Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 15.09.2010, Az.: 5 ME 181/10

Stützen eines Urteils über Leistung, Befähigung und fachliche Eignung eines Beamten bzw. Richters auf eine nur partiell oder bruchstückhaft vorhandene Tatsachenkenntnis; Umfassende Anlage der Ermittlung eines einem höchstpersönlichen Werturteil zugrunde liegenden Sachverhalts ohne Aussparung einer zugänglichen und greifbaren Erkenntnisquelle

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
15.09.2010
Aktenzeichen
5 ME 181/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 25580
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0915.5ME181.10.0A

Fundstellen

  • FStBay 2011, 439-440
  • NVwZ-RR 2011, 167-169

Amtlicher Leitsatz

Das Urteil über Leistung, Befähigung und fachliche Eignung eines Beamten bzw. Richters darf nicht auf eine nur partiell oder bruchstückhaft vorhandene Tatsachenkenntnis gestützt werden. Vielmehr muss die Ermittlung des Sachverhalts, auf den ein höchstpersönliches Werturteil gestützt werden soll, umfassend angelegt sein und darf zugängliche und greifbare Erkenntnisquellen nicht von vornherein aussparen.

Gründe

1

I.

Das Verwaltungsgericht hat mit dem im Tenor genannten Beschluss dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den Beigeladenen zum Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht (Besoldungsgruppe R 3 BBesO) zu befördern, ohne zuvor eine erneute Entscheidung über das Beförderungsbegehren des Antragstellers herbeigeführt zu haben, und diese einstweilige Anordnung befristet bis zwei Wochen nach Zugang einer erneuten Entscheidung über das Beförderungsbegehren des Antragstellers bei diesem. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, es lägen nicht nur die Voraussetzungen für die Annahme eines Anordnungsgrundes vor, sondern der Antragsteller habe auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Denn die von dem Antragsgegner getroffene Auswahlentscheidung verletze voraussichtlich den Antragsteller in seinem Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Zwar sei der Beigeladene in seiner aktuellen dienstlichen Beurteilung vom 13. Januar 2010 besser beurteilt worden als der Antragsteller. Der Beigeladene sei danach sowohl in der Gesamtbeurteilung als auch in der Eignungsbeurteilung jeweils mit dem Gesamturteil "vorzüglich geeignet" beurteilt worden. Demgegenüber sei der Antragsteller in seiner aktuellen Beurteilung vom 1. Februar 2010 lediglich in der Gesamtbeurteilung ebenfalls als "vorzüglich geeignet" angesehen worden, während er bei der Eignungsprognose mit "besser als sehr gut geeignet" beurteilt worden sei. Damit habe der Beigeladene bei der Eignungsprognose für das angestrebte Amt einen Leistungsvorsprung. Der Antragsteller mache jedoch mit Erfolg die Rechtswidrigkeit seiner aktuellen Beurteilung geltend, denn es sei nicht ersichtlich, dass dessen Beurteilung auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage beruhe. Soweit der Beurteiler unter Ziffer 25 der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers vom 1. Februar 2010 behaupte, die Beurteilung beruhe auf einem eigenen Eindruck, erschließe sich dieses der Kammer nicht. Weder arbeite der Beurteiler mit dem Antragsteller zusammen noch habe er einen Beurteilungsbeitrag eingeholt. Ebenso wenig sei ersichtlich, dass der Beurteiler sich die notwendige Kenntnis durch Rücksprache mit den Kollegen und Mitarbeitern verschafft hätte. Er habe auch nicht die Möglichkeit zur Sichtung von Entscheidungen des Antragstellers genutzt. Schließlich habe der Beurteiler den Antragsteller nicht überhört. Eine Überhörung sei nicht entbehrlich gewesen, da sich im Beurteilungszeitraum im Vergleich zur letzten Überhörung die konkrete dienstliche Tätigkeit erheblich geändert habe. Der Antragsteller habe vom 1. Januar 2009 bis zum 30. November 2009 stellvertretend die Aufgaben des Vorsitzenden im 4. Zivilsenat übernommen und über 100 Verfahren mündlich verhandelt. Diese Änderung lasse es nicht ausgeschlossen erscheinen, dass sich der Antragsteller in den vom Antragsgegner für besonders gewichtig gehaltenen Beurteilungsmerkmalen der Kooperation, des Verhandlungsgeschicks und des Behauptungsvermögens verbessert habe. Dies gelte erst recht, weil er bei diesen drei Beurteilungsmerkmalen noch nicht die Spitzennote erreicht habe. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller damit über einen Zeitraum von elf Monaten eine Tätigkeit wahrgenommen habe, die der von ihm angestrebten Tätigkeit entspreche. Aufgrund der mangelnden Tatsachengrundlage habe der Beurteiler nicht berücksichtigen können, dass der Antragsteller möglicherweise an seiner Verhandlungsführung etwas geändert haben könne, z.B. dass er frühere Kritikpunkte wie eine zu "trockene" Verhandlungsführung abgestellt oder sein Behauptungsvermögen verbessert habe. Hieraus folge, dass auch gemäß Abschnitt 5, Nr. 1 Buchstabe b) cc) Beurteilungs-AV eine aktuelle dienstliche Beurteilung für den Antragsteller zu erstellen gewesen sei. Erweise sich die aktuelle dienstliche Beurteilung des Antragstellers als voraussichtlich rechtswidrig, habe der Antragsgegner sie nicht seiner Auswahlentscheidung zugrunde legen dürfen. Da sich der Beurteiler nunmehr eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Erstellung einer erneuten dienstlichen Beurteilung des Antragstellers schaffen müsse und deren Inhalt insbesondere hinsichtlich der Eignungsprognose nicht vorhersehbar sei, sei das Ergebnis der erneuten Auswahlentscheidung offen. Es sei nicht ausgeschlossen, dass der Antragsteller sich in den vom Antragsgegner für wesentlich erachteten Beurteilungskriterien verbessert habe und sich somit möglicherweise auch die Eignungsprognose um eine Wertungsstufe nach "vorzüglich geeignet" verbessern werde.

