Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 17.03.2021, Az.: 5 ME 187/20
Bewerbungsverfahrensanspruch
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 17.03.2021
- Aktenzeichen
- 5 ME 187/20
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 70822
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 27.11.2020 - AZ: 3 B 18/20
Rechtsgrundlagen
- Art 33 Abs 2 GG
Gründe
I.
Streitgegenstand ist die Entscheidung des Antragsgegners, den nach der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage (A 16 + Z) bewerteten Dienstposten der Leitung des Finanzamtes A-Stadt mit der Beigeladenen zu besetzen.
Das Landesamt für E. Niedersachsen schrieb den Dienstposten am 1. Oktober 2019 aus. In der Stellenausschreibung hieß es u. a.:
„Sie können sich bewerben, wenn Sie noch keinen Dienstposten innehaben, der der Wertigkeit des ausgeschriebenen Dienstpostens entspricht, oder wenn der ausgeschriebene Dienstposten für Sie eine Fördermöglichkeit eröffnet. Vorrangig können Bewerbungen von Personen berücksichtigt werden, bei denen dienstliche oder schwerwiegende private Gründe vorliegen. Auf diese Fälle wird das Leistungsprinzip des Art. 33 Abs. 2 GG nicht angewandt.“
Der Inhaber des ausgeschriebenen Dienstpostens könnte nach dem Vorbringen des Antragsgegners in ein Amt der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage befördert werden (vgl. S. 3, S. 6 und S. 7 der Beschwerdebegründung des Antragsgegners vom 22.12.2020).
Auf die ausgeschriebene Stelle bewarben sich der Antragsteller und die Beigeladene.
Der im Jahr 1963 geborene Antragsteller steht im Statusamt eines Leitenden Regierungsdirektors (Besoldungsgruppe A 16). Ihm wurde mit Wirkung vom … 2017 der Dienstposten des Vorstehers des Finanzamtes für Großbetriebsprüfung F. übertragen, der nach der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage bewertet ist.
Die ebenfalls im Jahr 1963 geborene Beigeladene steht im Statusamt einer Regierungsdirektorin (Besoldungsgruppe A 15). Sie leitet seit … 2015 das Finanzamt G.. Ihr Dienstposten ist nach der Besoldungsgruppe A 15 bewertet.
Der Antragsgegner hielt in einem Vermerk vom 14. November 2019 fest, dass der Antragsteller nicht Beförderungs-, sondern Versetzungsbewerber sei, weil er bereits auf einem nach der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage bewerteten Dienstposten tätig sei. Da seiner Versetzung auf den ausgeschriebenen Dienstposten erhebliche dienstliche Gründe entgegenstünden, sei er aus dem Stellenbesetzungsverfahren auszuschließen. Der Beigeladenen sei als Beförderungsbewerberin in ihrer zum Stichtag … 2018 erstellten dienstlichen Beurteilung zwar die Eignung für einen nach der Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten und nicht auch die Eignung für einen nach der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage bewerteten Dienstposten zugesprochen worden. Da sie jedoch eine langjährig bewährte und in einer Amtsleitungsfunktion tätige Führungskraft sei, bestünden keine Bedenken dagegen, ihr den ausgeschriebenen Dienstposten zu übertragen.
Im Anschluss an ein lediglich mit der Beigeladenen im Dezember 2019 geführtes „Kennenlerngespräch“ hielt der Antragsgegner in einem Auswahlvermerk vom 5. Februar 2020 fest, es hätten sich keine Anhaltspunkte ergeben, die das Ergebnis des Vorauswahlvermerks änderten. Die Beigeladene sei die am besten geeignete Bewerberin.
Mit Bescheid vom 25. Februar 2020 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er den ausgeschriebenen Dienstposten mit der Beigeladenen besetzen werde.
Der Antragsteller hat daraufhin am 23. März 2020 bei dem Verwaltungsgericht Osna-brück Klage erhoben (3 A 58/20) und zugleich um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht.
Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat dem Antragsgegner mit Beschluss vom 27. November 2020 im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig, längstens bis zum Ablauf von zwei Wochen nach Bekanntgabe einer erneuten Auswahlentscheidung unter Einbeziehung des Antragstellers, untersagt, der Beigeladenen den am … 2019 ausgeschriebenen und nach der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage bewerteten Dienstposten der Leitung des Finanzamtes A-Stadt zu übertragen.
