Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.12.2010, Az.: 5 ME 232/10
Erstreckung der Anlassbeurteilung eines Beamten auf den Beurteilungszeitraum einer vorangegangenen Anlassbeurteilung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.12.2010
- Aktenzeichen
- 5 ME 232/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 29619
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:1213.5ME232.10.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 33 Abs. 2 GG
- § 9 BeamtStG
Fundstellen
- DÖV 2011, 243
- NordÖR 2011, 149
- ZBR 2011, 214
Amtlicher Leitsatz
Die Anlassbeurteilung des Beamten erstreckt sich nicht auf den Beurteilungszeitraum einer vorangegangenen Anlassbeurteilung.
Gründe
Der Antragsgegner wählte unter dem 7. Juli 2010 die Beigeladene, Regierungsamtfrau im Dienste des Antragsgegners, für die Besetzung einer Planstelle der Besoldungsgruppe A 12 aus. Grundlage der Auswahlentscheidung waren die aktuelle Beurteilung und die Vorbeurteilung der in das Auswahlverfahren einbezogenen Beamten.
Der Antragsteller wurde mit Regelbeurteilung vom 29. September 2006 im statusrechtlichen Amt eines Kriminaloberkommissars (Besoldungsgruppe A 10) für den Zeitraum vom 1. Oktober 2003 bis zum 29. Januar 2006 mit der Note "gut" beurteilt. Anschließend erhielt er für den Zeitraum vom 30. September 2006 bis zum 3. März 2008 eine Anlassbeurteilung vom 11. April 2008 mit dem Werturteil "A". Der Antragsteller wurde im Juli 2008 zum Kriminalhauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11) befördert. Am 20. Januar 2010 erhielt er eine weitere Anlassbeurteilung für den Zeitraum vom 30. September 2006 bis zum 31. August 2008, in die die vorangegangene Anlassbeurteilung vom 11. April 2008 einbezogen wurde. Diese Anlassbeurteilung schloss mit dem Werturteil "B".
Die Beigeladene erhielt von dem Niedersächsischen Landesamt für Verfassungsschutz im statusrechtlichen Amt einer Regierungsoberinspektorin (Besoldungsgruppe A 10) eine dienstliche Beurteilung vom 12. Dezember 2005 über den Zeitraum vom 19. Oktober 2004 bis zum 12. Dezember 2005, die mit dem Werturteil "gut" endete. Im Anschluss hieran bekam sie von dem Niedersächsischen Landesamt für Verfassungsschutz eine dienstliche Beurteilung vom 31. August 2006 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis zum 30. August 2006 mit dem Werturteil "sehr gut". Am 26. September 2006 wurde die Beigeladene zur Regierungsamtfrau befördert. Bei der aktuellen Beurteilung der Beigeladenen handelt es sich um eine unter dem 2./.5 Juni 2009 gefertigte Regelbeurteilung für den Zeitraum vom 1. September 2006 bis zum 30. September 2008 mit dem Werturteil "B".
Im Rahmen der Auswahlentscheidung stellte der Antragsgegner zunächst auf die aktuellen Beurteilungen ab und kam unter Berücksichtigung der Bewertungen der einzelnen Merkmale zu dem Ergebnis, dass die Beigeladene mit ihrer Regelbeurteilung aus dem Jahre 2009 und der Antragsteller mit seiner Anlassbeurteilung vom 20. Januar 2010 im wesentlichen gleich beurteilt seien. Als weiteres leistungsbezogenes Auswahlkriterium griff der Antragsgegner daher auf die Vorbeurteilungen zurück, also auf die Beurteilung der Beigeladenen vom 31. August 2006 (Werturteil "A") und auf die Regelbeurteilung des Antragstellers vom 29. September 2006 (Note "gut"). Aufgrund des Unterschieds in diesen Beurteilungen ging der Antragsgegner von einem Leistungsvorsprung der Beigeladenen aus.
