Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.04.2018, Az.: 5 ME 36/18

Auswahlgespräch; Gesamturteil; Kommunalbeamter; Personalauswahlrichtlinie; wünschenswerte Kriterien

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
19.04.2018
Aktenzeichen
5 ME 36/18
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2018, 74137
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 14.02.2018 - AZ: 1 B 332/17

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Enthält die dienstliche Beurteilung von Kommunalbeamten ein abschließendes Gesamturteil, so ist dieses für den Leistungsvergleich in erster Linie maßgebend. Sieht eine Personalauswahlrichtlinie einen Leistungsvergleich vor, in dem neben dem zu 30 Prozent gewichtigen Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung die Durchschnittspunktzahl von Ausschärfungskriterien zu 30 Prozent und der Erfüllungsgrad (beurteilungsfremder) "wünschenswerter Kriterien" zu 40 Prozent zu berücksichtigen sind, steht sie nicht im Einklang mit dem Grundsatz des Bestenauslese.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 1. Kammer - vom 14. Februar 2018 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 30.381,66 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen keine Abänderung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin, das dem Dienstposten „Fachdienstleiter im Fachbereich Ordnung (Kennung 32/41)“ zugeordnete Beförderungsamt nach der Besoldungsgruppe A 13 mit dem Beigeladenen zu besetzen, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Auswahlentscheidungen unterliegen als Akt wertender Erkenntnis lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sach-fremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 30.1.2003 - BVerwG 2 A 1.02 -, juris Rn. 11; Nds. OVG, Beschluss vom 15.11.2010 - 5 ME 244/10 -, juris Rn. 20; Beschluss vom 6.10.2011 - 5 ME 296/11 -, juris Rn. 3). Wenn der Dienstherr Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) erlassen hat, hat das Gericht auch zu kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten worden sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen im Einklang stehen. Erweist sich anhand dieses Maßstabs die Auswahlentscheidung als fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass der jeweilige Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommt, erscheint eine Auswahl des jeweiligen Antragstellers also jedenfalls möglich (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, juris Rn. 11 ff.; BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn. 32; Nds. OVG, Beschluss vom 8.9.2011 - 5 ME 234/11 -, juris Rn. 27), hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - wie hier - Erfolg. Dabei darf das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach Prüfungsmaßstab, -umfang und -tiefe nicht hinter einem Hauptsacheverfahren zurückbleiben (BVerwG, Urteil vom 4.11.2010, a. a. O., Rn. 32). Das bedeutet, dass sich die Verwaltungsgerichte nicht auf eine wie auch immer geartete summarische Prüfung beschränken dürfen, sondern eine umfassende tatsächliche und rechtliche Überprüfung der Bewerberauswahl vornehmen müssen.

Der zu beachtende rechtliche Rahmen ergibt sich aus dem in Art. 33 Abs. 2 GG statuierten Grundsatz der Bestenauslese, wonach öffentliche Ämter im statusrechtlichen Sinne nur nach Kriterien vergeben werden dürfen, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung betreffen. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die darüber Aufschluss geben, in welchem Maße der Beamte den Anforderungen des Amtes genügen wird. Der Dienstherr darf das Amt nur demjenigen Bewerber verleihen, den er aufgrund eines den Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG entsprechenden Leistungsvergleichs als den am besten geeigneten ausgewählt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn. 19). Dementsprechend darf die Bewerbung des Konkurrenten nur aus Gründen zurückgewiesen werden, die durch den Leistungsgrundsatz gedeckt sind (BVerwG, Urteil vom 4.11.2010, a. a. O., Rn. 21; Urteil vom 29.11.2012 - BVerwG 2 C 6.11 -, juris Rn. 10).

Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die aufgrund der „Personalauswahlrichtlinie der Stadt C.“ (Stand: 03/2017) getroffene Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Bestenauslese steht, weil die aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Antragstellerin und des Beigeladenen aufgrund der Anwendung dieser Richtlinie „massiv“ an Bedeutung verloren haben, während die Bedeutung anderer Merkmale, die sich insbesondere an den konkreten Anforderungen des zu besetzenden Dienstpostens orientieren, erheblich gewachsen ist (vgl. BA, S. 5). Die Personalauswahlrichtlinie der Antragsgegnerin verstößt gegen Art. 33 Abs. 2 GG.

Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Nach ständiger Rechtsprechung sind dies regelmäßig die aktuellen aussagekräftigen dienstlichen Beurteilungen (BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 20.6.2013, a. a. O., Rn. 21; Nds. OVG, Beschluss vom 10.10.2012 - 5 ME 235/12 -, juris Rn. 18; Beschluss vom 14.11.2013 - 5 ME 228/13 -, juris Rn. 12; Beschluss vom 5.6.2015 - 5 ME 93/15 -, juris Rn. 6), weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auf den aktuellen Stand abzustellen ist. Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013, a. a. O., Rn. 21 und Beschluss vom 19.12.2014 - BVerwG 2 VR 1.14 -, juris Rn. 35; Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016 - 5 ME 151/16 -, juris Rn. 9). Sofern Bewerber mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden sind, hat der Dienstherr (als weiteres unmittelbar leistungsbezogenes Kriterium) zunächst die dienstlichen Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen (Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016, a. a. O., Rn. 19 und Beschluss vom 1.12.2017 - 5 ME 204/17 -, juris Rn. 15). Sind die Bewerber auch nach der umfassenden inhaltlichen Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen („ausschärfende Betrachtung“) als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, ist für die Auswahlentscheidung (zunächst) auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen, ehe die Heranziehung nicht leistungsbezogener Hilfskriterien in Betracht kommt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.11.2012 - BVerwG 2 VR 5.12 -, juris Rn. 25 f; Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016, a. a. O., Rn. 23 ff.).

Demnach hat der Leistungsvergleich von Bewerbern grundsätzlich anhand ihrer aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu erfolgen, wobei zuerst auf die abschließenden Gesamturteile abzustellen ist. Nur wenn Bewerber mit dem gleichen Gesamturteil beurteilt worden sind, ist in einem zweiten Schritt - sofern keine abweichenden Binnendifferenzierungen vorliegen - eine ausschärfende Betrachtung dergestalt vorzunehmen, dass die aktuellen dienstlichen Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen sind. Erst wenn die Bewerber auch nach dieser umfassenden inhaltlichen Auswertung ihrer aktuellen dienstlichen Beurteilungen als gleich geeignet einzustufen sind, ist in einem dritten Schritt auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte wie die dienstliche Erfahrung, die Verwendungsbreite oder die Leistungsentwicklung der Bewerber abzustellen. Auch ein so genanntes strukturiertes Auswahlgespräch kann erst dann geführt werden.

Die Antragsgegnerin hat die „Personalauswahlrichtlinie der Stadt C.“ zwar ihrem Inhalt nach angewendet, diese Richtlinie sieht jedoch ein Auswahlverfahren vor, das den dargelegten Grundsätzen widerspricht.

Nach Abschnitt 5.3 Abs. 1 der Personalauswahlrichtlinie ist unter den Bewerbern, die die zwingenden Kriterien des Anforderungsprofils erfüllen, ein an Regel- oder Anlassbeurteilungen anknüpfender so genannter primärer Leistungsvergleich vorzunehmen. Der primäre Leistungsvergleich für interne Auswahlverfahren beinhaltet nach Abschnitt 5.3 Abs. 2 der Personalauswahlrichtlinie drei Einzelwertungen: das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung, die Durchschnittspunktzahl der Ausschärfungskriterien und den Erfüllungsgrad „wünschenswerter Kriterien“. Das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung zählt gemäß Abschnitt 5.3 Abs. 3 der Personalauswahlrichtlinie zu 30 Prozent. Dabei werden folgende Punkte zugrunde gelegt:

