Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.03.2001, Az.: 11 Ta 474/00
Versäumnisurteil wegen nicht ordnungsgemäßer Vertretung im Termin; Einschränkung des Vertretungsverbotes für kammerangehörige Rechtsbeistände im arbeitsgerichtlichen Verfahren; Vertretungsberechtigte Rechtsbeistände vor dem Arbeitsgericht; Geltung zivilprozessualer Grundsätze über die Terminsvertretung im arbeitsgerichtlichen Verfahren
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 14.03.2001
- Aktenzeichen
- 11 Ta 474/00
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 10906
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2001:0314.11TA474.00.0A
Rechtsgrundlagen
- § 330 ZPO
- § 11 Abs. 3 ArbGG
- § 25 EGZPO
- § 209 BRAO
Fundstelle
- BRAK-Mitt 2001, 147-148
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nienburg vom 09.10.2000 - 2 Ca 1045/00 - aufgehoben.
Das Arbeitsgericht Nienburg wird angewiesen, einen neuen Termin zur Entscheidung über den Antrag des Beklagten auf Erlaß eines Versäumnisurteils zu bestimmen, zu dem der Kläger nicht zu laden ist.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer dem Kläger am 28.08.2000 zugegangenen fristgemäßen Kündigung zum 31.10.2000.
Der Kläger hat gegen die Kündigung mit Schriftsatz eines Prozessbevollmächtigten vom 11.09.2000 Kündigungsschutzklage erhoben. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers ist Rechtsbeistand und als solcher Mitglied der Rechtsanwaltskammer. Im Gütetermin vom 26.09.2000 vor dem Arbeitsgericht ist für den Kläger dieser als Rechtsbeistand auf getreten. Daraufhin hat der Beklagte gerügt, dass der Kläger durch einen ... Rechtsbeistand in der mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß vertreten sei und hat beantragt, die Klage durch Versäumnisurteil abzuweisen.
Mit Beschluss vom 09.10.2000 hat das Arbeitsgericht den Antrag auf Erlass eines klageabweisenden Versäumnisurteils zurückgewiesen.
Zur Begründung hat das Arbeitsgericht ausgeführt, die Voraussetzungen für ein klageabweisendes Versäumnisurteil gem. § 330 ZPO lägen nicht vor, da der Kläger in der Güteverhandlung ordnungsgemäß durch den Rechtsbeistand vertreten gewesen sei. Zwar seien nach dem Wortlaut des § 11 Abs. 3 ArbGG Personen, die die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vor Gericht geschäftsmäßig betrieben, als Bevollmächtigte und Beistände in der ... mündlichen Verhandlung ausgeschlossen. Daran könne jedoch nach Anfügung des § 75 EG ZPO durch Gesetz vom 31.08.1998 nicht mehr festgehalten werden, weil von da an die gemäß § 209 der Bundesrechtsanwaltsordnung in die Rechtsanwaltskammer aufgenommenen Erlaubnisinhabern Rechtsanwälten im Sinne von § 157 Abs. 1 Satz und Abs. 2 Satz 1 ZPO gleichstünden. Damit könnten sie die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vor Gerichts geschäftsmäßig betreiben wie andere Rechtsanwälte auch. Die Aufnahme von § 157 ZPO in § 25 EG ZPO sei auf Anregung des Bundesrates erfolgt, woraus sich entnehmen lasse, dass der Gesetzgeber, Rechtsbeiständen ... Rechtsanwälten soweit als möglich gleichstelle wolle. Demgegenüber könne die Nicht Veränderung des Wortlautes des § 11 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nur als Versehen des Gesetzgebers angesehen werden.
Gegen diesen ihm am 16.10.2000 zugestellten Beschluss hat der Beklagte am 30.10.2000 sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, nach dem eindeutigen Wortlaut des § 11 Abs. 3 ArbGG seien Rechtsbeistände von der Vertretung in der mündlichen Verhandlung vor den Arbeitsgerichten ... ausgeschlossen.
Der Beklagte beantragt,
- den Beschluss vom 09.10.2000 aufzuheben,
- die Sache an das Arbeitsgericht Nienburg zurückzuverweisen und hierbei anzuordnen, dass unverzüglich ein neuer Termin zur ... Entscheidung über den Antrag auf Versäumnisurteil bestimmt und der Kläger zu diesem nicht geladen wird.
Der Kläger beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Er ist der Auffassung, er sei als Rechtsbeistand auch in der mündlichen Verhandlung vor den Arbeitsgerichten zugelassen. Dies ergebe sich aus § 25 EG ZPO i. V. m. § 157 ZPO. Der Wortlaut von § 157 Abs. 1 ZPO und § 11 Abs. 3 Satz 1 ArbGG sei identisch. Beide dienten dem selben Regelungszweck. § 25 EG ZPO stelle für § 157 Abs. 1 ZPO Rechtsbeistände, die gemäß § 209 der Bundesrechtsanwaltsordnung in die Kammer aufgenommen seien, Rechtsanwälten gleich. Dies müsse dann auch für die Vertretung nach dem ... Arbeitsgerichtsgesetz gelten, denn dass § 11 Abs. 3 ArbGG nicht in § 25 EG ZPO aufgenommen worden sei, beruhe auf einem Versehen des Gesetzgebers.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist begründet.
Auf die Beschwerde war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Arbeitsgerichts anzuweisen, einen neuen Termin zur Entscheidung über den Antrag auf Erlass eines Versäumnisurteils anzuberaumen, zu dem der Kläger nicht geladen wird.