Der Antragsteller hat daraufhin gegen die Auswahlentscheidung Klage erhoben und gleichzeitig um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit dem im Tenor genannten Beschluss abgelehnt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Anordnungsanspruch nicht bestehe. Es könne offen bleiben, ob der Antragsteller und die Beigeladene aufgrund der aktuellen Beurteilungen als wesentlich gleich anzusehen seien, obwohl die Beurteilung des Antragstellers auch Zeiten in einem niedrigeren Statusamt umfasse. Denn hierdurch würden seine Rechte nicht verletzt. Zwar wichen die Beurteilungszeiträume in den aktuellen Beurteilungen der beiden Beamten voneinander ab und ende der Beurteilungszeitraum der Beurteilung der Beigeladenen schon im September 2008. Gleichwohl werde sich ein Vergleich beider Beurteilungen aller Voraussicht nach im Hauptsacheverfahren noch als rechtmäßig erweisen, da unwidersprochen sich das Leistungsbild der beiden Beamten nicht verändert habe und eine Aktualisierung der Beurteilungen nicht erforderlich sei, zumal für einen Zeitraum von zwei Jahren beide Beurteilungen deckungsgleich seien. Fehler, die einer Berücksichtigung der Beurteilung des Antragstellers vom 20. Januar 2010 im Rahmen der Auswahlentscheidung entgegenstehen könnten, seien nicht erkennbar. Insbesondere habe der Antragsgegner in diese Beurteilung auch den Zeitraum vom 30. September 2006 bis zum 3. März 2008 einbeziehen und damit die Beurteilung vom 11. April 2008 insoweit ersetzen dürfen. Denn eine Beurteilung stelle keinen in Bestandskraft erwachsenden Verwaltungsakt dar. Es handele sich vielmehr bei ihr um ein "Hilfsmittel" zur Personalsteuerung und -auslese. Die Begründung des Antragsgegners für die Einbeziehung des Zeitraums vom 11. April 2008 in die aktuelle Beurteilung sei zudem nachvollziehbar und nicht willkürlich. Da der Antragsgegner die aktuellen Beurteilungen als im Wesentlichen gleich angesehen habe, habe er auf die Vorbeurteilungen zurückgreifen dürfen. Für den Antragsteller sei dies nach der Ersetzung der Anlassbeurteilung vom 11. April 2008 durch die aktuelle Anlassbeurteilung seine Regelbeurteilung vom 29. September 2006. Da die Beigeladene einen Notenvorsprung aufweise, sei letztlich die Auswahlentscheidung nicht zu beanstanden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Antragstellers, mit der er insbesondere rügt, seine der Auswahlentscheidung zugrunde gelegte Anlassbeurteilung vom 20. Januar 2010 sei rechtswidrig, da der Zeitraum der vorangegangenen Anlassbeurteilung nicht hätte einbezogen werden dürfen. Dies sei weder von den Beurteilungsrichtlinien gedeckt noch sei die Einbeziehung unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten geboten gewesen. Infolge dessen habe der Antragsgegner auch nicht auf seine Regelbeurteilung aus dem Jahre 2006 als Vorbeurteilung zurückgreifen dürfen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Die von dem Antragsteller mit seiner Beschwerde vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, erfordern eine Abänderung des erstinstanzlichen Beschlusses. Der Antragsteller hat unter Berücksichtigung seines Beschwerdevorbringens einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch in Gestalt der Verletzung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht.
Rechtsfehlerfrei hat das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Anordnungsgrundes angenommen. Insoweit macht sich der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen die diesbezüglichen erstinstanzlichen Ausführungen zu Eigen und verweist auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO analog).
Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erweist sich indes die Auswahlentscheidung des Antragsgegners als rechtsfehlerhaft. Denn die Auswahlentscheidung trägt dem in Art. 33 Abs. 2 GG und § 9 BeamtStG verankerten Leistungsprinzip nicht hinreichend Rechnung.