übertrifft die Anforderungen bei Weitem

5 Punkte

übertrifft die Anforderungen

4 Punkte

entspricht den Anforderungen

3 Punkte

entspricht noch nicht vollständig den Anforderungen

2 Punkte

entspricht noch nicht den Anforderungen

1 Punkt.

Nach Abschnitt 5.3 Abs. 4 der Personalauswahlrichtlinie zählt die gewichtete Punktzahl der Ausschärfungskriterien zu 30 Prozent. Dabei werden folgende Punktwerte festgelegt:

bestmögliche Beurteilungsstufe

5 Punkte

zweitbeste Beurteilungsstufe

4 Punkte

Mittelstufe

3 Punkte

zweitunterste Beurteilungsstufe

2 Punkte

schlechteste Stufe

1 Punkt.

Der Erfüllungsgrad „wünschenswerter Kriterien“ zählt gemäß Abschnitt 5.3 Abs. 5 der Personalauswahlrichtlinie im primären Leistungsvergleich zu 40 Prozent. Es werden folgende Punktwerte für die Erreichung der „wünschenswerten Kriterien“ vergeben:

übertrifft die Erwartungen bei Weitem

5 Punkte

erfüllt das Kriterium in besonderem Umfang

4 Punkte

erfüllt das Kriterium

3 Punkte

erfüllt das Kriterium in geringem Umfang

2 Punkte

erfüllt das Kriterium nicht

1 Punkt.

Sollten keine „wünschenswerten Kriterien“ im Anforderungsprofil benannt sein, zählen das Gesamtergebnis der Beurteilung und die Ausschärfung der Beurteilung je zu 50 Prozent.

Nach Abschnitt 5.3 Abs. 6 der Personalauswahlrichtlinie ergibt sich das Gesamtergebnis des primären Leistungsvergleichs durch Addition der Ergebnisse aus den drei Einzelwertungen. Abschließend werden die Gesamtpunktzahlen aus dem primären Leistungsvergleich der Bewerber miteinander verglichen. Als im Wesentlichen gleich gelten dabei alle Gesamtpunktzahlen, die maximal 0,5 Punkte von der besten Gesamtpunktzahl abweichen, vgl. Abschnitt 5.3 Abs. 7 der Personalauswahlrichtlinie.

In Anwendung der Personalauswahlrichtlinie erreichte die Antragstellerin ein Gesamtergebnis von 4,48 Punkten, wobei sie für das in ihrer aktuellen dienstlichen Beurteilung erhaltene bestmögliche Gesamturteil „übertrifft die Anforderungen bei Weitem“ 1,5 Punkte, für die Bewertung der Ausschärfungskriterien 1,275 Punkte sowie für die „wünschenswerten Kriterien“ - 1. bestandene Ausbildereignungsprüfung, 2. Kenntnisse im Bereich des Ausländerrechts und des Melderechts, 3. gute Sprachkenntnisse mindestens der englischen Sprache und 4. interkulturelle Kompetenz - insgesamt 1,7 Punkte erhielt. Der Beigeladene erreichte ein Gesamtergebnis von 4,25 Punkten. Dieses setzt sich aus 1,2 Punkten für das in seiner letzten dienstlichen Beurteilung erreichte Gesamturteil „übertrifft die Anforderungen“ (= zweitbeste von insgesamt fünf Notenstufen), aus 1,35 Punkten für die Bewertung der Ausschärfungskriterien sowie aus insgesamt 1,7 Punkten für die oben benannten „wünschenswerten Kriterien“ zusammen. Ausgehend davon, dass die Differenz der Gesamtergebnisse weniger als 0,5 Punkte betrug, stufte die Antragsgegnerin die Antragstellerin und den Beigeladenen gemäß Abschnitt 5.3 Abs. 7 der Personalauswahlrichtlinie als im Wesentlichen gleich geeignet ein und führte ein strukturiertes Auswahlinterview durch, in dem der Beigeladene besser als die Antragstellerin bewertet und ihm deshalb der Vorzug gegeben wurde.

Angesichts dessen, dass die Antragstellerin im Gesamturteil eine Note besser beurteilt wurde als der Beigeladene, verletzte die Durchführung eines strukturierten Auswahlgesprächs den in Art. 33 Abs. 2 GG statuierten Grundsatz der Bestenauslese.