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde. Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegengetreten. Die Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.
Die von dem Antragsgegner dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen es nicht, die verwaltungsgerichtliche Entscheidung zu ändern und den Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Das Verwaltungsgericht ist im Ergebnis zutreffend zu der Einschätzung gelangt, dass der Antragsteller sowohl einen Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat.
1. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist ein Anordnungsgrund gegeben.
Nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats besteht für eine einstweilige Anordnung gegen die Besetzung einer Beförderungsstelle mit einem Konkurrenten regelmäßig ein Anordnungsgrund, weil die Ernennung des Konkurrenten im Falle der Feststellung, dass dieser sich auf der Beförderungsstelle bewährt hat, (grundsätzlich) unumkehrbar wäre und der Konkurrent selbst im Falle der zeitnahen Übertragung nur des umstrittenen Dienstpostens noch immer die Möglichkeit hätte, auf der streitigen Stelle einen Bewährungsvorsprung vor dem unterlegenen Bewerber zu erreichen (Nds. OVG, Beschluss vom 3.1.2017 - 5 ME 157/16 -, juris Rn 17 m. w. N.). Hieran hat der beschließende Senat auch mit Blick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 10.5.2016 - BVerwG 2 VR 2.15 -, juris) weiter festgehalten (Nds. OVG, Beschluss vom 3.1.2017, a. a. O., Rn 19 ff.; Beschluss vom 1.8.2018 - 5 ME 105/18 -; Beschluss vom 4.2.2019 - 5 ME 172/18 -; Beschluss vom 27.11.2019 - 5 ME 158/19 -; Beschluss vom 22.5.2020 - 5 ME 76/20 -, juris Rn 50).
Der Antragsgegner kann demgegenüber nicht mit Erfolg unter Berufung unter anderem auf Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 16.10.2003 - 1 B 1348/03 -, juris) und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (Beschluss vom 11.11.2008 - 3 CE 08.2643 -, juris) geltend machen, ein Anordnungsgrund sei deshalb nicht gegeben, weil der Antragsteller, anders als die Beigeladene, nicht ein Beförderungsbewerber, sondern ein Versetzungsbewerber sei (vgl. zu dieser Rechtsprechung bereits kritisch Nds. OVG, Beschluss vom 10.4.2012 - 5 ME 44/12 -, juris Rn 13 f.; vgl. auch OVG M.-V., Beschluss vom 21.5.2007 - 2 M 165/06 -, juris Rn 21). Denn der Antragsteller ist als Inhaber eines Statusamtes der Besoldungsgruppe A 16 (ohne Amtszulage) bezogen auf den ausgeschriebenen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage, auf dem nach dem Vorbringen des Antragsgegners auch eine Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage erfolgen kann (vgl. S. 3, S. 6 und S. 7 der Beschwerdebegründung des Antragsgegners vom 22.12.2020), ein Beförderungsbewerber. Insoweit ist unerheblich, dass dem Antragsteller schon jetzt ein nach der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage bewerteter Dienstposten übertragen ist. Denn dem Antragsteller ist noch nicht das dazugehörige Statusamt der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage übertragen worden. Der Antragsteller ist vielmehr nach wie vor (lediglich) Inhaber eines nach der Besoldungsgruppe A 16 (ohne Amtszulage) bewerteten Amtes.