2

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners, mit der er die Abänderung des angefochtenen Beschlusses und die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt und die er mit Schriftsätzen vom 16. Juli 2010 und 10. September 2010 begründet hat.

3

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

4

Die von dem Antragsgegner mit seiner Beschwerde vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der beschließende Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Abänderung des angefochtenen erstinstanzlichen Beschlusses nicht. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon auszugehen, dass der Antragsteller eine Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht hat.

5

Eine Auswahlentscheidung ist allein auf der Grundlage der Bewertung der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung der Bewerber zu treffen (Art. 33 Abs. 2 GG, § 9 BeamtStG i.V.m. § 2 Abs. 1 NRiG i.d.F. des Art. 1 des Gesetzes zur Neufassung des Niedersächsischen Richtergesetzes und zur Änderung des niedersächsischen Personalvertretungsgesetzes vom 21.1.2010 - Nds. GVBl. S. 16) und unterliegt nur einer eingeschränkten richterlichen Kontrolle dahingehend, ob die Verwaltung den anzuwendenden Rechtsbegriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien verstoßen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.1.2003 - 2 A 1.02 -, Buchholz 232 § 8 BBG Nr. 5; Nds. OVG, Beschl. v. 26.8.2003 - 5 ME 162/03 -, NVwZ-RR 2004, 197; Beschl. v. 18.4.2007 - 5 ME 270/06 -, jeweils m.w.N.). Erweist sich anhand dieses Maßstabes die Auswahlentscheidung nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass der Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung des Antragsgegners ausgewählt werden wird (siehe dazu BVerfG, Beschl. v. 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200 <201>; Nds. OVG, Beschl. v. 24.2.2010 - 5 ME 16/10 -), hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg.