Das Vorbringen der Antragsgegnerin ist nicht geeignet, die rechtlichen Bedenken gegen ihre in Anwendung der Personalauswahlrichtlinie getroffene Auswahlentscheidung zu entkräften. Entgegen ihrer Ansicht stellt die Personalauswahlrichtlinie die von der Rechtsprechung vorgegebene Wertungsrangfolge der Auswahlinstrumente, nach der die dienstlichen Beurteilungen vor der Heranziehung weiterer Erkenntnisquellen auszuwerten sind, in Frage (vgl. Beschwerdebegründung - BB - vom 16.3.2018, S. 2 [Bl. 170/GA]). Bereits der Wortlaut des Abschnitt 5.3 Abs. 1 der Personalauswahlrichtlinie deutet darauf hin, dass die Antragsgegnerin den aktuellen dienstlichen Beurteilungen bei dem von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Leistungsvergleich der Bewerber um ein Beförderungsamt nicht die grundlegende Bedeutung zumisst, die ihnen zukommt. Denn dort wird lediglich ein an Regel- und Anlassbeurteilungen „anknüpfender Vergleich“ der Bewerber verlangt. Dementsprechend sieht Abschnitt 5.3 Abs. 5 der Personalauswahlrichtlinie vor, dass im primären Leistungsvergleich nicht nur die Gesamtnote und Ausschärfungskriterien herangezogen werden, sondern auch „wünschenswerte Kriterien“. „Wünschenswerte Kriterien“ sind nach Abschnitt 3.2 Buchst. b der Personalauswahlrichtlinie beispielsweise Berufserfahrung, besonderes Fachwissen, besondere Kenntnisse und Fähigkeiten wie zum Beispiel betriebswirtschaftliche Kenntnisse oder andere Zusatzausbildungen, Kenntnisse im Umgang mit bestimmten EDV-Programmen sowie Sprachkenntnisse. Das solche „wünschenswerten Kriterien“ sich typischerweise nicht aus der dienstlichen Beurteilung ablesen lassen, räumt auch die Antragsgegnerin ein (BB vom 16.3.2018, S. 12 [Bl. 180/GA]).

Die Antragsgegnerin hat zwar darauf hingewiesen, dass sie „wünschenswerten Kriterien“ grundsätzlich zum Gegenstand eines konstitutiven Anforderungsprofils hätte machen können (BB vom 16.3.2018, S. 13 [Bl. 181/GA]). Dies hätte zur Folge gehabt, dass Bewerber, die ein rechtmäßig festgelegtes Anforderungsprofil nicht erfüllt hätten, gar nicht erst bei einem Leistungsvergleich zu berücksichtigen gewesen wären. Hat die Antragsgegnerin aber - wie hier - darauf verzichtet, die von ihr als „wünschenswert“ bezeichneten Kriterien als konstruktive Anforderungsmerkmale in ihr Anforderungsprofil aufzunehmen, so kann sie solche „beurteilungsfremden“ Kriterien nicht auf der ersten Stufe des Leistungsvergleichs neben den dienstlichen Beurteilungen berücksichtigen. Denn der Leistungsvergleich muss - um den Grundsatz der Bestenauslese zu wahren - zuerst anhand der aktuellen dienstlichen Beurteilungen der Bewerber vorgenommen werden. Im Übrigen folgt der Senat der Antragsgegnerin auch nicht, soweit sie der Ansicht ist, der Einfluss „wünschenswerter Kriterien“ sei derart untergeordnet, dass dies im Ergebnis nicht von dem „üblich“ anerkannten Vorgehen abweiche (BB vom 16.3.2018, S. 2 f. [Bl. 170 f./GA] und Bl. 12 ff. [Bl. 180 ff./GA]). Vielmehr zählt der Erfüllungsgrad „wünschenswerter Kriterien“ gemäß Abschnitt 5.3 Abs. 5 der Personalauswahlrichtlinie im primären Leistungsvergleich zu 40 Prozent, während das Gesamturteil und die Ausschärfungsmerkmale jeweils nur mit 30 Prozent gewichtet werden. Entsprechend hat die Antragstellerin für ihr bestmögliches Gesamturteil nur 1,5 Punkte, dagegen 1,7 Punkte für „wünschenswerte Kriterien“ erhalten. Der Beigeladene hat für sein zweitbestes Gesamturteil sogar nur 1,2 Punkte, hingegen für „wünschenswerte Kriterien“ - wie die Antragstellerin - 1,7 Punkte erhalten. Zudem gelten gemäß Abschnitt 5.3 Abs. 7 der Personalauswahlrichtlinie als im Wesentlichen gleich alle Gesamtpunktzahlen, die maximal 0,5 Punkte von der besten Gesamtpunktzahl abweichen. Sind die Bewertungen der Ausschärfungskriterien und der „wünschenswerten Kriterien“ gleich, beträgt die Differenz der Werte weniger als 0,5 Punkte, auch wenn ein Bewerber im Gesamturteil um eine Note besser beurteilt ist als sein Mitbewerber. Die Berücksichtigung der „wünschenswerten Kriterien“ im primären Leistungsvergleich zu 40 Prozent führt folglich dazu, dass Auswahlgespräche durchgeführt werden können, obwohl ein Bewerber - hier die Antragstellerin - ein um eine Notenstufe besseres Gesamturteil als der dasselbe Statusamt innehabende Mitwerber - hier der Beigeladene - hat. Angesichts dessen hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, die Anwendung der Personalauswahlrichtlinie führe dazu, dass die aktuelle dienstliche Beurteilung massiv an Bedeutung verliere, während andere Merkmale an Bedeutung gewännen (BA, S. 5).

