Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.09.2011, Az.: 11 LA 198/11
Vorliegen von Verstreichen eines "nicht unerheblichen Zeitraums" zum Erlöschen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts bei Verlassen des Aufnahmemitgliedstaates mit den Kindern
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.09.2011
- Aktenzeichen
- 11 LA 198/11
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 25750
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0919.11LA198.11.0A
Rechtsgrundlage
- Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80
Fundstellen
- AUAS 2011, 242-245
- DVBl 2011, 1374
- InfAuslR 2011, 422-425
Amtlicher Leitsatz
Ein "nicht unerheblicher Zeitraum" im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Erlöschen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 ist jedenfalls dann verstrichen, wenn ein türkisches Ehepaar mit seinen minderjährigen, schulpflichtigen Kindern den Aufnahmemitgliedstaat verlässt, um das Familienleben zukünftig auf unabsehbare Dauer im Heimatland fortzuführen. Kurze Besuchsaufenthalte des einen Ehepartners ohne die übrigen Familienmitglieder im Aufnahmemitgliedstaat können in einem Fall der (Rück-)Übersiedllung in die Türkei das Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts dieses Familienmitglieds nicht verhindern.
Gründe
I.
Die 1974 geborene Klägerin zu 1) und ihre drei (jüngsten) zwischen 1994 und 1999 geborenen Kinder, die Kläger zu 2) bis 4), wenden sich gegen die ihnen vom Beklagten mit Bescheid vom 8. Oktober 2009 angedrohte Abschiebung in die Türkei und berufen sich zur Begründung im Wesentlichen darauf, dass eine der Klägerin zu 1) vormals erteilte (bzw. als solche nach dem Inkrafttreten desAufenthaltsgesetzes gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG fortgeltende) Niederlassungserlaubnis ebenso wenig durch einen mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei erloschen sei wie die den Klägern zu 2) bis 4) erteilten nationalen "Aufenthaltstitel"; ebenso bestünde jeweils ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht nachArt. 7 Abs. 1 ARB 1/80 fort.
Sie haben beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 8. Oktober 2009 aufzuheben und festzustellen, dass die Niederlassungserlaubnis der Klägerin zu 1) und die akzessorischen Aufenthaltserlaubnisse der Kläger zu 2) bis 4) nicht erloschen sind,
hilfsweise
den Beklagten ... zu verpflichten, den Klägern eine Niederlassungserlaubnis, weiter hilfsweise eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Beklagte habe zu Recht festgestellt, dass die Niederlassungserlaubnis der Klägerin zu 1) und die Aufenthaltserlaubnisse der Kläger zu 2) bis 4) als nationale Aufenthaltstitel durch ihren mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei gemäß § 51 AufenthG erloschen seien. Darüber hinaus stehe den Klägern weder aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 ein eigenständiges assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht in Form einer (deklaratorischen) Aufenthaltserlaubnis nach § 4 Abs. 5 AufenthG noch eine sonstige Aufenthaltserlaubnis zu, so dass auch die auf die Türkei bezogene Abschiebungsdrohung rechtmäßig sei.
II.
Der gegen dieses Urteil gerichtete Zulassungsantrag der Kläger hat keinen Erfolg, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe schon nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügend dargelegt worden und im Übrigen auch in der Sache nicht gegeben sind.
Hat somit das Zulassungsbegehren der Kläger keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, so kann ihnen für das Zulassungsverfahren auch keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden, § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO.
Besteht zwischen mehreren unterschiedlichen Beteiligten Streit über verschiedene Streitgegenstände bzw. Streitgegenstandsteile - wie hier aus den vorgenannten Gründen -, so muss sich aus der Begründung des Zulassungsantrages, um den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO an die Darlegung zu genügen, zunächst eindeutig ergeben, auf welchen dieser Streitgegenstände bzw. Streitgegenstandsteile sich das jeweilige Zulassungsvorbringen beziehen soll (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 24.5.2006 - 8 LA 139/05 -, GewArch 2009, 212 f.); dies gilt vorliegend zusätzlich deshalb, weil die Kläger den aus ihrer Sicht naheliegenden (Hilfs-)Antrag auf Feststellung, dass sie unverändert im Besitz eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts sind, jedenfalls ausdrücklich gar nicht gestellt haben, sich hierauf aber ihr Zulassungsvorbringen wesentlich bezieht.
