Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.01.2001, Az.: 13 Sa 1188/00 E

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
09.01.2001
Aktenzeichen
13 Sa 1188/00 E
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2001, 32990
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2001:0109.13SA1188.00E.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Oldenburg (Oldenburg) - 11.05.2000 - AZ: - 1 Ca 613/99

Tenor:

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg vom 11.05.2000, 1 Ca 613/99 E, wird zurückgewiesen.

    Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

    Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 5.400,- DM festgesetzt.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT, Sozial- und Erziehungsdienst/VKA. Er ist seit 1990 als Diplom-Sozialarbeiter bei der beklagten Stadt beschäftigt, seit dem 01.05.1992 erhält er Vergütung nach Vergütungsgruppe IV b BAT, seit dem 01.05.1996 zusätzlich eine monatliche Vergütungsgruppenzulage von 6 %. Gemäß Arbeitsplatzbeschreibung vom 04.01.1999, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, gliedert sich die Tätigkeit des Klägers in folgende 7 Arbeitsvorgänge:

Arbeitsvorgang

Zeitanteil in %

1.

Allgemeine sozialarbeiterische Betreuungs- und Beratungsaufgaben nach dem BSHG

8 %

2.

Hilfe zur Arbeit nach dem BSHG

60 %

3.

Tätigkeiten im Obdachlosenbereich

10 %

4.

Bearbeitung von Amtshilfeersuchen

1 %

5.

Anregung von Betreuungen nach dem BGB

1 %

6.

Außendiensttätigkeiten

10 %

7.

Praxisanleitung für die Anerkennungspraktikanten/innen

10 %

2

Im Bereich Hilfe zur Arbeit nach dem BSHG betreut der Kläger etwa 40 Hilfeempfänger, die schwerpunktmäßig im Grünflächenamt, bei Vereinen oder gemeinnützigen Einrichtungen eingesetzt werden. Er ist zuständig für Werkstätten, in denen als Anleiter 2 ABM-Kräfte beschäftigt werden. In der Regel ist er auch zuständig für 2 bis 3 Arbeitnehmer nach § 19 BSHG. Im obliegt die finanzielle Bewirtschaftung des Gesamtprojekts Hilfe zur Arbeit (70.000,- DM Haushaltsmittel), die Auftragsbeschaffung, Prüfung der Gemeinnützigkeit und ähnliches. Im Tätigkeitsbereich Obdachlose ist ihm auch die Bewirtschaftung und Unterhaltung der Unterkünfte übertragen.

3

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Arbeitsvorgänge Hilfe zur Arbeit und Odachlosenbereich erfüllten die Anforderungen der Heraushebung durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung im Sinne der Vergütungsgruppe IV a BAT. Ergänzend wird wegen des erstinstanzlichen Klägervorbringens Bezug genommen auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils.

4

Der Kläger hat die beantragt,

  1. festzustellen, dass der Kläger ab dem 01.01.1999 Vergütung nach Vergütungsgruppe IV a BAT zu beanspruchen hat.

5

Die Beklagte hat beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

6

Sie hat die Auffassung vertreten, die Heraushebungsmerkmale der Vergütungsgruppe IV a BAT seien nicht erfüllt.

7

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf das erstinstanzliche Urteil wird Bezug genommen.

8

Mit Berufung trägt der Kläger vor, die Projektleitung Hilfe zur Arbeit sei als besonders schwierige und bedeutende Tätigkeit anzusehen. Das Projekt sei von ihm selbständig erstellt und umgesetzt worden, ihm obliege die Beschaffung von Aufträgen, unterstellt seien 2 Praxisanleiter. Für die Gesamtleitung seien Sozialmanagementqualifikationen erforderlich, die über die üblichen Kenntnisse und Fähigkeiten eines Sozialarbeiters erheblich hinausgingen. Im Obdachlosenbereich obläge ihm die Bearbeitung von Zwangsräumung und die Prüfung möglicher Wiedereinweisung der Betroffenen oder Unterbringung in einer Obdachlosenunterkunft. Es handele sich um Entscheidungen mit weitreichenden Folgen, bei denen besondere rechtliche Voraussetzungen zu beachten seien. Die Bewirtschaftung der Obdachlosenunterkünfte sei ihm insgesamt zugewiesen. Im Obdachlosenbereich fielen damit Aufgaben an, die üblicherweise im Liegenschaftsamt bzw. im Ordnungsamt angesiedelt seien. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Berufungsbegründung sowie die Schriftsätze des Klägers vom 05.09.2000 und vom 12.12.2000.