Darüber hinaus steht die auf der Grundlage der Personalauswahlrichtlinie getroffene streitgegenständliche Auswahlentscheidung nicht im Einklang mit dem Grundsatz der Bestenauslese, weil die Antragsgegnerin bereits beim primären Leistungsvergleich neben dem Gesamturteil Ausschärfungskriterien berücksichtigt und ihnen das gleiche Gewicht zugemessen hat, obwohl für die Antragstellerin ein um eine Notenstufe besseres Gesamturteil als für den Beigeladenen vorgelegen hat. Nach Abschnitt 5.3 Abs. 4 der Personalauswahlrichtlinie zählt die gewichtete Punktzahl der Ausschärfungskriterien zu 30 Prozent. Diese Punktzahl fließt unmittelbar in die Gesamtpunktzahl ein (vgl. Abschnitt 5.3 Abs. 7 der Personalauswahlrichtlinie), auch wenn - wie hier - ein Bewerber ein um eine Notenstufe besseres Gesamturteil aufweist als der andere. Soweit das Bundesverwaltungsgericht und der beschließende Senat in ständiger Rechtsprechung annehmen, dass maßgebend für den Leistungsvergleich „in erster Linie“ das abschließende Gesamturteil der Beurteilung ist, dass durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist, (BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013, a. a. O., Rn. 21, und Beschluss vom 19.12.2014, a. a. O., Rn. 35; Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016, a. a. O., Rn. 9), so ist danach entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin kein Raum für die Reihenfolge der Auswertung von dienstlichen Beurteilungen eröffnet (vgl. BB vom 16.3.2018, S. 3 ff. [Bl. 171 ff./GA]). Denn danach sind „in erster Linie“, d. h. vor allem und auf der ersten Stufe, die Gesamturteile der Bewerber zu vergleichen. Nach gefestigter Rechtsprechung sind nur bei gleichen Gesamturteilen die Beurteilungen anschließend - „in zweiter Linie“ bzw. auf der zweiten Stufe - umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen, so genannte ausschärfende Betrachtung (BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014, a. a. O., Rn. 35; Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016, a. a. O., Rn. 16 ff. m. w. N.). Liegen hingegen - wie hier - unterschiedliche Gesamturteile der Bewerber vor, ist bereits aufgrund dieser Gesamturteile ein abschließender Leistungsvergleich möglich mit der Folge, dass es eine weitere ausschärfende Betrachtung der dienstlichen Beurteilungen ausgeschlossen ist.

Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil die Antragstellerin und der Beigeladene Kommunalbeamte sind, die sich jeweils um das dem (kommunalen) Dienstposten „Fachdienstleiter im Fachbereich Ordnung (Kennung 32/41)“ zugeordnete Beförderungsamt nach der Besoldungsgruppe A 13 beworben haben. Die Antragsgegnerin kann sich nicht darauf berufen, dass die Beurteilung von Kommunalbeamten nach § 44 Abs. 6 der Niedersächsischen Laufbahnverordnung (NLVO) nicht zwingend mit einem Gesamturteil abzuschließen ist. Richtig ist, dass die Antragsgegnerin nach dieser Regelung nicht dazu verpflichtet ist, ein Gesamturteil zu bilden. Ob gegen diese Regelung Bedenken bestehen oder nicht, kann vorliegend dahinstehen, denn die Antragsgegnerin hat sich im Rahmen der ihr danach zustehenden Gestaltungs- und Entscheidungsmacht dazu entschlossen, die dienstliche Beurteilung ihrer Kommunalbeamten mit einer Gesamtnote abzuschließen. Nach Abschnitt 5 Abs. 8 der „Beurteilungsrichtlinie der Stadt C.“ (Stand: 10/2016) schließt die Beurteilung mit einem Gesamturteil ab, welches sich in einer in Worten ausgedrückten Bewertung darstellt. Entsprechend enthalten die Beurteilungen der Antragstellerin und des Beigeladenen abschließende Gesamturteile.

Hat sich die Antragsgegnerin nach Abschnitt 5 Abs. 8 ihrer Beurteilungsrichtlinie dazu verpflichtet, die Beurteilungen ihrer Kommunalbeamten mit einem Gesamturteil abzuschließen, ist nicht ersichtlich, warum ein Gesamturteil gemäß Abschnitt 5.3 Abs. 3 der Personalauswahlrichtlinie nur zu 30 Prozent zählt und daneben Ausschärfungskriterien zu 30 Prozent gewichtet werden, vgl. Abschnitt 5.3 Abs. 4 der Personalauswahlrichtlinie. Das diesbezügliche Vorbringen der Antragsgegnerin, wonach Abschnitt 5 Abs. 8 der Beurteilungsrichtlinie nicht zu einer Selbstbindung hinsichtlich des getroffenen Gesamturteils führe und ein atypischer Fall vorliege (vgl. BB vom 16.3.2018, S. 4 ff. [Bl. 172 ff./GA]), führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Auch die von ihr zitierte Rechtsprechung, insbesondere der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg (- OVG 4 S 40.17 -, juris) stützt ihre Ansicht nicht, denn diese Entscheidung bezieht sich bereits nicht auf eine Beförderungsauswahlentscheidung, sondern auf die Auswahl zum Laufbahnaufstieg.

Es bestehen keine Bedenken gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Antragsgegnerin habe freiwillig den Kern der Regelung des § 44 Abs. 3 NLVO, nämlich die Bildung eines Gesamturteils als Ergebnis der Leistungsbeurteilung, in ihr Beurteilungssystem übernommen. Daher müsse sich die Antragsgegnerin auch im Rahmen eines Auswahlverfahrens hieran festhalten lassen und ihre Auswahlentscheidung primär am gebildeten Gesamturteil der Beurteilung orientieren (BA, S. 6). Nach der dargelegten gefestigten Rechtsprechung ist „in erster Linie“ auf Gesamturteile abzustellen und nur, wenn diese gleich sind, ist auf einer zweiten Stufe eine ausschärfende Betrachtung vorzunehmen. Hintergrund ist die besondere Bedeutung, die Gesamturteilen zukommt (BVerwG, Beschluss vom 21.12.2016 - BVerwG 2 VR 1.16 -, juris Rn. 40). Gesamturteile müssen sich nachvollziehbar und plausibel aus allen Einzelbewertungen einer dienstlichen Beurteilung herleiten lassen. Sie sind dabei nicht rechnerisch aus den Einzelbewertungen zu ermitteln. Stattdessen sind Gesamturteile durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden und bedürfen deshalb von vornherein grundsätzlich einer individuellen Begründung (BVerwG, Urteil vom 17.9.2015 - BVerwG 2 C 27.4 -, juris Rn. 32 ff.; Beschluss vom 21.12.2016, a. a. O., Rn. 39 ff.; Urteil vom 2.3.2017 - BVerwG 2 C 21.16 -, juris Rn. 63; Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016, a. a. O., Rn. 9, 21). Die Bildung eines Gesamturteils stellt einen komplexen Vorgang dar, denn (nur) dabei werden nicht nur einzelne, sondern alle Einzelbewertungen der dienstlichen Beurteilung berücksichtigt und gewichtet. Aus diesem Grund stellt das Gesamturteil auch den (zusammenfassenden) Abschluss dienstlicher Beurteilungen dar (vgl. § 44 Abs. 3 Satz 1 NLVO). Die Bedeutung eines solchen durch Gewichtung aller Einzelmerkmale gewonnenen komplexen Gesamturteils darf nicht - wie es Abschnitt 5.3 Abs. 3 und 4 der Personalauswahlrichtlinie vorgibt - durch die ausschärfende Betrachtung nur einiger Einzelbewertungen bereits im primären Leistungsvergleich erheblich relativiert werden. Unterscheiden sich die Gesamturteile von Bewerbern, hat bereits anhand dieser Gesamturteile ein abschließender Leistungsvergleich zu erfolgen. Liegen - wie hier - für Kommunalbeamte Gesamturteile vor, so darf deren besondere Bedeutung im Auswahlverfahren nicht wieder relativiert werden, in dem sie statt „in erster Linie“ nur zu 30 Prozent berücksichtigt werden.