Schon diesen Anforderungen an die Darlegung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO wird die Begründung des Zulassungsantrages der Kläger nicht gerecht, da sie auf den jeweiligen Streitgegenstand nicht ausdrücklich eingeht und auch sinngemäß keine eindeutige Zuordnung möglich ist. Die Ausführungen unter den Ziffern 1 bis 4 der Begründung des Zulassungsantrages beziehen sich offenbar auf ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht, ohne dass erkennbar ist, ob dieses Zulassungsvorbringen für alle Kläger gelten und ob es sich auf den Feststellungsantrag der Kläger zu 2) bis 4), einen (nach§ 88 VwGO als gestellt anzusehenden?) gesonderten Feststellungsantrag, den hilfsweisen - auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gerichteten - Verpflichtungs- oder den Anfechtungsantrag beziehen soll. Versucht man ungeachtet dessen das Zulassungsvorbringen den erstinstanzlich gestellten streitgegenständlichen Anträgen zuzuordnen, so hat der Zulassungsantrag auch im Übrigen keinen Erfolg.
Aus den unter Ziffer 5 der Begründung des Zulassungsantrages genannten Gründen bestehen keine ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass die der Klägerin zu 1) "erteilte" Niederlassungserlaubnis nach § 51 Abs. 1 Nr. 6 AufenthG erloschen ist.
Die Klägerin zu 1) setzt sich nicht mit der tragenden Begründung des Verwaltungsgerichts auseinander, dass es insoweit für das Erlöschen wesentlich auf den Grund und die Dauer des Auslandsaufenthaltes und nicht entscheidend auf den von ihr für maßgeblich erachteten Gesichtspunkt der Freiwilligkeit ihrer Ausreise ankommt. Ein pauschaler Verweis auf die Klagebegründung ersetzt die fehlende Auseinandersetzung mit der Begründung des Verwaltungsgerichts, das wiederum auf die Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 4.2.2010 - 11 ME 4/10 -) und des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 15.4.1998 - 1 B 6/98 -, [...]) Bezug genommen hat, nicht.
Ebenso wenig dringt die Klägerin zu 1) mit ihrem Vorbringen dazu durch, dass das Tatbestandsmerkmal des § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG "Sicherung des Lebensunterhaltes" im Wege "teleologischer Reduktion" vorliegend unbeachtlich sei und ihre Niederlassungserlaubnis somit jedenfalls nach § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG nicht erloschen sei, da sie die übrigen Voraussetzungen dieser Bestimmung erfülle. Die teleologische Reduktion einer Vorschrift setzt voraus, dass sie nach ihrem Wortlaut Sachverhalte in ihren Anwendungsbereich aufnimmt, die sie nach ihrem Regelungszweck oder dem Sinnzusammenhang des Gesetzes nicht erfassen soll (vgl. zum Folgenden Nds. OVG, Urt. v. 8.12.2005 - 8 LB 119/03 - OVGE 50, 381 ff.; [...], Rn. 43). In einem solchen Fall liegt eine verdeckte Regelungslücke vor. Die nach ihrem Wortlaut zu weit gefasste Vorschrift ist im Wege einer teleologischen Reduktion durch Hinzufügung der gebotenen Einschränkung auf den ihr nach Sinn und Zweck zukommenden Anwendungsbereich zurückzuführen (BVerwG, Urt. v. 20.06.2000 - 10 C 3/99 -, BVerwGE 111, 255, 257; BVerwG, Urt. v. 28.11.2002 - 3 C 44/01 -, DVBl. 2003, 677 ff.; BVerfG, Beschl. v. 30.3.1993 - 1 BvR 1045/89, 1 BvR 1381/90, 1 BvL 11/90 -, BVerfGE 88, 145, 166 f., Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Auflage, S. 375 f.). Hierzu besteht insbesondere dann Anlass, wenn die Vorschrift nur bei einer solchen einschränkenden Auslegung mit höherrangigem Recht vereinbar ist (BVerfG, Beschl. v. 6.4.2000 - 1 BvL 18/99 und 1 BvL 19/99 -, NVwZ 2000, 910 f.). Die teleologische Reduktion einer Vorschrift darf sich allerdings nur auf einen Teil der von ihrem Wortlaut erfassten Fälle beziehen (BVerfG, Beschl. v. 7.4.1997 - 1 BvL 11/96 -, NJW 1997, 2230 f.) und nicht im Widerspruch mit einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers stehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 6.4.2000, a.a.O.). Liegt danach eine verdeckte Regelungslücke vor, so steht ihrer Füllung durch Hinzufügung der gebotenen Einschränkung nicht der nur scheinbar eindeutige Wortlaut des Gesetzes entgegen (BVerwG, Urt. v. 28.5.1997 - 6 C 1/96 -, BVerwGE 105, 20, 23 f.).
Mit diesen Voraussetzungen für eine teleologische Reduktion setzt sich die Klägerin zu 1) nicht auseinander. Sie legt insbesondere nicht dar, warum insoweit die erforderliche planwidrige Regelungslücke vorliegen soll. Diese Annahme liegt auch deshalb fern, weil der Gesetzgeber in den Fällen des § 51 Abs. 2 Satz 2AufenthG, also bei Ausländern, die mit einem Deutschen in ehelicher Lebensgemeinschaft leben, ausdrücklich auf die nach dem hier einschlägigen Satz 1 dieser Bestimmung für sonstige Ausländer erforderliche, hier aber fehlende Sicherung des Lebensunterhaltes verzichtet. Einzelfallbezogene Umstände für die fehlende Sicherung des Lebensunterhaltes können eine teleologische Reduktion einer Norm nicht rechtfertigen. Schließlich enthält § 51 Abs. 2 Satz 1 AufenthG insoweit auch bewusst keine einzelfallbezogene Ausnahmeregelung, wie etwa § 104a Abs. 6 Satz 2 AufenthG.
Sollte sich das Vorbringen der Kläger zu 2) bis 4) unter Ziffer 8 auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Erlöschen ihnen vormals erteilter, nicht näher bezeichneter nationaler ("akzessorischer") Aufenthaltstitel durch ihren mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei nach § 51 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 AufenthG beziehen, so ergeben sich auch daraus keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung. Die Kläger übergehen, dass es nach § 51 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG grundsätzlich allein auf die Dauer ihrer Abwesenheit vom Bundesgebiet und jedenfalls nicht auf das Vorliegen "berechtigter" Gründe hierfür ankommt (vgl. Senatsbeschl. v. 9.4.2009 - 11 ME 484/08 -, [...], m.w.N.). Es kann daher offen bleiben, ob die unverändert nicht näher konkretisierten Aufenthaltstitel, die den Klägern zu 2) bis 4) vor ihrer Ausreise im Jahr 2006 zuletzt zustanden, nicht ohnehin bereits durch Zeitablauf erloschen sind.
Ebenso wenig führen die Einwendungen der Kläger gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, das ihnen vormals jeweils zustehende assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 sei durch ihre Ausreise erloschen, zur Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wobei aus den zuvor genannten Gründen offen bleiben muss, auf welchen ihrer in erster Instanz gestellten Anträge sich dieses Zulassungsvorbringen überhaupt beziehen soll.