Auswahlentscheidungen unterliegen als Akt wertender Erkenntnis lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet hat, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, IÖD 2003, 170; Urt. v. 21.8.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -, DVBl. 2004, 317; Nds. OVG, Beschluss vom 15.2.2005 - 5 ME 333/04 -, [...]; Beschl. v. 9.5.2008 - 5 ME 50/08 -; Beschl. v. 12.3.2010 - 5 ME 292/09 -). Erweist sich anhand dieses Maßstabes die Auswahlentscheidung als fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass die Antragstellerin bei einer erneuten Auswahlentscheidung des Antragsgegners ausgewählt werden wird (siehe dazu BVerfG, Beschl. v. 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, NVwZ 2003, 200 <201>; Nds. OVG, Beschl. v. 24.2.2010 - 5 ME 16/10 -), hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Erfolg. So verhält es sich hier.
Dem bei der Einweisung in eine höhere Planstelle zu beachtenden Grundsatz der Bestenauslese, der sich unter anderem aus Art. 33 Abs. 2 GG ergibt, entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Hierbei kommt der letzten dienstlichen Beurteilung regelmäßig besondere Bedeutung zu, weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich Leistung, Befähigung und Eignung auf den aktuellen Stand abzustellen ist. Sind die Bewerber nach den aktuellen Beurteilungen als im Wesentlichen gleich anzusehen, ist für die Auswahlentscheidung auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien wie etwa Vorbeurteilungen zurückzugreifen, wobei der zuständigen Behörde bei der Auswahl der unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien ein weiter Ermessensspielraum zusteht (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, IÖD 2003, 170; Urteil vom 21.8.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -, DVBl. 2004, 317). Aus dieser Rechtsprechung und den eingangs zitierten Grundsätzen ergibt sich auch, dass eine Auswahlentscheidung im Hinblick auf die ihr zugrunde gelegte dienstliche Beurteilung nur dann als rechtswidrig angesehen werden kann, wenn sich die zugrunde liegende dienstliche Beurteilung bereits in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes als rechtswidrig erweist (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 15.9.2010 - 5 ME 181/10 -, IÖD 2010, 256, [...] Langtext, Rn. 7).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Die Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 20. Januar 2010 ist rechtsfehlerhaft, weil sie nicht den Zeitraum der Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 11. April 2008 umfassen und damit diese Beurteilung ersetzten durfte. Durch die Einbeziehung des Zeitraumes vom 30. September 2006 bis zum 3. März 2008 in die Anlassbeurteilung vom 20. Januar 2010 ist die Anlassbeurteilung vom 11. April 2008 gegenstandslos geworden. Sie befindet sich zwar nach wie vor in der Personalakte des Antragstellers. Sie ist aber mit dem Hinweis versehen, dass diese Beurteilung in diejenige vom 20. Januar 2010 eingeflossen ist. Damit und auch durch das Abstellen auf die Regelbeurteilung des Antragstellers vom 29. September 2006 als Vorbeurteilung im Rahmen der Auswahlentscheidung hat der Antragsgegner zu erkennen gegeben, dass er der Beurteilung vom 11. April 2008 keine rechtliche Bedeutung mehr beimisst. Dies ist mit dem Wesen der Anlassbeurteilung und der Gleichwertigkeit von Anlassbeurteilungen im Verhältnis zueinander nicht vereinbar.
