Bestenauslese dient dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes, dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität gewährleistet werden sollen. Zugleich wird damit dem rechtlichen Interesse des Bewerbers an einem angemessenen beruflichen Fortkommen Rechnung getragen und ein grundrechtsgleiches Recht auf rechtsfehlerfreie Einbeziehung in die bei einer Stellenbesetzung zu treffende Auswahlentscheidung begründet (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. November 2004 - 2 C 17.03 -, BVerwGE 122, 237, und - 2 C 9.04 -). Die hieraus folgenden Bindungen für den Entscheidungsspielraum des Dienstherrn werden notwendigerweise aber auch von organisatorischen, personalwirtschaftlichen und personalpolitischen Aspekten wesentlich mit beeinflusst, die der Dienstherr im Interesse einer möglichst optimalen Stellenbesetzung mit berücksichtigen können muss (vgl. zuletzt Urteil des Senats vom 23. Juni 2006 - 6 A 77/04 - sowie Beschluss des Senats vom 11. Juli 2006 - 6 B 1184/06 -). Im vorliegenden Zusammenhang spielen dabei insbesondere die zeitlichen Zwänge, die bei der Beauftragung eines Kandidaten mit der vertretungsweisen Wahrnehmung einer Professur beachtet werden müssen, eine ausschlaggebende Rolle. Die diesbezüglichen Notwendigkeiten sind oben näher dargestellt. Der Hochschule muss vor diesem Hintergrund die Befugnis zugebilligt werden, das Verfahren zur bestmöglichen Besetzung der Vertretungsprofessur in den Grenzen des Willkürverbots frei zu bestimmen."

Ob diese, allein mit zeitlichen Zwängen begründete Zurücknahme des gerichtlichen Prüfungsumfangs mit Art. 33 Abs. GG, der grundsätzlich für alle öffentlichen Ämter, also auch eine zeitlich befristete Vertretungsprofessur gilt, vereinbar ist, kann die Kammer offenlassen. Denn selbst wenn man einen derart eingeengten Prüfungsmaßstab zugrunde legen würde, wäre die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung voraussichtlich rechtswidrig. Willkürlich ist es nämlich, sehenden Auges gegen gesetzliche Regelungen zu verstoßen und eine effektive Rechtskontrolle unmöglich zu machen.

Eine Beauftragung der Beigeladenen wäre bereits formell rechtswidrig, weil sie unter Verstoß gegen die Zuständigkeitsbestimmung des § 26 Abs. 7 NHG und der Geschäftsordnung des Präsidiums der Antragsgegnerin und damit willkürlich erfolgen würde. Nach § 26 Abs. 7 NHG kann das Präsidium ohne Durchführung eines Berufungsverfahrens eine geeignete Person beauftragen, eine Professur übergangsweise in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis eigener Art zu verwalten. Hier hat die Beauftragung nicht das Präsidium der Antragsgegnerin ausgesprochen, sondern sein für Berufungen zuständiges Vorstandsmitglied, Vizepräsidentin Prof. Dr. R.. Dieses Vorgehen verstößt gegen die Geschäftsordnung des Präsidiums - GO - (aktuelle Fassung vom 01.01.2024, Amtl. Mitteilungen I Nr. 11 vom 05.04.2024 S. 120 f.). Zwar regelt § 2 Abs. 2 GO, dass das einzelne Mitglied des Präsidiums seinen Geschäftsbereich in eigener Verantwortung führt. Zudem bestimmt § 2 Abs. 9 Satz 1 1. HS GO, dass in Berufungs- und Bleibeverfahren, wo eine Mitwirkung/Entscheidung des Präsidiums vorgesehen ist, das Präsidiumsmitglied für Berufungen, hier Vizepräsidentin Prof. Dr. R., ermächtigt und beauftragt ist, für das Präsidium zu handeln und dies angemessen zu dokumentieren; eines förmlichen Beschlusses des Präsidiums als Kollegialorgan bedarf es nach dem 2. Halbsatz der Regelung jedoch immer dann, wenn eine rechtliche Bestimmung dem Präsidium eine Entscheidungszuständigkeit zuweist. Dies ist durch § 26 Abs. 7 NHG der Fall. Das Präsidium kann danach eine geeignete Person beauftragen. Es hat dabei eine eigene Ermessensentscheidung dahin zu treffen, ob es von dieser Ermächtigung Gebrauch machen will. Das Präsidium der Antragsgegnerin ist jedoch zu keinem Zeitpunkt mit der Beauftragung der Beigeladenen befasst gewesen.