Mit ihrem Vortrag unter Ziffer 1 der Begründung stützt die Klägerin zu 1) ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts zunächst darauf, dass sie nicht ununterbrochen drei Jahre außerhalb des Bundesgebiets gelebt habe, sondern immer wieder in Abständen eingereist und damit schon das erste zum Erlöschen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts notwendige (zeitliche) Merkmal des Verlassens des Aufnahmemitgliedstaates "für einen nicht unerheblichen Zeitraum" nicht gegeben sei. Dieser Einwand greift jedoch nicht durch. Es wird schon nicht deutlich, ob die Klägerin zu 1) einen Abwesenheitszeitraum von drei Jahren generell für unschädlich hält oder insoweit ihre zwischenzeitliche Rückkehr für maßgeblich erachtet. Beide Gesichtspunkte begründen aber keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Zwar ist in der Rechtsprechung des vorrangig auch zur Auslegung des ARB 1/80 berufenen Europäischen Gerichtshofes (vgl. etwa Urt. v. 22.12.2010 - C-303/08 -, Rn. 42, m.w.N.) noch nicht abschließend geklärt, ab welcher zeitlichen Grenze u.a. Rechte aus Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 erlöschen. Jedenfalls unter den hier vom Verwaltungsgericht festgestellten Voraussetzungen, nämlich bei einer Abwesenheit von mehr als drei Jahren, um unter Aufgabe u.a. auch des früheren Wohnsitzes im Bundesgebiet im Heimatland auf unbestimmte Zeit mit der Familie zu leben, - ist die Grenze des "nicht unerheblichen Zeitraums" aber unabhängig davon überschritten, ob man dafür eine Abwesenheit von mehr als sechs Monaten (vgl. Gutmann, GK-AufenthG, ARB 1/80, Art. 6, Rn. 257, Art. 7, Rn. 95; Huber, AufenthG, ARB 1/80, Art. 6, Rn. 71, Art. 7, Rn. 21) oder von mehr als zwei Jahren (vgl. Dienelt/Röseler, in: Renner, Ausländerrecht, 9. Aufl., 2011, § 4 AufenthG, Rn. 163; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 11.5.2010 - 12 B 26/09 -, [...], Rn. 38; Bayr. VGH, Beschl. v. 15.10.2009 - 19 CS 09.2193 und 2194 -, [...], Rn. 11, jeweils m.w.N.) für erforderlich hält oder - wie etwa der Senat in der Vergangenheit (Urt. v. 27.3.2008 - 11 LB 203/06 -, [...], Rn. 37) und das Bundesverwaltungsgericht (Urt. v. 30.4.2009 -1 C 6/08 -, [...], Rn. 27 f., jeweils m.w.N.) - unabhängig von festen zeitlichen Grenzen tragend darauf abstellt, ob der lange Auslandsaufenthalt geeignet ist, die Integration eines türkischen Familienangehörigen im Bundesgebiet grundlegend in Frage zu stellen. In allen vorgenannten Fallkonstellationen ist ein Erlöschen zu bejahen, wenn - wie hier - die gesamte türkische Familie mit minderjährigen, schulpflichtigen Kindern das Bundesgebiet verlässt, um das Familienleben zukünftig auf unabsehbare Dauer im Heimatland fortzuführen. Dass ein noch längerer Abwesenheitszeitraum erforderlich sei, legen die Kläger etwa unter Benennung einschlägiger Rechtsprechung oder Literatur nicht dar und drängt sich auch dem Senat nicht auf; aus der von den Klägern angeführten Kommentierung von Oberhäuser (HK-AuslR, ARB 1/80, Art. 7, Rn. 14) ergibt sich nichts anderes, da dort bei einem Abwesenheitszeitraum von mehr als zwei Jahren weitere Kriterien als ausschlaggebend angesehen werden, die hier ebenfalls zum Erlöschen führen, da die Kläger mit der Ausreise im Jahr 2006 auf unbestimmte Zeit ihren Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet aufgegeben haben.