Das Amt der Besoldungsgruppe A 16 (ohne Amtszulage) ist geringer wertiger als das Amt der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage. Die einem Amt innewohnende Wertigkeit kommt in der Besoldungshöhe zum Ausdruck. Bei Ämtern mit - wie hier - aufsteigenden Grundgehältern ist bei der Prüfung der Höherwertigkeit von Statusämtern nicht maßgeblich auf das konkrete (je nach Erfahrungsstufe unterschiedliche) Grundgehalt, sondern auf das Endgrundgehalt abzustellen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 28.1.2020 - 5 ME 166/19 -, juris Rn 28 m. w. N.). Der Antragsteller erhält zurzeit Besoldung aus dem Amt der Besoldungsgruppe A 16 (ohne Amtszulage). Im Falle der Beförderung auf dem ausgeschriebenen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage würde der Antragsteller zusätzlich zu dem Endgrundgehalt der Besoldungsgruppe A 16 die Amtszulage gemäß § 37 NBesG in Verbindung mit der Fußnote 3 zur Besoldungsgruppe A 16 und der Anlage 8 zu § 37 NBesG erhalten, die sowohl im Zeitpunkt der Einleitung des ersten als auch des zweiten Rechtszugs 242,34 EUR betragen hat. Seine Besoldung würde sich somit als Inhaber eines dann höherwertigen Statusamtes nicht unerheblich erhöhen. Auch wenn sich das Amt der Besoldungsgruppe A 16 (ohne Amtszulage) und das Amt der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage nur durch eine Amtszulage unterscheiden, handelt es sich gleichwohl um zwei statusrechtlich verschiedene Ämter. Denn die Amtszulage ist gemäß § 37 Satz 2 NBesG unwiderruflich und gilt als Bestandteil des Grundgehalts. Sie führt dauerhaft zu einer höheren Besoldung und damit zu einem höheren Statusamt; sie ist auch versorgungsrechtlich zu berücksichtigen (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 NBeamtVG). Zudem ist vor der Beförderung in ein Amt mit Amtszulage das entsprechende Amt auszuschreiben. Sodann hat ein Auswahlverfahren stattzufinden. Auch für ein Amt mit Amtszulage haben sich Interessenten förmlich zu bewerben. Der jeweilige Dienstherr hat hinsichtlich der Besetzung eines Amtes mit Amtszulage eine Auswahlentscheidung zu treffen und diese zu dokumentieren. Die Ernennung wird gemäß § 8 Abs. 4 NBG grundsätzlich erst mit dem Tag der Aushändigung der Ernennungsurkunde hinsichtlich des Amtes mit Amtszulage wirksam (vgl. entsprechend zu dem Amt der Besoldungsgruppe R 3 und dem Amt der Besoldungsgruppe R 3 mit Amtszulage: Nds. OVG, Beschluss vom 1.12.2017 - 5 ME 204/17 -, juris Rn 23 f.).
Der Antragsgegner kann ferner nicht mit Erfolg geltend machen, ein Anordnungsgrund sei auch deshalb nicht gegeben, weil die Beigeladene auf der streitigen Stelle dem Antragsteller gegenüber keinen Bewährungsvorsprung erreichen könnte, da sich der Antragsteller bereits auf seinem jetzigen A 16 mit Amtszulage Dienstposten bewährt habe. Insoweit lässt der Antragsgegner außer Acht, dass die Beigeladene, der bislang unstreitig nicht die Eignung für ein Amt der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage zuerkannt worden ist, bei einer schon jetzt erfolgenden Übertragung des streitigen Dienstpostens der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage die Möglichkeit hätte, den zurzeit unstreitig bestehenden Bewährungsvorsprung des Antragstellers aufzuholen. Die Chancen des Antragstellers, den streitigen Beförderungsdienstposten zu erhalten, würden sich mithin ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung verschlechtern.
2. Entgegen der Ansicht des Antragsgegners ist auch ein Anordnungsanspruch gegeben. Der Antragsgegner hat durch den Ausschluss des Antragstellers aus dem Bewerbungsverfahren und die Fortführung des Bewerbungsverfahrens allein mit der Beigeladenen den aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt.
Auswahlentscheidungen unterliegen zwar als Akt wertender Erkenntnis lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung. Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat, ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat (BVerwG, Urteil vom 30.1.2003 - BVerwG 2 A 1.02 -, juris Rn 11; Nds. OVG, Beschluss vom 15.11.2010 - 5 ME 244/10 -, juris Rn 20; Beschluss vom 6.10.2011 - 5 ME 296/11 -, juris Rn 3; Beschluss vom 1.12.2017, a. a. O., Rn 13). Erweist sich anhand dieses Maßstabs die Auswahlentscheidung jedoch als fehlerhaft und lässt sich nicht ausschließen, dass der jeweilige Antragsteller bei einer erneuten Auswahlentscheidung zum Zuge kommt, erscheint eine Auswahl des jeweiligen Antragstellers also jedenfalls möglich (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24.9.2002 - 2 BvR 857/02 -, juris Rn 11 ff.; BVerwG, Urteil vom 4.11.2010 - BVerwG 2 C 16.09 -, juris Rn 32; Nds. OVG, Beschluss vom 8.9.2011 - 5 ME 234/11 -, juris Rn 27; Beschluss vom 1.12.2017, a. a. O., Rn 13), hat der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes - wie hier - Erfolg.