9

Der Kläger beantragt:

  1. Das am 11.05.2000 verkündete und am 05.06.2000 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts Oldenburg, Az.: 1 Ca 613/99 wird abgeändert, es wird festgestellt, dass der Kläger ab dem 01.01.1999 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe IV a BAT zu beanspruchen hat.

10

Die Beklagte beantragt,

  1. die Berufung zurückzuweisen.

11

Sie verteidigt nach Maßgabe der Berufungserwiderung das erstinstanzliche Urteil.

Gründe

12

Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 64, 66 ArbGG, 518, 519 ZPO. Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Die Tätigkeit des Klägers erfüllt nicht die Anforderungen der Vergütungsgruppe IV a BAT.

13

Der Kläger ist ausgebildeter Diplom-Sozialarbeiter und mit entsprechender Tätigkeit betraut. Maßgebend für die Eingruppierung sind die Tätigkeitsmerkmale für den Sozial- und Erziehungsdienst/VKA. Die begehrte Eingruppierung setzt nach Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 16 voraus, dass sich die Tätigkeit mindestens zu 1/3 durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 heraushebt. Gemäß § 22 Abs. 2 BAT müssen damit zu mindestens 1/3 Arbeitsvorgänge vorliegen, die die Anforderungen der Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe erfüllen. Die Arbeitsplatzbeschreibung differenziert die Tätigkeit in 7 Arbeitsvorgänge. Da jeweils unterschiedliche Arbeitsbereiche mit abgrenzbaren Arbeitsergebnissen vorliegen, ist diese Bildung der Arbeitsvorgänge korrekt. Zweifelhaft kann allenfalls sein, ob es sich bei der Tätigkeit zu 5 (Anregung von Betreuungen) um einen eigenständigen Arbeitsvorgang handelt. Hierauf war jedoch nicht weiter einzugehen, da diese Tätigkeit mit 1 % Zeitanteil für die Entscheidung unerheblich ist.

14

Eine Bewertung der Arbeitsvorgänge ergibt, dass damit die Anforderungen der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 16 nicht erfüllt sind. Heraushebung durch besondere Schwierigkeit zu mindestens 1/3 kann nicht festgestellt werden.

15

Sozialarbeiter mit entsprechender Tätigkeit sind im Ausgangspunkt nach Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 10 eingruppiert. Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 ist erfüllt, wenn überwiegend schwierige Tätigkeit ausgeübt wird, schwierige Tätigkeit ist dabei in der Protokollnotiz Nr. 12 beispielhaft definiert. Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 16 verlangt demgegenüber eine weitere Heraushebung durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung.

16

Das Merkmal "besondere Schwierigkeit" ist erfüllt, wenn die fachlichen Anforderungen in beträchtlicher, gewichtiger Weise über die Anforderungen an schwierige Sozialarbeitertätigkeit nach Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 hinausgehen. Die erhöhte Qualifikation kann sich ergeben aus Breite und Tiefe des geforderten fachlichen Wissens und Könnens, aus außergewöhnlichen Erfahrungen oder Spezialkenntnissen. Weil im Verhältnis zu ... schwieriger Tätigkeit, beispielhaft erläutert im Protokollnotiz Nr. 12, eine weitere Heraushebung erforderlich ist, muss im Verhältnis zu den in Protokollnotiz 12 benannten Tätigkeiten eine beträchtliche Steigerung der fachlichen Anforderungen vorliegen (z. B.: BAG vom 23.10.1996, 4 AZR 235/95, AP Nr. 32 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter).

17

Arbeitsvorgang 1: Betreuungs- und Beratungsaufgaben nach BSHG.

18

Das BSHG ist für Sozialarbeiter ein zentrales Gesetz, Betreuung und Beratung nach diesem Gesetz sind für Sozialarbeiter/Sozialpädagogen als Standardaufgaben zu bewerten. Deshalb ist schwierige Tätigkeit, erst recht besonders schwierige Tätigkeit nicht erkennbar.