6

Von diesen Grundsätzen ist das Verwaltungsgericht - wenn auch noch unter Hinweis auf § 4 Abs. 1 NRiG a.F. - zutreffend ausgegangen und hat rechtsfehlerfrei die Glaubhaftmachung nicht nur einen Anordnungsgrundes, sondern auch eines Anordnungsanspruchs angenommen.

7

Die Beachtung des gesetzlichen Rahmens gebietet es, bei Anwendung des Art. 33 Abs. 2 GG und des § 9 BeamtStG i.V.m. § 2 Abs. 1 NRiG die den Bewerbern erteilten dienstlichen Beurteilungen in erster Linie zu berücksichtigen. Hierbei kommt der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig besondere Bedeutung zu, weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich von Leistung, Befähigung und Eignung auf den aktuellen Stand abzustellen ist (vgl.:BVerwG, Urt. v. 27.2.2003 - 2 C 16.02 -, IÖD 203, 170; Nds. OVG, Beschl. v. 7.4.1998 - 5 M 1950/98 -, Nds. Rpfl. 1998, 238; Beschl. v. 23.3.2007 - 5 ME 279/06 -, jeweils m.w.N.). Aus dieser Rechtsprechung und den eingangs zitierten Grundsätzen ergibt sich auch, dass eine Auswahlentscheidung im Hinblick auf die ihr zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung nur dann als rechtswidrig angesehen werden kann, wenn sich die zugrunde liegende dienstliche Beurteilung bereits in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als rechtswidrig erweist.

8

Entgegen der verwaltungsgerichtlichen Auffassung erachtet der Antragsgegner nach seinem Beschwerdevorbringen diese Voraussetzungen für nicht gegeben. Seiner Auffassung nach begegnet die Beurteilung des Antragstellers vom 1. Februar 2010 keinen rechtlichen Bedenken insbesondere unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Beurteilungsgrundlage des Beurteilers.

9

Als Beleg für seine Auffassung hat der Antragsgegner im Rahmen seines Beschwerdevorbringens eine Stellungnahme des für den Antragsteller zuständigen Beurteilers, des Präsidenten des Oberlandesgerichts, vom 6. Juli 2010 vorgelegt, wonach dieser einen der Beurteilung vom 1. Februar 2010 zugrunde liegenden eigenen Eindruck maßgeblich aus der erneuten Überprüfung des Dezernats des Antragstellers - im Hinblick auf Eingänge, Verfahrensdauer und Erledigungen - sowie aus der Lektüre diverser von ihm - dem Antragsteller - im Beurteilungszeitraum gefertigter Urteile und Beschlüsse gewonnen habe. Der diesbezüglichen Kritik des Verwaltungsgerichts, es erschließe sich ihm nicht, woraus der Beurteiler seinen eigenen Eindruck nach dessen Angaben unter Ziffer 25 der Beurteilung gewonnen habe, ist damit die Grundlage entzogen. Denn grundsätzlich bleibt es dem Beurteiler überlassen, wie er sich die für die Erstellung der dienstlichen Beurteilung erforderlichen Kenntnisse verschafft. Zwar bestreitet der Antragsteller, dass eine Überprüfung seines Dezernats stattgefunden habe, mit den Argumenten, dass ihm von einer solchen Überprüfung nichts bekannt sei, von seiner Geschäftsstelle hierfür keine Akten oder Entscheidungen zur Ansicht angefordert worden seien, die Überprüfung in der Beurteilung nicht vermerkt sei, der Beurteiler noch im Mai und Juni 2010 die erneute Überprüfung seines Dezernats nicht mitgeteilt habe und dieser im Wesentlichen in der aktuellen Beurteilung auf die vorherige Beurteilung Bezug genommen habe. Jedoch genügt dieses Bestreiten nicht den Anforderungen an die gebotene Glaubhaftmachung einer Verletzung des dem Antragsteller zustehenden Bewerbungsverfahrensanspruchs, zumal die Bezugnahme auf die vorherige Beurteilung bei der Bewertung der einzelnen Leistungsmerkmale mit Blick auf die Regelung in Abschnitt 5 Ziffer 3 der Beurteilungs-AV nicht als unzulässig erscheint. Der Senat geht mithin davon aus, dass der Beurteiler sich entsprechend den Angaben in dessen Stellungnahme vom 6. Juli 2010 mittels der darin genannten Erkenntnismittel einen eigenen Eindruck verschafft hat.