Das Arbeitsgericht hat im Termin vom 26.09.2000 zu Unrecht den Erlass eines Versäumnisurteils mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei ordnungsgemäß vertreten gewesen. Dies ist nicht der Fall.
Nach § 11 Abs. 3 ArbGG sind mit Ausnahme der Rechtsanwälte Personen, die die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vor Gerichts geschäftsmäßig betreiben, als Prozessbevollmächtigte und Beistände in der mündlichen Verhandlung ausgeschlossen. Damit kann ein Rechtsbeistand, der die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vor Gericht geschäftsmäßig betreibt, zwar wirksam Klage beim Arbeitsgericht erheben, jedoch nicht vor Gericht in der mündlichen Verhandlung auftreten (vgl. BAG, Urteil vom 26.09.1996 - 2 AZR 661/95 - in AP Nr. 2 zu § 11 ArbGG 1979).
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ergibt sich aus § 25 EG ZPO nichts anderes. Zwar bestimmt diese Vorschrift, dass Rechtsbeistände, die gemäß § 209 des Bundesrechtsanwaltsordnung in die Kammer aufgenommen worden sind, unter anderem in den Fällen des § 157 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO einem Rechtsanwalt gleichstehen. Dies bedeutet zwar, dass im amtsgerichtlichen Verfahren Rechtsbeistände trotz des Wortlautes des § 157 Abs. 1 Satz 1 ZPO, der mit Ausnahme der Rechtsanwälte Personen, die die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vor Gericht geschäftsmäßig ... betreiben als Bevollmächtigte und Beistände in der mündlichen Verhandlung eigentlich ausschließt, Rechtsbeistände, die nach § 209 der ... Rechtsanwaltsordnung in die Kammer aufgenommen worden sind, dennoch vor Gericht in der mündlichen Verhandlung auftreten. Eine solche Einschränkung des Vertretungsverbots von Rechtsbeiständen in der mündlichen Verhandlung fehlt jedoch im Arbeitsgerichtsgesetz.
Die Zulassung von kammerangehörigen Rechtsbeiständen in der mündlichen Verhandlung trotz des Wortlautes des § 157 Abs. 1 ZPO durch § 25 EG ZPO kann auch nicht auf das arbeitsgerichtliche Verfahren übertragen werden. § 46 Abs. 1 ArbGG bestimmt eindeutig, dass für das Urteilsverfahren des 1. Rechtszuges die Vorschriften der Zivilprozessordnung über das Verfahren vor den Amtsgerichten entsprechendnur gelten, soweit das ... Arbeitsgerichtsgesetz nichts anderes bestimmt. Das Arbeitsgerichtsgesetz enthält anders als die Zivilprozessordnung eine solche Einschränkung des Vertretungsverbotes für kammerangehörige Rechtsbeistände in der mündlichen Verhandlung gerade nicht.
Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich insoweit um ein Versehen des Gesetzgebers gehandelt hat. Zwar hat der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 09.02.1996 betreffend die Einfügung eines § 25 in die EG ZPO, in dem die Gleichstellung von kammerangehörigen Rechtsbeiständen mit Rechtsanwälten vorgesehen gewesen ist, angeregt, dieses Gleichstellung überall dort vorzunehmen, wo dies möglich ist. Gleichwohl hat der ... Gesetzgeber bei der endgültigen Fassung des § 25 EG ZPO auf diese Anregung hin lediglich § 157 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 ZPO zusätzlich ... aufgenommen und nur insoweit lediglich für den Bereich der Amtsgerichte, angehörige Rechtsbeistände Rechtsanwälten gleichgestellt. Eine Änderung des Arbeitsgerichtsgesetzes oder eine Klarstellung dahingehend, dass dieses Regelung auch für das Verfahren vor den Arbeitsgerichten gelte, hat der Gesetzgeber auch aufgrund der Anregung des Bundesrates gerade nicht vorgenommen. Daraus kann nur geschlossen werden, dass davon bewußt Abstand genommen worden ist.
Von einer versehentlichen Nichtgleichstellung der kammerangehörigen Rechtsbeiständen in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht und der mündlichen Verhandlung vor dem Arbeitsgericht kann auch nicht deshalb ausgegangen werden, weil dafür sachliche Gründe nicht ersichtlich wären. Anders nämlich als bei den Amtsgerichten sind in arbeitsgerichtlichen Verfahren und auch in der mündlichen Verhandlung gemäß § 11 Abs. 1 ArbGG Vertreter von Gewerkschaften oder von Vereinigungen von Arbeitgebern vertretungsberechtigt. Dies läßt den Schluss zu, dass im ... arbeitsgerichtlichen Verfahren der Gesetzgeber wegen dieser Sonderregelung für eine weitere Vertretung von kammerangehörigen Rechtsbeiständen in der mündlichen Verhandlung des Arbeitsgerichts keinen Bedarf gesehen hat.
Auf die Beschwerde des Beklagten war daher der Beschluss des ... Arbeitsgerichts aufzuheben. Das Arbeitsgericht wird, ohne den Kläger zum Termin zu laden, in einem weiteren Termin über den Antrag des Beklagten auf Erlass eines Versäumnisurteils entscheiden müssen, da der Kläger im Termin vom 26.09.2000 nicht ordnungsgemäß vertreten und damit als ... nichterschienen anzusehen war.
Gegen diesen Beschluss, der Gerichtsgebührenfrei ergeht, ist ein weiteres Rechtsmittel nicht gegeben (§ 78 Abs. 2 ArbGG).