Ein weiterer Mangel, der die getroffene Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin willkürlich rechtswidrig macht, ist der Umstand, dass die Antragsgegnerin die Erwägungen, die sie dazu bewogen haben, die Beigeladene mit der Vertretungsprofessur zu beauftragen, nicht dokumentiert hat. Da es für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung regelmäßig auf den Zeitpunkt der Bewerberauswahl ankommt, überprüfen die Verwaltungsgerichte die Erwägungen des Dienstherrn hinsichtlich der Eignung der Bewerber nur insoweit, wie sie zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung dokumentiert worden sind. Nicht bis zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung dokumentierte Auswahlerwägungen können eine Auswahlentscheidung also nicht tragen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass diese für die damalige Entscheidung gar nicht tragend gewesen sind (vgl. zuletzt Nds. OVG, Beschluss vom 11.06.2024 - 5 ME 34/24 -, Juris Rn. 38 m. w. N.). Dementsprechend sind die nachträglichen Erwägungen der Antragsgegnerin zu ihren vorgeblichen Gründen dafür, die Beigeladene auszuwählen, nicht geeignet, ihre Auswahlentscheidung zu rechtfertigen. Einen dokumentierten Auswahlvorgang gibt es in den von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsgängen ebenso wenig wie in dem vorprozessualen Schriftverkehr mit der Prozessbevollmächtigen des Antragstellers. Eine wirksame Rechtskontrolle ist damit durch die Antragsgegnerin unmöglich gemacht worden. Dies ist willkürlich. Es bleibt zudem in Ansehung der Regelung in Abschnitt 3 b.) des Hinweispapiers zur Verwaltung/Vertretung von Professuren aus dem Juli 2023, auf die sich die Antragsgegnerin jedenfalls vorprozessual berufen hat, der Verdacht einer willkürlichen Bevorzugung der Beigeladenen allein aufgrund ihres Geschlechts. Eine solche Vorgehensweise verstieße sowohl gegen Art. 33 Abs. 2 GG als auch § 21 Abs. 3 Satz 2 NHG, die eine Bevorzugung von Frauen erst bei gleicher Qualifikation zulassen.

Schließlich kann sich der Antragsteller für seinen Antrag auch auf einen Verstoß gegen § 165 S. 3 SGB IX berufen. Ein Verstoß gegen diese zwingende Vorschrift zum Schutz behinderter Bewerberinnen und Bewerber ist willkürlich.

Diese verfahrensrechtliche Vorschrift dient der Absicherung des Bewerbungsverfahrensanspruchs schwerbehinderter Dienstpostenbewerber. Sie räumt schwerbehinderten Bewerbern einen Anspruch darauf ein, von dem öffentlichen Arbeitgeber zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen zu werden. Sie sollen unabhängig von der Gestaltung und dem Ablauf des konkreten Stellenbesetzungsverfahrens die Gelegenheit erhalten, den öffentlichen Arbeitgeber in einem solchen Vorstellungsgespräch von ihrer Leistungsfähigkeit und Eignung zu überzeugen. Dieser soll sich über die schriftlichen Bewerbungsunterlagen hinaus einen persönlichen Eindruck von schwerbehinderten Bewerbern, ihrem Auftreten und ihrer Leistungsfähigkeit verschaffen. Dadurch sollen die Erfolgschancen schwerbehinderter Bewerber verbessert werden. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers stellt das Vorstellungsgespräch ein geeignetes Mittel dar, um eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile auszuräumen und Hilfskriterien zugunsten schwerbehinderter Bewerber stärker zur Geltung zu bringen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2011 - 2 A 13/10 -, juris Rn. 16; OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.10.2018 -5 ME 82/18-, juris Rn. 28).

Der Antragsteller unterfällt gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX dem persönlichen Anwendungsbereich dieser Vorschrift, da er - zwischen den Beteiligten unstreitig - einen GdB von 60 aufweist

Die Bewerbung der Antragstellerin unterfällt auch dem sachlichen Anwendungsbereich des § 165 S. 3 SGB IX.