Schließlich hat die Antragsgegnerin die Frage aufgeworfen, ob die Beurteilung des Beigeladenen möglicherweise an einem zu strengen Maßstab ausgerichtet worden ist (vgl. BB vom 16.3.2018, S. 15 f. [Bl. 183 f./GA]). Sie hat damit zwar die Rechtmäßigkeit der von ihren eigenen Beurteilern gefertigten Beurteilung bezweifelt, überzeugende Gründe für eine Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts hat sie jedoch nicht in der erforderlichen Weise dargetan. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass bereits im Rahmen der jeweiligen Beurteilung eine höher- bzw. unterwertige Beschäftigung zu berücksichtigen sei, eine automatische Herab- oder Heraufstufung der dienstlichen Beurteilung im Auswahlverfahren aufgrund einer höher- bzw. unterwertigen Beschäftigung jedoch nicht zu erfolgen habe (BA, S. 7). Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die von dem Beigeladenen wohl wahrgenommene höherwertige Tätigkeit bei seiner dienstlichen Beurteilung nicht angemessen berücksichtigt worden ist. Denn auf der ersten Seite seiner letzten dienstlichen Beurteilung ist vermerkt, dass der Beigeladene das Amt eines Stadtamtsrats (Besoldungsgruppe A 12) innehat, seine Stelle als Fachdienstleiter jedoch nach der Besoldungsgruppe A 13 bewertet ist. Auch das Vorbringen der Antragsgegnerin, die Aussage in Abschnitt 5 Abs. 3 der Beurteilungsrichtlinie führe unter Umständen dazu, dass derjenige, der - wie der Beigeladene - eine höherwertige Tätigkeit innehabe, strenger bewertet werde und umgekehrt diejenige, die unterwertig eingesetzt sei - wie die Antragstellerin -, besser abschnitte, führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Abschnitt 5 Abs. 3 der Beurteilungsrichtlinie lautet:

„Bedienstete, die seit der letzten Beurteilung in eine höherwertige Tätigkeit gelangt sind, sind nach den Anforderungen dieser höheren Position zu beurteilen. Der geänderte Prüfungsmaßstab kann dazu führen, dass die Bediensteten nach einer Beförderung schlechter bewertet werden als während der vor der Beförderung ausgeübten Tätigkeit, weil abgestellt auf den aktuellen Beurteilungsstichtag an die höhere Position vergleichbar höhere Anforderungen zu stellen sind.“

Mangels Beförderung des Beigeladenen im Beurteilungszeitraum ist diese Regelung nicht zur Anwendung gekommen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die beiden Beurteiler des Beigeladenen bereits von seiner Beförderung ausgegangen wären und deshalb den Maßstab angewendet hätten, der für Ämter der Besoldungsgruppe A 13 gilt.

Die Aussichten der Antragstellerin, in einem fehlerfreien Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, sind angesichts des Umstands, dass sie um eine Note besser beurteilt worden ist als der im selben Statusamt stehende Beigeladene und damit grundsätzlich über einen Leistungsvorsprung verfügt, zumindest offen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen waren nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen der Antragsgegnerin aufzuerlegen, weil der Beigeladene in diesem Verfahren keinen Antrag gestellt und sich deshalb auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts und ergibt sich aus §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).