An dieser Beurteilung, dass das zeitliche Erlöschensmerkmal gegeben ist, ändern die geltend gemachten, aber zeitlich nicht näher konkretisierten zwischenzeitlichen Besuchsaufenthalte der Klägerin zu 1) im Bundesgebiet nichts. Ebenso wenig wie vorübergehende besuchsweise kurzfristige Aufenthalte im Heimatland oder sonstigen Ausland der zeitabhängigen Entstehung eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts entgegenstehen oder zum Verlust eines solchen Rechts führen, weil sie nach dem Sinn und Zweck für die fortschreitende Integration in die Verhältnisse des Aufnahmemitgliedstaates unschädlich sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.4.2009, a.a.O., Rn. 26, m. N. aus der Rechtsprechung des EuGH), können umgekehrt solche kurzfristigen Besuchsaufenthalte, zumal ohne Familienangehörige, im Bundesgebiet bei einer erfolgten (Rück-)Übersiedlung in die Türkei das dadurch bedingte Erlöschen des assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts verhindern.
Die weitere Rüge der Klägerin zu 1), dass das Verwaltungsgericht das zweite zum Erlöschen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts notwendige Merkmal des "berechtigten Grundes" für das Verlassen des Aufnahmemitgliedstaates zu eng verstanden habe, beruht auf einer Fehlinterpretation des Urteils und kann deshalb ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung ebenfalls nicht begründen. Das Verwaltungsgericht hat die nähere Auslegung dieses Begriffes letztlich offen gelassen und insbesondere ausdrücklich nicht ausgeschlossen, dass solche - dem Erlöschen entgegenstehende - Gründe bei einem weitem Verständnis bereits dann gegeben sein können, wenn "eine türkische Staatsangehörige in einer soziokulturell bedingten psychischen Zwangslage, welche die freie Willensbetätigung wesentlich beeinträchtigt, einen Aufnahmemitgliedstaat verlässt und aus denselben Gründen an einer dauerhaften Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland gehindert ist". Es konnte so vorgehen, weil sich nach seinen Feststellungen die Klägerin zu 1) gerade nicht in seiner solchen Zwangslage befunden hat. Vielmehr habe ihr Entschluss, in das Bundesgebiet zurückzukehren, auf einem (späteren) schwerwiegenden Zerwürfnis der Eheleute beruht; ohne das (in der Türkei erfolgte) Scheitern ihrer Ehe wäre die Klägerin zu 1) danach in der Türkei verblieben. Der von den Klägern vermissten Entscheidung darüber, ob auch eine zuvor umschriebene "soziokulturelle Zwangslage" einen berechtigten Grund zum Verlassen des Bundesgebiets darstellen kann, bedurfte es daher aus tatsächlichen Gründen nicht; etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem - das Verwaltungsgericht für das Klageverfahren ohnehin nicht bindenden -Ausführungen im o. a. Senatsbeschluss vom 4. Februar 2010. Die danach entscheidende tatsächliche Feststellung des Verwaltungsgerichts, die Klägerin zu 1) habe sich nicht in einer Zwangslage befunden, ist wiederum von den Klägern nicht mit durchgreifenden Zulassungsrügen angegriffen worden.
Damit kommt es für die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch nicht darauf an, ob seine Hilfsüberlegung, die von den Klägern unter Ziffer 4 ihrer Zulassungsbegründung angegriffen wird, zutreffend ist, wonach ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht der Kläger jedenfalls auch deshalb erloschen wäre, weil es anderenfalls zu einer unzulässigen Besserstellung der Kläger als türkische Staatsangehörige im Verhältnis zu Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen käme.