Bei der Vertretungsprofessur handelt es sich um einen Arbeitsplatz im Sinne von § 165 Satz 3 SGB IX. Nach § 156 Abs. 1 SGB IX sind Arbeitsplätze im Sinne dieses Teils alle Stellen, auf denen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Beamtinnen und Beamte, Richterinnen und Richter sowie Auszubildende und andere zu ihrer beruflichen Bildung Eingestellte beschäftigt werden. Das Bundesverwaltungsgericht (Urteil v. 16.05.2013 - 5 C 20/12-, juris Rn. 10) und das Bundessozialgericht (BSG v. 10.12.2019 - B 11 AL1/19 R -, juris Rn. 20) gehen hierbei vom sogenannten dreigliedrigen Arbeitsplatzbegriff aus. Demnach bedarf es - erstens - eines privat- oder öffentlich-rechtlichen Anstellungs- oder Ausbildungsverhältnisses und der hiermit verbundenen Eigenschaft als Arbeitnehmer, Beamter, Richter oder Auszubildender, zweitens - der Einrichtung von "Stellen" durch den Arbeitgeber oder Dienstherrn, sowie - drittens - die Beschäftigung von Personal auf diesen Stellen. Alle Voraussetzungen erfüllt die beamtenrechtlich ausgestaltete Vertretungsprofessur, so dass auch das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis eigener Art nach § 26 Abs. 7 NHG von der Regelung in § 165 Satz 3 SGB IX erfasst wird.

Die Kammer teilt auch nicht die von der Antragsgegnerin vorgetragene Rechtsauffassung, der Anwendungsbereich der Vorschrift sei nicht eröffnet, weil es sich um eine interne Ausschreibung gehandelt habe. Wie es sich um eine interne Stellenbesetzung zu handeln kann, wenn die einzigen Stellenbewerber von anderen Universitäten kommen, vermag die Antragsgegnerin nicht überzeugend darzulegen. Dass sich eine ihrer Angehörigen proaktiv auf die Suche nach einer geeigneten Person begibt, macht die Stellenbesetzung noch nicht zu einer internen. Aber selbst wenn es sich um eine rein interne Stellenausschreibung handeln würde, würde dies die Anwendbarkeit des § 165 Satz 3 SGB IX nicht ausschließen. Zwar könnte sich die Antragsgegnerin insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15.12.2011, a.a.O., Rn. 18 ff.) berufen, wonach die Vorschrift für interne Stellenbesetzungen keine Anwendung finden soll. Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung indes nicht, sondern teilt die überzeugend begründete abweichende Rechtsauffassung des Bundesarbeitsgerichts. Dieses hat mit Urteil vom 25.06.2020, -8 AZR 75/19-, juris Rn. 31 ff. ausgeführt:

"cc) Zudem gilt die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers nach § 82 Satz 2 SGB IX aF, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, auch bei internen Stellenbesetzungen, also auch dann, wenn es sich um eine/n interne/n schwerbehinderte/n Bewerber/in handelt (vgl. auch LPK-SGB IX/Düwell 4. Aufl. §?82 Rn. 8; Kossens/von der Heide/Maaß/Kossens SGB IX 4. Aufl. § 82 Rn. 11; Knittel SGB IX Kommentar 11. Aufl. § 82 Rn. 26; von Roetteken jurisPR-ArbR 24/2012 Anm. 4; aA BVerwG 15. Dezember 2011 - 2 A 13.10 - Rn. 19 ff.; LAG Rheinland-Pfalz 5. März 2012 - 5 Sa 597/11 - zu II der Gründe; LAG Saarland 13. Februar 2008 - 1 TaBV 15/07 - zu III der Gründe). Dies ergibt eine Auslegung von § 82 Satz 2 SGB IX aF unter Berücksichtigung des Wortlauts, des systematischen Zusammenhangs, der Entstehungsgeschichte sowie von Sinn und Zweck der Bestimmung.