Art. 33 Abs. 2 GG gilt nicht nur bei der Einstellung in den öffentlichen Dienst, sondern auch bei Beförderungsentscheidungen (BVerwG, Beschluss vom 25.3.2010 - BVerwG 1 WB 37.09 -, juris Rn 21). Denn beide Entscheidungen betreffen die Begründung bzw. Änderung des Amtes im statusrechtlichen Sinne. Art. 33 Abs. 2 GG dient zum einen dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Besetzung der Stellen des öffentlichen Dienstes; dessen fachliches Niveau und rechtliche Integrität sollen gerade durch die ungeschmälerte Anwendung des Leistungsgrundsatzes gewährleistet werden. Zum anderen trägt die Vorschrift dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass sie ein grundrechtsgleiches Recht auf ermessens- und beurteilungsfehlerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründet (sog. Bewerbungsverfahrensanspruch). Jeder Bewerber um ein öffentliches Amt hat einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr seine Bewerbung nur aus Gründen zurückweist, die durch Art. 33 Abs. 2 GG gedeckt (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn 19 f.; Beschluss vom 19.12.2014 - BVerwG 2 VR 1.14 -, juris Rn 16 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018 - 5 ME 141/18 -, juris Rn 18) bzw. durch andere verfassungsrechtliche Belange gerechtfertigt sind.
Die aus Art. 33 Abs. 2 GG folgenden Bindungen für den Entscheidungsspielraum des Dienstherrn entfalten ihre Wirkungen vor allem bei der abschließenden Personalauswahl selbst. Art. 33 Abs. 2 GG hat jedoch auch (verfahrensrechtliche) Auswirkungen auf das Verwaltungsverfahren, das dieser Personalauswahlentscheidung vorgelagert ist, ebenso wie auf die „Organisationsgrundentscheidung“ (diesen Begriff verwendend etwa BVerwG, Beschluss vom 25.3.2010, a. a. O., Rn 26) im Hinblick auf den Bewerberkreis, die wiederum dem Verwaltungsverfahren vorgelagert ist (Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018, a. a. O., Rn 20 und Rn 22).
Art. 33 Abs. 2 GG gewährt zwar jedem Deutschen ein grundrechtsgleiches Recht auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt im statusrechtlichen Sinne nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung. Dies begründet jedoch kein Recht auf die Einrichtung und Besetzung von Stellen; die Zahl der im öffentlichen Dienst besetzbaren Stellen wird allein von der Organisationsgewalt der öffentlich-rechtlichen Körperschaft bestimmt. Die verfassungsrechtlich gewährleistete Organisationshoheit ermächtigt den Dienstherrn, die im Haushaltsplan ausgewiesenen Stellen nach organisations- und verwaltungspolitischen Bedürfnissen zu bewirtschaften (BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - BVerwG 2 C 23.03 -, juris Rn 20 f.). Wenn sich der Dienstherr dazu entschieden hat, eine Stelle zu besetzen, so unterfällt es seinem organisatorischen Ermessen, insoweit zwischen Umsetzung, Versetzung oder Beförderung zu wählen (BVerwG, Urteil vom 25.11.2004 - BVerwG 2 C 17.03 -, juris Rn 15 m. w. N.; BVerfG, Kammerbeschluss vom 20.9.2007 - 2 BvR 1972/07 -, juris Rn 13); die Ermessensausübung ist verwaltungsgerichtlich nur dahingehend überprüfbar, ob für die entsprechende Organisationsgrundentscheidung ein sachlicher Grund vorliegt (Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018, a. a. O., Rn 23).