Unabhängig davon, ob es sich um eine Anlass- oder um eine Regelbeurteilung handelt, dient die dienstliche Beurteilung der Verwirklichung des mit Verfassungsrang ausgestatteten Grundsatzes, Beamte nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung einzustellen, einzusetzen und zu befördern (Art. 33 Abs. 2 GG). Ihr Ziel ist es, die den Umständen nach optimale Verwendung des Beamten zu gewährleisten und so die im öffentlichen Interesse liegende Erfüllung hoheitlicher Aufgaben (Art. 33 Abs. 4 GG) durch Beamte bestmöglich zu sichern. Zugleich dient die dienstliche Beurteilung auch dem berechtigten Anliegen des Beamten, in seiner Laufbahn entsprechend seiner Eignung, Befähigung und Leistung voranzukommen. Ihr kommt die entscheidende Bedeutung bei der Auswahlentscheidung des Dienstherrn und der dabei erforderlichen "Klärung einer Wettbewerbssituation" zu. Dies verlangt größtmögliche Vergleichbarkeit der erhobenen Daten. Denn die dienstliche Beurteilung soll den Vergleich mehrerer Beamter miteinander ermöglichen und zu einer objektiven und gerechten Bewertung des einzelnen Beamten führen. Daraus folgt, dass die Beurteilungsmaßstäbe gleich sein und gleich angewendet werden müssen. Denn die Einheitlichkeit des Beurteilungsmaßstabes ist unabdingbare Voraussetzung dafür, dass die Beurteilung ihren Zweck erfüllt, einen Vergleich der Beamten untereinander anhand vorgegebener Sach- und Differenzierungsmerkmale zu ermöglichen. Ihre wesentliche Aussagekraft erhält eine dienstliche Beurteilung erst aufgrund ihrer Relation zu den Bewertungen in anderen dienstlichen Beurteilungen (vgl. BVerwG, Urt. v. 18. Juli 2001 - BVerwG 2 C 41.00 -, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 22 = NVwZ-RR 2002, 201 = ZBR 2002, 211, [...] Langtext Rn. 14 m.w.N.).
Obwohl die vorgenannten Ziele und Grundsätze sowohl für die Anlass- als auch für die Regelbeurteilung gelten, bestehen nach dem Wesen dieser Beurteilungsarten beachtliche Unterschiede. Eine Regelbeurteilung hat sich grundsätzlich zu Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung des Beurteilten während des gesamten Beurteilungszeitraums umfassend zu äußern und mit einem Gesamturteil abzuschließen. Um das in der Regelbeurteilung sich abzeichnende Bild hinsichtlich der Vergleichbarkeit der zum gleichen Zeitpunkt beurteilten Beamten zu gewährleisten, muss soweit wie möglich gleichmäßig verfahren werden. Bei der Festlegung, welchen Zeitraum die Regelbeurteillung erfasst, ist vorrangig zu berücksichtigen, dass die Regelbeurteilung ihr Ziel nur dann optimal erreichen kann, wenn die für die Vergleichbarkeit maßgeblichen äußeren Kriterien soweit wie irgend möglich eingehalten werden. Höchstmögliche Vergleichbarkeit wird grundsätzlich durch den gemeinsamen Stichtag und den gleichen Beurteilungszeitraum erreicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 18. Juli 2001 - BVerwG 2 C 41.00 -, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 22 = NVwZ-RR 2002, 201 = ZBR 2002, 211, [...] Langtext Rn. 15 f. m.w.N.). Einschränkungen insoweit sind bei der Regelbeurteilung nur aus zwingenden Gründen hinzunehmen. Einen solchen zwingenden Grund stellt es nicht dar, wenn der Beamte innerhalb des Beurteilungszeitraums der Regelbeurteilung aus besonderem Anlass beurteilt worden ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass der von einer Anlassbeurteilung erfasste Beurteilungszeitraum in den Beurteilungszeitraum einer nachfolgenden Regelbeurteilung einbezogen werden kann. Die Anlassbeurteilung hindert den Dienstherrn insoweit weder rechtlich noch tatsächlich. Dies ergibt sich schon daraus, dass eine während des Regelbeurteilungszeitraums abgegebene Anlassbeurteilung gegenüber der späteren Regelbeurteilung nur eine eingeschränkte Aussage trifft. Ihr ist nicht zu entnehmen, ob und inwieweit die während des Anlassbeurteilungszeitraums zutage getretene Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beamten für dessen Vergleichbarkeit mit anderen im Regelbewertungszeitpunkt von Bedeutung ist. Hierbei bedeutet die volle Ausschöpfung des für die Regelbeurteilung zu Grunde zu legenden Beurteilungszeitraums nicht, dass die vorangehende Anlassbeurteilung ihren Wert als eigenständige Beurteilung verliert und der Sache nach nur noch als Beurteilungsbeitrag weiter besteht. Sie behält vielmehr für den von ihr erfassten Zeitraum ihre Bedeutung; diese wird allerdings dadurch gemindert, dass die nachfolgende Regelbeurteilung den zeitlichen Rahmen erweitert und damit die unmittelbare Vergleichbarkeit aller zum Stichtag beurteilten Beamten herstellt (vgl. BVerwG, Urt. v. 18. Juli 2001 - BVerwG 2 C 41.00 -, Buchholz 232.1 § 40 BLV Nr. 22 = NVwZ-RR 2002, 201 = ZBR 2002, 211, [...] Langtext Rn. 17 f. m.w.N.).