(1) Der Wortlaut von § 82 Satz 2 SGB IX aF ist - auch unter Berücksichtigung der inneren Systematik des § 82 SGB IX aF - insoweit nicht eindeutig. Zwar knüpft § 82 Satz 2 SGB IX aF mit der Formulierung "um einen solchen Arbeitsplatz beworben" an die in § 82 Satz 1 SGB IX aF getroffene Regelung an, wonach die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze melden. Das Wort "solchen" in § 82 Satz 2 SGB IX aF muss sich allerdings nicht zwangsläufig nur auf Arbeitsplätze beziehen, die der Agentur für Arbeit gemeldet werden und damit (auch) zur externen Besetzung anstehen, sondern kann sich ebenso gut ausschließlich auf die in § 82 Satz 1 SGB IX aF genannten frei werdenden, neu zu besetzenden sowie die neu eingerichteten Arbeitsplätze beziehen (LPK-SGB IX/Düwell 4. Aufl. § ?82 Rn. 8). Der Umstand, dass schwerbehinderte Bewerber nach § 82 Satz 2 SGB IX aF auch dann zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen sind, wenn sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen wurden, ändert daran nichts.

(2) Nach der Entstehungsgeschichte des § 82 SGB IX aF könnte bereits einiges dafür sprechen, dass der öffentliche Arbeitgeber auch bei interner Stellenbesetzung schwerbehinderte Bewerber/innen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen hat, sofern diesen die fachliche Eignung nicht offensichtlich fehlt.

(a) Die Verpflichtung des Arbeitgebers, den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wurde zum 1. Oktober 2000 als weitere Pflicht für Bundesbehörden in § 14a SchwbG(BGBl. I S. 1394) eingeführt. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass die öffentlichen Arbeitgeber des Bundes in Erweiterung der allgemeinen Arbeitgeberpflichten in § 13 und § 14 SchwbG den Arbeitsämtern frühzeitig frei werdende oder neue Arbeitsplätze zu melden hätten; darüber hinaus seien die schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn sie nicht offensichtlich für die zu besetzende Stelle fachlich ungeeignet seien (BT-Drs. 14/3372 S. 18). Danach könnte einiges dafür sprechen, dass der Gesetzgeber mit der Verpflichtung zur Einladung zum Vorstellungsgespräch eine weitere besondere Arbeitgeberpflicht schaffen wollte, die unabhängig davon bestehen sollte, ob die Stellen intern oder extern besetzt werden sollten.

(b) Bei der Schaffung des SGB IX (im Folgenden SGB IX 2001) hat der Gesetzgeber die zuvor in § 14a SchwbG enthaltene Pflicht der öffentlichen Arbeitgeber des Bundes, schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, - nunmehr auf alle öffentlichen Arbeitgeber erweitert - in § 82 Satz 2 SGB IX 2001 normiert. In der Gesetzesbegründung wird insoweit lediglich darauf hingewiesen, dass mit der in § 82 SGB IX 2001 getroffenen Regelung auch die öffentlichen Arbeitgeber nach § 71 Abs. 3 Nr. 2 bis Nr. 4 SGB IX aF in die Verpflichtung einbezogen würden, frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze den Arbeitsämtern frühzeitig zu melden.

(c) Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber in § 82 Satz 1 SGB IX in der ab dem 30. Dezember 2016 geltenden Fassung den Passus "nach einer erfolglosen Prüfung zur internen Besetzung des Arbeitsplatzes" eingefügt und diese Bestimmung mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) 2016 ohne jede Änderung in § 165 Satz 1 SGB IX in der ab dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung übernommen hat, ergibt sich für § 82 Satz 2 SGB IX aF schon deshalb nichts anderes, da dieser Passus nach Ansicht des Gesetzgebers deshalb erforderlich war, weil für öffentliche Arbeitgeber die Meldung frei werdender und neu zu besetzender Stellen aufgrund haushaltsrechtlicher Vorschriften problematisch sein könne und zunächst zu prüfen sei, ob offene Stellen mit vorhandenem Personal besetzt werden könnten (BT-Drs. 18/10523 S. 67). Diese gesetzgeberischen Erwägungen betreffen indes ausschließlich die Meldepflicht des Arbeitgebers. Eine Klarstellung, ob die Pflicht zur Einladung schwerbehinderter Menschen zu einem Vorstellungsgespräch - ggf. schon immer - nur gegenüber externen oder auch gegenüber internen Bewerbern/innen bestand, war damit nicht verbunden.

(3) Dass der öffentliche Arbeitgeber nach § 82 Satz 2 SGB IX aF verpflichtet ist, auch - nicht offensichtlich fachlich ungeeignete - interne schwerbehinderte Bewerber/innen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, folgt aus einer am Sinn und Zweck orientierten Auslegung der Norm im Lichte der in Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie in Art. 5 Abs. 3, Art.? 27 Abs. ?1 und Art. 2 Unterabs. 3 UN-BRK getroffenen Bestimmungen.