Soweit schließlich mit den Ausführungen unter Ziffer 8 der Zulassungsbegründung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts geltend gemacht werden sollen, dass auch das assoziationsrechtliche Aufenthaltsrecht der Kläger zu 2) bis 4 ) nachArt. 7 Abs. 1 ARB 1/80 erloschen sei, so kann den Klägern auch insoweit nicht gefolgt werden. Dass die Kläger zu 2) bis 4) bei einem mehr als dreijährigen ununterbrochenen Aufenthalt in der Türkei und einem dortigen Schulbesuch, während dessen sie zuvor ggf. erworbene deutsche Sprachkenntnisse offenbar weitgehend wieder verloren haben, das zeitliche Erlöschensmoment erfüllt haben, unterliegt keinem Zweifel. Dass über den Aufenthaltsort minderjähriger Kinder grundsätzlich die Sorgeberechtigten entscheiden und damit für eine ggf. notwendige ergänzende Feststellung, ob die minderjährigen Kinder das Bundesgebiet freiwillig verlassen haben, auf die Willensbildung der maßgeblichen Sorgeberechtigten für ihre Kinder abzustellen ist (vgl. Senatsbeschl. v. 11.1.2008 - 11 ME 418/07 -, [...], Rn. 7), wird auch von den Klägern nicht bestritten. Soweit sie weiterhin vortragen, es habe jedenfalls an der danach notwendigen Freiwilligkeit der Willensbildung der Klägerin zu 1) (als Mitsorgeberechtigte) gefehlt, beruht dies auf der vom Verwaltungsgericht gerade verneinten Annahme, die Klägerin zu 1) habe sich in einer psychischen Zwangslage befunden. Zudem übergehen die Kläger, dass die Klägerin zu 1) sich zwischenzeitlich ohne ihren Ehemann im Bundesgebiet aufgehalten hat, und zwar im Jahr 2006 vorübergehend auch noch mit ihren Kindern, und insoweit bereits im Bundesgebiet die Möglichkeit gehabt hat, eine (gerichtliche) Sorgerechtsregelung zu ihren Gunsten zu beantragen.
Soweit sich die Kläger zu 2) bis 4) schließlich - offenbar hinsichtlich eines Anspruches auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis - auf den zum 1. Juli 2011 in Kraft getretenen § 25a AufenthG (und ggf. insoweit bestehende ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung) berufen, verkennen sie, dass Ansprüche nach solchen - zudem erst nach Abschluss der ersten Instanz in Kraft getretenen - ausländerrechtlichen Bestimmungen über einen humanitären Aufenthaltszweck schon nicht mehr zum Streitgegenstand dieses verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehören (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.1.2011 - 1 C 22/09 -, NVwZ 2011, 939 ff.). Im Übrigen verfügen die Kläger zu 2) bis 4) ersichtlich schon nicht über die danach erforderlichen Voraufenthaltszeiten von mindestens sechs Jahren seit ihrer Wiedereinreise.
Die Berufung kann auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO wegen "besonderer rechtlicher Schwierigkeiten" zugelassen werden. Dass die Entscheidung durch die Kammer und nicht durch den Einzelrichter ergangen ist, ist insoweit nicht ausschlaggebend (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 26.1.2011 - 8 LA 103/10 -, [...], Rn. 43, m.w.N.). Ebenso wenig ergeben sich solche Schwierigkeiten aus der von den Klägern vermissten näheren rechtlichen Konkretisierung des "berechtigten Grundes" als Tatbestandsmerkmal für das Erlöschen eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80. Denn auf die nähere Konkretisierung dieses Tatbestandsmerkmals kam es für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aus den genannten tatsächlichen Gründen nicht an. Für die Vorinstanz unerhebliche Rechtsfragen vermitteln dem Rechtsstreit aber grundsätzlich keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (vgl. Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl., § 124, Rn. 29).
Aus demselben Grund - also mangels erforderlicher Entscheidungserheblichkeit für das Verwaltungsgericht - führen die diesbezüglich von den Klägern unter den Ziffern 3 und 7 ihrer Begründung sinngemäß (Ziffer 3) bzw. ausdrücklich (Ziffer 7) zum Vorliegen eines "berechtigten Grundes" zum Verlassen des Bundesgebiets bei einer angenommenen Zwangslage aufgeworfenen Fragen nicht zur Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Insbesondere beruht die unter Ziffer 7a aufgeworfene Fragestellung ausdrücklich auf einem Sachverhalt, den das Verwaltungsgericht hinsichtlich der von den Klägern angenommenen Zwangslage gerade nicht festgestellt hat. Damit stellen sich auch nicht entscheidungserheblich die unter den Ziffern 7b und c angeführten weiteren Fragen, ob unter insoweit gleichen Voraussetzungen ein unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht verloren ginge und deshalb jedenfalls das assoziationsrechtliche Besserstellungsverbot zur Annahme zwinge, (auch) ein assoziationsrechtliches Aufenthaltsrecht der Kläger sei durch deren mehrjährigen Auslandsaufenthalt untergegangen. Fehlt den aufgeworfenen Fragen die Entscheidungserheblichkeit, so kommt eine Zulassung der Berufung auch nicht im Hinblick auf eine etwaige Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (vormals Art. 234 EGV) in Betracht.