Während nach den vorstehenden Ausführungen aufgrund der unterschiedlichen Aussagekraft der Regelbeurteilung einerseits und der Anlassbeurteilung andererseits der Zeitraum einer Regelbeurteilung den Zeitraum einer vorangegangenen Anlassbeurteilung umfassen kann, sind diese Grundsätze auf das Verhältnis von Anlassbeurteilungen zueinander nicht anzuwenden. Der Anlassbeurteilung ist immanent, dass sie - wie auch im vorliegenden Fall - dann zu fertigen ist, wenn eine Regelbeurteilung für die zu treffende Personalentscheidung entweder noch nicht vorliegt oder aber nicht hinreichend aussagekräftig ist. Dieses ergibt sich im vorliegenden Fall für den Antragsteller aus Ziffer 4.3 Abs. 2 der Allgemeinen Richtlinien für die dienstliche Beurteilung der Beschäftigten im unmittelbaren Landesdienst (BRL) vom 12. Dezember 2006 (Nds. MBl. 2007 S. 5). Da die Anlassbeurteilung nicht wie die Regelbeurteilung zu einem bestimmten Stichtag erstellt und ihr nicht ein durch die BRL bestimmter Beurteilungszeitraum zugrunde gelegt wird, erfordert sie nicht zur Steigerung ihrer im Vergleich zur Regelbeurteilung eingeschränkten Aussagekraft, dass sie den Beurteilungszeitraum einer vorangegangenen Anlassbeurteilung einbeziehen muss. Im Gegenteil sind Anlassbeurteilungen im Verhältnis zueinander als gleichwertig anzusehen mit der Folge, dass die vorangegangene Anlassbeurteilung ihre Eigenständigkeit gerade mit Blick auf den von ihr erfassten Beurteilungszeitraum beibehält und nicht durch eine nachfolgende Anlassbeurteilung verliert. Als ältere dienstliche Beurteilung stellt auch die vorangegangene dienstliche Anlassbeurteilung ein zusätzliches leistungsbezogenes Erkenntnismittel und nicht ein Hilfskriterium dar, das über die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss gibt. Zwar verhält sie sich nicht bei zwischenzeitlich erfolgter Beförderung des Beamten zu dessen nunmehr erreichtem Leistungsstand in seinem derzeitigen statusrechtlichen Amt. Gleichwohl kann sie vor allem bei einem Vergleich von Bewerbern bedeutsame Rückschlüsse und Prognosen über die künftige Bewährung in einem Beförderungsamt ermöglichen (vgl. dazu im Einzelnen BVerwG, Urt. v. 19. 12.2002 - BVerwG 2 C 31.01 -, Buchholz 237.9 § 20 SaarLBG Nr. 1 = NVwZ 2003, 1398 = ZBR 2003, 359, [...] Langtext, Rn. 15). Diese Eigenständigkeit der vorangegangenen dienstlichen Anlassbeurteilung wird von dem Antragsgegner missachtet, wenn er diese Beurteilung lediglich im Sinne eines Beurteilungsbeitrags inhaltlich und in Bezug auf den von ihr erfassten Zeitraum in die nachfolgende Anlassbeurteilung einbezieht und er sie im Rahmen der Auswahlentscheidung als Vorbeurteilung außer Acht lässt.