(a) Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers sollen schwerbehinderte Bewerber/innen durch das in § 82 Satz 2 SGB IX aF genannte Vorstellungsgespräch die Möglichkeit erhalten, ihre Chancen im Auswahlverfahren zu verbessern. Sie sollen die Chance haben, den Arbeitgeber von ihrer Eignung (im weitesten Sinne) zu überzeugen. Über die schriftlichen Bewerbungsunterlagen hinaus soll sich der Arbeitgeber ein Bild von der Persönlichkeit des Bewerbers, seinem Auftreten, seiner Leistungsfähigkeit und seiner Eignung machen. Weiter stellt das Vorstellungsgespräch auch ein geeignetes Mittel dar, um eventuelle Vorbehalte oder gar Vorurteile auszuräumen (BAG 22. August 2013 - 8 AZR 563/12 - Rn. 59).

Bereits dieser Gesetzeszweck gebietet eine weite Auslegung von § 82 Satz 2 SGB IX aF dahin, dass eine Verpflichtung zur Einladung schwerbehinderter Menschen nicht nur dann besteht, wenn diese sich als externe Bewerber um eine "Einstellung" bewerben, sondern auch dann, wenn sie sich als interne Bewerber auf eine andere Stelle bei ihrem Arbeitgeber bewerben, wobei damit häufig ein "beruflicher Aufstieg" verbunden ist. Vorbehalte oder gar Vorurteile der personalverantwortlichen Personen können nicht nur gegenüber externen Bewerbern, sondern auch gegenüber bereits beschäftigten schwerbehinderten Menschen bestehen (LPK-SGB IX/Düwell 4. Aufl. § 82 Rn. 8). Zudem ist nicht auszuschließen, dass sich bestehende Behinderungen bei Ausübung der angestrebten Tätigkeit anders auswirken als bei Ausübung der bisherigen Tätigkeit und dass diesem Umstand in Beurteilungen, die der/die schwerbehinderte Beschäftigte auf dem bisherigen Arbeitsplatz erhalten hat, nicht hinreichend Rechnung getragen wurde. Im Übrigen kann - auch wenn der öffentliche Arbeitgeber die bei ihm beschäftigten schwerbehinderten Bewerber/innen kennt - nicht generell unterstellt werden, dass den Personalverantwortlichen der jeweils zuständigen Dienststelle, die über die Stellenbesetzung zu entscheiden haben, auch das tatsächliche Leistungsprofil des/r schwerbehinderten Bewerbers/in im Hinblick auf die zu besetzende Stelle bekannt ist. Letztlich ist von Bedeutung, dass der öffentliche Arbeitgeber einem sich bewerbenden schwerbehinderten Menschen die Chance eines Vorstellungsgesprächs auch dann gewähren muss, wenn dessen fachliche Eignung zwar zweifelhaft, aber nicht offensichtlich ausgeschlossen ist und dass der schwerbehinderte Mensch im Bewerbungsverfahren nach § 82 Satz 2 SGB IX aF mithin insoweit bessergestellt wird als nicht schwerbehinderte Konkurrenten (BAG 20. Januar 2016 - 8 AZR 194/14 - Rn. 32). Hierdurch erhält der schwerbehinderte Mensch die Möglichkeit, einen nach den bisherigen Umständen ggf. bestehenden Vorsprung anderer Bewerber, den diese insbesondere aufgrund ihrer Zeugnisse und ggf. ihrer dienstlichen Beurteilungen haben, durch einen persönlichen Eindruck auszugleichen. Dafür, dass ein/e schwerbehinderte/r Bewerber/in diesen Chancenvorteil bei einer internen Stellenbesetzung nicht haben soll, ist nichts ersichtlich.

(b) Eine weite Auslegung von § 82 Satz 2 SGB IX aF dahin, dass der öffentliche Arbeitgeber nicht nur zur Einladung externer, sondern auch zur Einladung interner schwerbehinderter Bewerber/innen zu einem Vorstellungsgespräch verpflichtet ist, ist auch mit Blick auf die in Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie in Art. 5 Abs. 3, Art.? 27 Abs. ?1 und Art. 2 Unterabs. 3 UN-BRK getroffenen Bestimmungen geboten.