10

Dennoch ist mit dem Verwaltungsgericht die Beurteilungsgrundlage in tatsächlicher Hinsicht als unzureichend anzusehen, weil der Präsident des Oberlandesgerichts in seiner Eigenschaft als Beurteiler den Antragsteller nicht nochmals vor Erstellung der Anlassbeurteilung vom 1. Februar 2010 überhört hat. Der Dienstherr ist gehalten, einer dienstlichen Beurteilung einen vollständigen Sachverhalt zugrunde zu legen. Der Beurteiler muss sich die notwendigen Kenntnisse über die Leistungen des zu beurteilenden Beamten im Beurteilungszeitraum verschaffen. Das Urteil über Leistung, Befähigung und Eignung eines Beamten bzw. Richters darf nicht auf eine nur partiell oder bruchstückhaft vorhandene Tatsachenkenntnis gestützt werden. Vielmehr muss die Ermittlung des Sachverhalts, auf den ein höchstpersönliches Werturteil gestützt werden soll, umfassend angelegt sein und darf zugängliche und greifbare Erkenntnisquellen nicht von vornherein aussparen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 21.3.2007 - BVerwG 2 C 2.06 -, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 27 = RiA 2007, 275; Nds. OVG, Beschl. v. 1.10.2007 - 5 LA 115/05 -, [...] Langtext, Rn. 5, sowie Nds. OVG, Beschl. v. 6.1.2010 - 5 LA 223/08 -, [...] Langtext, Rn. 5 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 16.5.1991 - BVerwG 2 A 2.90 -, [...] Rn. 17 m. zahlr. N.).

11

Vor diesem rechtlichen Hintergrund durfte der Beurteiler des Antragstellers nicht von einer erneuten Überhörung absehen. Zwar hat der Beurteiler den Antragsteller bereits aus Anlass seiner vorherigen Beurteilung vom 9. Februar 2009 zuletzt im Januar 2009 überhört und war der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt bereits seit 23 Jahren als Richter am Oberlandesgericht tätig. Auch ist es unter Berücksichtigung von Abschnitt 5 Ziffer 3 der Beurteilungs-AV als zulässig anzusehen, dass der Beurteiler grundsätzlich auf die Bewertungen in der letzten Beurteilung und damit inzident auf die letzte Überhörung Bezug nimmt, wenn sich der Leistungsstand des Antragstellers nicht geändert hat. Indes kann der Antragsgegner im vorliegenden Fall fehlende Anhaltspunkte für eine Leistungssteigerung nicht aus der bisherigen langjährigen Tätigkeit des Antragstellers am Oberlandesgericht als Berichterstatter herleiten. Denn entscheidend ist insoweit, dass der Antragsteller nahezu im gesamten Beurteilungszeitraum nicht die Aufgaben eines Berichterstatters, sondern die Aufgaben eines Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht und damit eines höherwertigen statusrechtlichen Amtes wahrgenommen und im Zuge dessen nach den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen innerhalb von elf Monaten in über 100 Verfahren mündlich verhandelt hat. Die hierdurch in der Funktion als Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht neu gewonnenen Erfahrungen des Antragstellers schließen es nicht aus, dass sich dessen Leistungsstand im Vergleich zu seiner letzten Überhörung geändert haben könnte. In Anbetracht dessen durfte der Beurteiler die Überhörung als Erkenntnismittel nicht von vornherein aussparen. Damit erweist sich die Beurteilung des Antragstellers vom 1. Februar 2010 als rechtswidrig und die Auswahlentscheidung als fehlerhaft.