19

Arbeitsvorgang 2: Hilfe zur Arbeit nach BSHG.

20

Die Betreuung von Hilfeempfängern bei Einsatz für gemeinnützige Arbeiten, Heranführung an gewerbliche Arbeit durch arbeitstherapeutische Maßnahmen und Trainingsmaßnahmen, Unterstützung bei der Arbeitssuche, muss als Standardaufgabe eines ausgebildeten Sozialarbeiters bewertet werden. Die Einsatzbereiche, Gründflächenamt, Vereine oder gemeinnützige Einrichtungen, Fahrrad- und Tischlerwerkstatt bewegen sich im üblichen Rahmen. Die auftretenden Probleme, Arbeitsunwilligkeit, Ablehnung der Arbeitsanordnung, Unfähigkeit zu geregelter Arbeit, Notwendigkeit der Hilfestelle im persönlichen/familiären Bereich, erfordern zwar den Einsatz eines Sozialarbeiters. Die Tätigkeit ist aber allenfalls als schwierig im Sinne der Vergütungsgruppe IV b zu bewerten, eine weitere Heraushebung durch besondere Schwierigkeit ist nicht erfüllt. Auch die Leitung der Werkstätten und die damit verbundenen Aufgaben, Einsatz der Anleiter (ABM-Kräfte), Einsatz von Arbeitnehmern nach § 19 BSHG, Sachmittelverwendung, ergibt keine andere Bewertung. Soweit hier Kenntnisse und Fähigkeiten fachfremder Art (Personalführung-, handwerkliche Kenntnisse und Haushaltsrecht) einzusetzen sind, übersteigen sie nicht die Anforderungen, die an einen Fachhochschulabsolventen im öffentlichen Dienst zu stellen sind.

21

Dass das Projekt Hilfe zur Arbeit vom Kläger eigenverantwortlich erstellt wurde und unter seiner Leitung umgesetzt wird, rechtfertigt keine abweichende Bewertung. Für die Abfrage von Arbeitsmöglichkeiten im Grünflächenamt oder bei Vereinen, für Zuweisung von Arbeit an Hilfeempfänger ist nicht das Tätigwerden eines Sozialarbeiters erforderlich, dies kann auch ein Sachbearbeiter des mittleren Dienstes leisten. Gerade weil die Arbeit aufgrund einer Konzeption erfolgt, sozialpädagogische Betreuung der Hilfeempfänger erforderlich ist, ist der Kläger als Sozialarbeiter eingesetzt. In der Gesamtbewertung kann damit schwierige Tätigkeit anerkannt werden, nicht aber eine weitere Heraushebung durch besondere Schwierigkeit.

22

Arbeitsvorgang 3: Obdachlosenbereich.

23

Die Betreuung von Obdachlosen und die Betreuung bei drohender Obdachlosigkeit sind Aufgaben, die allenfalls als schwierig, nicht aber als besonders schwierig zu bewerten sind. Es ist nicht ersichtlich, dass über die Einarbeitung in die besonderen Probleme dieser Gruppe und die besonderen rechtlichen Probleme insbesondere im Mietrecht und Ordnungsrecht hinaus beträchtlich gesteigerte Kenntnisse und Fähigkeiten verlangt werden. Bei der Bewirtschaftung und Unterhaltung der Unterkünfte werden vom Kläger zwar fachfremde Kenntnisse und Fähigkeiten gefordert, dies aber nicht in einer Tiefe und Breite, die eine Eingruppierung nach Vergütungsgruppe IV a BAT rechtfertigen könnte.

24

Arbeitsvorgänge 4-7.

25

Tätigkeiten nach Vergütungsgruppe IV a BAT sind hier nicht ersichtlich. Zum Arbeitsvorgang 7, Anleitung für Anerkennungspraktikanten/innen, wird verwiesen auf BAG vom 08.10.1997, 4 AZR 680/95, AP Nr. 43 zu §§ 22/23 BAT Sozialarbeiter).

26

Da Arbeitsvorgänge, die die Anforderungen der Vergütungsgruppe IV a BAT Fallgruppe 16 erfüllen, nicht vorliegen, war die Berufung zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über den Wert des Streitgegenstandes auf § 12 Abs. 7 ArbGG. Gründe, die Revision zuzulassen, bestanden nicht.