Insoweit kann sich der Antragsgegner nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe mit Blick auf die Rechtsprechung zur Verwirkung des Rechts eines Beamten, gegen seine Beurteilung vorzugehen, ebenfalls bis zu drei Jahre Zeit, eine Anlassbeurteilung abzuändern und sie in einen Beurteilungsbeitrag abzuwandeln. Hiergegen sprechen die aufgezeigte Eigenständigkeit der (Anlass-)Beurteilung, die allenfalls in entsprechender Anwendung der §§ 48 und 49 VwVfG einer Abänderungsbefugnis unterliegt, und der Umstand, dass der Antragsgegner die vorangegangene Anlassbeurteilung bereits als Grundlage für eine Auswahlentscheidung, der Beförderung des Antragstellers zum Kriminalhauptkommissar, gemacht hat.
Die Vorgehensweise des Antragsgegners lässt sich nicht dadurch rechtfertigen, dass er die Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 11. April 2008 in die Anlassbeurteilung vom 20. Januar 2010 einbezogen hat, um Vorteile für den Antragsteller zu vermeiden, weil dieser zum Stichtag 1. September 2009 (gemeint ist wohl der 1. Oktober 2008) nicht wie die Beigeladene eine Regelbeurteilung nach der BRL erhalten hat, und für die sachliche Ungleichbehandlung ein rechtfertigender Grund nicht vorhanden gewesen sei. Auch kann er nicht mit Erfolg argumentieren, die Einbeziehung habe dazu gedient, die Beförderungsentscheidungen aufgrund von Beurteilungen zu treffen, die miteinander vergleichbar seien, weil sich zwischen der Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 11. April 2008 und der Regelbeurteilung der Beigeladenen aus dem Jahre 2009 der Maßstab im Sinne einer Verschärfung geändert habe und daher die Leistungen des Antragstellers insgesamt am neuen Maßstab zu messen seien.
Diese Gründe rechtfertigen die Einbeziehung nicht. Sachlicher Grund dafür, dass der Antragsteller zum Stichtag 1. Oktober 2008 keine Regelbeurteilung erhalten hatte, war, dass er innerhalb von sechs Monaten vor dem Stichtag befördert wurde. Er ist daher nach Ziffer 3 Abs. 2 Buchst. g) BRL von der Regelbeurteilung ausgenommen gewesen. Ebenso wenig erfordern Gleichbehandlungsgesichtspunkte, die Anlassbeurteilung vom 11. April 2008 in diejenige vom 20. Januar 2008 einzubeziehen. Der Umstand, dass die Beurteilung des Antragstellers vom 11. April 2008 laut der dienstlichen Erklärung des Ltd. Kriminaldirektors C. vom 7. Oktober 2010 noch nach dem "alten" Maßstab gefertigt worden ist, zwingt nicht zur Einbeziehung dieser Beurteilung in eine nachfolgende Anlassbeurteilung. Denn die Anlegung des "alten" Maßstabes kann im Rahmen der Auswahlentscheidung seitens des Antragsgegners auch ohne Einbeziehung dieser Beurteilung in die nachfolgende Anlassbeurteilung zur Herstellung der Vergleichbarkeit mit der Regelbeurteilung berücksichtigt werden (vgl. dazu Nds. OVG, Beschl. v. 13.4.2010 - 5 ME 7/10 -, DVBl. 2010, 735<LS> = DÖV 2010 <LS>, [...]). Im Übrigen bestehen erhebliche Bedenken an der tatsächlichen Vergleichbarkeit der Anlassbeurteilung des Antragstellers vom 20. Januar 2010 mit der Regelbeurteilung der Beigeladenen aus dem Jahre 2009. Denn trotz der Einbeziehung des Vorbeurteilungszeitraums liegen den Beurteilungen nicht nur unterschiedliche Stichtage (1. Oktober 2008 bei der Beurteilung der Beigeladenen und 1. September 2009 bei der Beurteilung des Antragstellers) zugrunde, sondern sie differieren auch in erheblichem Umfang im Beurteilungszeitraum, der bei der Regelbeurteilung der Beigeladenen abweichend von Ziffer 3 Abs. 1 Satz 1 BRL nur zwei Jahre und einen Monat und bei dem Antragsteller drei Jahre beträgt.