(aa) Nach Art. 5 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG haben die Mitgliedstaaten angemessene Vorkehrungen zu treffen, um die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes auf Menschen mit Behinderung zu gewährleisten, was nach Art. 5 Satz 2 der Richtlinie 2000/78/EG bedeutet, dass der Arbeitgeber die geeigneten und im konkreten Fall erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen hat, um Menschen mit Behinderung ua. nicht nur den Zugang zur Beschäftigung, sondern auch den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen, es sei denn, diese Maßnahmen würden den Arbeitgeber unverhältnismäßig belasten (vgl. EuGH 17. Juli 2008 - C-303/06 - [Coleman] Rn. 39; dazu, dass Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG im AGG keine wortgleiche Umsetzung erfahren hat BAG 22. Mai 2014 - 8 AZR 662/13 - Rn. 42, BAGE 148, 158).

(bb) Art. 5 Abs. 3 UN-BRK bestimmt, dass die Vertragsstaaten zur Förderung der Gleichberechtigung und zur Beseitigung von Diskriminierungen alle geeigneten Schritte unternehmen, um die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen zu gewährleisten. Nach Art. 27 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a UN-BRK sichern und fördern die Vertragsstaaten die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit durch geeignete Schritte, einschließlich des Erlasses von Rechtsvorschriften, um ua. "Diskriminierung aufgrund von Behinderung in allen Angelegenheiten im Zusammenhang mit einer Beschäftigung gleich welcher Art, einschließlich der Auswahl-, Einstellungs- und Beschäftigungsbedingungen, der Weiterbeschäftigung, des beruflichen Aufstiegs sowie sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen, zu verbieten". Zudem bestimmt Art. 2 Unterabs. 3 UN-BRK, dass von der "Diskriminierung aufgrund von Behinderung" alle Formen der Diskriminierung erfasst sind, einschließlich der Versagung angemessener Vorkehrungen. Die Bestimmungen der UN-BRK sind Bestandteil der Unionsrechtsordnung (vgl. EuGH 11. September 2019 - C-397/18 - [Nobel Plastiques Ibérica] Rn. 39; 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [HK Danmark, auch genannt "Ring, Skouboe Werge"] Rn. 28 ff.) und damit zugleich Bestandteil des - unionsrechtskonform auszulegenden - deutschen Rechts (BAG 4. November 2015 - 7 ABR 62/13 - Rn. 27, BAGE 153, 187; 19. Dezember 2013 - 6 AZR 190/12 - Rn. 53, BAGE 147, 60). Der Umstand, dass die UN-BRK seit ihrem Inkrafttreten integrierender Bestandteil der Unionsrechtsordnung ist, führt darüber hinaus dazu, dass auch die Richtlinie 2000/78/EG ihrerseits nach Möglichkeit in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen auszulegen ist (vgl. EuGH 11. September 2019 - C-397/18 - [Nobel Plastiques Ibérica] Rn. 40; 11. April 2013 - C-335/11 ua. - [HK Danmark, auch genannt "Ring, Skouboe Werge"] Rn. 28 bis 32).

(cc) Da sowohl Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG als auch Art. 5 Abs. 3 und Art.? 27 Abs. ?1 UN-BRK die Bereitstellung angemessener Vorkehrungen fordern, um Menschen mit Behinderung nicht nur den Zugang zur Beschäftigung, sondern auch den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen, und es bei Bewerbungen interner Bewerber/innen auf einen anderen Arbeitsplatz bei ihrem Arbeitgeber häufig um den beruflichen Aufstieg geht, ist § 82 Satz 2 SGB IX aF iSv. Art. 5 der Richtlinie 2000/78/EG sowie von Art. 5 Abs. 3 und Art.? 27 Abs. ?1 UN-BRK dahin auszulegen, dass er den öffentlichen Arbeitgeber zur Einladung eines schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch unabhängig davon verpflichtet, ob es sich um eine/n externe/n oder interne/n Bewerber/in handelt."