Übt der Dienstherr sein Organisationsermessen fehlerfrei dahingehend aus, die Stelle mit Beamten zu besetzen, die auf den entsprechenden Dienstposten ohne Statusveränderung umgesetzt bzw. versetzt werden können und nimmt er dementsprechend in rechtsfehlerfreier Weise eine Beschränkung des Bewerberkreises auf Umsetzungs- bzw. Versetzungsbewerber vor, so haben die betreffenden Interessenten keinen Anspruch auf eine Auswahl nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, d. h. der Anwendungsbereich des Art. 33 Abs. 2 GG ist nicht eröffnet (BVerwG, Urteil vom 25.11.2004, a. a. O., Rn 15; Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2018, a. a. O., Rn 24). Dies gilt ebenso, wenn sich der Dienstherr im Rahmen der Organisationsgrundentscheidung zwar dafür entscheidet, eine Stelle im Wege der Beförderung zu besetzen, das Bewerberfeld aber in rechtsfehlerfreier Weise auf einen bestimmten Personenkreis einengt; auch in diesem Fall ist also für denjenigen, der in rechtmäßiger Weise aus dem Bewerberkreis ausgeschlossen wurde, ein Leistungsvergleich anhand der Maßstäbe des Art. 33 Abs. 2 GG nicht eröffnet. Es entspricht ständiger - vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandeter - verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung, dass der Dienstherr im Rahmen der ihm (von Verfassungs wegen) zukommenden Personal- und Organisationshoheit nicht gehindert ist, den Kreis der nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu vergleichenden Bewerber um ein öffentliches (Status-)Amt aufgrund sachlicher Erwägungen einzuengen; eine im Rahmen der Organisationsgrundentscheidung erfolgte Beschränkung des Bewerberkreises ist demnach zulässig, solange sie sachgerechten Kriterien folgt und nicht zu einem willkürlichen Ausschluss Einzelner führt (vgl. etwa BVerfG, Kammerbeschluss vom 11.11.1999 - 2 BvR 1992/99 -, juris Rn 6; Kammerbeschluss vom 20.9.2007, a. a. O., Rn 13 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 6.2.2017 - 5 ME 172/16 -, juris Rn 9; Beschluss vom 23.5.2018 - 5 ME 32/18 -, juris Rn 26; Beschluss vom 3.12.2018, a. a. O., Rn 24). Als sachliche, eine Beschränkung des Bewerberkreises rechtfertigende Gründe können Haushaltszwänge bzw. finanzpolitische Erwägungen in Betracht kommen (vgl. etwa OVG NRW, Beschluss vom 3.7.2001 - 1 B 670/01 -, juris Rn 11 f.; Hamb. OVG, Beschluss vom 29.12.2005 - 1 Bs 260/05 -, juris Rn 39; OVG LSA, Beschluss vom 1.2.2016 - 1 M 204/15 -, juris Rn 17 f.; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 17.8.2005 - 5 ME 100/05 -, juris Rn 3, Rn 16, Rn 22 und Rn 29 [im Hinblick auf einen seinerzeit bestehenden „Einstellungsstopp“]), zum Beispiel, wenn „Überhang-Personal“ einer geregelten, dauerhaften Verwendung zugeführt werden soll. Es ist grundsätzlich auch möglich, das Bewerberfeld auf Untereinheiten/bestimmte Dienststellen einer Behörde zu beschränken und sodann lediglich einen internen Leistungsvergleich anzustellen (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 16.3.2013 - 3 CE 13.307 -, juris Rn 34 ff.; OVG LSA, Beschluss vom 1.2.2016, a. a. O., Rn 13; Nds. OVG, Beschluss vom 6.2.2017, a. a. O., Rn 9 m. w. N.; Beschluss vom 3.12.2018, a. a. O., Rn 24).