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Der angefochtene Beschluss ist auf die Beschwerde auch nicht deshalb abzuändern und der Antrag des Antragstellers auf Erlass der von ihm begehrten einstweiligen Anordnung abzulehnen, weil sich ausschließen lasse, dass der Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung des Antragsgegners ausgewählt werden würde. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass die Auswahl des Antragstellers als möglich erscheint.

13

Den Verwaltungsgerichten ist es verwehrt, hinsichtlich der Frage, ob die Auswahl des unterlegenen Bewerbers als möglich erscheint, eine Prognose über den voraussichtlichen Inhalt einer neu zu fertigenden Beurteilung anzustellen und ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Denn zuständig ist hierfür allein der Dienstherr des Beamten bzw. Richters (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 18.3.2010 - 5 ME 297/09 -, [...] Langtext, Rn. 17). Mutmaßungen über den wahrscheinlichen Inhalt einer für den Antragsteller neu zu fertigenden Anlassbeurteilung, wie sie Gegenstand der Ausführungen des Antragsgegners im Beschwerdeverfahren sind, sind vom Verwaltungsgericht nicht anzustellen und auch nicht nachzuvollziehen, weil auch diese Beurteilungen bis zu ihrer Erstellung und Eröffnung nicht zur Grundlage einer Auswahlentscheidung gemacht werden können und den Gerichten eine auf ihren vermutlichen Inhalt gestützte negative Prognose des Bewerbungserfolgs versagt ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. 9. 2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200 <201> sowie Nds. OVG, Beschl. v. 14. 1. 2008 - 5 ME 317/07 -, NVwZ-RR 2008, 552 <555>; Beschl. v. 24.2.2010 - 5 ME 16/10 -, PersR 2010, 318). Hinzu kommt, dass der Antragsgegner seine Auswahlentscheidung mit seinem Beschwerdevorbringen nun nicht mehr auf den Leistungsvorsprung des Beigeladenen wegen dessen besserer Eignungsprognose stützt, sondern stattdessen die Auswahlentscheidung mit einer neuen Begründung versehen will, wenn er eine an den Anforderungen des ausgeschriebenen Dienstpostens orientierte sog. ausschärfende Betrachtung der Bewertungen der einzelnen Leistungsmerkmale in der Beurteilung des Beigeladenen und einer neu zu fertigenden Beurteilung des Antragstellers vornimmt und hieraus einen Leistungsvorsprung des Beigeladenen ableitet. Nach den vorstehenden Ausführungen ist die Heranziehung einer noch zu fertigenden Beurteilung nicht geeignet, die Möglichkeit der Auswahl des Antragstellers auszuschließen (s. dazu auch Nds. OVG, Beschl. v. 18.3.2010 - 5 ME 297/09 -, [...] Langtext, Rn. 17). Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass der Antragsteller nach Auffassung des Antragsgegners im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Bewertungen aller Merkmale nicht in Zweifel gezogen haben soll. Denn aufgrund der festgestellten Rechtswidrigkeit der Beurteilung ist der Dienstherr gehalten, insgesamt eine neue Beurteilung zu fertigen und dabei sämtliche Merkmale einer erneuten Bewertung zu unterziehen. Lediglich der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass nach den Erläuterungen im Beurteilungsformular zu den Merkmalen "Urteilsvermögen und Entschlusskraft" sowie (schriftliches und mündliches) "Ausdrucksvermögen" es nicht ausgeschlossen erscheint, dass eine erneute Überhörung des Antragstellers auch im Rahmen der Beurteilung dieser Merkmale Anhaltspunkte für die Leistungsfähigkeit des Antragstellers bieten kann.