Der Senat sieht entgegen der Auffassung des Antragsgegners keine Hinderungsgründe, weshalb es nicht möglich gewesen sein soll, für den Antragsteller Anfang Januar 2010 eine Anlassbeurteilung unter Berücksichtigung des neuen Maßstabes, der auch der Regelbeurteilung der Beigeladenen zugrunde gelegen hat, zu fertigen, die zeitlich an die vorangegangene Anlassbeurteilung angeknüpft hätte.
Damit erweist sich nach den vorstehenden Ausführungen die Anlassbeurteilung vom 20. Januar 2010 als rechtswidrig und ist die Auswahlentscheidung fehlerhaft. Der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers ist hierdurch verletzt, da sich nicht ausschließen lässt, dass er bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommt. Denn den Verwaltungsgerichten ist es verwehrt, hinsichtlich der Frage, ob die Auswahl des unterlegenen Bewerbers als möglich erscheint, eine Prognose über den Inhalt einer neu zu fertigenden Beurteilung anzustellen und ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Denn hierfür ist allein der Dienstherr zuständig. Mutmaßungen über den Inhalt einer neu zu fertigenden (Anlass-)Beurteilung sind vom Verwaltungsgericht nicht anzustellen und auch nicht nachzuvollziehen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 15.9.2010 - 5 ME 181/10 -, IÖD 2010, 256 = [...] Langtext, Rn. 12). Soweit der Antragsgegner mit ergänzenden Erwägungen versucht, die Auswahlentscheidung im Falle der Rechtswidrigkeit der Anlassbeurteilung vom 20. Januar 2010 zu rechtfertigen, folgt hieraus nicht die Unbegründetheit der Beschwerde. Denn nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich insoweit um eine nicht von § 114 Satz 2 VwGO gedeckte unzulässige Ergänzung der die Auswahlentscheidung tragenden Ermessenserwägungen (vgl. zur grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen Verfahrensweise Nds. OVG, Beschl. v. 9.5.2008 - 5 ME 50/08 -; Beschl. v. 23.6.2008 - 5 ME 108/08 -). Die Möglichkeit der Ergänzung von Ermessenserwägungen nach § 114 Satz 2 VwGO findet ihre Grenzen dort, wo das Wesen der ursprünglichen Auswahlentscheidung verändert wird, indem die auswählende Behörde sie gleichsam mit einem neuen argumentativen Unterbau versieht (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 15.11.2010 - 5 ME 244/10 -, [...] Langtext, Rn. 25 m.w.N.).
Abschließend weist der Senat darauf hin, dass der Antragsgegner in den Fällen, in denen mehrere Beamte um einen Beförderungsdienstposten konkurrieren, einige von ihnen eine noch hinreichend aktuelle Regelbeurteilung haben und andere nach Ziffer 4.3 Abs. 2 BRL keine Regelbeurteilung haben, nicht gehalten ist, für alle in das Auswahlverfahren einbezogenen Beamte eine Anlassbeurteilung zu erstellen. Soweit die Regelbeurteilung noch ein hinreichend aussagekräftiges Bild über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beamten gibt (vgl. dazu Nds. OVG, Beschl. v. 18.3.2010 - 5 ME 297/09 -, [...]), ist für diese eine Anlassbeurteilung nicht zu fertigen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen beruht die Entscheidung auf § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind gemäß § 162 Abs. 3 VwGO nicht erstattungsfähig, weil die Beigeladene weder sich zur Sache geäußert noch einen Antrag gestellt und sich damit einem Kostenrisiko nicht ausgesetzt hat.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, 40, 47 Abs. 1 GKG. Der Streitwert beträgt die Hälfte desjenigen Betrages, der gemäß §§ 40, 47 Abs. 1, 52 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 GKG in einem Hauptsacheverfahren zum Zeitpunkt der Anhängigkeit des Beschwerdeverfahrens maßgeblich wäre. Er beläuft sich mithin auf 1/2 x 6,5 x (3.802,45 EUR <Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 12 NBesO> +76,47 EUR >Allg. Stellenzulage>) = 12.606,49 EUR.