Ausgehend von diesen Maßstäben hat der Antragsgegner den Antragsteller rechtsfehlerhaft aus dem Bewerbungsverfahren ausgeschlossen, weil er kein Beförderungsbewerber, sondern ein Versetzungsbewerber sei. Denn der Antragsteller ist - wie bereits unter II.1. der Gründe dieses Beschlusses im Einzelnen ausgeführt worden ist - als Inhaber eines statusrechtlichen Amtes der Besoldungsgruppe A 16 (ohne Amtszulage) im Hinblick auf die ausgeschriebene Stelle der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage ein Beförderungsbewerber. Der Antragsgegner hat mit der Beschwerdebegründung vom 22. Dezember 2020 (S. 5) ausdrücklich und zutreffend unter Verweis auf den Vermerk der H. Niedersachsen vom 1. Februar 2011 dargelegt, dass der in der Stellenausschreibung vom … 2019 enthaltene Satz
„Sie können sich bewerben, wenn Sie noch keinen Dienstposten innehaben, der der Wertigkeit des ausgeschriebenen Dienstpostens entspricht, oder wenn der ausgeschriebene Dienstposten für Sie eine Fördermöglichkeit eröffnet.“
Beförderungsbewerber umfasst. Zu diesem Personenkreis gehört mithin auch der Antragsteller, weil er noch nicht das statusrechtliche Amt der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage innehat.
Es ist entgegen der Ansicht des Antragsgegners rechtlich unerheblich, dass der Antragsteller schon jetzt bei dem Finanzamt für Großbetriebsprüfung F. einen Dienstposten der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage innehat und dass er sich vor dem Beginn des gerichtlichen Verfahrens möglicherweise selbst (rechtsirrig) als Versetzungsbewerber eingestuft hat. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass der Antragsteller aus den genannten Gründen ein Beförderungsbewerber ist, weil er auf dem ausgeschriebenen Dienstposten die Möglichkeit hat, in das im Vergleich zu seinem jetzigen statusrechtlichen Amt der Besoldungsgruppe A 16 (ohne Amtszulage) höherwertige statusrechtliche Amt der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage befördert zu werden. Dass der Inhaber des ausgeschriebenen Dienstpostens in ein Amt der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage befördert werden kann, hat der Antragsgegner in seiner Beschwerdebegründung wiederholt deutlich gemacht (vgl. S. 3, S. 6 und S. 7 der Beschwerdebegründung des Antragsgegners vom 22.12.2020).
Es ist entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch rechtlich unerheblich, dass der ausgeschriebene Dienstposten der Leitung des Finanzamtes A-Stadt dem Antragsteller keine weitergehende Beförderungsmöglichkeit als sein jetziger Dienstposten bei dem Finanzamt für Großbetriebsprüfung F. bietet und dass dem Antragsteller nach der landesweiten Rangfolgenliste des Antragsgegners auf beiden Dienstposten zu demselben Zeitpunkt das statusrechtliche Amt der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage verliehen würde. Dieser Umstand lässt es angesichts der Vorgaben des Art. 33 Abs. 2 GG nicht zu, den Antragsteller als Beförderungsbewerber von dem Bewerbungsverfahren auszuschließen und ihm hierdurch die Möglichkeit zu nehmen, nicht im Finanzamt für Großbetriebsprüfung F., sondern in einem anderen Finanzamt das angestrebte Beförderungsamt zu erhalten.
Der Antragsgegner hätte mithin den Antragsteller in die Bewerberauswahl einbeziehen und die Auswahlentscheidung nach dem Grundsatz der Bestenauslese treffen müssen. Dies ist für Beförderungsbewerber auch ausdrücklich in dem von dem Antragsgegner vorgelegten Vermerk der H. Niedersachsen vom 1. Februar 2011 festgehalten worden.
Die Tatsache, dass der Bruder des Antragstellers in einem Amt der Besoldungsgruppe A 13 als Sachgebietsleiter im Finanzamt A-Stadt tätig ist, ist im Rahmen des hier zu überprüfenden Auswahlverfahrens nicht von Relevanz. Die Auswahlentscheidung ist vielmehr allein nach den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung zu treffen.
Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber in erster Linie auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind regelmäßig die aktuellen dienstlichen Beurteilungen (BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, juris Rn 12; Beschluss vom 20.6.2013, a. a. O., Rn 21; Nds. OVG, Beschluss vom 10.10.2012 - 5 ME 235/12 -, juris Rn 18; Beschluss vom 14.11.2013 - 5 ME 228/13 -, juris Rn 12; Beschluss vom 23.5.2014 - 5 ME 61/14 -; Beschluss vom 28.1.2020, a. a. O., Rn 11; Beschluss vom 10.8.2020 - 5 ME 99/20 -, juris Rn 18), weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auf den aktuellen Stand abzustellen ist.
Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil der aktuellen dienstlichen Beurteilungen, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013, a. a. O., Rn 21). Sofern aufgrund dieser aktuellen Beurteilungen von einer im Wesentlichen gleichen Beurteilung auszugehen ist, ist für die Auswahlentscheidung (zunächst) auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -, juris Rn 22 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 27.5.2005 - 5 ME 57/05 -, juris Rn 20; Beschluss vom 28.1.2020, a. a. O., Rn 12), ehe die Heranziehung nicht leistungsbezogener Hilfskriterien in Betracht kommt. Wenn Bewerber in der aktuellen dienstlichen Beurteilung mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden sind, hat der Dienstherr (als weiteres unmittelbar leistungsbezogenes Kriterium) zunächst die aktuellen Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen (BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014, a. a. O., Rn 35; Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016 - 5 ME 151/16 -, juris Rn 19; Beschluss vom 28.1.2020, a. a. O., Rn 12; Beschluss vom 10.8.2020, a. a. O., Rn 19). Sind die Bewerber auch nach der umfassenden inhaltlichen Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen („ausschärfende Betrachtung“) als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann die zuständige Behörde auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte abstellen. So kann sie zum Beispiel der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren dienstlichen Beurteilungen ergibt, Vorrang einräumen (BVerwG, Beschluss vom 22.11.2012 - BVerwG 2 VR 5.12 -, juris Rn 25 und Rn 37). Es ist aber auch nicht zu beanstanden, auf das leistungsbezogene Erkenntnismittel eines so genannten strukturierten Auswahlgesprächs zurückzugreifen (BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010 - BVerwG 1 WB 39.09 -, juris Rn 39; Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2014 - 5 ME 177/14 -, juris Rn 29; Beschluss vom 1.4.2016 - 5 ME 23/16 -; Beschluss vom 11.7.2016 - 5 ME 76/16 -; Beschluss vom 21.12.2016, a. a. O., Rn 23; Beschluss vom 28.1.2020, a. a. O., Rn 12; Beschluss vom 10.8.2020, a. a. O., Rn 19).
Die Aussichten des Antragstellers, in einem fehlerfreien Auswahlverfahren ausgewählt zu werden, sind angesichts des Umstandes, dass er ein höheres Statusamt als die Beigeladene innehat und dass ihm in seiner letzten dienstlichen Beurteilung zum Stichtag … 2018 die Eignung für ein Amt der Besoldungsgruppe A 16 mit Amtszulage zuerkannt worden ist, während der Beigeladenen in ihrer letzten dienstlichen Beurteilung zum Stichtag 1. Oktober 2018 lediglich die Eignung für ein Amt der Besoldungsgruppe A 16 zuerkannt worden ist, zumindest offen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren waren nicht gemäß § 162 Abs. 3 VwGO aus Billigkeitsgründen dem Antragsgegner aufzuerlegen, weil die Beigeladene im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und sich deshalb auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Streitwertfestsetzung ergibt sich für beide Rechtszüge aus §§ 40, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 GKG, bemisst sich also nach der Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhege-haltfähiger Zulagen. Das insoweit maßgebliche Endgrundgehalt (hierzu: Nds. OVG, Beschluss vom 11.11.2014 - 5 ME 157/14 -, m. w. N.) der Besoldungsgruppe A 16 hat sowohl im Zeitpunkt der Einleitung des ersten als auch des zweiten Rechtszugs 7.531,36 EUR betragen. Hinzu tritt die monatliche Amtszulage gemäß § 37 NBesG in Verbindung mit der Fußnote 3 zur Besoldungsgruppe A 16 und der Anlage 8 zu § 37 NBesG in Höhe von 242,34 EUR, die nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 NBeamtVG ruhegehaltfähig ist. Dementsprechend ergibt sich ein Streitwert in Höhe von 46.642,20 EUR (7.531,36 EUR + 242,34 EUR = 7.773,20 EUR; 7.773,20 EUR x 6 = 46.642,20 EUR); eine Halbierung für das Eilverfahren findet nicht statt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 16.5.2013 - 5 ME 92/13 -, juris Rn 28).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).