Schließlich ist die Berufung auch nicht nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO wegen "fehlender Anhörung der Kläger" zuzulassen. Die Kläger benennen insoweit weder die Verfahrensbestimmung, die das Verwaltungsgericht verletzt haben soll, noch legen sie dar, dass hierauf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen soll. Ein solcher Verfahrensfehler ist auch nicht zu erkennen.
Eine ggf. von den Klägern vermisste informatorische Befragung (§ 103 Abs. 3, § 104 Abs. 1 VwGO) stellt nur ergänzenden Parteivortrag dar; es ist jedoch nicht zu erkennen, warum sie trotz anwaltlicher Vertretung insoweit nicht von sich aus zu einem solchen Parteivortrag in der Lage gewesen wären und warum ergänzender Vortrag erforderlich gewesen wäre. Zudem fehlen auch Angaben dazu, was sie über ihr bisheriges Vorbringen hinaus bei einer solchen informatorischen Befragung ergänzend vorgetragen hätten. Das Verwaltungsgericht hat insoweit auch nicht auf eine fehlende Glaubwürdigkeit der Kläger oder die Unglaubhaftigkeit ihrer Angaben abgestellt, sondern seine Überzeugung von der fehlenden Zwangslage der Klägerin zu 1) gerade auf deren eigene Angaben insbesondere vom 16. Dezember 2009 und ergänzend auf die Angaben ihrer Tochter B. gestützt.
Ebenso wenig war das Gericht verpflichtet, die Klägerin zu 1) und/oder auch die Kläger zu 2) und 3) förmlich nach § 96 Abs. 1 Satz 2, § 98 VwGO i.V.m. §§ 450, 455 ZPO als Beteiligte zu vernehmen. Denn auf der Grundlage der von der Klägerin zu 1) und der von der ältesten Tochter B. abgegebenen Erklärungen war es auch so zu einer Sachentscheidung in der Lage, so dass aus der insoweit maßgeblichen materiellrechtlichen Sicht des Verwaltungsgerichts eine Beteiligtenvernehmung als subsidiäres Beweismittel nicht in Betracht kam; dazu hätten nach Ausschöpfung aller anderen Beweismittel noch - hier fehlende - Zweifel bestehen müssen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.7.1996 - 3 B 44/96 -, [...], Rn. 11).
Einwände gegen die Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass sich die Klägerin zu 1) bei ihrer Ausreise und dem nachfolgenden mehrjährigen Aufenthalt in der Türkei nicht in einer Zwangslage befunden habe, die als berechtigter Grund anzusehen wäre und dem Erlöschen ihres assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 7 Abs. 1 ARB 1/80 entgegenstünde, haben die Kläger hingegen im Zulassungsverfahren nicht vorgetragen. Aus dem Vorbringen unter Ziffer 5 (Seite 7 oben) ergibt sich nicht anderes. Denn es bezieht sich auf die abweichenden Voraussetzungen für das Erlöschen nationaler Aufenthaltstitel nach § 51 Abs. 1 Nrn. 6 und 7, Abs. 2 AufenthG und rügt insoweit vorrangig vermeintliche Verfahrensmängel, nicht aber die davon zu unterscheidende Überzeugungsbildung des Verwaltungsgerichts nach § 108 Abs. 1 VwGO.