Diese überzeugende Rechtsprechung (die vom BAG mit Urteilen vom 27.08.2020 -8 AZR 45/19- und 26.11.2020 -8 AZR 59/20-, weiterentwickelt worden ist), wird in der Kommentarliteratur geteilt (vgl. Gutzler in Hauck/Noftz, SGB IX, § 165 Rn. 5; Düwell in: Dau/Düwell/Joussen/Luik SGB IX, § 165 Rn. 10; auch VG Frankfurt/Oder Beschluss vom 14.06.2021 - 2 L 96/21 -, juris Rn. 23 f.).

Auf ein solches Vorstellungsgespräch durfte die Antragsgegnerin nicht verzichten.

Wie sich aus der E-Mail-Verkehr vom 14.03.2024 ergibt, war der Antragsgegnerin die Schwerbehinderung des Antragstellers schon frühzeitig in Person von Frau Prof. Dr. G., der sie die Anwerbung eines Stellenbewerbers überlassen hatte und Frau N. O. aus der Fakultätsverwaltung der Philosophischen Fakultät bekannt. Das Präsidium der Antragsgegnerin hatte spätestens durch das Schreiben der Prozessbevollmächtigten vom 03.05.2024 Kenntnis von der Schwerbehinderung des Antragstellers. Wenn die Antragsgegnerin Zweifel an der Behinderung des Antragstellers oder deren Grad gehabt hätte, hätte sie bei jenem nachfragen müssen. Einen ausdrücklichen Verzicht des Antragstellers auf ein Vorstellungsgespräch hat es nicht gegeben.

Auch § 165 Satz 4 SGB IX enthebt die Antragsgegnerin nicht von der Verpflichtung, ein Vorstellungsgespräch mit dem Antragsteller durchzuführen. Danach ist eine Einladung entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt. Hiervon kann im Streitfall nicht ausgegangen werden. Frau Prof. Dr. G. hat die Eignung des Antragstellers, den sie ursprünglich für die Vertretungsprofessur favorisiert hatte, in ihrer E-Mail vom 04.03.2024 bestätigt. Der genannte Verfahrensfehler ist schließlich nicht deshalb unbeachtlich, weil ein anderes Ergebnis des Auswahlverfahrens in der Sache ausgeschlossen erscheint. Eine derartige Annahme würde in unzulässiger Weise das Ergebnis des Vorstellungsgespräches nach § 165 Satz 3 SGB IX durch das Gericht vorwegnehmen. Jedenfalls erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass das durchzuführende Vorstellungsgespräch zu einer anderen Auswahlentscheidung des Antragsgegners führt.

Anders als im Verfahren auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG (vgl. hierzu BAG Urteil vom 27.08.2020, a.a.O., Rn. 56 m.w.N.), kann dieses Vorstellungsgespräch im Bewerbungsverfahren zur Fehlerheilung nachgeholt werden. Die Antragsgegnerin wird deshalb ein solches Vorstellungsgespräch mit dem Antragsteller zu führen, sodann durch ihr Präsidium erneut über die Besetzung des streitigen Dienstpostens zu entscheiden und anschließend über die Auswahlkriterien, die es zu seiner Entscheidung bewogen haben, einen Vermerk anzufertigen und der unterlegenen Bewerberin/dem unterlegenen Bewerber bekannt zu geben haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Das Gericht bemisst den Teil des Unterliegens (zeitliche Beschränkung der einstweiligen Anordnung) mit 2/10 des Streitwerts. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen beruht die Kostenentscheidung auf § 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und somit nicht das Kostenrisiko des § 154 Abs. 3 VwGO auf sich genommen. Es entspricht deshalb nicht der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu halten.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1, Satz 2 und 3 GKG. Bei Streitigkeiten um die Besetzung einer Beförderungsstelle ist im Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes die Summe der für sechs Monate zu zahlenden Bruttobezüge nach Besoldungsgruppe W 2 (bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung am 26.06.2024) zugrunde zu legen (6 x 6.354,41 € = 38.126,46 €). Denn es ist insoweit von dem im Zeitpunkt der Einleitung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens maßgeblichen Endgrundgehalt auszugehen (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 03.01.2017 - 5 ME 157/16 -, juris, Rn. 93 m. w. N.). Eine Reduzierung dieses Werts im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des Eilrechtsschutzverfahrens erfolgt nicht, da dieses Verfahren in Konkurrentenstreitverfahren die Funktion des Hauptsacheverfahrens übernimmt (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 16.05.2013 - 5 ME 92/13 -, juris, Rn. 28 f).